Pragmatische Begleiter der Veränderung
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Die Bilder aus dem Ahrtal und von der Erft aus dem vergangenen Jahr sind immer noch präsent. Die Schäden sind längst nicht beseitigt, die Folgen werden noch Jahre sichtbar sein. Was in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz passiert ist, wird jedoch kein Einzelfall bleiben – davor warnt nicht zuletzt auch der Weltklimarat. Nicht immer wird das Ausmaß von Starkregenereignissen so verheerend sein, doch auch im Kleinen ziehen Wetterextreme eine ganze Kette an Folgewirkungen nach sich: Überschwemmungen, Erosion von Ackerboden, Stoffeintrag in Gewässer, Eutrophierung. Ein Lichtblick in Anbetracht dieser düsteren Prognose: Die Menschen möchten etwas tun. Viele Landbesitzerinnen und Landbesitzer – Gemeinden, Landwirte und andere Privatpersonen – möchten aktiv etwas verändern, um die ökologischen und ökonomischen Folgen von Starkregen abzumildern. In Bayern finden sie seit einigen Jahren einen Ansprechpartner, der ihnen bei diesem Veränderungsprozess zur Seite steht: die Initiative boden:ständig.
boden:ständig wurde nicht als fertige Idee, geschweige denn als fertiges Konzept geboren. Viel mehr hat sich die Initiative aus einem Bedarf heraus allmählich entwickelt. „Klar war: Es wird etwas gebraucht, das den Flurwasserhaushalt verbessert“, erklärt Thomas Corbeck. Der Wahl-Münchner koordiniert die Initiative bezirksübergreifend, ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und sorgt für den Austausch mit den verschiedenen Verwaltungen.
boden:ständig bedeutet: praktikable Lösungen finden, um das Regenwasser dort zu halten, wo es gebraucht wird; Erosion und damit Boden- und Nährstoffaustrag zu verhindern und den Eintrag in Gewässer aufzuhalten. Diese Aufgabe für die Bayerische Verwaltung für Ländliche Entwicklung ist nicht neu – aber wie könnte man die Erkenntnisse bestmöglich auch zur Umsetzung bringen?
In wenigen Modellprojekten wurden die Grundlagen gelegt: In einem ersten wurden technische Lösungen erarbeitet und erprobt, in einem zweiten standen Methoden im Fokus, um die Akteure besser einzubinden. Schon bald wurde das Vorgehen in die Fläche gebracht: Landwirte und Gemeinden, die etwas verändern wollen, bekommen bei boden:ständig konkrete Anleitung und Unterstützung bei der Lösung ihrer jeweiligen Herausforderungen im Umgang mit dem Flurwasser.
Die Initiative übernimmt dabei die Rolle der „Ermöglicherin“. Wie das konkret aussieht, erklärt Thomas Corbeck: „Wer mit boden:ständiger Unterstützung aktiv werden möchte, wendet sich an den boden:ständig-Koordinator am Amt für Ländliche Entwicklung. Wünschenswert ist, dass sich bereits ein handlungsfähiges Team aus lokalen Akteuren zusammengefunden hat.“ Mit denen gibt es dann zunächst einen Ortstermin, um Ausgangslage und Möglichkeiten abzuschätzen. Kommt man zu dem Schluss, ein boden:ständig-Projekt zu starten, werden spätestens Fachplanung und Umsetzungsbegleitung und so früh wie möglich auch betroffene Fachverwaltungen und andere Akteure einbezogen.
Zusammen analysiert das Team dann die Herausforderungen vor Ort. Wichtig dabei: Die Flächenbesitzer bekommen keine fertige Planung vorgesetzt. „Die Projekte sind eher als Prozesse zu verstehen“, führt Corbeck aus. „Es ist eine iterative Planung. Die Maßnahmen müssen draußen gemeinsam mit den Leuten entwickelt werden.“
Essenziell dabei ist die Kenntnis der Fließstrecken. „Ich muss eigentlich bei Starkregen kartieren“, lacht der Geograf und Landwirt. „Oder unmittelbar danach.“ Nur wenn die hydrologischen Verhältnisse klar sind, können auch wirksame Lösungen gefunden werden. boden:ständig finanziert wo nötig Fachplanung und Umsetzungsbegleitung. Für die Umsetzungsbegleitung kann die Bodenordnungsbehörde Verfahren einleiten, manche lassen sich aber als Privatmaßnahmen auch besser, schneller und unkomplizierter umsetzen.
Die Aufgabe des boden:ständig-Teams liegt vor allem in der Vernetzung der Beteiligten und der Kommunikation. „Das ist sehr viel Psychologie, was die Kollegen draußen machen“, findet Thomas Corbeck. Es gilt, den Menschen zuzuhören und sie abzuholen. „Aber wir können auch mal Hausaufgaben mitgeben.“ Die Akteure als die namentlich Handelnden zu sehen, hat mehrere Vorteile: Zum einen kennen Landwirtinnen, Ortsbürgermeister und andere Akteure die lokalen Bedingungen viel besser. Zum anderen tragen sie Lösungen aber auch bereitwilliger mit, wenn sie selbst an ihrer Entwicklung beteiligt waren. „Letztlich ist nicht nur das Commitment dann wesentlich höher – oftmals kommen sogar die besten Ideen von den lokalen Akteuren selbst“, stellt der Koordinator begeistert fest. „Das Wichtige ist, gemeinsam Lösungen umzusetzen und nicht nur zu sagen: Du musst etwas ändern!“
Das Motto dabei lautet: Das Machbare jetzt tun! So können Teilmaßnahmen, die auf jeden Fall sinnvoll und zielführend sind, auch schon umgesetzt werden, während umfangreichere noch in der Planung sind. In einigen Fällen hilft dieses Motto, die Menschen zu motivieren – anfängliche Skeptiker werden so überzeugt: Sie wollen zu den Lösungsträgern gehören statt zu den Bremsern. Manchmal ist es auch gar nicht notwendig, ein umfassendes Projekt zu starten. „Manchmal reicht es aus, Brennpunkte und Maßnahmenoptionen aufzuzeigen“, erzählt Corbeck. Der Impuls selbst kann dann schon zu tragfähigen Lösungen führen.
Ein Grundsatz bei der Maßnahmenplanung ist: So dezentral wie möglich und immer dem jeweiligen Bedarf und den Möglichkeiten angepasst. Angefangen auf den Flächen, wo schon über die Bewirtschaftungsweise der Bodenwasserspeicher erhöht wird, über einfache Veränderungen des Abflussgeschwindigkeit bis hin zu umfangreicheren Maßnahmen zur Retention.
boden:ständig ist für Planende durchaus herausfordernd, erzählt Thomas Corbeck. „Zum Beispiel sind die Merkblätter der DWA für ganz andere Projektgrößen dimensioniert. Die Vorgaben lassen sich für Erdbecken kaum sinnvoll einhalten.“ Auch das Verhältnis von Planungs- zu Baukosten ist für die Berechnungspraxis ungewohnt. Die Folge: Planende müssen Lösungen außerhalb der Norm finden. „Dafür braucht es Menschen, die im Denken flexibel und kompromissbereit sind“, erkennt Corbeck.
Inzwischen hat das boden:ständig-Team in den sieben bayerischen Bezirken aber erprobte Partnerschaften mit Büros und Planern, die sich auf diese Kreativität gerne einlassen. In mittlerweile über 100 Projekten haben sie zahlreiche Maßnahmen umgesetzt.
Die stetig steigende Zahl spricht für sich: Die Initiative kommt an. Die Ingenieurbüros, die bereits mit an Bord sind, sind genießen es, ihre Projekte bis zur Umsetzung begleiten zu können, auch wenn das bedeutet, dass erste Entwürfe meist noch angepasst werden müssen. Trotzdem sieht der Geograf noch Entwicklungsmöglichkeit: „Es wäre schön, wenn der dezentrale Wasserrückhalt bei allen Planungen verstärkt mitgedacht würde. Vor allem auch, damit nicht auch noch die verschiedenen Umwelt- und Naturschutzbelange die Flächenkonkurrenz verschärfen. Oft sind Synergien möglich“.
Im bisherigen Erfolg der Initiative steckt für Thomas Corbeck aber noch viel mehr: nämlich die Menschen hinter den Ideen. „Da sind innovative, tolle Leute, die andere mitreißen!“, betont er. Ein Teilziel für den Projektentwickler ist es deshalb auch, diese Menschen besser zu vernetzen. Ein Mittel dazu ist beispielsweise der boden:ständig-Preis, der auch 2022 wieder ausgelobt wird.
Wachsendes Interesse
Über 100 Projekte sind eine Hausnummer – und die Nachfrage steigt. Um neben den eigenen beauftragten Planern auch andere zu unterstützen, entwickelt die Initiative Planungsleitfäden und andere Arbeitshilfen. – ebenfalls eine Aufgabe, an der Thomas Corbeck beteiligt ist. 2020 wurde das von der Initiative beauftragte Planungshandbuch „Hochwasserminderung im Ländlichen Raum – ein Handbuch zur quantitativen Planung“ herausgegeben, welches kostenfrei digital beim Springer-Verlag erhältlich ist.
Gleichzeitig wächst auch die Aufmerksamkeit in den anderen Bundesländern. Denn das Konzept, im Kleinen Maßnahmen umzusetzen, die in Summe und vor allem schon für die Flur etwas bewirken, überzeugt. Und übertragbar wären die Erkenntnisse aus Bayern, da ist sich Corbeck sicher. Engagierte Menschen, die einfach nur Befähigung brauchen, gibt es überall. „Wir stehen gerne anderen Bundesländern mit Rat und Tat zur Seite.“
Weiterentwicklung
Das Beratungsangebot bedeutet übrigens nicht, dass die Initiative ihre Entwicklung abgeschlossen hätte. „Ich sehe auch boden:ständig selber eigentlich als einen Prozess“, erklärt Thomas Corbeck. „Wir entwickeln uns immer weiter. Langfristig würden wir beispielsweise auch gerne den Wald mitdenken, nicht nur landwirtschaftlich genutzte Flächen. Auf diesen etablieren die Akteure schon neue Lösungen wie zum Beispiel Agroforstsysteme; die Schnittstellen zu Schwammdörfern sind ein Thema – und die Pflege der Zusammenarbeit unterschiedlicher Verwaltungen …“
Projektdaten
- Name: boden:ständig
- Zuordnung: Bayerische Verwaltung für Ländliche Entwicklung
- Mitarbeitende: 8
- Tätigkeitsfelder: Verbesserung des Flurwasserhaushalts, Vernetzung, Beratung, Umsetzungsbegleitung, (Teil-)Finanzierung
- Web: www.boden-staendig.eu
Kontakt
Thomas Corbeck
Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern
Bereich Zentrale Aufgaben
Infanteriestraße 1
80797 München
Thomas.Corbeck@bza.bayern.de

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