Artenagentur Schleswig-Holstein - Erfahrungen mit Grünlandrenaturierungen
Auch in Schleswig-Holstein ist der Artenschwund im Grünland dramatisch. Für Renaturierungen wird vor allen Dingen entsprechendes autochthones Saatgut benötigt, das schwer zu gewinnen ist. Detlev Finke erklärt, wie die Artenagentur Schleswig-Holstein mit dem Problem umgeht.
- Veröffentlicht am

Die Situation der Biologischen Vielfalt ist besorgniserregend. Neben dem Klimawandel wird das Artensterben von der Umweltwissenschaft als eine globale Krise identifiziert1. Besonders das Phänomen des Insektensterbens hat seit Erscheinen der sogenannten Krefelder-Studie2 nicht nur die Fachwelt, sondern auch die breite Öffentlichkeit aufgeschreckt. Das Insektensterben weist jedoch auf eine Dramatik der Erosion der Biologischen Vielfalt hin, die etwa in den 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts ihren Anfang gefunden hat und seit langem bekannt ist. Wurde damals vor allem der überbordende Einsatz von Pflanzenschutzmitteln thematisiert3, so sind es eigentlich vielfältige Faktoren der Nutzungsänderungen, -intensivierungen und Nährstoffbelastungen ganzer Landökosysteme seit Mitte des letzten Jahrhunderts, die die Biologische Vielfalt in Mitteleuropa als auch global drastisch verringern. Auch Pflanzenschutzmittel spielen nach wie vor eine bedeutende Rolle4, 5.
Zur Situation des artenreichen Grünlands in Schleswig-Holstein
Weit weniger im öffentlichen Fokus als der Verlust von Tierarten stehen dabei die Biotop- und Artenrückgänge der Pflanzen. Der Artenreichtum dieser, im biologischen Sinne, Primärproduzenten, stellt jedoch die Grundvoraussetzung für den Tierartenreichtum dar. Auf landwirtschaftlichen Flächen ist es v. a. das Grünland, dass seit den 1960er Jahren durch Nutzungsintensivierungen, „Bodenverbesserungen“ (Meliorationen) und Flurbereinigungen großflächig seine Biotopfunktion für Pflanzen- und Tierarten verloren hat. Während Mittelgebirge noch Refugialräume für artenreiches Grünland darstellen, so sind gerade im Flachland wie Schleswig-Holstein viele artenreiche Grünlandflächen wegen der guten Mechanisierbarkeit verloren gegangen. Allein in der Zeit von 2005 bis 2011 wurden in Schleswig-Holstein ca. 11% der Dauergrünlandflächen (33.000 ha) umgebrochen. Die Verluste artenreicher Grünlandflächen, allem voran im Feuchtgrünland, sind dabei seit Ende der 1980er Jahre überdurchschnittlich hoch6. Noch erhaltende FFH-Grünlandlebensraumtypen befinden sich nach dem FFH-Bericht 2019 des Landes Schleswig-Holstein sowohl in der atlantischen als auch in der kontinentalen Region in einem ungünstigen bis schlechten Erhaltungszustand7.
Initiativen der Artenagentur Schleswig-Holstein des Deutschen Verbands für Landschaftspflege
Die Artenagentur Schleswig-Holstein des Deutschen Verbands für Landschaftspflege (DVL) unterstützt Akteure im ländlichen Raum bei der Konzeption und Umsetzung von Artenhilfsmaßnahmen. Zu Beginn ihrer Einrichtung 2009 war sie vornehmlich mit dem Einzelartenschutz betraut. So arbeitete sie aus oben dargestellten Gründen bereits in den Anfängen konsequent darauf hin, im botanischen Bereich auch den Schutz von Biotopen bzw. deren Renaturierung mit in das Tätigkeitsprofil aufzunehmen. So können seltene oder gar gefährdete Arten wie die gemeine Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris), Arnika (Arnica montana) oder die Färberscharte (Serratula tinctoria), zu denen die Artenagentur Artenhilfsprojekte entwickeln sollte, nur innerhalb ihrer entsprechenden Lebensräume effektiv erhalten werden. Dabei steht der Erhalt noch verbliebener, oder wo möglich, die Rückentwicklung verbrachter Lebensräume über eine adäquate Nutzung oder Pflege im Vordergrund. Da diese aber im Flachland vielfach nicht mehr in ausreichendem Umfang oder Qualität vorhanden sind, müssen sie über restaurative Verfahren in größerem Umfang wiederhergestellt werden. Daher führte die Artenagentur bereits seit 2010 eigenständig Grünlandrenaturierungen mit interessierten Maßnahmenträgern durch, oder sie initiierte schlagkräftige Projekte wie das Blütenmeer 2020, welches von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein (SNSH) als Trägerin übernommen wurde8. So konnten in Schleswig-Holstein seit 2010 mehrere 100 ha Grünlandflächen renaturiert werden.
Regiosaat und/ oder Mahdgutübertragung
Um Grünland renaturieren zu können, ist die Verfügbarkeit von autochthonem (weiterhin: gebietsheimischem) Diasporenmateriali unabdingbar. Um für die Begrünung von Offenlandflächen gebietsheimisches Saatgut verfügbar zu machen, führten Prasse et.al. (2010)9 mit dem sogenannten Regiosaatgutkonzept eine Strategie zur Produktion von gebietsheimischem Saat- und Pflanzgut ein. Prasse et.al. (2010) machen aber auch auf die Grenzen ihres entwickelten Konzeptes aufmerksam. So stellt Regiosaatgut eine Palette an Grün- und Offenlandarten dar, welches „standardmäßig“ für die Entwicklung artenreicherer Grün- und Offenlandflächen in ihrem jeweiligen Ursprungsgebietii Verwendung finden können. Um Florenverfälschungen bei Arten mit stärkerer innerartlicher oder regionaler Differenzierung zu vermeiden, sieht das Regiosaatgutkonzept nur die Vermehrung von weit verbreiteten Arten vor. Einschränkend kommt hinzu, dass die Vermehrung von seltenen Arten marktwirtschaftlich nicht lohnend ist, da diese nur lokal in ausgewiesenen Naturschutzprojekten Anwendung finden.
Gerade zum Projektdesign wie dem naturschutzfachlich anspruchsvollem „Blütenmeer 2020“, in dem auch seltenere Biotoptypen wie Mager- oder Borstgrasrasen wiederhergestellt werden sollten, geriet also das Regiosaatgutkonzept an seine Grenzen. Um auch diese Grünlandlandtypen entwickeln zu können, musste auf weitere Restaurationsmethodiken, allen voran die sogenannte Mahdgutübertragung, zurückgegriffen werden10. Da qualitativ hochwertige Spenderflächen in Schleswig-Holstein lokal nicht mehr im ausreichenden Umfang zur Verfügung stehen, wurden von der Artenagentur, dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) und der SNSH zudem das sogenannte Regio+-Saatgutkonzept entwickelt11. Dabei werden seltene und gefährdete Arten, die nicht über Regiosaatgut verfügbar sind, wo sinnvoll projektbezogen über eine Wildpflanzengärtnerei vermehrt.
Das Einsatzgebiet der Mahdgutübertragung
Mit der Mahdgutübertragungiii können, entsprechend hochwertige Spenderflächen im jeweiligen Naturraum vorausgesetzt, auch Samen von seltenen und gefährdeten Pflanzen übertragen werden, die über das Regio- oder Regio+-Saatgutkonzept nicht verfügbar sind. Hinzu kommt, dass bei der Gewinnung dieses sogenannten naturraumtreuen Saatguts12 unter Umständen auch Diasporen von Farnen, Flechten und Pilzen, aber auch Larven und adulte Stadien von Insekten mit übertragen werden können. Im Regiosaatgut sind v.a. die Arten des mesophilen Grünlands vergleichsweise gut repräsentiert. Arten von mittlerweile selten gewordenen Biotoptypen, wie Mager- und Borstgrasrasen, Sandheiden oder Feuchtgrünland, sind über das Regio-Saatgut vielfach unterrepräsentiert. Gerade bei der Entwicklung entsprechender Grünland- oder FFH-Lebensraumtypen (FFH-LRT) zeigt das Regiosaatgut daher konventionsbedingt Schwächen. Eine Gegenüberstellung zum Einsatz von Regiosaatgut und naturraumtreuem Saatgut zeigt folgende Tabelle nach Bloemer (2018)13 auf.
Tabelle 1: Gebietheimisches Saatgut (nach Bloemer 2018 und FLL 2014, verändert)
Regio-Saatgut |
Naturraumtreues Saatgut |
Anbau und Vermehrung von Wildformen |
Beerntung natürlicher Pflanzengesellschaften |
Räumlicher Bezug: Ursprungsgebiete (Herkunftsregionen) |
Räumlicher Bezug enger gefasst: Naturräumliche Haupteinheiten nach Meynen & Schmithüsen 1953 - 1962 |
Ansaat standardisierter oder individuell zusammengestellter Saatmischungen |
Übertragung natürlicher, lokaltypischer Pflanzengesellschaften möglich |
Voraussetzung: Verfügbarkeit der Arten im Handel |
Voraussetzung: Vegetationskundlich hochwertige Spenderflächen in der Nähe |
Naturschutzfachlicher Mindeststandard gemäß Bundesnaturschutzgesetz § 40 Abs. 1 für Begrünungen in der freien Natur |
Naturschutzfachlich optimale Lösung gemäß Bundesnaturschutzgesetz |
Zertifizierungssystem: RegioZert® und VWW- Regiosaaten® |
Zertifizierungssystem: Keine interne Qualitätssicherung, Überwachung durch fachkompetente Institution und/oder Planer |
Aussaat möglich mit pneumatischen Breitsaatgeräten, Kleinsaatgeräten oder Schleuderstreuer. Auch Hydroseeding |
Ausbringung im Wesentlichen Mähgutübertragung per Ladewagen. Wiesendrusch über Sämaschinen oder Tellerstreuer. Gehäckseltes Mahdgut und Wiesendrusch auch per Hydroseeding möglich |
Anwendungsbereiche: vor allem Standartbegrünungen in der freien Natur, Begrünungen mit ingenieurbiologischen Funktionen (Verkehrsbegleitgrün, Rekultivierungen) |
Anwendungsbereiche: vor allem hochwertige Naturschutz- und Biotopentwicklungsflächen, Ausgleichsflächen, Flächen für Kohärenzsicherungsmaßnahmen (Natura 2000-Relevanz). |
Praxisbeispiele zum Mahdguteinsatz
Renaturierung von Sandmagerrasen im Elbe-Lübeck-Kanaltal bei Breitenfelde / Kreis Herzogtum-Lauenburg
2013 trat die untere Naturschutzbehörde (UNB) des Landkreises Herzogtum-Lauenburg mit der Bitte an die Artenagentur heran, ein Biotopentwicklungskonzept für das Elbe-Lübeck-Kanaltal südlich von Alt-Mölln zu erstellen. Der Landkreis hatte zur Umsetzung des Konzeptes in den zurückliegenden Jahren ca. 72 ha Flächen in dem Talabschnitt erworben.
Geologisch bestehen die Fläche aus sehr nährstoffarmen Fließsanden der letzten Eiszeit. Unter starker Gülledüngung wurden die Flächen aber vornehmlich zum Anbau von Futtermais genutzt. Aufgrund der geologischen Ausgangslage wurde mit dem Kreis vereinbart, in dem Talabschnitt Initialstadien von Sandmagerrasen im Übergang zu magerem mesophilen Grünland zu entwickeln. Die Initialflächen wurden aufgrund der landwirtschaftlichen Vornutzung durch Oberbodenabschübe vorbereitet.
Über Regio-Saatgut (Ursprungsgebiet Nordostdeutsches Tiefland – UG3) stand zu dem Vorhaben theoretisch ein eingeschränktes Artenset, bspw. Sand-Segge (Carex arenaria), Silbergras (Corynephorus canescens), Schaf-Schwingel (Festuca ovina) oder das Bergsandglöckchen (Jasione montana) zur Magerrasenentwicklung zur Verfügung. Im Handel waren aber auch diese Arten nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Da im erreichbaren Umfeld des Planungsgebietes aber noch interessante Magerrasen-Spenderflächen zur Verfügung stehen, entschied sich die Artenagentur dafür, auf die Mahdgutübertragung zurückzugreifen.
Als Beispiel einer der Spenderflächen ist der Artenbestand einer sehr artenreichen Sandmagerrasenfläche bei der Ortschaft Büchen-Dorf in Tabelle 2 dargestellt, auf der 71 Arten, zumeist der Sandmagerrasen aufgenommen werden konnten. Gut 21 für die Biotopentwicklung wünschenswerte, zumeist (stark) gefährdete Arten, sind dabei nach dem Regio-Saatgutkonzept laut Artenfilter14 per Konvention nicht als Regio-Saatgut zugelassen. Mit der Wiesen-Kuhschelle (P. pratensis) war zudem eine vom Aussterben bedroht Zielart des Artenhilfsprogramms Schleswig-Holstein vertreten, für die die Artenagentur explizit Artenhilfsmaßnahmen umsetzen sollte.
Abb. 1: Spenderfläche „Sandmagerrasen Moorberg“ im NSG Stecknitz-Delvenau-Niederung. Im Bildausschnitt ist die nicht im Regio-Saatgut für das UG3 verfügbare Esels-Wolfsmilch (Euphorbia esula) sowie weitere Magerrasenarten wie die Sand-Grasnelke (Armeria maritima ssp. elongata) oder das Knöllchen-Steinbrech (Saxifraga granulata) zu sehen.
Tabelle 2: Arttabelle des Sandmagerrasens „Moorberg“ im NSG Stecknitz-Delvenau-Niederung bei Büchen-Dorf/ Landkreis Herzogtum-Lauenburg. Nach dem Artenfilter (Prasse et.al. 2010) nicht als Regiosaatgut zertifizierbare Arten für das UG3 sind in rot-kursiv dargestellt. Viele der Arten stehen auf der Roten Liste Schleswig-Holsteins (RL-SH 2019).
Wissensch. Name |
RL-SH 2019 |
Achillea millefolium |
* |
Aegopodium podagraria |
* |
Agrimonia eupatoria |
3 |
Agrostis capillaris |
* |
Allium vineale agg. |
3 |
Anchusa officinalis |
3 |
Arenaria serpyllifolia agg. |
- |
Armeria maritima ssp. elongata |
2 |
Arrhenatherum elatius |
* |
Artemisia absinthium |
2 |
Artemisia campestris |
3 |
Bromus sterilis |
* |
Calamagrostis epigejos |
* |
Carex hirta |
* |
Centaurea jacea |
- |
Cerastium arvense |
- |
Cerastium semidecandrum |
* |
Conyza canadensis |
* |
Dianthus deltoides |
2 |
Elymus repens |
* |
Epipactis helleborine |
* |
Erodium cicutarium |
* |
Euphorbia cyparissias |
3 |
Euphorbia esula agg. |
- |
Festuca ovina |
3 |
Festuca rubra |
* |
Galium mollugo agg. |
- |
Geranium molle |
* |
Geranium pusillum |
* |
Geranium pyrenaicum |
* |
Hieracium pilosella |
* |
Hylotelephium telephium agg. |
V |
Hypericum perforatum |
* |
Jasione montana |
3 |
Knautia arvensis agg. |
- |
Lotus corniculatus |
3 |
Luzula campestris |
V |
Myosotis ramosissima |
V |
Odontites ruber agg. |
3 |
Ononis repens |
3 |
Pimpinella saxifraga |
3 |
Pinus sylvestris |
* |
Plantago lanceolata |
* |
Poa pratensis agg. |
* |
Populus tremula |
* |
Potentilla argentea |
V |
Pulsatilla pratensis ssp. nigricans |
1 |
Quercus robur |
* |
Robinia pseudoacacia |
? |
Rosa canina agg. |
* |
Rubus plicatus |
* |
Rubus sect. Rubus |
* |
Rumex acetosella agg. |
- |
Saponaria officinalis |
* |
Saxifraga granulata |
3 |
Sedum acre |
* |
Sedum mite |
3 |
Sedum rupestre |
2 |
Silene latifolia |
- |
Silene vulgaris ssp. vulgaris |
V |
Solidago canadensis |
? |
Tanacetum vulgare |
* |
Tragopogon pratensis agg. |
* |
Trifolium campestre |
V |
Trifolium dubium |
* |
Turritis glabra |
3 |
Verbascum nigrum |
* |
Vicia angustifolia |
V |
Vicia hirsuta |
* |
Vicia tetrasperma agg. |
- |
Viola tricolor |
- |
Entwicklung von Borstgrasrasen auf der Bordelumer Heide, Nordfriesland
Eine ebenfalls anspruchsvolle Maßnahme stellt die Entwicklung eines Borstgras-Sandmagerrasens auf der Bordelumer Heide in Nordfriesland dar (Ursprungsgebiet Nordwestdeutsches Tiefland – UG1). Die Maßnahmenfläche ist auf der Bredstedt-Husumer Geest im Westen des Kreisgebietes gelegen. Die brachgefallene, stark mit Honiggras (Holcus lanatus) bewachsene Fläche, war zunächst zur Sukzession in der Planung des Landkreises Nordfriesland vorgesehen. In einem Ortstermin konnte der Landkreis jedoch davon überzeugt werden, dass es sich bei dem Brachgrünland um eine Offenlandfläche handelt, welche ein hohes Aufwertungspotenzial, ggf. hin zu einem artenreichen Borstgrasrasen (FFH-LRT 6230) besitzt.
Unterstützt durch die fachliche Beratung der Artenagentur konnte zur Restitution des Magerrasens eine entsprechend hochwertige Spenderfläche im benachbarten Landkreis Schleswig-Flensburg akquiriert werden. Es handelt sich dabei um einen Borstgrasrasen mit über 60 z. T. hochgradig in Schleswig-Holstein gefährdeten Grünlandarten. Insgesamt 25 hochwertige Arten zur Entwicklung des Grünlandtyps, wie das Borstgras (Narduus stricta), Färber-Ginster (Genista tinctoria) oder der Teufelsabbiss (Succisa pratensis), sind auf dem Borstgrasrasen der mittelalterlichen Wikingerwehranlage Danewerk bei Schleswig noch anzutreffen.
Abb. 2: Mahd der Borstgrasrasen-Spenderfläche im NSG Haithabu-Dannewerk. Im Bildausschnitt ist eine reich mit Heidekraut (Calluna vulgaris) bewachsener Bereich zu sehen. Der Rasen wurde zur Schonung des Strukturreichtum der Fläche mit einem Brielmaier-Balkenmäher gemäht.
Tabelle 3: Arttabelle des Borstgrasrasens im NSG Haithabu-Dannewerk südwestlich von Schleswig / Kreis Schleswig-Flensburg (letzte Aufnahme 16.09.2021). Nach dem Artenfilter (Prasse et.al. 2010) nicht als Regiosaatgut zertifizierbare Arten für das UG1 sind in rot-kursiv dargestellt. Viele der Arten stehen auf der Roten Liste Schleswig-Holsteins (RL-SH 2019).
Wissensch. Name |
RL-SH 2019 |
|
Achillea millefolium |
* |
|
Agrimonia eupatoria |
3 |
|
Agrostis capillaris |
* |
|
Anthoxanthum odoratum agg. |
- |
|
Anthriscus sylvestris |
- |
|
Arrhenatherum elatius |
* |
|
Avenella flexuosa |
* |
|
Calluna vulgaris |
3 |
|
Campanula rotundifolia |
3 |
|
Carex arenaria |
V |
|
Carex muricata agg. |
V |
|
Carex pilulifera |
V |
|
Centaurea scabiosa subsp. scabiosa |
2 |
|
Crataegus monogyna |
* |
|
Cytisus scoparius |
* |
|
Dactylis glomerata agg. |
* |
|
Danthonia decumbens |
- |
|
Daucus carota |
- |
|
Deschampsia flexuosa |
* |
|
Dianthus deltoides |
2 |
|
Equisetum arvense |
* |
|
Festuca ovina agg. |
V |
|
Festuca rubra |
* |
|
Galeopsis segetum |
2 |
|
Galeopsis tetrahit |
* |
|
Galium mollugo |
- |
|
Galium saxatile |
V |
|
Genista anglica |
3 |
|
Genista tinctoria |
1 |
|
Helictotrichon pratense |
2 |
|
Hieracium pilosella |
* |
|
Holcus lanatus |
* |
|
Hypericum maculatum agg. |
V |
|
Hypericum perforatum |
* |
|
Hypochaeris radicata |
* |
|
Knautia arvensis agg. |
- |
|
Lathyrus linifolius |
2 |
|
Lotus corniculatus |
3 |
|
Luzula campestris |
V |
|
Nardus stricta |
3 |
|
Ononis repens |
3 |
|
Ornithopus perpusillus |
V |
|
Pimpinella saxifraga agg. |
- |
|
Plantago lanceolata |
* |
|
Poa pratensis agg. |
* |
|
Populus tremula |
* |
|
Potentilla erecta |
3 |
|
Quercus robur |
* |
|
Rumex acetosa |
* |
|
Rumex acetosella agg. |
- |
|
Scorzonera humilis |
1 |
|
Senecio jacobaea |
- |
|
Stellaria graminea |
* |
|
Succisa pratensis |
2 |
|
Thymus pulegioides |
- |
|
Tragopogon pratensis |
* |
|
Trifolium medium |
V |
|
Veronica chamaedrys agg. |
- |
|
Veronica officinalis |
V |
|
Vicia angustifolia |
V |
|
Vicia cracca |
* |
|
Viola canina s. str. |
2 |
Erfolgskontrolle, Erstellungspflege und nachhaltige Nutzung und/ oder Pflege der restaurierten Flächen
Gerade die Renaturierung von vegetationskundlich anspruchsvollen Zieltypen, allen voran von FFH-LRT, stellt an die Maßnahmenträger neben der richtigen Standortansprache und der zielführenden Artenauswahl auch in der „Nachsorge“ und Erfolgskontrolle der Maßnahmen erhöhte Anforderungen.
Zur erfolgreichen Umsetzung von Projekten zur Grünlandrenaturierungist eine fachliche Begleitung nach Durchführung der Maßnahme unabdingbar, um den Erfolg zu kontrollieren und eine Steuerung im Rahmen einer ggf. durchzuführenden Erstellungspflege zu ermöglichen. Die Erfolgskontrolle sollte bereits den Zustand der Projektfläche vor Durchführung der Maßnahme festhalten und sich darüber hinaus über einen Etablierungszeitraum von mindestens drei bis fünf Jahren nach Durchführung der Maßnahme erstrecken. Insbesondere im ersten Jahr nach der Maßnahmendurchführung kommt es häufiger durch Nährstoffmobilisierungen oder z. B. der Aktivierung unerwünschter Samenbanken zu unerwünschten Entwicklungen. In einem solchen Falls sollten dann z. B. über einem sogenanntem Schröpfschnitt im zeitigen Frühjahr übermäßige Aufwüchse von „Unkräutern“ oder massewüchsigen Gräsern entfernt werden.
Vielfach liegen in Schleswig-Holstein insbesondere zu den anspruchsvolleren Grünlandrenaturierungen wenige Daten vor. Eine gewissenhafte Erfolgskontrolle mit Abundanznachweisen zu den sich entwickelnden und etablierenden Arten und Erhaltungszustandserfassungen zu den zu entwickelnden Lebensraumtypen hilft Erfahrungen zu sammeln und die Durchführung von anspruchsvollen Renaturierungsmaßnahmen auf sichere Füße zu stellen.
Da es sich bei den Grün- und Offenland-Biotoptypen in Mitteleuropa in der Regel um Kulturbiotope handelt, sind die entwickelten Flächen schlussendlich in eine adäquate extensive landwirtschaftliche Nutzung und/ oder Pflege zu bringen. Nur so lassen sich die Grünlandbiotope auf Dauer nachhaltig erhalten.
Spender- / Empfängerflächenkataster
Die Ansprüche und Verpflichtungen zur Rückentwicklung seltener und gefährdeter Grün- und Offenland-Vegetationstypen werden in den kommenden Jahren zunehmen. Allen voran zu den FFH-LRT liegen besondere Verpflichtungen vor15. Da anspruchsvollere Vegetationstypen nicht allein mit Regio-Saatgut renaturiert werden können, wird die Kenntnis über geeignete Spenderflächen immer wichtiger. Hier bietet sich der Aufbau von Spenderflächenkatastern (SFK) an. Die Artenagentur hat auf Wunsch des LLUR bereits 2010 mit der Einrichtung eines entsprechenden Katasters begonnen16. Bei dem SFK handelt es sich um eine Datenbank, welche eine Online-Recherche zu hochwertigen Grünlandflächen ermöglicht, die als Spenderflächen für die Diasporenübertragung zur Entwicklung entsprechend artenreicher Grünland-Lebensräume geeignet sind. Das Kataster sollte neben den naturschutzfachlichen Informationen auch Hinweise zu planerisch-wirtschaftlichen Aspekten beinhalten, um als Planungs- und Controllinginstrument für naturschutzfachliche Begrünungen dienen zu können. Derzeit ist das SFK-Schleswig-Holstein noch im Aufbau.
Fazit und Ausblick
Die Artenvielfalt im Grün- und Offenland ist in Schleswig-Holstein, aber auch bundesweit, durch eine immer stärkere Inanspruchnahme durch die Landnutzung der letzten Jahrzehnte massiv zurückgegangen. Zusammenbrüche ganzer Biozönosen, verdeutlicht durch das Insektensterben, sind die Folge. Dabei stellen gerade die Lebensgemeinschaften des Grün- und Offenlandes Schlüsselbiotope in unseren Kulturlandschaften dar17. Allein die Anlage von Blüh- und Randstreifen vermag den Artenverlust nicht aufzuhalten. Der Erhalt und die Rückentwicklung artenreicher Kulturlandschaften repräsentiert durch extensiv genutzte Grün- und Offenlandlebensräume wird immer zwingender18.
Dabei können anspruchsvolle Grün- und Offenland-Biotoptypen allein mit Regio-Saatgut nicht rückentwickelt werden. Gerade seltene und gefährdete Arten sind konventionsbedingt nicht über Regio-Saatgut verfügbar. Hinzu kommt, dass das Regio-Saatgutkonzept bundesweit noch nicht in ausreichendem Maße umgesetzt ist. Um eine Rückentwicklung anspruchsvoller Grün- und Offenland-Biotoptypen, allen voran von FFH-LRT, zu ermöglichen, gerät die Übertragung von naturraumtreuem Saatgut immer mehr in den Fokus. Der Erhalt und die Kenntnis von entsprechend artenreichen Spenderflächen nimmt dabei eine zunehmend wichtige Rolle ein. Auch die langfristige fachkundige Begleitung von entsprechenden Renaturierungsmaßnahmen als auch die nachhaltige adäquate Nutzung stellen unabdingbare Voraussetzungen zum Erhalt der artenreichen Grün- und Offenlandlebensräume dar.
Der Autor
Detlev Finke, geboren 1960, Ausbildung Garten- u. Landschaftsbau, Studium der Agrarwissenschaften und Biologie in Göttingen, Essen und Gießen. Bis 2006 stv. Leiter der Biologischen Station Hochsauerlandkreis. Bis 2008 Projektleitung Naturschutzgroßprojekt Kellerwald. Seit 2009 Projektmanagement beim Deutschen Verband für Landschaftspflege e.V. – Schleswig-Holstein. Arbeitsbereiche: Schutzgebietsmanagement, Vegetationskunde, Erhalt und Renaturierung von Grün- u. Offenlandökosystemen, Naturschutzberatung/Kooperationen mit der Landwirtschaft, GIS- u. Datenmanagement.
Fußnoten
[i] Ausbreitungseinheiten von Pflanzen. Über Samen hinaus können dies ober- oder unterirdische Ausläufer (Stolonen, Rhizome), Sporen etc. sein.
[ii] Ursprungsgebiete dienen der Abgrenzung von geografischen Räumen in Deutschland, innerhalb derer Saatgut einheimischer Wildpflanzen gesammelt und vertrieben sowie als Regiosaatgut zertifiziert werden kann.
[iii] Sowie weiterer Direktübertragungsverfahren wie Wiesendrusch, Saatbürsten, Sodenübertragung etc.
Literatur
[1] UNEP (2022): UN Biodiversity Conference (COP15). https://www.unep.org/un-biodiversity-conference-cop-15 , Webseitenzugriff 14.12.2022.
[2] Caspar, A., M. Sorg, E. Jongejans, H. Siepel, N. Hofland, H. Schwan, W. Stenmans, A. Müller, H. Sumser, T. Hörren, D. Goulson, H. d. Kroon (2017): More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protecte
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.