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LPV Mittleres Erzgebirge

Neue Refugien für die Himmelsziege

Claudia Buchau und ihr Team des Landschaftspflegeverbandes Mittleres Erzgebirge haben in den vergangenen Jahren rund um Annaberg zahlreiche Habitate für die Bekassine angelegt. Das Projekt wurde im September mit dem Deutschen Landschaftspflegepreis ausgezeichnet. Im Porträt stellt sie ihre Arbeit vor.

von Julia Schenkenberger erschienen am 18.04.2024
Kleingewässer im zweiten Jahr nach der Anlage © LPV Mittleres Erzgebirge
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Es ist ein milder Tag im Mai. Statt die Gipfel des Erzgebirges zu erklimmen, hat es uns heute in die flacheren Gefilde rund um Annaberg-Buchholz verschlagen. Wir erfreuen uns am frischen Grün der Wiesen. Ein erster Hauch von Sommer liegt in der Luft. Plötzlich unterbricht ein hektisches „mähähähähäh“ die Idylle. Zwei braune Vögel fliegen laut meckernd auf – mit ihrem braun gesprenkelten Gefieder waren sie zuvor optimal getarnt. Der ziegenartige Warnruf hat den Tieren ihren umgangssprachlichen Namen eingebracht: Himmelsziegen. Die Bekassinen, so der „offizielle“ Name der Art, stehen längst auf der Roten Liste. Rund um Annaberg kann man sie jedoch noch entdecken.

Die Bekassine ist die Schirmart des Projekts.
Die Bekassine ist die Schirmart des Projekts. © Jan Glaesser

Dass einige der Tiere hier nicht nur rasten, sondern auch im Sommer bleiben, ist wohl auch der Arbeit von Claudia Buchau und ihren Kolleginnen und Kollegen im Landschaftspflegeverband Mittleres Erzgebirge zu verdanken. Sie haben in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass hier Dutzende flache Teiche entstehen – jeweils in der Fläche kaum 100 m², mit seichten Ufern und möglichst im Verbund, sodass sumpfige, offene Bereiche entstehen, die auch mal von Oberflächenwasser leicht überspült werden. „Genau in solchen matschigen Bereichen suchen die Bekassinen gerne nach Futter“, weiß Claudia Buchau.

Buchau ist eigentlich Silberschmiedin und schulte, als Jobs in ihrer Branche rar wurden, zur Bankkauffrau um. Allerdings: Die Arbeit war furchtbar trocken. „Ich muss sehen, was ich mit meiner Hände Arbeit schaffe!“, meint sie. Schließlich wurde sie arbeitslos. Über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme landete sie beim Landschaftspflegeverband – zunächst als Buchhalterin. Nach einem halben Jahr folgte der Sprung ins kalte Wasser: Nun steht auch Projektarbeit an. Buchau las sich ein, besuchte Weiterbildungen, sprach mit anderen über die frühere Bewirtschaftung der Kulturlandschaft. „Da hat es mich gepackt. Ich habe gelernt, die Landschaft zu lesen“, erzählt sie heute begeistert.

Die ständige Weiterbildung in ihrem Berufsfeld reizt Buchau, die inzwischen Geschäftsführerin des Landschaftspflegeverbands ist. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sie, nachdem sie eine Anfrage für die Anlage von Teichen als Ausgleichsmaßnahme bekommt, damit beginnt, sich mit Kleingewässern intensiver zu beschäftigen. Schnell wird klar: Damit kann ihr Team nicht nur die Vorgabe der FFH-Managementpläne, mehr Wasserrückhalt in der Fläche zu schaffen, erfüllen sondern auch aktiv zum Artenschutz beitragen! Im Fokus: die Bekassine – einst häufig, aber durch Landnutzungsänderungen und Stickstoffeintrag inzwischen selten geworden.

Im Gespräch mit Ornithologen, Menschen aus der Region und mit anderen Regionalverbänden entwickelt sich schnell ein Bild darüber, wo früher Bekassinen lebten. Dort will auch Buchau mit ihrem Team neue Kleingewässer für die Vögel schaffen. Die Förderung erweist sich allerdings als komplex: Die Biotopgestaltung ist äußerst schwierig zu beantragen. Schließlich stellt die Geschäftsführerin einen Antrag bei der Landesstiftung Natur und Umwelt Sachsen – mit Erfolg: Bis auf einen Teich werden alle über die Landesstiftung Natur und Umwelt gefördert. Die erforderlichen 10 % Eigenanteil bringt der Verband durch unentgeltliche Eigenleistung auf.

Inzwischen sind ganze 78 Teiche entstanden – ein 79. wird in diesem Jahr noch ausgebaggert. Oft nutzt der Landschaftspflegeverband dazu Flächen von Landwirten, im Gegenzug fungiert er als Naturschutzberater für die landwirtschaftlichen Betriebe. Die Flächen, auf denen die Teiche entstehen sollten, waren zum Teil sehr dicht mit Ohrweiden, Birken, Erlen und Fichten bestockt, sodass im Vorfeld eine aufwändige Entbuschung der Projektflächen notwendig war. Diese Arbeiten übernahmen ebenfalls die Landschaftspfleger des Teams.

Wichtig bei der Gewässeranlage: Einfach nur den Oberboden flach abzuschieben reicht nicht. „Die Ufer würden innerhalb weniger Monate vergrasen“, erklärt Buchau. Für die Futtersuche der Bekassinen müssen die Teiche jedoch offene, schlammige Ufer haben. Die Arbeiten sind also umfangreicher, als es zuerst den Anschein hat.

Baggerarbeiten zur Anlage der Kleingewässer
Baggerarbeiten zur Anlage der Kleingewässer © LPV Mittleres Erzgebirge

Doch auch mit aufwändigen Bodenarbeiten lässt sich ein gewisser Aufwuchs nicht verhindern. Die Landschaftspflege des LPV rückt deshalb jährlich mit der Sense aus und mäht die Uferbereiche. Das Mahdgut wird abtransportiert, wo kein schweres Gerät hinkommt, schaffen ein altes Trabantdach als Ladefläche und ein kleines Raupenfahrzeug, das „Eiserne Pferd“ Abhilfe. Eine Beweidung wäre zwar auch denkbar, um die Teichränder offenzuhalten, doch herkömmliche Rinder sind zu nässeempfindlich, um hier zu weiden. Wasserbüffel dagegen wären zu schwer, außerdem könnten sie die wertvollen Arten im angrenzenden Feuchtgrünland – unter anderem Wollgras, Orchideen und Fieberklee – beeinträchtigen.

Wo vorher Ohrweiden die Fläche bedeckten, blüht jetzt das Wollgras.
Wo vorher Ohrweiden die Fläche bedeckten, blüht jetzt das Wollgras. © LPV Mittleres Erzgebirge

Nur mit Mähen ist es an den Teichen allerdings nicht getan – spätestens, wenn sich Rohrkolben ansiedelt, droht schnelle Verlandung. Alle paar Jahre müssen die Bekassinenteiche deshalb wieder ausgebaggert werden. „Das wurde hier in der Region auch früher so gemacht“, betont Buchau. Damals gab es hier zahlreiche Fischteiche. Um sie nutzbar zu halten, wurden sie regelmäßig gereinigt. Die Arbeit übernimmt heute der LPV mit seinen Landschaftspflegern.

Außendienst bei der Rohrkolbenbeseitigung
Außendienst bei der Rohrkolbenbeseitigung © LPV Mittleres Erzgebirge

Die Bekassinen danken es. Im Mittleren Erzgebirge gibt es deutlich mehr der Vögel, als noch vor ein paar Jahren – und viele rasten nicht nur, sondern bleiben ganzjährig. Die positive Bestandsentwicklung ist nicht nur ein Bauchgefühl: Dank ehrenamtlicher Ornithologen gibt es ein Monitoring an den Teichen. Zwar können die Ehrenamtler allein aufgrund des zeitlichen Aufwands nicht auf allen Flächen die Himmelsziegen zählen, dennoch geben ihre Beobachtungen einen guten ersten Eindruck der Bestandsentwicklung.

Auch die Projektmitarbeitenden nehmen die wachsenden Bestände wahr: „Wir merken es, wenn wir über die Flächen laufen und die Bekassinen auffliegen“, erzählt Claudia Buchau. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Himmelsziegen. Auch andere Arten profitieren von den neuen Kleingewässern. Zwergschnepfen, Braunkehlchen, Wachtelkönige, ganze 22 Libellenarten, Fledermäuse, Ringelnattern und Kreuzottern – sie alle wurden bereits an den Teichen und im angrenzenden Grünland dokumentiert. Für Claudia Buchau eine Bestätigung ihres Einsatzes: „Es war mir total wichtig, um zu zeigen, dass die kleinen Teiche nicht unbedingt nach DIN-Vorgaben gebaut werden müssen. Den Tieren ist es egal, ob der Teich normgerecht ist!“

Das Team des Landschaftspflegeverbandes wollte außerdem zeigen, dass von der Anlage eines Biotopes für eine bestimmte Zielart auch unzählige weitere Arten davon profitieren: Durch die Flach- und Tiefwasserzonen in den Tümpeln können Amphibien überwintern, der Insektenreichtum als Nahrung für Fledermäuse und Vögel ist beachtlich und aufgrund der vielen Pflanzenarten finden sich sehr auch zahlreiche Falterarten auf den Flächen.

Lediglich eines kann Buchaus Team noch nicht nachweisen: den Bruterfolg der Bekassinen. Im Juni 2022 gab es zwar bereits einen Brutverdacht, doch die Landschaftspflegenden verzichteten auf den Nachweis, um die Tiere nicht zu stören. 2024 soll ein neuer Versuch unternommen werden – dann allerdings mit einer Drohne mit Wärmebildkamera, um die Störung möglichst gering zu halten. Außerdem möchte das Team so verhindern, dass die für die Bekassinen gefährlichsten Prädatoren – Waschbären, Füchse und Wildschweine – den Weg zu den Nestern quasi als Fährte gelegt bekommen. Die Waschbären sind zwar noch nicht sehr häufig im Erzgebirge, dennoch wären die Gelege von Bodenbrütern ein gefundenes Fressen für die Beutegreifer.

Damit die Waschbären auch zukünftig nicht alle Erfolge zunichtemachen, sucht Claudia Buchau nun auch den Austausch mit der Jagd. Nur eine Bestandskontrolle kann verhindern, dass hier Konflikte entstehen – da ist sie sich sicher.

Aktuell ist dieses Problem jedoch noch nicht akut. Buchau kann sich gemeinsam mit ihrem Team über die Erfolge freuen – und über eine Auszeichnung: Im September 2023 wurde ihr Projekt mit dem Deutschen Landschaftspflegepreis ausgezeichnet. Die Geschäftsführerin freut sich über die Anerkennung: „Das war eine Bestätigung der Arbeit, die wir geleistet haben!“, findet sie. „Auch für den Einsatz unserer Landschaftspfleger, die sich bei Wind und Wetter voll reinhängen.“

Das Projekt „Neue Refugien für die Himmelsziege“ ist ein Gemeinschaftswerk. „Ohne das Team steht man auf verlorenem Posten“, betont Claudia Buchau immer wieder. Für sie steht fest: Wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen, kann man etwas für die Landschaft erreichen!

Landschaftspflegetag in Potsdam: Claudia Buchau (2.v.l.) und ihr Team dürfen sich über die Auszeichnung ihres Projekts freuen.
Landschaftspflegetag in Potsdam: Claudia Buchau (2.v.l.) und ihr Team dürfen sich über die Auszeichnung ihres Projekts freuen. © Peter Roggenthin
Autor:in
Claudia Buchau
ist gelernte Silberschmiedin und Bankkauffrau. Durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme stieß sie zum Landschaftspflegeverband Mittleres Erzgebirge und ist dort inzwischen Geschäftsführerin.
Projektdaten
  • Name: Neue Refugien für die Himmelsziege
  • Projektleitung: Claudia Buchau
  • Zielart: Bekassine
  • Finanzierung: Landesstiftung Natur und Umwelt Sachsen (90 %), Eigenmittel des LPV Mittleres Erzgebirge (10 %)
  • Finanzierungsumfang: für Entbuschung und Tümpelbau zusammen ca. 100.000 €
Kontakt

Landschaftspflegeverband Mittleres Erzgebirge e.V.

Claudia Buchau

Am Sportplatz 14

09456 Mildenau

Tel.: 03733/596770

info@lpvme.de

www.lpvme.de

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