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LIFE Grassland

Grüne Vielfalt in Luxemburg

Das Großherzogtum Luxemburg hat einiges zu bieten, unter anderem eine Reihe von wertvollen Grünlandtypen. Diese zu schützen und zu optimieren ist das Ziel des Projekts LIFE Grassland, das im Mai 2020 nach sechs Projektjahren abgeschlossen wurde. Dr. Simone Schneider, die das Projekt wissenschaftlich begleitet hat, stellt uns das LIFE-Projekt vor.
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 1  Ehemals artenarme Wiese nach Mahdgutübertragung
1 Ehemals artenarme Wiese nach Mahdgutübertragung SICONA
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Margeriten, Pimpinelle und Salbei leuchten in der bunten Wiese. Bei näherem Hinsehen noch mehr Arten: Scharfer Hahnenfuß, Acker-Witwenblume, Kleiner Wiesenknopf, dazwischen verschiedene Gräser. Die Botanikerin in mir ruft laut: LRT 6510! Ich ignoriere sie für den Moment und schwelge in der Vielfalt im Süden Luxemburgs.

Das Großherzogtum hat aber noch mehr zu bieten als Magere Flachland-Mähwiesen, auch wenn sie durch die geologischen Gegebenheiten sehr vielfältig ausgeprägt sind und es noch einige größere zusammenhängende Wiesengebiete gibt: Hier gibt es Pfeifengraswiesen und Kalk-Halbtrockenrasen, Hochstaudenfluren mit Mädesüß und sogar ein kleines Zwischenmoor mit überraschender Torfmächtigkeit. Und doch: Alle diese wertvollen Lebensräume sind im Rückgang begriffen. Dr. Simone Schneider wurde dieser Rückgang während ihrer Dissertation nur allzu deutlich vor Augen geführt: Sie arbeitete 60 Jahre alte Kartierungsdaten auf – doch viele Lebensräume waren Siedlungen und Gewerbegebieten gewichen, in Ackerland umgewandelt oder in schlechtem Erhaltungszustand.

Vielleicht setzt sich die Geobotanikerin genau deshalb heute für den Erhalt und die Wiederansiedlung der seltenen Habitate und ihrer charakteristischen Arten ein. Sie arbeitet bei SICONA, einem Naturschutzsyndikat Luxemburgs, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, gemäß dem Nationalen Naturschutzplan gemeinsam mit den Gemeinden und Landwirten eben dieses artenreiche Grünland zu sichern, zu optimieren und wiederherzustellen.

Im Juni 2014 startete SICONA deshalb das Projekt „LIFE Grassland“. Das Ziel: Innerhalb von sechs Jahren ausgewählte Naturschutzflächen zu sichern und ökologisch zu optimieren – insgesamt 46,5 ha Fläche, verteilt auf 15 Natura-2000-Gebiete. Mit den wertvollen Offenlandflächen sollen auch die Tierarten gefördert werden, die auf diese Lebensräume angewiesen sind, unter anderem Kammmolch und Wimperfledermaus.

Aller guten Dinge sind drei

Der Vorteil SICONAs in diesem Projekt: Die Strukturen innerhalb des Unternehmens zur Projektabwicklung sind längst aufgebaut. „LIFE Grassland ist das dritte LIFE-Projekt seit 1997“, erklärt Simone Schneider. „Im ersten haben wir uns auf Feuchtgebiete konzentriert, im zweiten standen auch schon die artenreichen Mähwiesen im Fokus, so wie im dritten Projekt.“ Das Syndikat kauft im Auftrag der Gemeinden Flächen – sowohl solche, die (noch) in gutem Zustand sind als auch solche, die renaturierungsbedürftig sind.

Und genau hier liegt die Schwierigkeit, erklärt die Biologin: „Es ist nicht gerade einfach, an Flächen heranzukommen, auch in Anbetracht der Preissteigerung.“ Die ist enorm: Kostete ein Ar Ackerland oder Ödland vor wenigen Jahren noch 200 bis 300 €, zahlt man für das gleiche Stück Land jetzt 700 bis 800 €. Das Projekt jedoch hatte ein begrenztes Budget, in das solch eklatante Preissteigerungen nicht einkalkuliert waren. Im Ergebnis musste sich das Projektteam mit weniger Flächenkäufen als geplant zufriedengeben: 31,77 ha kamen am Ende zusammen.

Diese Flächen konnten dann im Projekt für den Arten- und Biotopschutz entwickelt werden. Dabei galt es zuerst, den Ist-Zustand einer jeden Fläche zu untersuchen und deren Potenziale zu erkennen: Für welchen Biotoptyp ist es besonders geeignet? Welche Arten lassen sich hier fördern? Auf dieser Basis entstanden dann Managementpläne, die es umzusetzen galt.

Kleines Juwel

In einer der kleinsten Flächen des Projekts war die Zielsetzung mehr als eindeutig: Das Projektteam entdeckte ein kleines, aber noch intaktes Zwischenmoor. Gerade mal einen Hektar dieses Lebensraumtyps gibt es noch in Luxemburg. „Wir haben hier ein einmaliges Torfvorkommen mit einem Torfhorizont von 4,50 m!“, schwärmt Simone Schneider. „Das ist ein einmaliges Klimaarchiv!“ Das Moor selbst konnte das Syndikat nicht erwerben. Die Eigentümer wissen aber von der Bedeutung und sorgen zusammen mit SICONA für den Erhalt der Fläche. Die direkt angrenzende Fläche, die schon stark degradiert war, war jedoch zu erwerben. „Als erstes haben wir hier den Oberboden und Bauschutt entfernt, nachdem wir eine Geoelektrik durchgeführt haben“, erzählt die Botanikerin. Zuvor wurden im Zwischenmoor Bohrkerne entnommen und mithilfe von Pollenanalysen die Geschichte des Moores aufgedeckt: Welche Arten waren hier einst zu Hause, was waren die torfbildenden Arten? Denn Torfmoose sind keine zu finden. Entsprechend diesen Ergebnissen wurden im degradierten Abschnitt die Arten, die typisch für Zwischenmoore sind, als Samenmaterial wieder eingebracht – nach Verschließen der Drainagen und Wiedervernässung, versteht sich.

Wiederansiedlung von Arten

Auch in anderen Grünlandtypen gelang die Wiederansiedlung von Arten. Ein Fokus lag dabei insbesondere auf den Mageren Flachland-Mähwiesen und Pfeifengraswiesen. Denn vielen Beständen fehlen mittlerweile seltene oder typische Arten. Das sollte sich im Projekt ändern: 25 Pflanzenarten wurden – gemäß Sammelprotokoll der Royal Botanic Gardens Kew – als Samen aus vorhandenen Beständen gesammelt, vermehrt und schließlich wieder in die Wiesen ausgebracht, wo sie auch historisch nachgewiesen sind oder wo sie Beständen fehlten. Über 18.000 Jungpflanzen fanden so bislang ihren Weg zurück in die Wiesen; geordnet in kleinen Gruppen gepflanzt und mit einem High precision-GPS eingemessen, um später ein Monitoring des Etablierungserfolgs zu ermöglichen.

Bei den 25 Arten handelt es sich um gefährdete Arten, aber auch um die Kennarten und Trennarten der Verbände. „Meine Kollegen aus Deutschland wundern sich immer, wenn ich erzähle, dass wir hierSuccisa pratensis und Wiesen-Salbei auspflanzen“, schmunzelt Simone Schneider. „Aber diese Arten sind in unseren Wiesen einfach nicht mehr so häufig.“

Auf anderen Flächen reichte eine Pflanzung einzelner Individuen nicht aus: Artenarmes Intensivgrünland und Ackerflächen brauchten eine umfänglichere Behandlung. Das schloss die gründliche Bodenvorbereitung ein – in bestehendem Grünland wurde dazu die Grasnarbe auf drei Meter breiten Streifen zerstört, sodass ein geeignetes Saatbett entstand.

Auf diese Offenbodenbereiche brachten die Projektbeteiligten in den Sommermonaten Mahdgut aus, das auf nahegelegenen Flächen gemäht wurde. „Wir achten darauf, dass das Material zur Mahdgutübertragung von sehr artenreichen Beständen und am Tag selbst geschnitten wird“, erklärt Simone Schneider. „Würden wir mit Heusaat arbeiten, würden wir einen Teil der wertvollen Samen verlieren.“

Die Herausforderung bei dieser Technik: Es ist essenziell, den idealen Reifezeitpunkt zu erwischen. „Im Sommer bleiben meist nur knapp zwei bis drei Wochen, und dann muss auch die Witterung stimmen, damit die Flächen auch befahrbar sind für eine Mahdgutübertragung.“ Um diesen kurzen Erntezeitraum auszudehnen, hat SICONA bereits vor einigen Jahren einen „eBeetle“ angeschafft: Mit dem Gerät, das der Schweizer Andreas Bosshard mit seinem Team entwickelt hat, wird das Saatgut aus den Wiesen abgestreift. Vorteil: Es muss nicht der eine Zeitpunkt erwischt werden, an dem möglichst viele Arten reif sind, sondern ein und dieselbe Wiese kann mehrfach „beerntet“ werden. Zugleich ist das Verfahren wetterunabhängiger: Die kleine Saatguterntemaschine ist leicht, feuchter Boden macht ihr wenig aus. Außerdem muss das Saatgut nicht direkt wieder ausgebracht werden, im Gegensatz zum Mahdgut. „Das ermöglichte uns die Wiesenrenaturierung über drei Zeiträume – im Frühjahr und Herbst haben wir angesät und im Sommer mittels Mahdgutübertragung renaturiert“, erklärt Simone Schneider. So konnten wesentlich mehr Flächen innerhalb kurzer Zeit renaturiert werden.

Die Erfolge sind mit dem bloßen Auge sichtbar: Schon in den ersten Jahren nach der Wiederherstellung hoben sich die renaturierten Streifen deutlich von den übrigen Bereichen der ehemalig intensiv genutzten Grünlandflächen ab – mit großem Blütenreichtum. Der visuelle Eindruck reicht aber nicht: Wie bei der Wiederansiedlung erfolgt hier auch über das Projektende hinaus ein regelmäßiges Monitoring. Dazu wurden Probeflächen eingerichtet, auf denen die Artenentwicklung nun beobachtet wird.

Tierische Profiteure

Vom Erfolg der Renaturierung profitieren aber nicht nur die wiederangesiedelten Pflanzen selbst. Auch die Tiere, die die Flächen beispielsweise als Jagdrevier nutzen, profitieren von der Wiederherstellung der Magerwiesen. Unter ihnen ist die Wimperfledermaus, eine besonders störungsempfindliche Art. Sie bezieht Quartier in Scheunen und Türmen und benötigt die naturnahe, extensive Landschaft zum Überleben. Doch: Die Datenlage zum Vorkommen der Art war bei Projektstart dünn. Deshalb wurden umfangreiche Telemetriedaten erhoben und Kotproben analysiert, um die genetische Vernetzung der Kolonien zu erforschen. „Wir haben viele Kolonien überhaupt erst entdeckt und ihre Jagdgebiete identifiziert“, freut sich Simone Schneider. Nicht immer konfliktfrei: Mancher Scheunenbesitzer fürchtet Einschränkungen, wenn bei ihm eine Kolonie entdeckt wird. Für Schneiders Team war deshalb auch der ausführliche Dialog mit den Gebäudebesitzern essenziell, um die seltene Fledermaus zu fördern.

Nicht nur über die Bedürfnisse der Wimperfledermaus galt es zu informieren. Auch in anderen Bereichen leistete das Projektteam ganze Arbeit, um die Bevölkerung für die Bedeutung artenreichen Grünlands zu sensibilisieren. Ein Fotowettbewerb schaffte Aufmerksamkeit für die Lebensräume und Arten, Exkursionen und Veranstaltungen für Kinder gaben Neugierigen einen Einblick in die Vielfalt Luxemburgs; Infotafeln informieren über die Arten, die es hier zu entdecken gibt. Und auch ohne das Hintergrundwissen: Schön anzusehen sind die renaturierten Wiesen allemal.

 

Kontakt

SICONA Luxemburg
Dr. Simone Schneider
rue de Capellen 12
L-8393 Olm
Tel. +352 26 30 36 25
Mail: info@sicona.lu
Website: www.sicona.lu

 

Projektdaten

  • Projektname: LIFE Grassland
  • Land: Luxemburg
  • Laufzeit: 01. Juni 2014 – 31. Mai 2020
  • Projektträger: SICONA Sud-Ouest
  • Projektleiter: Yves Schaack, Geschäftsführer SICONA
  • Wissenschaftliche Begleitung: Dr. Simone Schneider, Leiterin wissenschaftliche Abteilung SICONA, Mitglied der Geschäftsleitung
  • Biotoptypen: Magere Flachlandmähwiesen (LRT 6510), Pfeifengraswiesen (LRT 6410), Mädesüßfluren (LRT 6430), Zwischenmoore (LRT 7140), Kalk-Halbtrockenrasen (LRT 6210)
  • Zielarten: Kammmolch (Triturus cristatus ), Wimperfledermaus (Myotis emarginatus ), Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus )
  • Finanzierung: EU (50 %), Ministerium für Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung (25 %) sowie die 15 beteiligten Gemeinden des SICONA Sud-Ouest und SICONA Centre (25 %)
  • Finanzierungsumfang: 1.492.752,73 €

eBeetle

Andreas Bosshard und seinen Seedharvester eBeetle haben wir bereits im Dezember 2019 vorgestellt. Über Webcode NuL5541 gelangen Sie zum Beitrag.

SICONA

Wir haben das Naturschutzsyndikat SICONA bereits in der Maiausgabe der Naturschutz und Landschaftsplanung vorgestellt. Über Webcode NuL5607 gelangen Sie zum Artikel.

Info: Autochthone Saatgutproduktion

Für die Wiederansiedlung von Arten wird das Ausgangsmaterial aufwendig per Hand in der Natur gesammelt. Die Samen fließen auch in das neue Projekt von SICONA und Partnern – in den Aufbau einer landesweiten Produktion von autochthonem Wildpflanzensaatgut für Luxemburg. Dazu wird Saatgut von derzeit 50 Arten in Zusammenarbeit mit 20 Landwirten vermehrt. Ziel ist es, eigene autochthone Saatgutmischungen für Luxemburg zu entwickeln.

 

Dr. Simone Schneider ist Leiterin der wissenschaftlichen Abteilung des Naturschutzsyndikates SICONA in Luxemburg. Sie ist an der Grenze zu Luxemburg aufgewachsen und engagiert sich auch privat für den Naturschutz.

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