Geerbte Verantwortung
Rund 70.000 ha Naturerbefläche, verteilt auf 71 Gebiete, pflegt und entwickelt die DBU Naturerbe GmbH. Die Arbeit erstreckt sich dabei von der Grundlagenerfassung über die Planung bis zur Umsetzung. Susanne Belting, Dr. Uwe Fuellhaas, Lisa-Marie Hille und Tobias Leikauf stellen die Gesellschaft vor.
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Ein sanftes Gleiten des langgestreckten Körpers im Wasser eines angestauten Bachs, kurz darauf trägt der Wind ein leises Nagegeräusch ans Ohr: ein Biber. An einem Tümpel, verborgen in der Dämmerung und doch nicht zu überhören, das Konzert der Kreuzkröten. Auf einer sonnigen Heidefläche, scheinbar mitten im Nirgendwo, das meditative Kaugeräusch von Schafen, vereinzelt durchsetzt von leisem Blöken. Landschaften lassen sich nicht nur mit den Augen erfahren.
Die drei Landschaften, durch die wir soeben gereist sind, könnten unterschiedlicher kaum sein: der Authausener Wald in Sachsen mit seinen naturnahen Bachläufen, das bayerische Tennenlohe mit seinen strukturreichen Sand-Lebensräumen, die offenen Weideflächen der Ueckermünder Heide in Mecklenburg-Vorpommern. Und doch haben all diese Flächen eines gemeinsam: Sie sind Teil des Nationalen Naturerbes. Der Begriff umfasst Flächen in Deutschland, die seit dem Jahr 2008 dauerhaft für den Naturschutz gesichert wurden. Viele dieser Flächen wurden vorher beispielsweise militärisch oder zum Braunkohleabbau genutzt. Die Initiative von Naturschutzverbänden führte dazu, dass die damalige Regierung im Koalitionsvertrag vereinbarte, die wertvollen Landschaftsräume nicht zu privatisieren. Gut 156.000 ha wurden so bislang in die Trägerschaft der Bundesländer, von Naturschutzverbänden, Stiftungen und der Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt übertragen.
Verantwortung des Besitztums
71 dieser Flächen, über zehn Bundesländer verteilt, insgesamt gut 70.000 ha, gehören der DBU-Naturerbe GmbH. Die Gesellschaft wurde 2007 als gemeinnützige Tochter der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gegründet und bekam dann in bislang drei Tranchen die Flächen übertragen. Mit dabei fast seit der ersten Stunde: Dr. Uwe Fuellhaas. Der promovierte Diplom-Biologe arbeitete schon zuvor acht Jahre für die DBU beziehungsweise das DBU Zentrum für Umweltkommunikation und wagte dann den Sprung in die neu gegründete Tochtergesellschaft. Er betont: „Wir haben die DBU-Naturerbeflächen mit allen Rechten und Pflichten übernommen.“
Fuellhaas führt aus: „Der Vorteil des Eigentums ist, dass es deutlich einfacher wird, Maßnahmen umzusetzen.“ Da viele Flächen groß und weitestgehend unzerschnitten sind, werden nur wenige Nachbarn tangiert, wenn es zum Beispiel gilt, einem Bach seinen Retentionsraum zurückzugeben.
Doch auch die Pflichtenseite ist nicht zu vernachlässigen. „Für jede Fläche besteht ein klares, mit dem BfN abgestimmtes Leitbild“, erklärt Susanne Belting, ebenfalls Biologin. Sie ist seit 2019 fachliche Leiterin im DBU Naturerbe, zuvor war sie für das Offenlandmanagement der Gesellschaft tätig. „Diese Leitbilder müssen von uns umgesetzt werden.“
Grundlagenerfassung
Für eine bestmögliche Umsetzung der Leitbilder wird zunächst für jede Naturerbefläche eine umfangreiche Grundlagenerfassung durchgeführt. Schwerpunkt dabei liegt auf der flächendeckenden Kartierung von Biotop- und Lebensraumtypen, die beauftragte Kartierbüros übernehmen. Für die Qualitätssicherung sind unter anderem die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Lisa-Marie Hille und Tobias Leikauf zuständig. Die Herausforderung dabei: Jedes Bundesland stellt andere Anforderung an die Biotoptypenkartierung. „Wir haben deshalb mit dem Berliner IT-Unternehmen ARC Greenlab eine eigene Datenbank entwickelt“, erklärt Hille. „Hier können wir in einem länder-übergreifenden Programm die Daten einpflegen. Jedes Bundesland hat dabei ein eigenes Erfassungsmodul, welches die Anforderungen der einzelnen Bundesländer abdeckt.“ Die Datenbank ermöglicht eine einheitliche Datenerfassung und automatisierte Auswertungen, welche die weitere Planung unterstützen. Perspektivisch sollen auch länderübergreifende Auswertungen möglich sein – etwas, das bislang deutschlandweit aufgrund der unterschiedlichen Erfassungsmuster schwierig ist.
Die Biotoptypenkartierung wird durch eine Forsteinrichtung und für die meisten Flächen durch eine Brutvogelkartierung ergänzt. Andere Artkartierungen liefern die Länder. „Zusammen bildet das die Grundlage unserer weiteren Arbeit“, erklärt Tobias Leikauf. Bislang waren die Kartierungen der Arbeitsschwerpunkt des Landschaftsökologen. Da bald für alle Flächen Grundlagenerfassungen vorliegen, erweitert sich das Tätigkeitsspektrum der wissenschaftlichen Mitarbeiter nun auch auf den zweiten wesentlichen Arbeitsbereich der Gesellschaft: die Naturerbe-Entwicklungsplanung.
Vom Leitbild zur Umsetzung
Sie überträgt die vorgegebenen Leitbilder in 10-Jahres-Pläne. Diese sind immer ein Gemeinschaftsprodukt. Die Projektverantwortlichen koordinieren die verschiedenen Teile der Planung. „Dabei arbeiten wir eng zusammen, um Grundlagen, Ziele und Maßnahmen aufeinander abzustimmen“, erläutert Hille. Uwe Fuellhaas zum Beispiel ist für den Bereich Gewässer und Feuchtgebiete zuständig, andere Kollegen decken die Bereiche Offenland und Wald ab. Dabei sind die Inhalte der Planung so unterschiedlich wie die Flächen selbst und reichen von Renaturierung und Auenrevitalisierung über langfristige Pflege durch Beweidung bis hin zum Prozessschutz in den Wäldern.
Dabei verfolgen die Naturschützer grundsätzlich zwei Strategien: Pflegeabhängige Lebensräume wie Heiden und Magerrasen möchten sie langfristig erhalten und optimieren, genauso die Gewässer und Feuchtgebiete. Der Großteil der rund 55.000 ha Wald darf sich dagegen in Zukunft ohne Eingriffe natürlich entwickeln. Damit aus homogenem Nadelforst einmal naturnaher Laubmischwald wird, entnimmt die DBU Naturerbe GmbH auf einem Teil der Flächen zunächst standortfremde Nadelhölzer und schafft so Licht und Platz für junge Laubbäume, bevor der Wald letztlich sich selbst überlassen wird.
Die Pläne werden dann mit BfN und den Ländern abgestimmt – erst nach Freigabe kann es weitergehen. Denn die Arbeit der DBU Naturerbe GmbH endet nicht mit der Planung. Susanne Belting bringt es auf den Punkt: „Die Entwicklungsplanung nimmt viele Kapazitäten in Anspruch. Aber die beste Planung hilft nicht, wenn sie am Ende nur im Schrank steht. Unser Ziel ist, die Leitbilder auch wirklich in die Fläche zu bringen!“
Diese Umsetzung wird möglich durch Partner vor Ort, zum einen durch Landwirte, vor allem aber durch die Mitarbeiter von Bundesforst, welche die Flächen und Naturschutzmaßnahmen als Dienstleister betreuen. Über Jahre sind hier enge Netzwerke entstanden. Die DBU Naturerbe GmbH profitiert hier von der Ortkenntnis der lokalen Akteure: Viele der Förster durchstreiften ihre Gebiete schon, als sie noch militärisch genutzt wurden. Sie gestalten den Wandel vom Wirtschaftswald zum naturnahen Wald mit. Sie kennen die „Perlen“, wissen, welche Arten wo zu finden sind und welche Bestände besonders wertvoll sind. Sie wissen aber auch, wo die „Problemzonen“ ihrer Gebiete liegen.
Gruß aus der Vergangenheit
Die gibt es insbesondere bei den Flächen, die früher militärisch genutzt wurden. Nicht selten finden sich hier Munition und Sprengstoffreste, Altlasten im Boden oder Bunkeranlagen. Die Entsorgung ist oft schwierig, vieles geht nur kostenaufwändig in Zusammenarbeit mit Behörden wie dem Kampfmittelräumdienst – schließlich sollen die Flächen für Mensch und Tier sicher sein, gerade entlang der Besucherwege. Doch nicht alle Hinterlassenschaften der militärischen Truppen sind negativ. „Einige Bunker werden heute von Fledermäusen genutzt“, erzählt Lisa-Marie Hille. „Solche Bauwerke werden natürlich instand gehalten.“
Trotzdem: Diese Arbeiten sind eine finanzielle Herausforderung, auch, weil sie schwer kalkulierbar sind. Um naturschutzfachliche Pflegemaßnahmen zu finanzieren und umzusetzen, ist es für die DBU Naturerbe GmbH ein entscheidender Faktor, auch Fördermittel auf die Flächen zu lenken. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Maßnahmen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen umzusetzen. So ist im Zuge der Flächenübernahme vertraglich festgelegt worden, dass A&E-Maßnahmen auf allen DBU-Naturerbeflächen durchgeführt werden dürfen: Beispielsweise Fließ- und Stillgewässer renaturieren, Offenland aufwerten, Betonfläche entsiegeln oder Nisthilfen installieren. „Unsere Flächen bieten damit ein gigantisches Kompensationspotenzial!“, so Fuellhaas.
Erste Erfolge
Mithilfe der Eingriffs- und Ausgleichsmaßnahmen konnten die Biologen in der Vergangenheit bereits eine große Wiedervernässung im Martenschen Bruch auf der Fläche Ueckermünder Heide in Mecklenburg-Vorpommern realisieren. Sie ist mit fast 10.000 ha die größte DBU-Naturerbefläche. Über Jahrzehnte war die Fläche in militärischer Nutzung. Dadurch entstanden unterschiedlichste Lebensräume. Die Moorbereiche und andere Feuchtgebiete jedoch wurden über ein umfangreich angelegtes Grabensystem trockengelegt.
Als 2008 die Fläche an die DBU Naturerbe GmbH überging, liefen bereits die Planungen zur Wiedervernässung. Das Ziel: Die Entwässerungsgräben mit Stauwerken schließen und so den Grundwasserspiegel wieder anheben. Doch wie finanzieren? Der Bau der Ferngasleitung OPAL des Gasnetzbetreibers GASCADE machte es möglich: Die Wiedervernässung wurde zur Kompensationsmaßnahme, und innerhalb weniger Jahre entstanden wieder Tümpel, Flachwasserbereiche und artenreiche Feuchtwiesen. Heute sind Schnabel-Segge, Große Moosjungfer und der Große Feuerfalter wieder heimisch im Martenschen Bruch.
Herzensprojekt Moor
Die Wiedervernässung zieht sich durch viele Planungen. Herzensangelegenheit der Biologen dabei: die Moore. „Wir haben in den 71 Gebieten etliche Moore, auch Kleinstmoore, die jetzt wiedervernässt werden“, berichtet Susanne Belting. „Es ist uns ein wesentliches Anliegen, das Wasser in der Landschaft zu halten.“
Doch nicht die Feuchtgebiete und Gewässer allein sind es, die dem Team am Herzen liegen. Es sind die Gebiete selbst, mitsamt den Menschen, die sie pflegen und gestalten. „Ich habe durch die Arbeit erst ein Bild von einigen Bundesländern und Landschaften in Deutschland bekommen“, erzählt beispielsweise Tobias Leikauf. „Da entsteht dann zu ein paar Flächen schon eine persönliche Beziehung.“ Für Lisa-Marie-Hille ist es der Authausener Wald, Uwe Fuellhaas schwärmt von Peenemünde. Susanne Belting möchte sich erst gar nicht für ein einzelnes „Lieblingsgebiet“ entscheiden. Deutlich ist zu spüren: Das gesamte Team ist mit dem Herzen bei der Sache. Oder, wie Susanne Belting es abschließend auf den Punkt bringt: „Dieses Erleben, Fühlen, die Bindung an die Fläche ist wichtig. Naturschutz geht nicht vom Schreibtisch aus!“
Betriebsdaten
- Gesellschaftsform: gemeinnützige GmbH
- Gründung: 2007
- Mitarbeiter: 24
- Flächen: 70.000 ha, verteilt auf 71 Gebiete
- Aufgabenfelder: Biotopkartierung, Naturerbe-Entwicklungsplanung, Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit, Monitoring
Kontakt
DBU Naturerbe GmbH
Gesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zur Sicherung des Nationalen Naturerbes mbH
An der Bornau 2
49090 Osnabrück
Tel. 0541 9633-660
E-Mail: m.liedtke@dbu.de
Website: www.dbu.de/naturerbe
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