
Hütesicherheit von Elektrozäunen
Für die Beweidung sind Zäune unerlässlich – sowohl, um die Weidetiere auf der Fläche zu halten, als auch, um sie zu schützen. Doch wie sorgt man für die sogenannte „Hütesicherheit“ der Zäune? Günter Herkert hat das für uns zusammengefasst.
von Günter Herkert erschienen am 14.04.2025Elektrozäune gelten in Deutschland als sicher, wenn an jeder Stelle des Zaunes eine Spannung von 2000 Volt anliegt. Für den Schutz vor Wildtieren werden oft auch höhere Spannungen von 3000 bis 4000 Volt empfohlen. Zäune mit Spannungen über 4000 Volt sind daher sowohl für das Einzäunen von Nutztieren als auch für die Abwehr von Wildtieren sehr effektiv. Dies entspricht sowohl den technischen als auch den rechtlichen Vorgaben. Rein rechtlich gesehen muss bei der Ausbruchsicherheit für alle Tiere jederzeit eine Mindestspannung von 2000 Volt an jeder Stelle des Zaunes gewährleistet sein.
Es liegt in der Verantwortung jedes Betreibers, dies unter allen Betriebsbedingungen sicherzustellen. Das klingt zwar einfach, ist in der Praxis aber oft gar nicht so leicht.
Welche Faktoren beeinflussen die Wirksamkeit von Elektrozäunen?
Es gibt verschiedene Faktoren, die die Wirksamkeit von Elektrozäunen beeinflussen können. Einige davon bleiben eher konstant, während andere sich im Laufe der Zeit stark ändern können. Die Tierart und die Zaunlänge sind Faktoren, die in der Regel festgelegt sind und sich wenig ändern. Diese beiden Punkte sind oft schon vor der Planung der Einzäunung klar.
Tierart
Es gibt drei Kategorien von Tierarten, die sich in der Schwierigkeit, sie zuverlässig zu kontrollieren, unterscheiden: leicht zu kontrollierende Nutztiere, schwerer zu kontrollierende Nutztiere und Wildtiere, die ausgezäunt werden sollen. Schon vor der Einzäunung oder Auszäunung ist häufig klar, um welche Tierart es sich handelt. In der Regel werden landwirtschaftliche Nutztiere oder Haustiere eingezäunt, während Wildtiere ausgezäunt werden.
Der Unterschied für den Betrieb eines Elektrozauns ist dabei grundlegend. Die Wirkung eines Elektrozauns basiert hauptsächlich auf der Angst der Tiere vor dem schmerzhaften Stromschlag. Nach ein paar Mal Kontakt mit dem Draht lernen die Tiere, dass es schmerzhaft ist und vermeiden diesen in Zukunft. Die Wirkung ist also psychologisch, nicht mechanisch – ein Elektrozaun kann die Tiere nicht physisch zurückhalten. Bei Nutztieren oder Haustieren, die dauerhaft vom Zaun umgeben sind, ist der Lernprozess meist nach einigen Stunden bis wenigen Tagen abgeschlossen und die Tiere respektieren den Zaun als Grenze. Wichtig ist, dass der Zaun immer unter Strom steht, damit die Tiere bei erneutem Kontakt wieder die schmerzhafte, aber ungefährliche Erfahrung machen.
Leicht zu hütende Nutztiere wie Rinder, Pferde, Schweine, Hunde und Katzen benötigen in der Regel Zaunspannungen von 2000 bis 3000 Volt, um eine gute abschreckende Wirkung zu erzielen.
Schwerer zu kontrollierende Nutztiere sind vor allem Schafe, Ziegen und Geflügel. Für diese Tiere sollten die Zaunspannungen zwischen 3000 und 4000 Volt liegen, bei besonders trockenen Bodenverhältnissen sogar noch etwas höher.
Die Situation ändert sich deutlich, wenn es um das Abwehren oder Auszäunen von Wildtieren wie Wildschweinen oder Wölfen geht. Diese Tiere nähern sich der umzäunten Fläche von außen, und man kann nicht davon ausgehen, dass sie das „Prinzip Elektrozaun“ bereits kennen oder vorher einen schmerzhaften Stromschlag erlitten haben. Deshalb gilt hier das Prinzip „Der erste Schlag muss sitzen“. Der Elektrozaun muss ständig auf dem höchstmöglichen Sicherheitsniveau betrieben werden – er darf weder kurzzeitig eine eingeschränkte Wirkung haben noch ganz stromlos sein. Je mehr gut funktionierende Elektrozäune in einer Region im Einsatz sind, desto besser lassen sich Wildtiere kontrollieren. Das bedeutet, dass die Zäune auch dann unter voller Spannung stehen müssen, wenn keine Tiere auf der Weide sind – besonders im Winter. Werden diese Zäune in dieser Zeit nicht unter Strom gehalten oder abgebaut, können die Tiere das Prinzip Elektrozaun wieder verlernen, wenn sie mehrfach einen Draht berühren, ohne dabei einen Stromschlag zu bekommen.
Für den Betreiber eines Elektrozauns bedeutet dies einen deutlich höheren Aufwand, sowohl beim Betrieb als auch bei der Montage, wenn der Zaun zusätzlich zur Abwehr von Wildtieren wie z.B. dem Wolf eingesetzt werden soll.
Zaunlänge
Der Einfluss der Zaunlänge scheint zunächst einfach: Je länger der Zaun, desto stärker muss das Gerät sein, um die benötigte Energie und Spannung zu liefern. Das ist grundsätzlich richtig, aber der Einfluss der Zaunlänge wird oft überschätzt. Selbst kleinere bis mittlere Weidezaungeräte (1 bis 5 Joule Impulsenergie) können mehrdrähtige Zäune im einstelligen Kilometerbereich problemlos versorgen – vorausgesetzt, die Zäune sind frei von Bewuchs und anderen Ableitungen.
Doch was genau versteht man unter der Zäunlänge? Oft wird sie fälschlicherweise als der Umfang der Weide oder die Lauflänge der Zäune multipliziert mit der Anzahl der Reihen definiert. Bei modernen Weidezaungeräten ist dieser Ansatz jedoch nicht mehr richtig – zumindest dann, wenn alle Reihen regelmäßig miteinander verbunden sind, was die Standardempfehlung ist. Bei längeren, mehrreihigen Zäunen mit Parallelverbindung treten die Spannungsverluste zum Zaunende hin meist weniger stark auf als bei einem einreihigen Zaun.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Zaunlänge ist das Leitermaterial. Für Elektrozäune ist es entscheidend, ein Material mit niedrigen Widerständen zu verwenden (angegeben in Ohm / Meter). Eisen- und Stahldrähte sind ideal, besonders für fest installierte Zäune. Bei der Verwendung von Litzen sollte man beachten, dass Edelstahl ein schlechterer Leiter ist. Gute Leiter haben Widerstände unter 1 Ohm / Meter, sehr gute liegen sogar unter 0,1 Ohm / Meter.
Bewuchsbelastung
Ein wichtiger Faktor, der die Wirkung von Elektrozäunen beeinflusst, ist die Bewuchsbelastung. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Zaun 9 Monate im Jahr frei von Bewuchs ist oder nur wenig belastet wird. Auch in den restlichen Monaten muss der Zaun zuverlässig funktionieren. Die Bewuchsbelastung ändert sich im Laufe des Jahres und auch im Tagesverlauf – je nach Wetter- und Feuchtigkeitsbedingungen. Die voraussichtliche Bewuchslast ist ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl des richtigen Geräts für den Elektrozaun.
Am stärksten wirken sich Gras und andere Pflanzen auf die Leistung aus, da der Kontakt von Gras mit dem Zaun die größten Verluste verursacht. Pflanzen wie Brennnesseln, die weniger dicht sind, belasten den Zaun etwas weniger. Hecken oder Äste haben einen noch geringeren Einfluss, während Dornen den Zaun überwachsen und teilweise niederdrücken können. Bei Graskontakt spielt die Dichte des Grases eine wichtige Rolle, aber auch die Feuchtigkeit des Grasbestands hat einen starken Einfluss. Die steigende Luftfeuchtigkeit, zum Beispiel durch Taubildung in der Nacht, führt zu einer wesentlich stärkeren Belastung als tagsüber bei Sonnenschein.
Trotz dieser Schwankungen gilt immer die Vorgabe nach VDE, dass eine Mindestspannung von 2000 Volt zu jeder Zeit und über den gesamten Tag hinweg sichergestellt sein muss.
Moderne Weidezaungeräte können eine Bewuchsbelastung ausgleichen und trotzdem eine ausreichende Zaunspannung aufrechterhalten. Dank hoher Impulsenergien werden Pflanzen an den Stellen, an denen sie den Draht berühren, sofort abgetötet – das Gras wird braun. Dies passiert jedoch nur in unmittelbarem Kontakt zum Draht, nicht die gesamte Pflanze stirbt ab. Bei trockenen Bedingungen sind die Verluste durch die abgestorbenen Grasteile relativ gering. Kommt jedoch Regen auf die braunen Pflanzenteile, steigen die Verluste wieder stark an – fast so stark wie bei komplett grünen Gräsern.
Das bedeutet, dass Elektrozäune, die längere Zeit an derselben Stelle stehen und deren Drähte tief genug hängen, um mit Gras in Kontakt zu kommen, regelmäßig von Bewuchs befreit werden müssen. Je tiefer die Drähte, desto häufiger ist ein Freischneiden notwendig. Bei Rinderzäunen ist dieses Problem deutlich geringer als bei Zäunen für Schafe oder zur Wildabwehr. Wenn der unterste Draht nicht tiefer als 45 cm verläuft, können Rinder den Grasbewuchs unter dem Zaun abfressen, teilweise sogar noch etwas darüber hinaus. Bei Schafzäunen (unterster Draht bei etwa 25 cm) und Herdenschutzzäunen (unterster Draht bei max. 20 cm) ist dies jedoch nicht möglich, und die Zäune müssen regelmäßig, mindestens einmal jährlich, freigemäht werden. Für einen Milchvieh- oder Mutterkuhzaun bedeutet dies einen deutlich höheren Wartungsaufwand, wenn dieser gleichzeitig herdenschutzkonform sein soll. Ein maschinelles Freischneiden bei Drahthöhen von 20 cm ist dabei kaum möglich.
Zusammenfassung
Leicht zu hütende Tierarten wie Rinder und Pferde benötigen weniger Zaunspannung und eine geringere Geräteleistung. Für schwerer zu hütende Tiere wie Schafe, Wildschweine oder Wölfe sind höhere Zaunspannungen und eine stärkere Geräteleistung erforderlich.
Die Zaunlänge beeinflusst zwar die benötigte Geräteleistung, ist jedoch häufig nicht der ausschlaggebende Faktor. Eine größere Herausforderung stellt die Bewuchsbelastung dar, da sie hohe Anforderungen an die Leistung des Elektrozauns stellt. Auch bei leistungsstarken Geräten ist es in der Regel notwendig, den Zaun regelmäßig freizuschneiden, um eine optimale Funktion zu gewährleisten.
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