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Allgäuer Moorallianz

Mehr Moorschutz für das Allgäu

12 Jahre lang hat sich das Projektteam im Naturschutzgroßprojekt „Allgäuer Moorallianz“ für die Moore, Nasswiesen und Streuwiesen des Allgäus eingesetzt. Zum Ende der Projektlaufzeit stellt uns Dr. Ulrich Weiland die Besonderheiten, Herausforderungen und Erfolge dieser Arbeit vor.

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  1 Regeneration etwa ein Jahr nach hydrologischer Sanierung im Rückstaubereich eines Dammes mit innenliegender Holz-Spundwand
1 Regeneration etwa ein Jahr nach hydrologischer Sanierung im Rückstaubereich eines Dammes mit innenliegender Holz-Spundwand Projektbüro Allgäuer Moorallianz
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Das Allgäu: Sehnsuchtsort der Bergwanderer, Kletterbegeisterten und Skifahrer. Bei Touristen ist die Region vor allem bekannt für ihren Reichtum an alpinen und voralpinen Bergen, die zahlreichen Seen und Burgen. Doch das Allgäu beherbergt noch weitere Schätze: die Moore. Dank der Gletscher, die das Allgäu einst bedeckten und die Landschaft formten, und der hohen Niederschläge der Region konnten hier über die Jahrtausende verschiedenste Moore wachsen.

Die Bedeutung der Allgäuer Moore haben die Naturschützer schon lange erkannt. Denn obwohl das Allgäu im Fördergebiet des Naturschutzgroßprojektes immerhin 13 % intakte Moorflächen vorweisen kann – das liegt erheblich über dem Bundesschnitt –, so sind doch die meisten Moore durch Entwässerung, Umwandlung oder naturferne Nutzung zumindest in den Randbereichen mehr oder weniger stark beeinträchtigt. Im Jahr 2007 gründeten drei Kreise und zwei kreisfreie Städte des Allgäus deshalb die Allgäuer Moorallianz, eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel, die Moore und die wertvollen Streuwiesen der Region zu schützen.

Was mit kleineren Projekten und einer Finanzierung aus verschiedensten Fördertöpfen (LEADER, Klimaprogramm Bayern 2020, etc.) startete, nahm bald größere Maßstäbe an. Denn die Moorlandschaften der Region könnten heterogener kaum sein: Sie finden sich nicht nur im Bereich der Jungmoränenlandschaft des Alpenvorlandes. „Wir finden hier einen kontinuierlichen Moorverbund auf verschiedenen Höhenstufen bis in die Alpen hinein vor“, erklärt Dr. Ulrich Weiland. Der Biologe ist Leiter des Naturschutzgroßprojekts „Allgäuer Moorallianz“, das aus der gleichnamigen Arbeitsgruppe entstanden ist.

„Die schiere Größe der Aufgabe hat die Akteure veranlasst, gemeinsam in einem größeren Maßstab zu denken“, berichtet er über die Anfänge des Projekts. Passend dazu war in der Anfangszeit von zwei Bundesministerien und dem Bundesamt für Naturschutz der Bundeswettbewerb „idee.natur“ ins Leben gerufen worden. Dessen Grundidee war, visionäre Naturschutzprojekte mit einem umfassenden Ansatz zu fördern. Für die Menschen, die sich bereits für die Moorlandschaften engagierten, die ideale Gelegenheit, ihre Arbeit auf ein höheres Level zu heben. „Wir sind als Region mit einem räumlich umfassenden Ansatz hineingegangen“, erzählt Weiland, damals als Mitarbeiter der Regierung von Schwaben am Prozess beteiligt. Das Besondere beim Projektantrag der Allgäuer: Das Fördergebiet ist nicht monolithisch auf ein Gebiet konzentriert wie manch andere Naturschutz(groß)projekte, sondern es umfasst fünf Gebietskomplexe auf einer Fläche von insgesamt 14.000 ha. Für die im Rahmen der Wettbewerbsprojekte vorgesehene Regionalförderung umfasste das Projektgebiet sogar das gesamte Vorland zwischen Alpenrand und Endmoränen in den Landkreisen Oberallgäu und Ostallgäu.

2009 schließlich startete die Moorallianz neu: als Naturschutzgroßprojekt mit begleitendem Modellvorhaben „Ländliche Entwicklung“. Das Projekt teilt sich auf zwei Phasen auf: eine dreijährige Planungsphase, die bis 2012 dauerte und in der ein Pflege- und Entwicklungsplan für die Moorflächen inklusive einer Priorisierung der darin enthaltenen Entwicklungsziele aufgestellt wurde und die Umsetzungsphase, die eigentlich planmäßig in diesem Jahr endet.

Parallel zum Entwickeln von Umsetzungsstrategien für die im Plan formulierten Entwicklungsziele hatte das Team – zurzeit neben Weiland noch eine Landschaftsplanerin, eine Biologin und eine Finanzexpertin – noch einen weiteren Fokus: den Ankauf von Flächen. Etwa die Hälfte der Projektgelder war für diese Aufgabe vorgesehen, denn zwar liegen viele Moorbereiche, etwa als Folge der Säkularisation, in staatlicher Hand, es gibt aber auch eine Unzahl von Flächen, die mit der Auflösung der Allmenden im Allgäu im 19. Jahrhundert kleinparzelliert in private Hand oder in größeren Einheiten in kommunales Eigentum übergingen. „Wir arrondieren hier Flächen mit einer Größe von 2.000 bis 3.000 m²“, führt Weiland aus. Das ist nicht immer ganz einfach, denn die Eigentümer sind denkbar heterogen, begonnen vom traditionsbewussten Landwirt, der eng mit seiner Fläche verbunden ist und sie seit Jahrzehnten bewirtschaftet, bis hin zu Familien, die längst nicht mehr von der Landwirtschaft, oftmals nicht mal mehr vor Ort leben. Dementsprechend unterschiedlich ist der Erfolg der Ankäufe – im ungünstigsten Fall passiert es, dass am Ende ein Flickenteppich von Kleinstflächen angekauft wurde, zerschnitten von Flächen, deren Eigentümer am Besitz hängen. In einem solchen Mosaik sind keine oder nur kleinflächig wirksame Maßnahmen umzusetzen. Trotzdem sieht Ulrich Weiland den aufwändigen Arrondierungsprozess positiv. „Das ist ein großer Berg Arbeit, aber irgendwann muss man damit anfangen“, meint er.

Die Verfügbarkeit zusammenhängender Flächen ist aber nur eine der Herausforderungen im Projekt. Eine ganz andere sind die Moore selbst. „Jedes Moor ist ein Individuum“, sagt Weiland. Da gibt es beispielsweise Regenmoore, die in tieferen Schichten eine starke Durchströmung mit Grundwasser aufweisen, oder Versumpfungsmoore, die nie ein Gewässerstadium hatten, sondern auf dem Geschiebelehm des Gletschers in der Jungmoränenlandschaft entstanden sind. „Ein Moor ganzheitlich zu erfassen und in seiner Hydrologie zu verstehen, ist aufwändig“, erklärt Weiland. „Da erlebt man immer wieder Überraschungen.“

Die Ableitung von Maßnahmen – schließlich gilt es, den im Entwicklungsplan anvisierten Zielzustand zu erreichen – verlangt aber nach diesem Verständnis. Die Art und der Grad der Degradierung müssen ebenso bekannt sein wie die Morphologie und Hydrologie des Moorkörpers, um diesen wiedervernässen zu können. Wie das am besten funktioniert? Da sind sich bisweilen auch die Experten nicht einig. „Es gibt durchaus verschiedene Lehrmeinungen und methodische Ansätze“, stellt Weiland fest. „Es gibt keinen DIN-Standard, an dem wir uns orientieren könnten.“ Dementsprechend wenige Büros haben sich auf diese Planungen spezialisiert – die Zahl derer, die sich auf die Ausschreibungen ingenieurplanerischer Arbeiten bewerben, ist überschaubar.

Einig sind sich die Planer aber in einer Sache immer: Zur Wiedervernässung müssen die alten Entwässerungseinrichtungen entfernt beziehungsweise mit Dämmen und Sperrbauwerken verschlossen werden. Diese Drainagen oder Grabensysteme können – je nach früherer Nutzung – ganz unterschiedlich aussehen. Auf Flächen, die für den erwerbsmäßigen Torfabbau vorbereitet worden waren, sind sie strukturiert angeordnet und dementsprechend leicht zu finden. Ein Beispiel dafür ist das Seemoos im Oberallgäu, eines der Pilotvorhaben im Naturschutzgroßprojekt. Nach dem systematischen Rückbau des Grabensystems ist hier eine gute Entwicklung des Moores zu beobachten, dokumentiert durch eine Evaluation von Hydrologie, Vegetationsentwicklung und Fauna.

„Chaotischer“ sieht die Situation auf den kleinparzellierten Flächen aus. Und im Moorgrünland ist es oftmals eine Herausforderung, die alten, oft tönernen Rohre zu finden. Doch entfernt werden müssen sie; sie zeigen auch nach Jahrzehnten noch Wirkung. „Es ist frappierend, wie stark alte Drainagesysteme auch heute noch die Hydrologie der Moore beeinflussen“, staunt Ulrich Weiland. Das kann zu Überraschungen nach der Entfernung führen, bis hin zum Wiedererscheinen kalkhaltiger Quellaufstöße in einem früheren Niedermoor. Diese wiederum brachten neue Überraschungen mit sich: Plötzlich wuchsen Armleuchteralgen in kleinen Quelltümpeln. Wie sie dahin gekommen sind, weiß keiner, vielleicht waren sie noch in der Diasporenbank vorhanden.

Die Armleuchteralgen sind nicht die einzigen unerwarteten Rückkehrer in die Moore. Auf einer 1 ha großen Hangmoor-Fläche, auf der ein Fichtenforst gerodet und die Stubben gefräst worden waren, tauchte wenig später der seltene Braune Moor-Klee wieder auf. „Es ist anzunehmen, dass er in der Diasporenbank überdauert hat trotz der dicken Nadelstreuauflage, die den Boden über Jahre bedeckt hat“, vermutet der Projektleiter. „Das zeigt uns, dass mit dem Projekt einiges zu bewegen ist.“ Auch andere Moorspezialisten profitieren von den Maßnahmen, die während des Projekts umgesetzt wurden: Hochmoor-Laufkäfer, Hochmoor-Gelbling, verschiedene Libellenarten, die Strauch-Birke oder das Zierliche Wollgras beispielsweise. Etliche dieser Arten werden als Eiszeitrelikte eingestuft, haben also seit dem Stadium nacheiszeitlicher Verbreitung in den Mooren überdauert.

Sie stehen aber nicht allein im Fokus, so sehr sich die Biologen auch für diese Arten begeistern. „Wir müssen aufpassen, einem umfassenden Anspruch gerecht zu werden“, erklärt Ulrich Weiland und bezieht sich dabei auf den Pflege- und Entwicklungsplan. „Es geht dabei nicht immer um die Wiedervernässung von Moorkernen, die dann dem Prozessschutz anheimgegeben werden, sondern auch um extensiv genutzte Kulturlandschaft, vor allem in den Randbereichen. Auch diese ist relevant für den Arten- und Biotopschutz der Moore.“

Diese Randbereiche sind im Allgäu oft von Streu- und Nasswiesen geprägt. Einige dieser Flächen, teilweise verbracht oder aufgeforstet, wurden im Projekt wieder in einen pflegbaren Zustand überführt. Die Arbeiten übernehmen Landwirte aus der Region. Im Rahmen des „50-Höfe-Programms“ der Moorallianz konnten sie sich zudem die Anschaffung von Spezialgerät für die Bewirtschaftung dieser besonders wertvollen Flächen fördern lassen. Für Weiland und sein Team ist die Zusammenarbeit ein Mehrwert, nicht nur im Hinblick auf den Artenschutz. „Das hat uns in puncto Akzeptanz in der Region und Vernetzung viel gebracht“, resümiert er.

Zusammengearbeitet hat das Team noch mit viel mehr Menschen: einem Außendienst-Mitarbeiter für die Flächenbetreuung und kleinere Arbeiten, zwei Teams zur Wertermittlung von Flächen für das Erstellen von Kaufangeboten und verschiedenen Firmen, die die Renaturierungsmaßnahmen in den Mooren und Streuwiesen umgesetzt haben sowie mit einigen Planungsbüros. Gemeinsam mit diesen Menschen hat das Projektteam innerhalb von zwölf Jahren viel erreicht. Und doch: „Wir sind längst nicht an dem Punkt, den der Pflege- und Entwicklungsplan als Zielmarke gesetzt hat“, stellt der Projektleiter fest. Das Problem: Die Maßnahmen in dem riesigen Projektgebiet wirken punktuell. Die sorgfältige Arbeit im Detail ist notwendig, um die angestrebte Qualität zu erreichen und auch überwachen zu können. Doch um Erfolge in der Fläche zu erzielen, braucht es Zeit. Ulrich Weiland hat gemeinsam mit seinem Projektteam deshalb einen Verlängerungsantrag erarbeitet im Namen des Zweckverbandes eingereicht. Inzwischen liegt die Zusage der Förderung bis Ende 2030 vor. Acht weitere Jahre werden sich die vier Menschen nun weiter für den Moorschutz im Allgäu engagieren. Die Moore und ihr Artenreichtum werden es danken.


Projektdaten

  • Laufzeit: 2009 – 2012 (Projekt I / Planungsphase), 2012 – 2022 (Projekt II / Umsetzung), 2022 – 2030 (Verlängerung Projekt II)
  • Träger: Zweckverband „Allgäuer Moorallianz“ der Landkreise Ostallgäu und Oberallgäu (Vorsitz: Landrätin Maria Rita Zinnecker, Stv.: Landrätin Indra Baier-Müller)
  • Projektleitung: Günter Riegel (2009 – 2012), Ulrich Weiland (seit 2013)
  • Mitarbeit Projektbüro: Simone Reylaender (seit 2009, Projektmitarbeit Naturschutz), Gwendolin Dettweiler (2010 – 2015, Projektmanagement Ländliche Entwicklung), Claudia Höbel (seit 2010, Projektverwaltung), David Schäling (2016, Ländliche Entwicklung; 2017 – 2020, Projektmitarbeit Naturschutz), Annika Niemeyer (2020 – 2021, Projektmitarbeit Naturschutz), Carmen Scherbaum (seit 2021, Projektmitarbeit Naturschutz)
  • Schwerpunkte: Moorrenaturierung, Moorschutz, Landschaftspflege- und Artenschutzmaßnahmen im Umfeld von Mooren
  • Finanzierung: chance.natur – Bundesförderung Naturschutz (Förderung Naturschutzgroßprojekte: 75 % Bundesförderung, 15 % Förderung Freistaat Bayern)
  • Finanzierungsumfang: Projekt II (Umsetzung): ca. 8 Mio € (2012 – 2022), ca. 9 Mio € (geplant 2022 – 2030)

Dr. Ulrich Weiland ist Biologe. Er war schon vor Projektbeginn über das Klimaprogramm Bayern 2020 in den Allgäuer Moorschutz involviert und ist inzwischen Projektleiter des Naturschutzgroßprojekts.


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Kontakt

Zweckverband Allgäuer Moorallianz
Dr. Ulrich Weiland
Schwabenstraße 11
D-87616 Marktoberdorf
ulrich.weiland@lra-oal.bayern.de
www.moorallianz.de

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