Ein kreativer Kopf voller Ideen
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Sommer 2018 auf dem Campus Haste der Hochschule Osnabrück: Prüfungszeit für die Bachelor-Absolventen des Studiengangs Landschaftsentwicklung. Einer der Absolventen ist Igor Schellenberg. Er hat gerade abgeschlossen: Das Kolloquium ist absolviert, er hat seine Note erhalten. Wie soll es nun weitergehen, wollen seine Prüfer wissen. Schellenberg, ganz souverän, zückt seine Visitenkarten mit dem charakteristischen Wanderfalken darauf: „Ich habe ein eigenes Büro gegründet, hier ist mein Kontakt!“
Bei vielen sorgte dieser Schritt für Irritation: Selbstständigkeit, gleich nach dem Studium? Für Igor Schellenberg jedoch war klar: Die beste Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung und die Chance, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, ist die Selbstständigkeit. Die Landschaftsplanung sollte sein Hebel sein, eine lebenswerte Umwelt mitzugestalten. Diese Möglichkeit der Mitgestaltung hatte er in seinem vorherigen Bildungsweg vermisst – in der Schule fand er sich nicht wirklich gut in das System ein, Aufgaben stur nach einem bestimmten Schema zu erfüllen. Mit einem Realschulabschluss beendete er dieses Kapitel, absolvierte eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker. Doch der Job machte ihn nicht glücklich. Er kündigte und begann, verschiedene Berufsfelder für sich zu entdecken.
Schließlich landete er bei der Biostation Ravensberg. „Ohne wirklich zu wissen, was eine Biostation eigentlich so macht“, gibt er rückblickend zu. „Aber aus meinen Freizeitbeschäftigungen war klar, dass mir die Natur einfach Spaß macht.“ Die ersten Wochen mit Pflegearbeiten und Gehölzschnitt vermochten Schellenberg noch nicht mitzureißen. Doch dann nahm ihn der Stationsleiter, Klaus Nottmeyer, zu einem Einsatz der besonderen Art mit: Vogelkartierung! Schellenbergs Begeisterung war geweckt, die Bandbreite der Ornithologie vermochte den Wissensdurst des jungen Mannes zu wecken.
Doch wie sollte es weitergehen nach dem Praktikum? Plötzlich erschien ein Studium erstrebenswert – dabei war sich der Ostwestfale immer sicher: Studieren? Nicht mit mir, ich will etwas „machen“! Innerhalb von neun Monaten absolvierte Schellenberg das Fachabitur – und das mit den besten Noten, schließlich hatte er nun etwas gefunden, wofür sich das Lernen lohnte. Dann zog er um nach Osnabrück und stürzte sich ins Studium der Landschaftsentwicklung.
Neue Perspektiven
„Dort habe ich dann schnell gemerkt, dass Ornithologie gar nicht alles ist. Da gibt es so viel mehr!“, erzählt Schellenberg. Seine nächsten vertiefenden Schwerpunkte wurden deshalb Boden, Wasser und GIS. Drei Jahre später, in Regelstudienzeit, schließlich das Kolloquium zur Bachlorarbeit – übrigens mit dem Mann als Zweitprüfer, der Schellenberg auf die richtige Spur gesetzt hat: Klaus Nottmeyer.
Jetzt hatte Schellenberg also den Abschluss in der Tasche. Das Handwerkszeug für seine Selbstständigkeit? Bei Weitem nicht, stellte er fest. „Als die ersten Aufträge kamen, wurde es richtig wild“, lacht er. „Wir wussten ja gar nicht, wie so etwas geht.“ Wir – das sind seine Frau, die ihn nach Kräften unterstützt, seine Schwester, die die PR macht, seine studentische Hilfskraft und manche mehr. Gelernt hat er schnell. Nicht nur, wie ein richtiger landschaftspflegerischer Begleitplan auszusehen hat, sondern vor allen Dingen alles über Buchhaltung und Marketing, Büroorganisation und Auftragsakquise.
Für die ersten Aufträge telefonierte der Jungunternehmer vor allem alte Kontakte ab, wurde als Subunternehmer tätig für Kollegen, die schon länger am Markt sind. Viel Erfahrung hat er gesammelt in dieser ersten Zeit, und auch etwas Lehrgeld bezahlt. Die eigenen Kompetenzen erkennen und zielgerichtet einsetzen, die eigene Leistung nicht unter Wert verkaufen, das musste erst wachsen. Doch Schellenberg hat es geschafft: Nach gerade einmal anderthalb Jahren behauptete er sich gegen die Konkurrenz, ist gleichwertiger Partner, wo er vorher als Subunternehmer engagiert wurde. Sein Sprungbrett sollte schließlich die Autobahn A1 werden: Dank eines alten Kontakts durfte er an der Ausschreibung für eine faunistische Planungsraumanalyse bei der Erneuerung einer Autobahnbrücke teilnehmen und erhielt schließlich den Zuschlag. „Das Projekt ist noch heute eine tolle Referenz“, freut sich der Planer. Endlich hatte er einen Namen als Büro, war nicht mehr „irgendein Unbekannter“ im Meer von Planern.
Konkurrenzdenken ist aber seine Sache nicht. „Der Kuchen ist groß genug“, findet Schellenberg. „Mein Vorteil als Selbstständiger ist es oft, dass ich flexibler agieren kann als größere Unternehmen. Fehlende Kompetenzen werden durch die Zusammenarbeit mit anderen Landschaftsplanern ausgeglichen.“
Vision
Ein weiterer Vorteil für den Umweltplaner ist, dass er seine Schwerpunkte selbst definieren kann. Sein größtes Steckenpferd dabei ist die Radmobilität. Bereits im ersten Jahr bearbeitete er als Subunternehmer viele Radwegplanungen, auch in den Jahren danach folgen immer wieder Aufträge. Schellenberg beherrscht das Metier, zudem ist es ihm ein persönliches Anliegen, denn er ist sich des ökologischen Fußabdrucks jedes Einzelnen bewusst. Doch der Ressourcenverbrauch und die CO2-Produktion könnte enorm reduziert werden. „Wir müssen uns fragen: Welchen Beitrag will Europa im weltweiten Vergleich leisten?“
Seine Vision ist die emissionsfreie Mobilität. Ein wichtiger Baustein dabei: Gut ausgebaute Radwege abseits der motorisierten Straßen. Mehr Radschnellwege. Autofreie Innenstädte. Und: „Es muss Radschnellwege geben raus aus der Stadt in die Dörfer!“ Schellenberg ist sich sicher: Der Markt dafür ist da, und die Nachfrage wächst mit dem Bewusstsein der Menschen. „Das Konzept ist auf alle Ballungsräume anwendbar!“, betont er. Und der Umweltplaner will mit dabei sein. „Wir wollen Marktführer in der umweltplanerischen Bearbeitung solcher Umstrukturierungen werden“, gibt er ganz selbstbewusst zu.
Die richtigen Mitarbeiter
Allein können Igor Schellenberg und seine beiden WerkstudentInnen die Arbeit aber nicht stemmen, die damit einhergeht. Deshalb denkt der Unternehmer nun auch darüber nach, weitere Mitarbeiter einzustellen. Wichtig dabei: Die Menschen sollen mitdenken wollen, sollen die Gelegenheit bekommen, sich selbst auszuprobieren. Wer nur Anweisungen befolgen will, ist bei Schellenberg falsch. Stattdessen sucht er Menschen, die bereit sind, neue Ideen einzubringen und ihr Wissen in das Unternehmen einzuspeisen. „Wenn jemand auf einem Gebiet dann besser ist als ich, dann ist das auch gut und richtig so“, findet der Unternehmer.
Ihm ist aber auch bewusst, dass solche kreativen, selbstständig denkenden Köpfe nicht vom Himmel fallen. „Wenn ich heute Mitarbeiter suche, dann muss ich mir auch darüber im Klaren sein, was ich als Arbeitgeber bieten kann“, betont Schellenberg. Für Schellenberg selbst sind das beispielsweise flexible Arbeitszeiten, die dem Rhythmus der jeweiligen Person entsprechen, flache Hierarchien und eine gesunde Fehlerkultur. „Das hat auch einen ganz rationalen Grund: Wenn mein Team und ich in einer angenehmen Arbeitsatmosphäre arbeiten, kommen wir der großen Vision mit größeren Schritten näher.“
Man spürt deutlich, dass er seinen Beruf aus der Überzeugung heraus ergriffen hat, damit seinen Beitrag zu einer lebenswerten Umwelt zu leisten. Natürlich – davon leben muss auch er. Auch das war ein Lernprozess. „Am Anfang habe ich meine Leistung oft unter Wert verkauft“, erinnert er sich. „Ich war einfach naiv. Aber vielleicht braucht es diese Naivität auch, um überhaupt das Risiko der Unternehmensgründung einzugehen.“
Mit dieser Bereitschaft ist er übrigens nicht allein: Sein Büro liegt in einem ehemaligen Kornspeicher des britischen Kasernengeländes im Osnabrücker Norden. Dutzende Start-ups und Jungunternehmer sind hier angesiedelt, die Kreativität ist fast greifbar. Die Menschen hier haben verschiedenste berufliche Hintergründe, pflegen aber einen lockeren Austausch. Man profitiert von den Erfahrungen anderer. Manchmal ergeben sich sogar unerwartete Kooperationen: Igor Schellenberg beispielsweise hat gerade mit einigen Kollegen den Fachverband Planen – Bauen – Umwelt mitgegründet. Jedes planende Gewerk, unter anderem Landschafts-, Stadt-, Straßenplaner und Architekten, ist in dem Fachverband einmalig vertreten. Das Ziel des Verbandes ist, den Kommunen im Dreieck Osnabrück-Münster-Bielefeld bei Herausforderungen wie der Verkehrswende auf planerischer Ebene eine erste Anlaufstation zu sein.
Schellenbergs größte Herausforderung besteht derzeit in der Suche nach passenden Teammitgliedern, die seine Vision einer schadstofffreien Mobilität teilen. „Haben sich die richtigen Personen gefunden und die Sache nimmt Schwung auf, werde ich mich schweren Herzens vom Wanderfalken im Logo verabschieden“, meint er. „Das Rad wird das Markenzeichen der neuen Gesellschaft.“
Igor Schellenberg ist der Inhaber des Unternehmens. Seine Fachgebiete sind Eingriffsermittlung, Artenschutz und Mobilitätswende.
Elena Teise studiert im Master Landschaftsarchitektur in Osnabrück mit dem Schwerpunkt Kommunikation in der Projektentwicklung und -planung. Im Büro ist sie als Werkstudentin tätig.
Dominik Mezger ist Werkstudent. Derzeit studiert er im Master Umweltplanung in Hannover mit dem Schwerpunkt bei der digitalen Umweltplanung.
Igor Schellenberg
Am Speicher 2
49090 Osnabrück
+49 541 50798540
Mail: info@schellenberg-ing.de
Website: www.schellenberg-ing.de
- Gründung: 2018
- Gesellschaftsform: Einzelunternehmen
- Mitarbeiter: ein Landschaftsplaner, zwei Werkstudenten
- Auftraggeber: 85 % öffentliche Hand, 15 % Gewerbe/Industrie
- Aufgabenfelder: 40 % Eingriffsregelung, 30 % Artenschutzbeiträge, 10 % FFH-Verträglichkeitsprüfungen, 20 % Kartierungen
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