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Fachtagung zum Nature Restauration Law an der Universität für Bodenkultur

Es will doch keiner zurück auf die Bäume!

Am 27.11.2023 fand an der Universität für Bodenkultur eine vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung gemeinsam mit der österreichischen Gesellschaft für Landschaftsarchitektur organisierte Fachveranstaltung zum Nature Restauration Law statt. Unter den rund 100 Teilnehmenden waren Vertreter und Vertreterinnen der Bundesministerien, der Landesregierungen und der Landesumweltanwaltschaften, Fachleute aus Großstädten wie München, Salzburg und Wien, Experten und Expertinnen vom Umweltbundesamt, österreichischer Universitäten, der Bundesanstalt für Wald, Interessensvertretungen der Land- und Forstwirtschaft und der Umweltverbände sowie zahlreiche Planungsbüros und Beratungseinrichtungen im Bereich der Landnutzung.

von Ulrike Pröbstl-Haider erschienen am 02.02.2024
Fachtagung zum Nature Restauration Law an der Universität für Bodenkultur © Ulrike Pröbstl-Haider
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Integrierte Betrachtung diverser Landnutzungen

Ulrike Pröbstl-Haider von der BOKU führte in das Thema ein und stellte mithilfe von Fallbespielen die Konzeption des Nature Restauration Laws (NRL) vor. Hierzu gehört die differenzierte Betrachtung der Lebensraumtypen einerseits und sogenannter Gruppen andererseits, in denen ähnliche Lebensraumtypen zusammengefasst sind. Weiterhin stellte sie den – im Vergleich zu der FFH-Richtlinie – breiten Ansatz des NRLs vor, der die Mitgliedstaaten zwingt, den Schutz von Arten- und Lebensräumen im Verbund mit Energievorsorge, Klimawandelfolgen, Siedlungsräumen, forstlichen und landwirtschaftlichen Belangen spätestens ab 2030 auch außerhalb von Natura 2000-Gebieten zu entwickeln.

Effiziente und messbare Schutzziele

Thomas Elmauer vom Umweltbundesamt in Wien betonte die enge Verbindung des NRL mit der FFH-Richtlinie. Er beschrieb mithilfe von Kennzahlen des Umweltbundesamtes die aktuell defizitäre Umsetzung der FFH-Richtlinie in Österreich und anderen EU-Mitgliedstaaten, wo zaghaften Erfolgen des EU-Naturschutzes leider auch ein Stagnieren bzw. teilweise sogar eine weitere Verschlechterung der ungünstigen Erhaltungszustände von Arten und Lebensräumen gegenüberstehen. Aus seiner Sicht stellt das NRL eine große Chance dar, die Schwächen der FFH-Richtlinie zu adressieren und zu einem effizienten Schutz zu kommen. Er wies in seinem Vortrag jedoch auch auf unklare Aspekte, insbesondere im Bereich des Artenschutzes hin. Zu beachten sei weiterhin, dass das NRL bei Beschluss eine unmittelbare Wirkung besitzt und nicht wie die FFH- und Vogelschutzrichtlinie in nationales Recht implementiert werden müsste. Das bedeutet, dass - wenn das NRL als EU Verordnung verabschiedet wird - sehr rasch Handlungsbedarf besteht.

Flächenbedarf in der Agrarlandschaft

Rainer Oppermann, vom Institut für Agrarökologie und Biodiversität (ifab) in Mannheim (D) widmete seinen Vortrag dem Restaurierungsbedarf, der durch eine veränderte landwirtschaftliche Nutzung entstanden ist und beschrieb die Einflussfaktoren für den Artenverlust in der Feldflur. Bei vielen dieser Einflussfaktoren zum Beispiel in der maschinellen Ausstattung der Betriebe, der Schlaggröße oder der Bewirtschaftungsform (wie zum Beispiel Nachsaaten zur Gründüngung) könne das Rad nicht mehr zurückgedreht werden. Auf der Grundlage seiner Forschungen geht er in der Agrarlandschaft von einem Bedarf von mindestens 15 % an naturnahen Flächen aus, die sich aus Maßnahmen auf den bewirtschafteten Feldern (in-crop) und zusätzlichen Flächen (off-crop), wie Ackerrandstreifen, Feldgehölzen oder Hecken zusammensetzt.

Strategien für Klima- und Biodiversitätsschutz und intakte Ökosysteme

Vor dem Hintergrund einer globalen Polykrise und vor allem einer eng gekoppelten Klima- und Biodiversitätskrise hoben Rafaela Schinegger und Verena Radinger-Peer von der BOKU die Bedeutung intakter Ökosysteme und deren Ökosystemleistungen für die Gesellschaft heraus. Sie betonen, dass die integrative Sichtweise, die das NRL erfordere, mit entsprechenden raumbezogenen Abwägungen bei der örtlichen Raumplanung eine besondere Beachtung finden sollte. Sie kritisieren die bisherigen Regelungen in Naturschutz- und Raumplanungsgesetzgebung in den österreichischen Bundesländern. Die Ebene einer eigenständigen kommunalen und regionalen Landschaftsplanung zur Entwicklung geeigneter Strategien fehle. Außerdem sei eine Nationale Koordinationsstelle mit langfristigem, ausreichendem Budget für das Erreichen von Biodiversitäts- und Renaturierungszielen erforderlich.

Initiativen aufbauend auf bestehenden Strukturen, wie den Klimawandel-Anpassungsmodellregionen (KLAR!) oder Klima- und Energie-Modellregionen (KEM) könnten Ansatzpunkte für gemeinsames Handeln und eine integrierte Nutzungsabwägung liefern.

Leitbilder für eine integrierte Entwicklung

Thomas Knoll, Landschaftsplaner aus Wien, kritisiert die bislang erzielten Ergebnisse im Naturschutz am Beispiel der Natura 2000-Managementplanung. Generell seien wirksame Maßnahmen vielfach nur durch Ausgleichmaßnahmen von Großvorhaben erfolgt. Weiterhin betonte er, dass der Restaurierungsbedarf entsprechend den zu schützenden Arten und Lebensraumtypen in verschiedenen Landschaften sehr unterschiedlich sei. Es gäbe nicht einen universellen Renaturierungsbedarf. Auch die anderen Ansprüche an die Landschaft oder die Möglichkeiten der Gewinnung von erneuerbarer Energie seien sehr unterschiedlich. Deshalb kommt es aus seiner Sicht darauf an, integrative Leitbilder zu entwickeln, bei denen der lokale Renaturierungsbedarf in der Abwägung mit anderen Nutzungen, sozialen und wirtschaftlichen Belangen definiert und beschrieben wird.

Aufwand für Renaturierung am Beispiel Wildblumensaatgut

Christian Tramegger, von der KÄRNTNER SAATBAU e.Gen., beschrieb in seinem Vortrag den enormen Aufwand, den es bedarf, um geprüftes und zertifiziertes Saatgut für Wildblumen als Grundlage für artenreiche Dauerwiesen zu produzieren. Damit wurde nicht nur der Aufwand deutlich, der für eine Renaturierung erforderlich ist, sondern auch der Wert der Erhaltung artenreicher Bestände unterstrichen. Im Hinblick auf bestäubende Arten stehen ebenfalls bereits geeignete Mischungen zur Verfügung, die helfen können, in der Feldflur, aber auch in urbanen und peri-urbanen Räumen diese Arten zu unterstützen.

Kommunikation, Freiwilligkeit und Förderung

Fabiana Scheibenreif von der Landwirtschaftskammer Österreich und Katharina Liball vom Ökosozialen Forum Österreich & Europa betonten die Notwendigkeit das NRL angemessen zu vermitteln. Die Bereitschaft zum Umwelt- und Klimaschutz sei auch in der Land- und Forstwirtschaft zweifelsfrei vorhanden. Bei vielen Inhalten der Verordnung gibt es derzeit aber noch offene Fragen zu den konkreten Auswirkungen auf die Landnutzung. Ein faktenbasierter sachlicher Diskurs auf Augenhöhe sei ebenso notwendig, wie ein partizipativer Prozess unter Einbindung der Betroffenen bei der Entwicklung entsprechender Fachpläne. Im Mittelpunkt der Umsetzung solle eine freiwillige Beteiligung der Grundstückseigentümer sowie von Land- und Forstbewirtschaftern stehen. Darüber hinaus sei eine angemessene Finanzierung von Wiederherstellungsmaßnahmen erforderlich.

Restauration der Natur versus Ernährungssicherheit

Ein Schwerpunkt der folgenden Podiumsdiskussion widmete sich dem Argument, dass durch das NRL die Ernährungssicherheit in Österreich gefährdet sein könne. Arno Aschauer, vom WWF Österreich, stellte in diesem Zusammenhang klar, dass im Hinblick auf die Ernährungssicherheit es nicht nur auf die Menge ankäme, sondern auch auf die Verteilung der Nahrungsmittel sowie den Lebensstil, einschließlich der Ernährungsgewohnheiten der Gesellschaft ankomme. In diesem Zusammenhang müsse man sich auch klar machen, dass nicht der Planet einer wachsenden Bevölkerung angepasst werden müsse, sondern umgekehrte Anstrengungen erforderlich seien. In der Diskussion wurde weiterhin ergänzt, dass in diesem Zusammenhang die tägliche bislang ungebremste Neuversiegelung ein wichtiges primär anzugehendes Thema sei.

Ökologisierung urbaner Räume

In der Diskussion wurde von verschiedenen Seiten positiv hervorgehoben, dass sich das NRL auch auf Siedlungsgebiete bezieht und dort Maßnahmen einfordert. Die positiven Umweltwirkungen von Natur-basierten-Lösungen sind fachlich belegt und haben in der Bevölkerung bezogen auf die Wohnumfeldverbesserung einen hohen Stellenwert. Als Hemmschuh dieser Entwicklung wurde die verbreitete Sichtweise im Bereich der Architektur kritisiert, die zu sehr auf Selbstdarstellung und zu wenig auf stadtökologische Belange fokussiert sei. Stadtklima, Grundwasserneubildungsrate, Aufheizungseffekte, Schadstoffbindung und Förderung der Biodiversität seien nicht nachträglich dekorativ zu behandeln, sondern sollten integrativer Bestandteil städtebaulicher Planungen und urbaner Architekturentwicklung sein. Die Diskussion wies in diesem Punkt auch den Bedarf einer Neuorientierung in der Ausbildung hin, die auch aus dem NRL abgeleitet werden könne.

Ausbildung, Moderation und Koordination

Im Zusammenhang mit dem Kommunikationsbedarf und partizipativer Planung im Rahmen der NRL wurde auch das bestehende Defizit an geeigneten Vermittlern und Vermittlerinnen hingewiesen, die nicht nur über theoretische und praktische Kenntnisse im Naturschutz verfügen müssten, sondern auch im Hinblick auf den Natur- und Artenschutz entsprechend geschult sind. In diesem Punkt könnten interdisziplinäre Ausbildungsstätten, wie die BOKU, eine besondere Rolle spielen. In Deutschland, so Rainer Oppermann, fehle ein solches Angebot vollständig. Fehlen diese Kenntnisse aus beiden Bereichen sowie zum Konfliktmanagement, könne die Vermittlerrolle nicht ausgefüllt werden und es bestünde die Gefahr einer weiteren Polarisierung.

Integrativer Naturschutz im Wald

Die Vorgaben im Hinblick auf den Wald wurden insgesamt als geeignet und angemessen empfunden. Die naturnahe Waldbewirtschaftung basiere ohnehin auf entsprechenden Vorgaben, wie dem Anteil von liegendem und stehendem Totholz. Die Diskussion war auch von der Überzeugung bestimmt, dass auch in genutzten Wäldern durch die Baumartenzusammensetzung, Erhalten von Biotopbäumen, Totholzanteil u.a. Maßnahmen ein wirksamer Beitrag zu Erhöhung der Biodiversität in Wirtschaftswäldern geleistet werden könne. Ein Fokus auf den Prozessschutz sei in diesem Zusammenhang nicht notwendig und vom NRL auch nicht gefordert. Im Blick auf Holz als Baustoff und seine Bedeutung für den Klimaschutz sei eine weitere aktive Nutzung von Wäldern erforderlich.Dies stehe dem Schutz von Arten, gemessen am Waldvogelindex, nicht entgegen.

Ausgleichsmaßnahmen und Referenzflächenkonzept

Abschließend wurde – ausgehend von Regelungen und Initiativen in Niederösterreich – zur Entwicklung eines Ausgleichsflächenkatasters nach dem Vorbild deutscher Regelungen auch die Frage diskutiert, ob und inwieweit Kenntnisse von Ausgleichsflächen bei der Entwicklung von nationalen Restaurierungsplänen Eingang finden könnten. In diesem Zusammenhang wurde die Unkenntnis von Lage und Zielsetzungen vieler Ausgleichsflächen in den meisten Bundesländern kritisiert. Kataster wären überfällig, nicht nur im Zusammenhang mit dem NRL. Vor allem Planer und Planerinnen sahen darin auch eine Chance, Strukturen in einer ausgeräumten Feldflur zu entwickeln, als auch die Möglichkeit diese in das Referenzflächenkonzept einzubauen. Auch marktwirtschaftliche Lösungen, wie Flächenagenturen für Ausgleich und Ökokonten könnten in diesem Zusammenhang hilfreich sein, sofern diese in eine strategische Planung eingebunden sind. Hierfür fehlen jedoch noch die rechtlichen Voraussetzungen.

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