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Wildtiermonitoring mit Artenspürhunden

Eine gute Nase ist gefragt

In Baden-Württemberg sollen Daten zum Wildtiermonitoring zukünftig systematischer erhoben werden. Allerdings ist das gerade bei versteckt lebenden und seltenen Arten im Wald eine echte Herausforderung. Im Projekt „Entwicklung Baummarder-Monitoring“ der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) werden dafür unter anderem die Rahmenbedingungen zur qualifizierten Anwendung von Artenspürhunden und deren Effektivität im Monitoring untersucht.

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1 Startsignal am Scent Wheel: Loppis muss lernen, die richtige Probe zu erschnüffeln.
1 Startsignal am Scent Wheel: Loppis muss lernen, die richtige Probe zu erschnüffeln.Julia Schenkenberger
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Mein Geruchssinn ist ganz in Ordnung. Meine Nase sagt mir eindeutig, wenn ein Mitreisender in der Bahn der 48-Stunden-Wirkung seines Deos allzu genau vertraut. Sie verrät mir, wenn mein Gesprächspartner gerne Knoblauch ist, lässt mich aber auch süßen Rosenduft erschnuppern. Deutsch Kurzhaar-Rüde Loppis kann darüber nur müde die Lefzen hochziehen: Seine Nase hat etwa zehnmal so viele Riechzellen wie eine menschliche. Er erschließt sich seine Umgebung zu einem wesentlichen Teil über den Geruchssinn und nimmt Nuancen wahr, die für den Menschen verborgen bleiben.

Diese Fähigkeit macht sich seine Besitzerin Julia Taubmann zunutze: Die Wildtierbiologin hat den Rüden zum Artenspürhund ausgebildet. Durch intensives Training ist er in der Lage, die Losung von Raufußhühnern, Fledermausquartiere und auch Tierkadaver zu erschnüffeln und anzuzeigen. Ein großer Vorteil ist hier der minimal invasive Artnachweis, bei dem es hauptsächlich um das Aufspüren von indirektem oder totem Material geht. Außerdem sind dadurch genetische oder Nahrungsanalysen möglich. Die besonderen Rasseeigenschaften von Loppis haben einen weiteren Vorteil: „Deutsche Kurzhaar gehören zu den Vorstehrassen“, erklärt sie. „Die Tiere sind spezialisiert darauf, Wild aufzuspüren und dem Jäger in gewisser Entfernung ruhig anzuzeigen, ohne dass dieses flüchtet. In Forschung und Monitoring kann diese Zusammenarbeit zwischen Hund und Mensch genutzt werden, um beispielsweise direkte Nachweise zur Reproduktion von Raufußhühnern und Feldhühnern zu sammeln.

Neue Aufgabenfelder

Aktuell lernt Loppis, Baummarder am Geruch zu erkennen – genauer gesagt am Geruch ihrer Losung, die für die Ausbildung extra gesammelt und tiefgefroren wird. Notwendig dazu ist diszipliniertes und selbstkritisches Training. „Meistens trainieren wir täglich“, erläutert Taubmann, „jeweils in kurzen Einheiten, da die Arbeit für das Team hohe Konzentration bedeutet.“ Das Trainingsprogramm ist bis ins letzte Detail ausgearbeitet, nichts wird dem Zufall überlassen, jeder Schritt wird vorbereitet und genau dokumentiert. „Das ist unbedingt notwendig, um Fehler erkennen zu können. Wenn der Hund beispielsweise Nicht-Zielarten anzeigt, muss ich nachvollziehen können, wieso er das tut.“

Beim Baummarder wäre zum Beispiel ein erhebliches Problem, wenn die Proben, mit denen der Hund trainiert wird, mit dem Geruch anderer Arten verunreinigt sind. Plötzlich könnte bei der Suche dann nicht nur der Baummarder, sondern vielleicht auch der Steinmarder angezeigt werden. „Deshalb ist es wichtig, ständig jeden Schritt ganz bewusst zu machen und jeden Handgriff zu hinterfragen“, meint Julia Taubmann. „Die Ausbildung des Hundes ist eine ständige Selbstreflektion.“

Ausbildung Schritt für Schritt

Im Training selbst gilt es, den Hund Schritt für Schritt an die neue Aufgabe heranzuführen. Zuerst lernt das Tier den neuen Zielgeruch kennen. Anschließend lernt er, den Geruch von anderen Gerüchen zu unterscheiden, sowohl von stark abweichenden als auch sehr ähnlichen. Zudem wird trainiert, Ablenkungen, wie Menschen, Hunde, Lärm, Gerüche bei der Suche zu ignorieren. Die Intensität wird dabei langsam gesteigert.

Loppis trainiert dafür täglich an einem „Scent Wheel“. Die kreisförmige Konstruktion hat Einschübe für bis zu acht Geruchsproben. Julia Taubmann positioniert per Zufallsprinzip eine Baummarderprobe in einem der Becher, eine Fuchslosung in einem anderen. Der Kurzhaar-Rüde muss dann auf Signal das Gerät im Kreis absuchen und anzeigen, in welchem der Becher die gesuchte Probe ist. Zeigt er richtig an, ertönt ein Klickersignal und er wird mit einem Spielzeug belohnt. Mehrfach wird die Aufgabenstellung wiederholt, immer liegt der Hund richtig. Nach einem Doppelblindtest, bei dem alle Baummarderproben angezeigt und alle Fuchsproben ignoriert werden müssen, ist er bereit für die nächste Trainingsstufe: Der Steinmarder steht nun zur Unterscheidung auf dem Plan. „Das Differenzierungstraining nach verwandten Arten mit ähnlicher Ernährung bei einem breiten Nahrungsspektrum ist nicht trivial, da die Marderlosung sehr variabel ausfällt und eine Vielzahl an neuen Proben von unbekannten Individuen erfordert“, erklärt Julia Taubmann. Und diese zu beschaffen, vor allem von wildlebenden Mardern die eindeutig artbestimmt sind, ist eine aufwendige Arbeit.

Ziel ist, dass Loppis im FVA-Forschungsprojekt „Entwicklung Baummarder-Monitoring“ in Baden-Württemberg in den Einsatz geht und im besten Fall selektiv Baummarderlosung findet. In dem Vorhaben wird untersucht, wie die Datenerfassung der Baummarder für das im Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (JWMG) geforderte Wildtiermonitoring möglichst aussagekräftig und effizient gestaltet werden kann. Erprobt wird die Erfassung mittels Kamerafallen, Haarfallen und Losungssuche durch Spürhunde, wobei den letzten beiden Fällen die Proben jeweils genetisch verifiziert werden. „Ziel ist es am Ende, ein möglichst effizientes Monitoring für den Baummarder zu entwickeln“, erklärt Julia Taubmann. „Das kann auch eine Kombination verschiedener Monitoringtechniken sein.“

Den Vorteil der Artenspürhunde sieht die Biologin vor allem darin, dass die Tiere nicht-invasiv und genauer beziehungsweise schneller arbeiten. Der Hund sucht die Losung, nicht das Tier selbst, und scheucht es deshalb auch nicht auf. Außerdem kann der Hund einen wesentlich größeren Bereich abdecken, als beispielsweise eine Wildkamera erfassen könnte.

Nur im Team

Allerdings arbeitet der Hund nur so gut, wie er – und sein Hundeführer – ausgebildet sind. Nur bei sorgfältigster Ausbildung reichen die erhobenen Daten aus, um wissenschaftlichen und gesetzlichen Ansprüchen zu genügen. Julia Taubmann beschäftigt sich bereits seit zehn Jahren mit der Ausbildung von Spürhunden. Ihr Interesse wurde geweckt, als sie in einem wissenschaftlichen Papier einen Hinweis auf die Arbeit mit sogenannten „Conservation Dogs“ fand. Sie begann zu recherchieren und stellte fest: „In manchen Ländern ist der Einsatz von Hunden in Wildtierforschung und Artenschutz schon Standard.“ Inzwischen hat sie eine Reihe internationaler Fortbildungen belegt, hat mehrere eigene und fremde Artenspürhunde ausgebildet sowie europaweit im Einsatz geführt. Vor allem ein Projekt zum Monitoring von Auerhühnern in Schweden und die Entwicklung von Trainingsmethoden für die Fledermausquartiersuche hat viel zu ihrem Wissen über den Einsatz von Spürhunden beigetragen.

Außerdem ist Taubmann Gründungsmitglied im Verein Wildlife Detection Dogs e. V. Mit dieser Gruppe arbeitet die Biologin daran, eine Zertifizierung für Artenspürhundeteams zu entwickeln, damit diese Form des Monitorings auch in Deutschland als Methode zur Bestandserhebung anerkannt wird.

Julia Taubmann ist Wildtierbiologin an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg und beschäftigt sich bereits seit zehn Jahren mit der Ausbildung von Spürhunden. Ihr Ziel ist es, das Monitoring mithilfe der Hunde zur anerkannten Methode zur Bestandserhebung von seltenen oder versteckt lebenden Arten zu entwickeln.

 

Projekte
  • 01.2016 – 12.2019 Auerhuhn und Windenergie Schweden
  • 10.2018 – 10.2019 Artenspürhunde im Wildtiermonitoring
  • 11.2019 – 10.2022 Entwicklung Baummarder-Monitoring
  • Projektträger: Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg
Weitere Infos

News der FVA BW

Filmbeitrag im SWR

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