Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Pflegemanagement für eine Rarität

Böhmischer Kranzenzian

Der Böhmische Kranzenzian (Gentianella bohemica (Syn. G. praecox)) ist eine endemische Art der Böhmischen Masse. Die Art ist selten, ihre Bestände rückläufig. Das Land Niederösterreich hat vor Jahren ein Artenschutzprojekt in Zusammenarbeit mit der Fachexpertin Dr. Gabriele Bassler-Binder gestartet, welches ganz auf den Erhalt der Art ausgerichtet ist. Sie hat uns aus ihren Projekten berichtet.

Veröffentlicht am
Dieser Artikel ist in der erschienen.
PDF herunterladen
1) Im Sommer blühende Sippe des Böhmischen Kranzenzians
1) Im Sommer blühende Sippe des Böhmischen KranzenziansGabriele Bassler-Binder
Artikel teilen:

Es ist ein nebliger, kühler Herbstmorgen Mitte Oktober. Die Kräuter der Bergwiesen hier im Waldviertel sind längst verblüht. Ich erinnere mich zurück an den Sommer: Hier blühte das Wald-Läusekraut, die Gewöhnliche Kreuzblume und viele mehr. Und natürlich die Besonderheit der Region: Der Böhmische Kranzenzian. Mit seinen rosa-violetten Blüten erinnert dieser Enzian auf den ersten Blick stark an den Deutschen Enzian (Gentianella germanica), es handelt sich aber um eine eigene Art, die in der Böhmischen Masse – ein Rumpfgebirge, das sich über Tschechien, Deutschland, Polen und Österreich erstreckt – endemisch ist.

Nicht nur seine Seltenheit macht den Böhmischen Enzian besonders – in Deutschland wie in Österreich ist er vom Aussterben bedroht. Eine Besonderheit ist auch sein Blühzeitdimorphismus: Eine Sippe des Kranzenzians blüht im Juni, die andere von September bis Oktober. Beide Sippen sind genetisch differenziert, zu einem Genaustausch kommt es aufgrund der verschiedenen Blühzeitpunkte nicht, selbst wenn beide auf derselben Fläche wachsen. Das ist in Niederösterreich auf mehreren Flächen der Fall.

Hauptgründe für seinen drastischen Rückgang sind die Intensivierung der Landwirtschaft, Veränderung der Schnitttermine, Düngung und Nutzungsauflassung, weiß Gabriele Bassler-Binder. Sie ist Landschaftsplanerin und engagiert sich für den Erhalt der Art. Sie erläutert: „Die Berücksichtigung der Blühzeitpunkte ist für den Arterhalt von höchster Bedeutung. Die Sommerpopulation darf frühestens ab Mitte Juli gemäht werden, wenn die Samenstände ausgereift sind. Die Herbstpopulation dagegen muss vor August oder erst Ende Oktober gemäht werden.“ Das wird auch mit Blick auf die Rote Liste Österreich deutlich: Auch hier ist der Blühzeitdimorphismus als Besonderheit erwähnt. Österreich trägt deshalb besonders für die frühblühende Sippe die Hauptverantwortung des Erhalts, weil sie in Tschechien bereits ausgestorben ist.

Doch selbst wenn die Flächen richtig gepflegt werden, entwickeln sich die Bestände nicht immer gut. „Einige Flächen werden eigentlich immer zum richtigen Zeitpunkt gemäht, aber die Grasnarbe ist einfach zu dicht“, stellt Bassler-Binder fest. Der Kranzenzian wird so schnell unterdrückt und verschwindet allmählich. Doch wie kann das verhindert werden? „Das Wichtigste ist, dass man die bestehenden Flächen erhält“, betont die Landschaftsplanerin. Da hier Handlungsbedarf gegeben ist, wurde in Zusammenarbeit mit der Schutzgebietsbetreuung Niederösterreich und unter Einbeziehung des Instituts für Integrative Naturschutzforschung der BOKU Wien ein Projekt zur Optimierung der Flächenpflege entwickelt. Finanziert wird es von der Abteilung Naturschutz des Landes Niederösterreich und der Europäischen Union.

Pflegeberatung

Im Projekt berät Bassler-Binder Landwirte, wie sie die Pflege gestalten können. „Wichtig ist, nicht zur Blüte beziehungsweise zur Samenreife des Kranzenzians zu mähen“, erläutert sie. Optimal für den Enzian ist eine ein- bis zweischürige Mahd, optional auch in Kombination mit Beweidung. Gerade Rinder können in der Nachweide Offenbodenstellen schaffen, die wichtige Keimplätze für den Enzian sind.

Die eigentliche Herausforderung bei der Bewirtschaftung ist – neben dem perfekten Mahdzeitpunkt – vor allem die Lage der Flächen: Die Magerrasen, auf denen der Böhmische Kranzenzian noch vorkommt, sind oft sehr klein und noch dazu steil. Damit sind sie schwer zu bewirtschaften und für Landwirte wenig rentabel.

Engagement fördern

Einige der Landwirte, die solche Flächen bewirtschaften, sind deshalb der Naturschutzmaßnahme im Rahmen des ÖPUL beigetreten. Die Abkürzung steht für „Österreichisches Programm für umweltgerechte Landwirtschaft“. Hier wird die umweltschonende, extensive Bewirtschaftung von Flächen gefördert. Für die artenreichen, steilen Magerrasen reichte das bis jetzt aber nicht, findet Bassler-Binder. „Der Vertragsnaturschutz war bislang nicht ausreichend, um die hier entstehenden Aufwände gegenzurechnen“, sagt sie. Trotzdem ermutigt sie Landwirte dazu, in der nächsten, gerade beginnenden Förderperiode der ÖPUL-Naturschutzmaßnahme beizutreten, bei der das Engagement für den Erhalt der Kulturlandschaft durch gesteigerte Prämien besser entlohnt wird.

Viele Flächen werden trotz der geringen Wirtschaftlichkeit gepflegt – oft auch aus persönlichem Engagement der Landwirte. „Einige Fläche werden auch unentgeltlich von Privatleuten kranzenziankonform bewirtschaftet“, erzählt die Projektleiterin. „Oft fehlt aber auch die Kontinuität, besonders bei Betriebswechseln. Es kann schon ein Erfolg sein, den neuen Landwirt davon zu überzeugen, die Fläche doch nicht zu güllen.“ Doch auch bei optimaler Pflege: Manche Populationen schwinden trotzdem. Grund dafür ist wahrscheinlich der Klimawandel, der es mit langen Trockenperioden vor allem der Saat schwer macht, sich zu etablieren.

Wiederansiedlung

Gabriele Bassler-Binder hat deshalb bereits ein Folgeprojekt in Angriff genommen: einen Ansiedelungsversuch. Dazu sammelt sie Saatgut des Enzians aus dem Mähgut und bringt es in Probequadraten auf höher gelegenen und damit kühlen Magerrasen im Naturpark Nordwald aus. „Ich arbeite mit zwei Varianten: 1 × 1 m große Flächen und kleinere Spots von 20 × 20 cm“, erklärt sie. Die Probequadrate werden gefräst, anschließend wird das Saatgut noch im Herbst ausgebracht. 18 solcher Flächen hat Bassler-Binder 2021 angelegt, acht weitere folgten 2022.

Erste Ergebnisse lassen sich bereits ableiten: Die kleineren Spots funktionieren besser als die großen, denn diese trocknen trotz dünner Reisigauflage zu schnell aus. „Allerdings muss der Boden mager genug sein“, schränkt Bassler-Binder ein. „Sonst dringen zu schnell Ruderalarten ein.“ Gekeimt sind die ersten Saatversuche in situ gut und es haben sich schon einige Rosetten gebildet, die hoffentlich 2023 auch blühen werden. Die Methode scheint zumindest auf einigen Flächen zu funktionieren. Ein Kollege in Oberösterreich hat auch mit Ex-situ-Vermehrung Erfolge erzielen können, das Verfahren dazu ist aber äußerst mühsam.

Gleichzeitig zur Wiederansiedlung arbeitet Gabriele Bassler-Binder daran, noch mehr Wuchsorte des Böhmischen Kranzenzians zu finden, die dann geschützt werden können. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. „Dadurch, dass die Art so verstreut wächst, sind die Pflanzen nur schwer über Kartierungen zu finden“, erklärt sie. Sie hat deshalb in Zusammenarbeit mit dem Naturpark Jauerling-Wachau einen Aufruf an Botanikinteressierte gestartet, die Funde melden können. „Es gibt natürlich Leute, die melden alles, was blau oder lila ist“, schmunzelt sie. „Aber es ist leichter, die Fundmeldungen zu verifizieren als selbst im Gelände Individuen zu finden.“

Fehlende Kontinuität

2021 konnten so zwei neue Standorte entdeckt werden. Einer davon wurde jedoch kurz nach der Entdeckung zerstört: Der Enzian wuchs direkt an einem Weg – und der wurde kurz darauf neu geschottert. Der Enzian verschwand unter der Gesteinsschicht. Fast die ganze Population ist unwiederbringlich verloren.

Es ist nicht der einzige Fall. Bassler-Binder erzählt von einem anderen Bestand. Die Fläche wurde jahrelang nicht optimal gepflegt, einfach nur gehäckselt. Der Enzian konnte sich trotzdem behaupten. Doch dann wurde ein Jahr gar nicht gemäht. „Das Gras stand einen Meter hoch. In dieser Konkurrenz konnte sich der Kranzenzian nicht mehr behaupten“, stellt die Landschaftsplanerin bedauernd fest.

Es sind Beispiele wie diese, die zeigen, wie wichtig Kontinuität für die gefährdete Art ist. „Ich würde mir wünschen, dass es irgendwann eine Förderschiene gibt, um auch kleinere Flächen langfristig zu pflegen“, meint Gabriele Bassler-Binder. „Nur so können wir Arten wie den Böhmischen Kranzenzian langfristig erhalten.“

Dr. Gabriele Bassler-Binder ist Landschaftsplanerin und engagiert sich in verschiedenen Projekten im Bereich Naturschutz und Landwirtschaft. Außerdem ist sie in der Schutzgebietsbetreuung aktiv und hat einen Lehrauftrag an der Boku in Wien.

Kontakt

  • Dipl. Ing. Dr. Gabriele Bassler-Binder
  • Albertplatz 5/2/9
  • A – 1080 Wien
  • Tel: +43650/40 74 029
  • Mail: gabriele.bassler@aon.at

Projektdaten

  • Laufzeit: 2021–2024
  • Projektleitung: Gabriele Bassler-Binder
  • Projektpartner: Institut für integrative Naturschutzforschung, Boku WienZielart: Böhmischer Kranzenzian
  • Finanzierung & Auftraggeber: Abteilung Naturschutz des Landes Niederösterreich und Europäische UnionFinanzierungsumfang: 44.000 €
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren