Artenschutz in Planungs- und Zulassungsverfahren
Das Artenschutzrecht wirkt in Planungs- und Genehmigungsverfahren über das in § 44 Abs. 1 und 5 BNatSchG geregelte Instrument der Zugriffsverbote einschließlich der sich hierauf beziehenden Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG. Weil die verhaltensbezogenen Zugriffsverbote nicht auf eine Abarbeitung in Verwaltungsverfahren zugeschnitten sind, besteht die Schwierigkeit des Artenschutzrechts in seiner Konkretisierung (Philipp, NVwZ 2008, S. 593). Auf einige Fragestellungen, die bei Seminaren erfahrungsgemäß von Praktikern aufgeworfen werden, wollen wir nachfolgend kurz eingehen.
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Wie alt dürfen Kartierungen sein?
Zwar gibt es keine gesetzliche Grenze, wann Bestandserfassungen als veraltet anzusehen sind. Allerdings bedarf es aufgrund des Exemplarbezugs der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nach der Rechtsprechung bei älteren Daten einer Überprüfung, ob diese im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung noch belastbar und aussagekräftig sind. Das BVerwG rekurrierte insoweit bereits mehrfach auf eine Faustformel von fünf Jahren und prüfte in diesen Fällen, ob eine Kontrolle der älteren Kartierdaten stattgefunden hatte (bspw. Urteil vom 09.11.2017, Az. 3 A 4.15, Rn. 44; Urteil vom 11.07.2019, Az. 9 A 13.18, Rn. 138.).
Sind allochthone Vorkommen einer Art geschützt?
Nach § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG sind die in Europa heimischen Vögel sowie die Arten des Anhang IV der FFH-Richtlinie in der Artenschutzprüfung zu betrachten. Wenn eine Art dort einschränkungslos aufgeführt wird, dann werden nationalrechtlich betrachtet auch gebietsfremde Vorkommen, etwa der Mauereidechse, von den Zugriffsverboten erfasst. Weil Art. 12 Abs. 1 FFH-Richtlinie ein Schutzsystem für die Tierarten des Anhang IV „in deren natürlichen Verbreitungsgebieten“ vorgibt, könnte der Gesetzgeber aber durch eine entsprechende Ergänzung von § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG den Schutz auf autochthone Vorkommen der Anhang-IV-Arten beschränken.
Wo finde ich verlässliche Bestandserfassungsmethoden?
Behördenverbindlich operationalisiert wird die Artenschutzprüfung vor allem durch Verwaltungsvorschriften der Landesregierungen. Soweit dort Erfassungsspielräume gelassen werden, ist das Methodenhandbuch für die Artenschutzprüfung in NRW des LANUV eine grundsätzlich verlässliche Quelle für taugliche Erfassungsmethoden. Aufgrund der Beteiligung vieler Expertinnen und Experten ( NuL6203 ) basiert das Handbuch weitgehend auf einem fachlichen Konsensprinzip und kommt damit den Anforderungen an eine Fachkonvention nahe. Für bestimmte Fallkonstellationen gibt es zudem gesonderte Erlasse. So haben alle Bundesländer Leitfäden für die artenschutzrechtliche Bewertung von Windenergieanlagen herausgegeben.
Wann ist das Tötungsrisiko signifikant erhöht?
Bei der Frage, ob das Verletzungs- und Tötungsrisikos für Exemplare im konkreten Einzelfall signifikant erhöht ist, handelt es sich im Wesentlichen um eine wertende naturschutzfachliche Beurteilung. Für diese ist der Genehmigungsbehörde in gewissen Grenzen eine faktische Einschätzungsprärogative eingeräumt, soweit sie nicht durch Verwaltungsvorschriften gebunden ist und sich noch kein anerkannter Standard herausgebildet hat (BVerfG, Beschluss vom 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13). Um einen der wenigen von der Rechtsprechung abgesicherten Gefahrenschwellenwerte handelt es sich bei dem Ausschlussbereich für Windenergieanlagen, der 1.500 m um Horste des Rotmilans beträgt, weil dies die sogenannte „home range“ bildet, in der die meisten Flüge (60 %) stattfinden. Beträgt der Abstand weniger als 1.500 m, so ist laut der Rechtsprechung die naturschutzfachliche Vermutung gerechtfertigt, dass der Betrieb der Windenergieanlage ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für Einzelexemplare verursachen würde, soweit eine Raumnutzungsanalyse nicht das Gegenteil belegt (aktuell VGH Hessen, Beschluss vom 14.01.2021, Az. 9 B 2223/20, Rn. 15 f. mit Nachweisen zur Verwaltungsgerichtsbarkeit anderer Bundesländer). Von artengruppen- und vorhabenübergreifender Bedeutung ist der bereits in vierter Fassung vorliegende Leitfaden „Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen“ (Bernotat & Dierschke 2021). Der Leitfaden entwickelt methodisch einen Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI), indem die naturschutzfachliche Bedeutung mit der populationsbiologischen Empfindlichkeit einer Art über eine Matrix miteinander verschnitten werden.
Ist eine Ausnahme in Bezug auf Vögel möglich?
Ja. Ohne eine Ausnahmemöglichkeit aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses ergeben sich Wertungswidersprüche bei einer Binnenbetrachtung der Vogelschutzrichtlinie. Denn der EuGH ermöglicht aus dem Rechtfertigungsgrund des Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der VRL die als reine Freizeitbeschäftigung ausgeübte Jagd auf wildlebende Vögel. Die verbindliche Zielvorgabe findet sich in Art. 2 VRL, wonach die europäischen Vogelarten auf einem Stand zu halten beziehungsweise auf einen Stand zu bringen sind, der den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht, wobei auch wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung zu tragen ist. Es stünde in einem nicht rechtfertigbaren Widerspruch, wenn die Vogelschutzrichtlinie einerseits das Töten durch reine Freizeitbeschäftigungen ermöglicht, aber andererseits die ebenfalls von Art. 2 VRL genannten wirtschaftliche Erfordernisse und damit im öffentlichen Interesse stehende Vorhaben eine generelle Ausnahmeverweigerung entgegenstellen will.
Muss eine Ausgleichfläche vom Vorhabenträger zu Eigentum erworben werden?
Nein. Bei einem unbefristeten Zugriff auf Habitatflächen muss die Artenschutznutzung der Ausgleichsfläche jedoch dauerhaft gesichert werden (OVG Niedersachsen, Urteil vom 14.09.2000, Az. 1 K 5414/98, Rn. 30.). Dies kann beispielsweise auch durch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit (§§ 1018-1029 BGB) ins Grundbuch, die auf das Dulden einer näher zu beschreibenden Naturschutznutzung des Grundstücks beispielsweise als Nasswiese für Wiesenbrüter gerichtet ist, erfolgen.
Müssen CEF-Maßnahmen dauerhaft gepflegt werden?
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kann einem privaten Vorhabenträger nicht zugemutet werden, eine Artenschutzmaßnahme dauerhaft zu unterhalten. CEF-Maßnahmen intendieren die Bewahrung der vorgefundenen Situation. So müssen diese funktionserhaltenden Maßnahmen die Qualität des Habitats nicht länger gewährleisten, als sie bei natürlichem Verlauf gegeben wäre (OVG Niedersachsen, Urteil vom 31.07.2018, Az. 7 KS 17/16, Rn. 317). Die entsprechende Befristung der Pflegeverträge (nicht hingegen der dinglichen Sicherung im Grundbuch) bei Maßnahmen, die einer dauerhaften Unterhaltung bedürfen, um die Funktionalität aufrechtzuerhalten, ist gemessen an dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Schutz des Eigentums Privater durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht zu beanstanden und bewirkt keine Disfunktionalisierung. Denn nach dem Auslaufen der Pflegemaßnahme aus Verhältnismäßigkeitsgründen wechselt die Unterhaltungslast vom Verursacherprinzip in das Gemeinlastprinzip und somit von der privaten in die staatliche Verantwortung und Bewirtschaftungsaufgabe nach § 38 Abs. 2 BNatSchG, der ausdrücklich auf die Lebensstätten der unionsrechtlich geschützten Arten Bezug nimmt.
Autoren
Anregungen senden Sie gerne an Rechtsfachwirtin Laura Kläs (klaes@jeromin-kerkmann.de).
Zur Vertiefung:
Lukas, A.: Artenschutz in Planungs- und Zulassungsverfahren , Kassel 2022.
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