Der Hof der Familie Grenzebach - Naturschutz und Landwirtschaft Hand in Hand
Vor etwa 40 Jahren haben Christine und Norbert Grenzebach die elterliche Landwirtschaft übernommen und komplett umgekrempelt. Aus intensivst genutzten Wiesen wurden artenreiche, auf den Äckern verzichten sie auf Agrarchemie. Trotzdem ist der Betrieb wirtschaftlich. Norbert und Christine Grenzebach uns Sohn Philipp stellen und ihren Biodiversitätshof vor.
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Die Sonne steht schon tief am Horizont an diesem Tag. Ein Mann in derben braunen Arbeitshosen, robuster Jacke und Stock in der Hand schreitet zielstrebig voran. Hinter ihm, in Reih und Glied, sein gehörntes „Gefolge“: eine bunte Mischung aus Murnauer-Werdenfelser, Fleckvieh, Original Braunvieh. Ein unaufgeregtes und heimeliges Bild, gerade einmal 30 Kilometer vor den Toren Münchens im kleinen Hochstadt. Es ist der tägliche Spaziergang von Norbert Grenzebach. So nennt der Familienvater – inzwischen sogar Familiengroßvater – den täglichen Gang mit seinem Milchvieh zur Weide und zurück zum Stall.
Grenzebach ist Landwirt, wie schon sein Vater und Großvater zuvor. Er liebt seinen Beruf – den väterlichen Hof nicht zu übernehmen war für ihn vor 40 Jahren keine Option. Sein Bild „guter“ Landbewirtschaftung allerdings unterschied sich erheblich von dem seines Vaters. „Mein Großvater kam aus Hessen hierher nach Bayern“, erzählt er. „Er war der erste hier, der Kartoffeln auf Mieten anbaute.“ Großvater wie Vater bestellten das Land sehr intensiv, mit guten Erträgen. Doch Norbert Grenzebach kannte auch den Betrieb seiner Großeltern mütterlicherseits: Ein Hof mit vielen Tierarten, mit Obstbau und Vielfrucht. „Damals war das eigentlich schon rückständig, aber einfach schön“, erzählt er. Seine Frau Christine hat auf dem kleinen Hof ihres Großvaters ein ähnliches Bild kennengelernt: Artenreichtum, kleine Flächen, ein abwechslungsreicher Viehbestand.
Komplett umgekrempelt
Das ist das Bild, das auch auf dem Hof der Grenzebachs entstehen soll. Norberts Vater ist einverstanden – solange sein Sohn den Viehbestand nicht reduziert und beweist, dass seine neuen Methoden wirtschaftlich sind. Der Deal steht. Das Ehepaar Grenzebach krempelt die Ackerwirtschaft um, stellt die mineralische Düngung ein. „Mit Stickstoffdünger zerstörst du die Artenvielfalt dermaßen!“, erklärt Norbert Grenzebach ihren Entschluss. Statt moderner Getreidesorten greift er auf robuste alte Sorten zurück. Ackerwildkräuter werden nicht länger bekämpft, sondern gern gesehen. „Die Kräuter im Frühjahr sind sogar förderlich“, berichtet er. „Der Weizen wächst hindurch, aber die wirklich störenden Ackerwildkräuter kommen durch die kleinen dichten Teppiche nicht hoch.“ Er ist überzeugt: Wer spritzt, hat am Ende zwar weniger Wildkrautarten, aber dafür die hartnäckigen – und zwar in Hülle und Fülle.
Auch die Milchwirtschaft packen die Jungbauern an. Die Wiesen und Weiden werden nun extensiv genutzt. In den ersten 20 Jahren steht das Abmagern im Fokus. Gedüngt wird bis heute nur mit dem, was die Kühe selbst produzieren: mit der Gülle und dem Festmist vom Winter beziehungsweise von der nächtlichen Stallzeit. Für die extensive Beweidung mit dem gleichen Viehbestand benötigt die junge Landwirtsfamilie mehr Flächen. Verbrachte, weil als unwirtschaftlich erachtete Flächen in fortgeschrittenen Sukzessionsstadien gibt es in der Umgebung häufig, sogar zu einem niedrigen Pachtzins. Was ihre Rinder zum Leben brauchen, bauen sie selbst an, die Kosten für Futter können sie so stark reduzieren.
Außerdem beginnt Norbert Grenzebach mit einer hofeigenen Zucht. Er arbeitet mit robusten, teils seltenen Rassen und züchtet seine Tiere nach Charakter. „Die Tiere müssen entspannt und händelbar sein“, betont er. Das lässt sich über die Rasse, aber vor allem über die zur Zucht eingesetzten Tiere selbst erreichen. Und: Seine Rinder dürfen Hörner tragen. Sie sollen es sogar. Nicht nur der Schönheit willen. Grenzebach weiß auch ihren praktischen Wert zu schätzen – als zusätzlichen „Griff“ beim täglichen Umgang mit dem Vieh.
Die ersten vier Jahre arbeitet der Junglandwirt verbandslos, dann, 1989, tritt er dem demeter-Netzwerk bei. Es ist zu dieser Zeit das einzige, das Milchwirtschaft mit Hornträgern unterstützt. Die demeter-Kriterien erfüllte der Hof zu diesem Zeitpunkt längst. Norbert und Christine Grenzebach jedoch reicht das nicht.
Artenvielfalt wiederherstellen
„Nur zu extensivieren bringt die Artenvielfalt nicht zurück“, meint Norbert. Selbst wenn die Flächen über Jahre ausgehagert wurden – sie bleiben dennoch verhältnismäßig artenarm. Verbrachte Flächen sind leichter anzureichern – hier sind die Samenbänke im Boden noch gefüllt, schon in den ersten Jahren nach Wiederaufnahme der Beweidung kehren die Pflanzen zurück. Im ehemals aufgedüngten Grünland brauchen die Arten andere Wege. Grenzebachs haben gleich ein Bündel verschiedener Strategien. Die erste war die „Blumenstraußtechnik“: Norbert Grenzebach pflückte seiner Frau gerne Blumensträuße, wenn er die Kühe zur Weide gebracht hatte. Die Sträuße landeten, wenn sie nicht mehr ansehnlich waren, aber nicht auf dem Kompost. Stattdessen legte Christine sie am Rand der Grünlandflächen ab – und siehe da, allmählich erblühten Salbei, Margerite und Co. da, wo sie einst durch Stickstoffdüngung verdrängt wurden.
Die Blumensträuße pflückt der Landwirt heute noch – sein Portfolio der Ansalbung insgesamt ist aber umfangreicher geworden. Inzwischen arbeitet er mit Mahdgutübertragung von gut ausgeprägten, artenreichen Beständen auf artenärmere. Damit hat er gute Erfolge erzielt. Außerdem gibt es auch immer wieder ein gezieltes Ansalben besonderer Arten – „Hosentaschentransport“ sozusagen.
Zudem haben Grenzebachs festgestellt, dass viele Pflanzenarten durch die Tiere selbst – im Fell, im Verdauungstrakt und in den Klauen – von Weide zu Weide transportiert werden. Der Wiesenbocksbart beispielsweise reist am liebsten auf diese Weise. Über die Jahre haben Grenzebachs deshalb ihre Weideführung perfektioniert, bringen die Tiere in kurzen Abständen von einer Fläche zur nächsten, schonen neue Bestände durch Auszäunen, bis die kritische Masse an Individuen einer neuen Pflanzenart auf der Weide erreicht ist, und denken immer darüber nach, wie eine Fläche noch verbessert werden kann. „Bei den Milchkühen müssen wir da mit allen Tricks arbeiten“, erzählt der Landwirt. „Das ist Kunst. Die Hirten früher haben diese Kunst noch beherrscht.“
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Über 350 Arten allein im Grünland sind derzeit dokumentiert – darunter auch zahlreiche Orchideen wie die Sumpf-Stendelwurz, die Bienen-Ragwurz und Knabenkräuter. Dazu etliche weitere Rote-Liste-Arten. Grenzebachs sehen sich dabei gar nicht mal so als Artenkenner, selbst wenn im Gespräch deutlich wird, wie viel seine Frau und er über die heimischen Arten wissen.
Gelernt hat die Familie das vor allem autodidaktisch. „Viel hat sich allein durch die Beobachtung ergeben oder durch den Blick auf die Almwirtschaft“, erzählt Norbert Grenzebach. Das entstammt aber nicht allein der Wissbegier – zu wissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Beweidung hatten die Grenzebachs schlichtweg über Jahre keinen Zugang, nachdem in den ersten Jahren die Entscheidungen über die Nutzungsänderung auf den Flächen vom Naturschutz kritisch gesehen wurden. Damals war Beweidung als Naturschutzmaßnahme noch (weitgehend) tabu. 2013 schließlich kam die Kehrtwende: Bei einer Führung für den Bund Naturschutz auf ihren artenreichen Flächen wurden Grenzebachs ermutigt, sich für die Wiesenmeisterschaft zu bewerben. Grenzebachs gewannen den Wettbewerb – und die Anerkennung der Verbände. Seitdem arbeiten sie verstärkt unter anderem mit dem Bund Naturschutz und dem LBV zusammen, bieten Exkursionen an und geben ihr Wissen weiter. Und sie setzen auf fortlaufende Vertiefung ihres Wissens, um ihre Pläne zur Steigerung der Biodiversität auf ihrem Hof weiterhin fachkundig umsetzen zu können: So bereitet sich Christine derzeit beispielsweise mit einer Kollegin auf eine Zertifizierung als Artenkennerin für Feldbotanik in Südbayern vor.
Ökonomie und Ökologie gemeinsam
Grenzebachs möchten zeigen: Wirtschaftliches Arbeiten und Naturschutz können sich ergänzen. „Naturschutz nur um des Schutzes willen ist keine Option“, betont der Landwirt. „Es muss auch alles verwertet werden. Jeder Quadratmeter, der bei uns nicht genutzt wird, wird irgendwo anders auf der Welt zerstört.“ Die Verwertungsmöglichkeiten auf dem Hof sind vielseitig: Die Weiden werden als Futter gebraucht, auf den Wiesen wird Winterfutter gewonnen, auch die Einstreu stammt von den eigenen Flächen oder angrenzenden Streuwiesen. Zugekauft wird fast nichts. Zusammen mit den robusten Getreidesorten, die nicht gespritzt werden und keinen mineralischen Dünger brauchen sowie den ebenfalls robusten Tierrassen, die nur geringe Tierarztkosten verursachen, senkt das die laufenden Kosten des Hofs enorm. Zugleich erzielt der Hof gute Erträge: Mit bis zu 7 t/ha Weizen können Grenzebachs mit konventionellen Betrieben mithalten; und mit einer Lebensleistung der Rinder von 40–45.000 l liegen sie ebenfalls im Spitzenbereich.
Aber sie wollen noch besser werden: Weiterentwicklung ist ein fester Bestandteil des Hofes. Er soll schließlich fit sein für die Zukunft. Die nächste Generation, Sohn Philipp mit Familie, bringt neue Aspekte ein: Seine Leidenschaft sind regenerative Landwirtschaft, Agroforstsysteme und Vielfruchtsysteme im Ackerbau. Außerdem setzt er auf noch mehr Vielfalt und Unabhängigkeit im Tierbereich, zum Beispiel durch Einkreuzungen weiterer seltener Rinderrassen wie Aubrac, Fränkisches Gelbvieh oder Pinzgauer und durch Umstellung auf eigene Hühnerzucht mit Zweinutzungsrassen. Im Frühjahr sind außerdem die ersten Küken der Blauen Fränkischen Landgänse geschlüpft – eine extrem seltene Rasse.
Allerdings wird für Grenzebachs der eigene Naturschutzerfolg teils sogar zum bürokratischen Hindernis: Für den Bau einer Halle etwa mussten 100 m² Hoffläche weichen. Ein Ausgleich an anderer Stelle war aber nicht einfach – die artenreichen Wiesen und Weiden sind nach Aussage der UNB praktisch nicht mehr zu verbessern. Schließlich musste Ackerfläche mit bestem Boden in eine Blühwiese umgewandelt werden. „Da steht sich der Naturschutz dann selbst im Weg“, findet der Landwirt. „Konventionelle Bauern müssten vielleicht ein paar Bäume pflanzen, weil das bei intensiven Flächen schon als Ausgleich reichen würde.“ Für seinen „Biodiversitätsbetrieb“ nimmt er das aber in Kauf.
Und der Aufwand des Ganzen? „Bei der richtigen Grundeinstellung wird das zum Selbstläufer“, wissen die Grenzebachs. Mit Grundeinstellung meinen sie den Beschluss, eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen, biologisch zu wirtschaften und artenreiche Flächen zu fördern. „Der Mehraufwand ist, die Vielfalt wieder reinzubringen.“ Sie sind überzeugt, dass auch andere das können. „Die Biobetriebe, die seit 30 Jahren dabei sind, wären prädestiniert dafür, zum Biodiversitätsbetrieb zu werden!“
Die Vielfalt auf dem Hochstädter Hof beschränkt sich dabei längst nicht mehr nur auf die Pflanzen. Mit der Bekanntschaft und dem fachlichen Austausch mit befreundeten Naturschützern rückte auch die Fauna bewusst in den Fokus. Deshalb darf inzwischen immer ein Weiderest stehen bleiben, damit die Insekten Nahrung finden. An einigen Stellen dienen auch kleine Brachen über mehrere Jahre als Nisthabitate – allerdings zum Missfallen einiger Landbesitzer: „Einige Bauern würden uns keine neuen Flächen mehr verpachten, weil das ja nicht ordentlich aussieht.“ Eine erläuternde Beschilderung könnte helfen – Norbert und Christine Grenzebach tüfteln bereits an einer Lösung.
Biohof Grenzbach GBR
- Inhaber: Norbert & Phillip Grenzebach
- Mitarbeitende: 3,5 Vollzeitkräfte
- Tiere: 40 Milchrinder, 30 Jungvieh und Kälber, eigene Hausrasse, 550 Hühner, 1 Eber, 3 Zuchtsauen, 3 Fränkische Blaugänse, 2 Brutentenpaare, Wachteln.
- Angebaute Früchte: Weizen, Dinkel, Hafer, Gerste, Ackerbohnen, Erbsen, Mais, diverse Gemenge, vielfältiges Kleegras
- Flächen: 25 ha Acker, 30 ha Weiden, 30 ha Mähweiden (Einstreu von 15 ha externer Streuwiesen)
Biohof Grenzebach
Weßlinger Str. 18
82234 Hochstadt
Telefon: 08153 / 44 13
E-mail: info@biohof-grenzebach.de
www.biohof-grenzebach.de
Weitere Informationen Bernd-Louisoder-Förderpreis Artenvielfalt
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