
Spenderflächen langfristig sichern – aber wie?
Die Europäische Umweltbehörde EEA hat 2020 einen Bericht veröffentlicht, wonach sich ein großer Teil der Lebensräume in der EU in einem schlechten Zustand befindet. Um Klima- und Biodiversitätsziele zu erreichen, fordert die geplante neue EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur bis zum Jahr 2030 30 % und bis 2050 90 % der betroffenen Lebensräume in einen besseren Zustand zu überführen. Unter anderem besteht ein dringender Bedarf zur Wiederherstellung von artenreichem Grünland. Was dabei beachtet werden muss, zeigen die Autorinnen dieses Beitrags.
von Ann Kareen Mainz und Beate Stumpf erschienen am 03.04.2024In Deutschland gibt es eine Vorgabe des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), wonach Pflanzen nur dort in der freien Natur ausgebracht werden dürfen, wo sie ihren genetischen Ursprung haben. Folglich ist gebietseigenes Saatgut für die Renaturierung von artenreichem Grünland essenziell. Um die Versorgung mit gebietseigenem Saatgut sicherzustellen, bedarf es einer ausreichenden Zahl qualitativ hochwertiger Spenderflächen. Diese werden benötigt, um entweder Ausgangssaatgut von Einzelarten zu sammeln, die ackerbaulich vermehrt werden, oder Direkterntematerial zu gewinnen. Daher ist es wichtig, diese Flächen in einem guten Zustand zu erhalten. Doch wie findet man geeignete Spenderflächen und welche Faktoren erschweren ihre Erhaltung?
In manchen Bundesländern, wie z. B. Sachsen-Anhalt, Thüringen, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein, gibt es bereits Spenderflächenkataster, die das Auffinden geeigneter Flächen erleichtern sollen. In weiteren Bundesländern sind ähnliche Ansätze im Aufbau oder werden in einzelnen Modellregionen erprobt. Es reicht allerdings nicht, diese Flächen einmalig zu erfassen, sie müssen durch angepasste Nutzung erhalten bleiben. Sowohl Über- als auch Unternutzung stellen eine Gefahr für artenreiche Grünlandbestände dar.
Schnitthäufigkeit und -zeitpunkt beeinflussen die Artenvielfalt und -zusammensetzung. Bei zu frühem Schnitt hat noch keine ausreichende Samenbildung stattgefunden, bei zu spätem Schnitt werden Gräser einseitig begünstigt. Beides kann zu einem Rückgang der Artenvielfalt führen. Ähnlich verhält es sich bei zu hoher Schnittfrequenz oder starkem Stickstoffeintrag. Allerdings ist eine völlige Nutzungsaufgabe ebenfalls nicht zielführend, da dies zu einer Verdrängung konkurrenzschwächerer Grünlandarten und Verbuschung führt.

Nicht nur eine unangepasste Bewirtschaftungsweise kann sich negativ auf potenzielle Spenderflächen auswirken, sondern auch das, was auf angrenzenden Flächen geschieht. Da landwirtschaftliche Flächen von § 40 BNatSchG ausgenommen sind, können z. B. auf Blühflächen fremde Arten oder heimische Arten fremder Herkunft stehen, die sich mit Pflanzen gleicher oder verwandter Arten auf benachbarten Grünlandflächen kreuzen können und somit Spenderflächen gefährden. Auch Nachsaaten mit Zuchtgräsern nach Wildschäden oder das Einsäen von Kennarten unbekannter Herkunft, um von den Direktzahlungen der Ökoregelung 5 zu profitieren, führen dazu, dass eine Fläche nicht mehr als Spenderfläche geeignet ist.
Es bleibt festzuhalten – in vielen Regionen Deutschlands ist der Bedarf an qualitativ hochwertigen Spenderflächen derzeit nicht gedeckt. Wie kann es in Zukunft gelingen, artenreiche Spenderflächen zu erhalten und neue Flächen für die Direktbeerntung oder Sammlung von Ausgangssaatgut für die Vermehrung zu entwickeln? Sind die aktuellen Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) der Bundesländer hierzu geeignet?
Wie bereits hergeleitet, ist die Anpassung von Nutzung und Pflege an die Standortbedingung wichtig, um die Artenvielfalt auf Grünlandflächen zu fördern. In den meisten Fällen führt die Senkung des Nährstoffangebotes gemeinsam mit der Wahl geeigneter Nutzungstermine und -häufigkeiten (1-2(3) Schnitte bzw. Beweidung) bereits dazu, dass sich mehr Kräuter im Bestand etablieren können. Von großer Bedeutung ist, dass kein Schnittgut auf der Fläche verbleibt und Schnitte nicht durch Mulchen ersetzt werden. Je nach Entwicklung der Fläche kann es erforderlich sein, Nutzung und Pflege nach einiger Zeit zu verändern, z. B. einen Schnitttermin vorzuziehen oder eine Erhaltungsdüngung vorzunehmen.
Diese Grundsätze werden in fast allen Förderrichtlinien der Bundesländer berücksichtigt, in denen es um den Erhalt oder die Entwicklung artenreicher Grünlandflächen geht. Das bedeutet aber nicht, dass der Erhalt potenzieller Spenderflächen ohne weiteres über diese Maßnahmen gefördert werden kann.
In vielen Bundesländern ist die Förderfähigkeit einer Fläche daran gebunden, dass diese bereits in Maßnahmen- oder Gebietskulissen erfasst ist, z. B. als § 30 Biotop, Naturschutz-/FFH-Gebiet oder Naturschutzgrünland, und eine Mindestgröße aufweist. Für Flächen, die bisher nicht in eine Maßnahmenkulisse aufgenommen wurden, bestehen nur eingeschränkte Fördermöglichkeiten. Befinden sich artenreiche Flächen z. B. noch nicht in einem Feldblock (Sachsen) oder in der Maßnahmenkulisse für Grünland-Extensivierung (Hessen) oder ist ein nach § 30 BNatSchG zu schützender Lebensraumtyp noch nicht in der Kartierung des jeweiligen Bundeslandes erfasst, ist es mit großem Aufwand verbunden oder gar nicht möglich, eine entsprechende Förderung für diese Fläche zu erhalten.
In ausgeräumten Landschaften befinden sich artenreiche Bestände oft auf kleinen, schwer zugänglichen Flächen (Splitterflächen) und laufen daher Gefahr aus der Nutzung zu fallen und zu verbrachen. Nicht in allen Bundesländern bestehen Möglichkeiten, die aufwändige Pflege solcher Flächen entsprechend zu honorieren. AUK-Maßnahmen können die Nutzung artenreicher Flächen als Spenderflächen unter Umständen sogar verhindern: Teilweise kann z. B. eine Förderung, die der erschwerten Pflege von Biotopen gewidmet ist, dazu führen, dass der Aufwuchs nicht mehr als Spendermaterial genutzt werden darf. Es kommt auch vor, dass bei der Förderung besonderer Biotoptypen eine Übersaat mit Zuchtformen ausgewählter Gräserarten erlaubt wird, sodass auf dieser Fläche gewonnenes Saatgut nicht mehr für den Einsatz in der freien Natur geeignet ist.
Fördermaßnahmen, die explizit dem Erhalt von Spenderflächen für die Gewinnung von Direkterntematerial oder Ausgangssaatgut für die Produktion von gebietseigenem Material dienen, bestehen aktuell in keinem der betrachteten Bundesländer. Solche wären jedoch besonders wünschenswert, denn die bestehenden Maßnahmen sind durch festgelegte, oft späte Mahdtermine und fehlende Flexibilität für den Erhalt artenreicher Flächen meist nicht geeignet.
Es wäre wünschenswert, bundesweit spezifische Fördermöglichkeiten für den Erhalt von artenreichen Spenderflächen zu schaffen. Diese sollten die Möglichkeit bieten, in Abstimmung mit Naturschutzbehörden, Biodiversitätsberatern und anderen qualifizierten Fachleuten geeignete Maßnahmen aus einem „Werkzeugkasten“ für den Erhalt der jeweiligen Fläche auszuwählen. In Abhängigkeit von der Entwicklung des Bestandes sollte es zulässig sein, die Maßnahmen innerhalb des Förderzeitraums von z. B. 5 Jahren anzupassen. Um unterschiedliche Verfahren umsetzen zu können, sollte eine gestaffelte Nutzung zur Gewinnung von Mahdgut oder Wiesendrusch in einzelnen Jahren stattfinden dürfen. Vom Stehenlassen von überjährigen Altgrasstreifen würde nicht nur die Fauna profitieren, es würde auch die Sammlung von Samen spät reifender Arten ermöglichen. Idealerweise sollte diese flexible Form der Förderung zum Erhalt bzw. der Verbesserung von Spenderflächen über die Förderperiode hinaus verlängerbar sein.
In Verbindung mit einem flächendeckenden Aufbau von Spenderflächenkatastern können spezifische Fördermaßnahmen zur Inwertsetzung und damit zum Erhalt von Spenderflächen führen und so zu einer besseren Versorgung mit gebietseigenem Saatgut für die dringend erforderlichen Renaturierungsmaßnahmen beitragen.
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