Die Naturschutzmakler aus Schleswig-Holstein
Die Ausgleichsagentur im schleswig-holsteinischen Molfsee ist auf die Planung von Kompensationsmaßnahmen im Rahmen der Eingriffs- und Ausgleichsregelung spezialisiert. Ute Ojowski und Philipp Meinecke haben uns das Unternehmen vorgestellt.
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Der Apfel fällt ja bekanntlich nicht weit vom Stamm. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Ausgleichsagentur als 100-prozentige Tochter der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein voll und ganz für Natur- und Artenschutz einsetzt – und das nicht nur auf Kleinst- und Splitterflächen, sondern auch großräumig. Das Arbeitsfeld der Ausgleichsagentur sind Kompensationsmaßnahmen.
Am Anfang stand dabei eine wesentliche Ausgangsfrage: Wie steht es eigentlich grundsätzlich um die Ausgleichsflächen? Die Antwort auf diese Frage war besorgniserregend: Diverse Studien aus dem Zeitraum 1998 bis 2006 konnten belegen, dass der tatsächliche Umsetzungsgrad von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen oftmals nur zwei Drittel oder weniger betrug und dass bei den realisierten Maßnahmen dazu kam, dass nur ein Drittel der Kompensationsmaßnahmen tatsächlich funktionierte. Ein weiteres Drittel war später nicht mehr funktionsfähig oder wurde fehlerhaft hergestellt, der Rest war nicht (mehr) auffindbar. „Da war klar, dass wir darauf eine qualitative Antwort geben müssen“, meint Ute Ojowski. Die Antwort war die Ausgleichsagentur Schleswig-Holstein, die schließlich 2007 gegründet wurde. Heute ist Ojowski dort Geschäftsführerin. Sie ist Diplombiologin und Vogelkundlerin, war schon in ihrer vorherigen Tätigkeit mit Kompensationen befasst. „Und dann habe ich sozusagen die Seiten gewechselt“, scherzt sie. „Es fühlt sich einfach gut an, Maßnahmen umzusetzen.“
Vorgezogene Planung
„Das Besondere dabei ist, dass wir in der Regel vorgezogene Kompensationsmaßnahmen – also Ökokonten – realisieren“, erklärt Ute Ojowski. „Die Flächen sind immer dem Zweck des Naturschutzes gewidmet, sonstige Dienstbarkeiten bestehen nicht.“ Die Stiftung Naturschutz kauft gezielt Flächen ausschließlich mit Eigenmittelfinanzierung zum Zweck der Ausgleichsflächenentwicklung an. „Die sind sozusagen unberührt, was den Naturschutz angeht, und wir können diese in der Regel bisher intensiv land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen dann unter ausschließlich naturschutzfachlichen Aspekten entwickeln.“
Ganz frei sind die Mitarbeiter der Ausgleichsagentur in der Ausgestaltung der Maßnahmen allerdings nicht. „Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Wirtschaftlichkeit und dem Anspruch an eine maximale naturschutzfachliche Qualität“, erkennt die Biologin an. „An die Arbeit der Stiftung Naturschutz selbst wie auch an unsere Kompensationsmaßnahmen auf den zugehörigen Stiftungsflächen werden sowohl von innen als auch von außen hohe fachliche Maßstäbe angelegt. Unsere Produkte oder konkret gesagt unsere Ökokonten und Kompensationsmaßnahmen müssen aber gleichfalls auch konkurrenzfähig bleiben.“
Die naturschutzfachliche Qualität ist dabei gesichert durch die Qualitätsstandards des Bundesverbandes der Flächenagenturen in Deutschland. Die Ausgleichsagentur ist hier eines von inzwischen 38 Mitgliedern, die sich den hohen Standards verpflichten. „In Schleswig-Holstein sind wir zusammen mit der Stiftung Naturschutz die Einzigen, die nach diesen Standards Kompensationsmaßnahmen entwickeln und anbieten“, betont Ojowski.
In der Regel sind die Kompensationsflächen sehr stringent in die grüne Infrastruktur und in größere Artenschutzprojekte der Stiftung Naturschutz eingepasst. Damit wird hinsichtlich der naturschutzfachlich sinnvollen und notwendigen Ziele am selben Strang gezogen. Gleichzeitig dienen die Kompensationsflächen dem Ausbau und der Vernetzung der bestehenden Naturschutzflächen innerhalb des landesweiten Schutzgebiets- und Biotopverbundes. Sie sind ein wichtiger Bestandteil, der zur Sicherung der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein beiträgt.
Fachliche Universalität ist gefragt
Für die fachliche Planung und Umsetzung der Flächenentwicklung sorgen die Mitarbeiter der Ausgleichsagentur. Derzeit arbeiten acht Personen, alle sehr vielschichtig ausgebildet. „Wir können ein sehr großes Set an Kompetenz in die Waagschale werfen“, berichtet Ojowski stolz. „Und wenn wir acht mal nicht weiterkommen, stärkt uns das Fachwissen von weiteren 70 Kollegen und Kolleginnen aus der Stiftung den Rücken.“
Die Mitarbeiter müssen sowohl die Planungskompetenz, die Praxiserfahrung wie auch Stärken in Sachen Kommunikation mitbringen. Hohe Ansprüche an eine einzelne Person, aber genau diese Anforderungen sind es, die für die Angestellten den Reiz dieser Arbeit ausmachen. „Ich schätze gerade den hohen Praxisbezug hier“, meint beispielsweise Philipp Meinecke. Der Biologe ist Anfang 30 und kam durch eine Initiativbewerbung bei der Stiftung zur Ausgleichsagentur. „Wir bearbeiten hier alle Lebensräume quer durch die Bank und können nochmal Details aus Projekten herauskitzeln, die nicht unbedingt im Konzept verankert sind.“
Die umfangreiche Kenntnis über Lebensräume und Arten wird gesichert und gefördert durch ein breites Weiterbildungsangebot. Jeder Mitarbeiter soll dabei fünf oder mehr Fortbildungstage jährlich wahrnehmen. Außerdem wird stiftungsintern eine Winterakademie mit internen und externen Referenten angeboten. In der Sommerakademie werden dann kleine Exkursionen organisiert, um die Stiftungsflächen kennenzulernen. Hier kann jeder Einzelne seine Fachkompetenz weitergeben. „Eigentlich leben wir hier ja von der Vielfalt im Team“, meint Meinecke. „Wir sind unter anderem Landschaftsplaner, Agraringenieure, Biologen, Geografen und Forstwirte. Damit sind wir breit aufgestellt. Man muss eben die Bereitschaft für einen fachübergreifenden Blick mitbringen.“
Jeder ist dabei für eine bestimmte Region Schleswig-Holsteins verantwortlich. Externe Gutachter entwickeln dann in enger Abstimmung mit der Ausgleichsagentur Entwicklungskonzepte, auf deren Grundlage die Flächen dann als Ökokontoflächen bei den zuständigen Naturschutzbehörden von der Ausgleichsagentur beantragt werden. Nach Genehmigung setzt die Ausgleichsagentur die Maßnahmen dann auch um: Die notwendigen Arbeiten werden ausgeschrieben, die biologische Bauleitung bleibt in der Hand der eigenen Mitarbeiter. „Damit stellen wir sicher, dass die Qualität der Maßnahmen stimmt und sie auch fachlich sehr gut gelingen“, erklärt Ute Ojowski.
Eine Abnahme durch die Untere Naturschutzbehörde stellt sicher, dass die Maßnahmen mängelfrei umgesetzt wurden. Erst danach werden die anrechenbaren Kompensationsmaßnahmen in das Ökokonto eingebucht. „Und anschließend können wir sie in die Vermarktung bringen“, ergänzt Ojowski. „Die Nutzungsrechte an den Kompensationsmaßnahmen können dann von Dritten erworben werden, die Fläche selbst sowie der dauerhafte Erhalt und die Funktionssicherung der umgesetzten Kompensationsmaßnahmen bleiben jedoch in der Hand der Stiftung.“ Werden Gewinne erzielt, kommen diese wiederum der Naturschutzarbeit der Stiftung Naturschutz zugute.
Breites Angebot
Die von der Ausgleichsagentur entwickelten Kompensationsflächen und Ökokonten verteilen sich über ganz Schleswig-Holstein. Ziel dabei ist, Vorhabenträgern in jeder Region Ausgleichsflächen im passenden Naturraum anbieten zu können. „Wir sind sozusagen Naturschutzmakler“, lacht die Biologin.
Um nicht Flächen oder Kompensationsmaßahmen versehentlich doppelt zu vermarkten, nutzt die Ausgleichsagentur eine spezielle Verwaltungssoftware, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten wurde. Hier sind alle Ökokonten und Kompensationsflächen mit ihren Kennwerten – beispielsweise Größe, Anzahl der Ökopunkte, Status, Angebote und bereits geschlossene Verträge – hinterlegt. So ist ein tagesaktueller Überblick über die gesamten Flächen möglich, was außerdem die Monitoringplanung erleichtert.
Denn auch die Organisation des regelmäßigen Monitorings der Ökokonten und Kompensationsflächen liegt im Aufgabenbereich der Ausgleichsagentur. Nachhaltige Funktionssicherung ist dabei die große Herausforderung und zugleich das wesentliche Ziel. „Das macht auch einen Reiz dieser Arbeit aus“, findet Philipp Meinecke. „Wir können die Flächen über Jahre begleiten und auch die Entwicklung erleben.“ Durch das Monitoring kann bei den zu erhaltenden Maßnahmen bei Bedarf zeitnah nachgesteuert werden. Diese Nachsteuerung liegt wiederum im Aufgabenbereich der Stiftung Naturschutz, denn nach der Maßnahmenumsetzung fällt ihr die Flächenverantwortung wieder vollständig zu. Gepflegt wird dabei extensiv. „Wir nehmen hier vor allem gern unsere ‚vierbeinigen Landschaftspfleger‘ in die Pflicht“, erklärt Ojowski. Für eine Vielzahl der Flächen ist diese extensive Beweidung vorrangig mit Rindern das Mittel der Wahl, eine extensive Pflegenutzung durch Mahd stellt in der Offenlandpflege auf Naturschutzflächen eine Alternative dar.
Eine weitere große Herausforderung liegt aus Sicht der Ausgleichsagentur aktuell im Bereich der Flächenverfügbarkeit. „Es wird zunehmend schwerer in Zeiten eines festen und angespannten Bodenmarktes, geeignete Flächen für die notwendige naturschutzrechtliche Kompensation für Eingriffe in den Naturhaushalt da vorzuhalten, wo hohe Bedarfe bestehen“, stellt die Biologin fest.
Auf nach Wacken!
Seit Beginn ihrer Tätigkeit blickt die Ausgleichsagentur bereits auf einige herausragende Projekte zurück. Ute Ojowski ist beispielsweise besonders stolz auf eine zirka 3 ha große Heidefläche in Vaale beim kleinen Ort Wacken, der durch das gleichnamige Heavy-Metal-Festival seinen Bekanntheitsgrad erreicht hat. „Dort haben wir auf einem ehemals intensiv genutzten Grünland durch 20 bis 50 cm Oberbodenabtrag und anschließenden Heidemahdguttransfer eine arten- und blütenreiche Vegetation mit hohen Anteilen an Trockenrasen und Trockenheide entwickelt. Bereits drei Jahre nach Einrichtung konnten 19 wertgebende Pflanzenarten im Monitoring nachgewiesen werden, zugleich hat sich dort eine reiche Flechtengesellschaft entwickelt. Da es sich hier um gefährdete Biotoptypen handelt, haben wir viel erreicht“, erzählt sie.
Weitaus größere Publikumswirksamkeit erzielt jedoch das umfangreiche Projekt im Königsmoor im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Seit 2014 engagiert sich die Ausgleichsagentur hier mit ihrem Klimaprojekt „MoorFutures“ – einem Projekt zum Zweck der freiwilligen CO2-Kompensation. Durch die Wiedervernässung eines ehemals entwässerten Hochmoorgrünlands wird der Ausstoß von zirka 40.000 t klimaschädlicher Treibhausgase verhindert. Diese Klimaschutzleistung der Moorfläche wurde in Form von zirka 40.000 CO2-Zertifikaten anerkannt (ein MoorFutures-Zertifikat entspricht der Emissionseinsparung von 1 t CO2). Durch den Verkauf dieser MoorFutures-Zertifikate erfolgt die Refinanzierung des Klimaschutzprojekts. Auf diese Weise können sich Bürger, aber auch Unternehmen und Verbände am Klimaschutzprojekt beteiligen und gleichzeitig den eigenen Fußabdruck für unvermeidbare CO2-Emissionen wirksam kompensieren. „Unser Engagement als MoorFutures-Anbieter macht zwar nur einen kleinen Teil unserer Arbeit aus“, erklärt die Biologin. „Aber es ist ein Projekt, das uns sehr am Herzen liegt, da es aktiven Klimaschutz vor Ort für die Menschen erlebbar macht und wir durch die Wiedervernässung von Mooren als unsere größten terrestrischen Kohlenstoffspeicher Lebensräume für eine Vielzahl seltener und zum Teil stark gefährdeter Tier- und Pflanzenarten erhalten.“
Das Königsmoor war einst eine der größten Hochmoorregionen in Schleswig-Holstein. Für die landwirtschaftliche Nutzung wurde es allerdings trockengelegt. Seit 2011 renaturiert die Stiftung Naturschutz das Moor Stück für Stück. Die Ausgleichsagentur hat 2014 mit der flächigen Wiedervernässung auf 68 ha Fläche begonnen und konnte diese schon zwei Jahre später erfolgreich abschließen. Inzwischen ist der Moorboden durch die Vernässung bereits um zirka 30 cm aufgequollen und es stellen sich kontinuierlich flurnahe Bodenwasserstände ein. Bis sich die Vegetation hin zu einer typischen Hochmoorvegetation entwickelt hat, werden aber noch Jahre ins Land gehen.
Über Berichte in den Medien, an Infoständen bei Veranstaltungen sowie über die Homepage informiert die Ausgleichsagentur über den Fortschritt ihres MoorFutures-Projekts und die Möglichkeit der Unterstützung durch den Kauf von Zertifikaten über ihren Onlineshop. Für Interessierte bietet die Ausgleichsagentur hier regelmäßig Exkursionen an: Das Thema Klimaschutz hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und wurde durch die Fridays for Futures-Bewegung noch einmal deutlich verstärkt. „Im MoorFutures-Projekt spiegelt sich das sich verändernde Bewusstsein in der steigenden Nachfrage direkt wider", stellt Ojowski fest. „Ein Umstand, der uns darin bestärkt, unser Engagement weiter auszubauen.“
Ein Blick in die Zukunft ist für die Biologin eine vage Angelegenheit. „Unser Aufgabenfeld ist komplex und wir sind aktuell personell sehr gut aufgestellt. Wenn wie in jedem Unternehmen neue Geschäftsfelder dazukommen oder aber vorhandene weiterwachsen, wird man schauen müssen. Zuversichtlich bin ich auf jeden Fall, dass Qualität der Schlüssel zum Erfolg ist, und das treibt uns alle hier im Team der Ausgleichsagentur in unserem Tun an.“
BetriebsDaten
Gründung: 18.12.2007
Gesellschaftsform: Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gesellschafterin: Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein (100 %)
Sitz der Gesellschaft: 24113 Molfsee, Eschenbrook 4
Geschäftsführung: Ute Ojowski (Dipl.-Biol.), Heinrich Rottmann (Dipl.-Agraring.)
Aufgaben: Planung und Durchführung naturschutzrechtlicher Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen beziehungsweise sonstiger Maßnahmen des Naturschutzes, Anbieter von MoorFutures als Klimaschutzzertifikate für freiwillige CO2-Kompensationen
Beschäftigte: 8, davon 2 Dipl.-Biol., 1 Dipl.-Ing. agr., 1 Dipl.-Geogr., 1 Dipl.-Ing. Landeskultur und Umweltschutz, 1 Dipl.-Ing. Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, 1 B.Sc. Fachrichtung Landwirtschaft, 1 Rechtsanwalts- und Notargehilfin als Verwaltungsangestellte
Philosophie
„Wir möchten mit unseren Maßnahmen in Ökokonten oder auf Sonstigen Kompensationsflächen Naturschutz mit höchsten Qualitätsstandards umsetzen. Dauerhaftigkeit und Kontinuität der Flächenentwicklung stehen dabei für uns im Vordergrund.“
Weitere Infos
Unter www.ausgleichsagentur.de gelangen Sie zur Homepage des Büros. Weitere Informationen zu MoorFutures finden Sie unter www.moorfutures-schleswig-holstein.de.
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