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Pro Biotop

Schweizer Nachwuchs pflegt gefährdete Biotope

Im Jahr 2017 hat Pro Natura, die älteste Naturschutzorganisation der Schweiz, das Projekt „Pro Biotop“ ins Leben gerufen. Hier setzen sich junge Menschen, die ihre Ausbildung in grünen Berufen abgeschlossen haben, aktiv für den Naturschutz in den Bergkantonen der Schweiz ein. Hanna Schreiber und Michael Vogel stellen das Projekt vor.
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1) Arbeitseinsatz im Vallée de Joux
1) Arbeitseinsatz im Vallée de JouxMichael Vogel
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Steile Hänge, unwegsames Gelände und schnelle Wetterumschwünge: Die Alpen sind eine Herausforderung. Das wissen nicht nur diejenigen, die hier eine sportliche Challenge suchen. Auch die Bergbauern der Schweiz und der anderen Alpenstaaten kennen das Terrain nur zu gut. Für sie bedeuten die Alpen auch: schwierigste Bewirtschaftungsbedingungen auf einem Boden, der oft ertragsarm ist.

Zwar sind die Wiesen und Weiden der Alpen denkbar artenreich, wenn sie entsprechend gepflegt, will heißen bewirtschaftet, werden. Dennoch ist es für die Landwirtinnen und Landwirte schwer, hier ein einträgliches Auskommen zu erwirtschaften. Das Problem ist nicht neu – die Landwirtschaft steht überall vor Herausforderungen. „Die Problematik ist in den Bergregionen allerdings am größten“, stellt Michael Vogel, Umweltwissenschaftler und Projektleiter beim Schweizer Umweltbüro oekoskop, fest. Viele wertvolle Flächen werden deshalb aufgegeben.

Mancherorts werden diese artenreichen Flächen durch Zivildienstleistende erhalten. Auch Vogel ist so zum Naturschutz gekommen. Die Arbeit hat ihn gepackt, bereits während seines Studiums hat er selbst die Leitung solcher Zivildiensteinsätze übernommen. Die Arbeit mit den „Zivis“ hat allerdings Grenzen. „Viele Arbeiten sind einfach zu anspruchsvoll“, erklärt er. Nicht nur das Gelände selbst birgt durch die Steilheit Herausforderungen. Auch der nötige Maschineneinsatz will gelernt sein.

Gemeinsam mit der Schweizer Naturschutzorganisation Pro Natura entstand deshalb 2017 ein neuer Ansatz: Eine „mobile Einsatzgruppe“ aus „Jungprofis“, also Berufseinsteigern aus Land- und Forstwirtschaft sowie dem Garten- und Landschaftsbau, die in dreimonatiger Anstellung Landschaftspflegemaßnahmen ausführt.

Für die Jungprofis ist das eine ideale Möglichkeit, stärker in den Naturschutz hineinzuschnuppern – ein Aspekt, der in den jeweiligen Ausbildungen in aller Regel zu kurz kommt. „Wir möchten den Teilnehmern den Naturschutzgedanken näherbringen“, erklärt Hanna Schreiber, die bei Pro Natura das Projekt betreut. „Wir wollen den Bewerbern neue Aspekte zeigen.“

Meist haben die Menschen, die sich für die Projektgruppe bewerben, schon von sich aus Interesse am Naturschutz. „Außerdem haben die Leute natürlich auch Lust auf den Gruppeneinsatz und die Arbeit in den Bergen“, ergänzt Michael Vogel. Die Bewerberinnen und Bewerber haben oft ganz unterschiedliche Hintergründe – 2023 waren Jahrgänge von 1988 bis 2005 dabei, Männer wie Frauen, und das aus allen Regionen der Schweiz. Sie alle kommen aus grünen Berufen, einige haben auch schon erste Arbeitserfahrung gesammelt.

Mitbringen müssen die Jungprofis vor allem körperliche Fitness, Motivation und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Im Gegenzug bekommen sie für die Projektwochen eine Unterkunft gestellt, erhalten Zugtickets für die wöchentliche An- und Abreise und ein branchenübliches Gehalt.

Jedes Jahr sucht das Team um Hanna Schreiber und Michael Vogel sechs Kandidaten aus grünen Berufen, eine oder einer davon wird Vorarbeiter oder Vorarbeiterin. Außerdem werden zwei Praktikumsplätze vergeben. Die Praktikanten kommen oft aus entsprechenden Studiengängen und haben die Aufgabe, die Arbeitseinsätze zu dokumentieren, die notwendigen Berichte zu schreiben sowie selbst mit Hand anzulegen. Die Resonanz auf die raren Stellen ist gut, obwohl das Projekt noch recht jung ist. 2023 hätten die Projektleitenden erstmals sogar zwei Teams zusammenstellen können – da die Einsatzplanung allerdings schon vor der Stellenausschreibung erfolgt, blieb es bei einer mobilen Einsatzgruppe.

Die Kantone können sich mit ihren Flächen für Pro Biotop bewerben. Die Einsatzplanung basiert auf der naturschutzfachlichen Dringlichkeit, wobei Objekte von nationaler Bedeutung priorisiert werden. Zudem wird auch auf regionale Ausgeglichenheit geachtet. Fast jede Woche lernt das Team der Jungprofis dann eine neue Fläche kennen – verteilt über verschiedene Bergkantone der Schweiz. Begleitet werden sie von den Einsatzleitern aus Vogels Team und einem Fahrzeuggespann mit Geräten und Treibstoffen.

Arbeit gibt es genug. Viele der Kantone bewerben sich mit mehreren Flächen – oft mehr, als das Team in der kurzen Zeit pflegen kann. Sie sind auch diejenigen, die die Arbeit, zumindest zum Teil, finanzieren. Zusätzlich wird das Projekt vom BAFU, dem Bundesamt für Umwelt der Schweiz, sowie von zwei Stiftungen gefördert.

Prinzipiell dürfen alle Kantone der Schweiz ihren Bedarf melden, wobei Pro Natura derzeit noch nicht in allen Regionen aktiv für das Projekt wirbt. Allerdings zeigt sich auch in den Bewerbungen, dass der Bedarf für die Hilfe der Profis vor allem in den Alpen vorhanden ist. Dabei ist schwerpunktmäßig das Freihalten der Flächen gefragt. Der Gehölzaufwuchs ist oft der größte Feind der artenreichen Alpenvegetation, egal, ob es sich um Trockenwiesen und -weiden oder um Flachmoore handelt.

Die Jungprofis sollen aber nicht nur arbeiten. Ziel ist auch, ihnen die Möglichkeit zur Weiterbildung zu bieten. Einmal pro Monat finden deshalb Exkursionen statt, die die jeweiligen Besonderheiten der zu pflegenden Biotope aufgreifen. Das kann die artenreiche Flora ebenso sein, wie Schmetterlinge oder Vögel – getreu dem Motto „man kann nur schützen, was man kennt“. Außerdem erfolgen natürlich fachliche Einführungen an jedem Einsatzort und Fragen während der Arbeit werden immer gerne beantwortet.

Das Konzept scheint anzukommen: Manch ein Jungprofi hat sich schon in einem Folgejahr erneut für einen Arbeitseinsatz beworben – dann als Vorarbeiter oder Vorarbeiterin. Das Team von Pro Natura und oekoskop schlägt mit dem Projekt also zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen sammeln junge Menschen wertvolle Erfahrungen im praktischen Naturschutz und zum anderen erhalten naturschutzfachlich wertvolle Lebensräume die oft dringend notwendige Erstpflege, die für den dauerhaften Erfolg allerdings verstetigt werden muss.

Vielleicht kann Pro Biotop hier auch in Zukunft einen Beitrag leisten. Zwar endet die Projektphase 2023 planmäßig, Hanna Schreiber ist aber bereits in Gesprächen mit dem BAFU, um ein Folgeprojekt mit ihrer mobilen Einsatzgruppe auf die Beine zu stellen.

 

Kontakt

Projektdaten

  • Laufzeit: 2017–2023 (2017/2018 Pilotjahre)
  • Projektleitung: Hanna Schreiber, Pro Natura
  • Einsatzplanung: Michael Vogel, oekoskop
  • Finanzierung: BAFU, Kantone, Stiftungen
  • Finanzierungsumfang: CHF 1.130.000.–

 


Hanna Schreiber
ist Agronomin und hat nach dem Master in Umwelt und Natürliche Ressourcen im Herbst 2021 bei Pro Natura in der Abteilung Biotope und Arten als Projektleiterin begonnen. Sie betreut vorwiegend Projekte in der Kulturlandschaft und begleitet das Projekt „Pro Biotop“ nun im zweiten Jahr.




Michael Vogel
hat Umweltwissenschaften studiert und leitet seit vielen Jahren Einsätze in der Biotoppflege. Die Landwirtschaft kennt er vom elterlichen Betrieb in der Bergzone. Seit diesem Jahr übernimmt er schrittweise das Projekt „Pro Biotop“ von Michael Dipner.

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