
Pferdestarke Landschaftspflege
Seit 2010 setzt Landwirtschaftsmeister Peter Hagel auf die Landschaftspflege mit Kaltblütern. Was eher als Hobby begann, ist heute ein wichtiges Standbein seines Betriebs westlich der Lüneburger Heide. Hier gibt er uns einen Einblick in seine Arbeit.
von Julia Schenkenberger erschienen am 05.03.2024Peter Hagel mäht mit zwei PS. Mit Anni und Beeke, um genau zu sein. Anni und Beeke sind Schleswiger Kaltblüter – eine stark gefährdete Pferderasse, die vor allem für den Einsatz in der Land- und Forstwirtschaft gezüchtet wurde. Die beiden Schwestern sind ein eingespieltes Gespann. Ihr Einsatzgebiet: Kutschfahrten durch die Lüneburger Heide, aber vor allem auch die boden- und insektenschonende Landschaftspflege. Auch ihre beiden Nachkömmlinge, Nils und Nele, arbeiten inzwischen in der Landschaftspflege mit.

Dabei ist Hagel eher um drei Ecken aufs Pferd gekommen. Oder vielmehr hinters Pferd, schließlich ist er der Fuhrmann seiner Pferdegespanne. Eigentlich ist er Landwirt, bewirtschaftet 65 ha Pachtfläche – magerste Böden, gerade einmal 18 Bodenpunkte. Die Landwirtschaft wurde ihm in die Wiege gelegt: Sein Vater musste bereits als Kind zu Hause mit anpacken – auch mit Pferden – sein Großvater war Schmied und fertigte individuelle Geräte für den Betrieb an. Hagel junior dagegen arbeitete zuerst mit konventionellen Maschinen. Bis heute. Doch inzwischen sind die Pferde sein zweites Standbein. 2009 kam er mehr durch Zufall in den Besitz eines Schleswiger Kaltbluts – eine eingetragene Zuchtstute, wie sich herausstellte, wenn auch mit 20 Jahren nicht mehr die Allerjüngste. Der Charakter der Stute Ria hatte es ihm schnell angetan. Mit ihrer Ruhe, Gelassenheit und Lernwilligkeit erobert sie sein Herz.
Eine Idee beginnt sich in Hagels Kopf zu formen: Statt die Stute als Reitpferd zu nutzen – der Wunsch seiner Frau, ihres Zeichens Pferdeausbilderin und Reitlehrerin – wird sie zum Grundstein seiner eigenen Zuchtlinie von Arbeitspferden. Rias Töchter Anni und Beeke bilden die Hagels selbst aus – das nötige Wissen für den Arbeitseinsatz der Tiere sammelt Peter Hagel parallel bei einem Heidekutschbetrieb.
Die Arbeit in der Landschaftspflege ist aber nicht mit Kutschfahrten vergleichbar. „Man kann nicht einfach wild Eisenzeug hinter das Pferd hängen“, warnt der Landwirt. „Man sollte wissen, was man macht!“ Leider, so stellt er fest, geht dieses Wissen immer mehr verloren. Wichtig ist vor allem, dass die Pferde auch in unvorhergesehenen Situationen händelbar bleiben. Hagels Pferde laufen deshalb schon als Fohlen neben dem Gespann mit. So gewöhnen sie sich an die Maschinen, an die Geräusche und die Arbeit. Und sie bauen Kondition auf, denn das Ziehen – später einmal ganze sechs Stunden am Tag – kostet jede Menge Kraft.

Außerdem gehört zum Trainingsprogramm, dass die Tiere wissen, wann die Arbeit anfängt – und zwar mit Anlegen des Halfters. „Ab da gibt es ganz klare Ansagen“, erklärt der Fuhrmann. Das heißt nicht, dass die Pferde nicht auch mal diskutieren wollen, doch letzten Endes ist Hagel der Chef. Über die Leinen hält er ständig Kontakt mit seinen Tieren. „Als guter Fuhrmann muss ich sehen: Was kann ich meinen Pferden zumuten? Das lernt man nicht von jetzt auf gleich.“ Über die Jahre sind sie ein eingespieltes Team geworden. „Und wir werden jedes Jahr besser“, freut er sich. Inzwischen sät er mit den Pferden geradere Linien als manch anderer mit dem Trecker. Über das Pflügen und Säen sind Hagel und seine Kaltblüter längst hinausgewachsen. Sie sind expandiert: Heute mähen sie Wiesen, pflegen Heiden und entkusseln sie. Wer nun annimmt, dass das Gespann auf mittelalterliche Pflugscharen und Co. aus dem nächsten Freilichtmuseum zurückgreift, liegt falsch. Hagel arbeitet mit hochmodernen Maschinen, vor allem mit Messerbalken, denn die sind insektenschonend und für die Arbeit auf hochwertigen Flächen besonders gut geeignet. Mähwerke sind entweder mit einem eigenen Hilfsmotor angetrieben – oft in Marke Eigenbau selbst konstruiert, weiterentwickelt oder von den Amish übernommen – oder über einen Radantrieb betrieben. Für die Fortbewegung sorgen die Pferde.
Besonders geeignet sind dabei die Balkenmähwerke von ESM: Die Klingen des Herstellers sind so konzipiert, dass Obermesser und Untermesser mit unterschiedlichem Klingenabstand angeordnet sind. So schneidet nur jede sechste Klinge gleichzeitig. Hagel erklärt die Vorteile des Konzepts anschaulich: „Bei herkömmlichen Messerbalken braucht es eine recht hohe Anfangskraft für den ersten Schnitt. Dieses Mähwerk dagegen schneidet durch die Technik viel leichter. Ich kann also mit den Pferden direkt in den Bestand rein.“

Die Vorteile von Hagels Mähgespannen liegen auf der Hand: Die niedrige Arbeitsgeschwindigkeit der Pferde macht die Mahd noch faunaschonender. Gleichzeitig wird auch der Boden geschont. Und insbesondere die radangetriebenen Mähwerke bringen noch weitere Vorteile mit sich: Es gibt keine Abgase – und vor allem auch keine wassergefährdenden Betriebsstoffe, die auslaufen könnten.
Eine denkbar umweltschonende Mähtechnik also, mit überraschend hoher Flächenleistung: Bis zu 0,5 ha schafft ein Gespann pro Stunde. In der Mahdqualität steht das 2 PS-Team der motorisierten Konkurrenz in nichts nach. Peter Hagel hat seine Maschinen inzwischen so weiterentwickelt und perfektioniert, dass er seit 2023 sogar den Kurpark von Bad Fallingbostel mit seinen Pferden mäht, denn das schafft er sogar günstiger und vor allem leiser, als Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus.
Bei Pflegearbeiten in der Landschaft sieht das anders aus. „Mit einem Lohnunternehmen können wir preislich nicht mithalten“, gibt der Fuhrmann zu. „Aber unsere faunaschonende Mähweise fällt stark ins Gewicht. Außerdem wissen unsere Auftraggeber mittlerweile, dass wir sauber und zuverlässig arbeiten. Wir überzeugen durch unsere Arbeit!“

Den guten Ruf haben sich die Hagels über die Jahre erarbeitet. Nicht ganz allein: Der NDR hat den Betrieb bei einem Projekt mit der Kamera begleitet. Hagel entwickelte dabei zusammen mit einem Forstdezernenten das Pflegemanagement einer Waldwiese. Mit Pferden, versteht sich. Der Film war Gold für Hagels Öffentlichkeitsarbeit. Diverse Auftraggeber wurden auf den Landwirt und seine Pferde aufmerksam, sogar bis nach Göttingen – immerhin 230 km entfernt – fährt er inzwischen für Aufträge. Das Problem: Viele Aufträge sind auf ein Jahr befristet, Verträge über mehrere Jahre gibt es kaum. „Das macht die Kalkulation für uns schwierig“, stellt Peter Hagel fest. Gerade größere Investitionen wagt der Landwirt selten. Stattdessen baut er die Landschaftspflege behutsam aus. Seit 2023 beispielsweise arbeitet er sich in das Themenfeld Heidepflege ein. „Wir wollten das gern ausprobieren. Und es funktioniert erstaunlich gut!“
1Als einen der nächsten Schritte wünscht sich der Fuhrmann, die Ergebnisse seiner Arbeit auch wissenschaftlich zu untermauern. Welchen Effekt hat die Mahd mit den Pferden auf die Artenvielfalt? Welche Unterschiede gibt es im Vergleich zu anderen Mähtechniken? Bislang hat er allerdings noch keinen wissenschaftlichen Partner gefunden – offen für Ideen wäre er. Das Lernen hört schließlich nie auf.
Nebershof, Klaus-Peter Hagel
Auf der Worth 6
27389 Vahlde Ot Riepe
Telefon: 01520 – 8978239
E-Mail: peter.hagel@nebershof.de
www.nebershof.de
Mehr über die Naturschutzarbeit mit Pferden erfahren Sie auf den Seiten des Starke Pferde Verlags.
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