Mehr Akzeptanz für nasse Moornutzung - der DVL zeigt wie!
Die Umstellung auf nasse Bewirtschaftung von Moorböden bietet ein enormes Potenzial für mehr Klimaschutz, weshalb Bund und Länder derzeit viel Geld für den Moorbodenschutz bereitstellen. Um die Moorböden bis 2045 klimaneutral zu bewirtschaften, müssten wir jährlich mindestens 30.000 ha Moorböden vernässen. Aktuell kommen wir jedoch nur auf etwa 2.000 ha. Wie also werden wir schneller? Und welche Stellschrauben sind dafür zu beachten? Gemeinsam mit den Landschaftspflegeorganisationen hat der DVL vier Lösungsansätze entwickelt, die für eine bessere Akzeptanz in der Fläche sorgen können.
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Geld ist da – wie kommt es in die Fläche?
Die politischen Entscheidungstragenden sind gewillt, die nächsten Jahre viele Aufwendungen in den Moorbodenschutz zu stecken. Das Bundeslandwirtschaftsministerium stellt bis 2025 330 Millionen Euro für den Moorbodenschutz zur Verfügung (BMEL 2021). Das Bundesumweltministerium fördert seit dem Jahr 2022 vier Pilotvorhaben zum Moorbodenschutz - Gesamtsumme 48 Millionen Euro; Förderlaufzeit 10 Jahre (BMUV 2022). Im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz werden der Schutz intakter Moore und Wiedervernässungen außerdem als erstes Handlungsfeld genannt. Insgesamt vier Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds will die Bundesregierung bis 2026 ausgeben, um unter anderem auch Moorböden wiederzuvernässen.
Allein für die Vernässung im Bayerischen Donaumoos hat der Freistaat Bayern im Rahmen seiner Klimaschutzoffensive jüngst Investitionen in Höhe von 200 Millionen Euro über einen Zeitraum von 10 Jahren angekündigt. Auch andere moorreiche Bundesländer wie Brandenburg oder Schleswig-Holstein haben im vergangenen Jahr umfassende Konzepte zur Vernässung der Moore vorgelegt.
Die Vernässung von landwirtschaftlichen Nutzflächen ist ein sehr komplexes und langwieriges Vorhaben, für das notwendige Rahmenbedingungen noch nicht ausreichend angepasst sind. Sie erfordert unter anderem Angleichungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik und im Wasserrecht. Für landwirtschaftliche Betriebe muss sich aus der Vernässung eine langfristige betriebliche Perspektive ergeben.
Wie also kommt dieses Geld in die Fläche, wie gewinnen wir die Landwirtinnen und Landwirte dafür, sich auf den Weg zu einer nassen Bewirtschaftung zu machen? Aus Sicht des DVL fördern folgende vier Punkte die Akzeptanz vor Ort:
1. Langfristige Entschädigungen für die Landwirtinnen und Landwirte
Die Umstellung von einer entwässerungsbasierten auf eine nasse Bewirtschaftung ist ein langwieriger Prozess mit mehreren Jahren Vorlauf. Sind Laufzeiten von entsprechenden Förderprogrammen zu kurz angesetzt, kommt das Entschädigungsangebot kaum zum Tragen.
Lösungsansatz: Hohe Wasserstände im Moor erschweren die Bewirtschaftung erheblich. Landwirtinnen und Landwirte werden deshalb für die nasse Wirtschaftsweise honoriert. Förderprogramme und -projekte müssen die lange Vorlaufzeit berücksichtigen. Der Schlüssel wäre eine pauschale Abgeltung der Einbußen für 25 Jahre mit einer eingetragenen Grunddienstbarkeit als Absicherung. Das entspricht etwa dem Rauskauf von Vernässungsrechten, wie es etwa das Land Schleswig-Holstein im Rahmen des biologischen Klimaschutzes plant (MELUND 2021).
Diese Honorierung der nassen Wirtschaftsweise integriert auch die Moor-Klimawirtinnen und -wirte, die derzeit schon Moorflächen nass bewirtschaften (s. DVL-Broschüre: Moor-Klimawirte – Zukunft der Landwirtschaft im Moor). Nur mit der Erfahrung dieser Pionierinnen und Pioniere kann der Biomasseanbau binnen weniger Jahre so ausgeweitet werden, dass Verarbeitung und Vermarktung bedient werden können.
Parallel müssen Produktentwicklung und Ausbau der industriellen Weiterverarbeitung unterstützt werden, mit Mitteln aus dem Klimaschutz (s. Punkt 2) oder der Wirtschaftsförderung.
2. Mehr Wertschöpfung in der stofflichen Nutzung
Landwirtschaftliche Kulturen, die auf nassen Moorböden angebaut werden, bezeichnet man als Paludikultur. Das schließt Nassgrünland mit natürlicher, inhomogener Artenzusammensetzung ein. Anbau-Paludikulturen werden meist sorten-/artenrein ausgebracht, z. B. Rohrkolben, Schilf, Seggen, Torfmoos.
Für die Verwertung dieser Paludi-Biomasse müssen wir die stoffliche Nutzung, etwa als Baumaterial (Dämmplatten, Möbelbauplatten) anstreben. Das hat zum einen mit der langfristigen Festlegung von Kohlenstoff zu tun, die den Einsatz von Material aus fossilen Quellen verringern sollen. Zum anderen erzielt die stoffliche Verwertung perspektivisch im Vergleich zur energetischen Nutzung eine höhere Wertschöpfung (Nordt et al. 2020). Eine stoffliche Wertschöpfungskette kann auch aus der Beweidung, z. B. mit Robustrindern, Wasserbüffeln oder Gänsen, aufgebaut werden. Die energetische Nutzung (Biogas, Verbrennung) ist nachrangig oder als Nebennutzung einzustufen.
Wir befinden wir uns derzeit in Deutschland allerdings in einem „Henne-Ei-Dilemma“: Landwirtinnen und Landwirte bauen nicht mehr Paludi-Biomasse, weil es keine ertragreichen Verwertungskanäle für große Mengen gibt. Gleichzeitig steigt die verarbeitende Industrie nicht flächendeckend in die Produktion ein, weil keine großen Biomassemengen verfügbar sind.
Lösungsansatz: Die Einrichtung und Anpflanzung von Anbau-Paludikulturen muss mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Diese Förderung deckt auch den Ertragsausfall der Landnutzung ab; sie wird reduziert, sobald der Anbau wirtschaftlich ertragreich wird.
Die Vernässung der Moorgebiete stellt auch für die Moorregion insgesamt eine außergewöhnliche Belastung dar, die abgefedert werden muss. Finanzielle Unterstützung ist für folgende Bereiche erforderlich: Planungs- und Verfahrenskosten, die Beratung der Praktiker*innen, der Aufbau von Zusammenschlüssen (z. B. Moor-Gemeinschaft, Erzeugergemeinschaft, Maschinenring) sowie die wasserbaulichen Maßnahmen. Auch eine stärkere personelle Ausstattung der Wasser- und Bodenverbände ist erforderlich, um die Vernässungsprozesse fachlich und technisch zu begleiten.
3. Hindernisse für Paludikultur beseitigen!
Für die Anlage von Paludikulturen gibt es derzeit eine Reihe von Hindernissen:
Bestehende Äcker auf Moorböden wären nach Vernässung sehr gut für den Anbau von Paludikulturen geeignet. Allerdings ist entwässerungsbasierter Ackerbau noch deutlich lukrativer als eine Umstellung auf Anbau-Paludikulturen, der wirtschaftliche Anreiz dafür fehlt noch. Ertragreiche Wertschöpfungsketten sind hier dringend erforderlich (s. Punkt 2).
Auf Dauergrünland dürfen nach der GAP-Direktzahlungen-Verordnung keine vorherrschenden Bestände von Binsen (Juncus) und Seggen (Carex) auftreten, da diese keine „Grünlandpflanzen“ im Sinne dieser Verordnung sind. Das aber kollidiert mit der natürlichen Artenzusammensetzung von Nassgrünland.
Darüber hinaus darf Grünland nicht für den Anbau von Paludikulturen umgebrochen werden, ohne dass eine Ersatzfläche angelegt werden muss. Auf Grünland in Schutzgebieten ist die Anlage von Paludikulturen nach der GAP-Konditionalitäten-Verordnung explizit verboten. Es bleibt offen, wie auf nicht-naturschutzsensiblen Grünlandstandorten verfahren werden kann. Die Formulierung ist hier uneindeutig und birgt Sanktionsrisiken für Flächennutzerinnen und -nutzer und für angehende/ laufende Vorhaben und Projekte.
Lösungsansatz: Will man Paludikulturen anbauen, sollten Äcker auf Moorstandorten als prioritärer Zielraum gelten. Dieser Anbau sollte zusätzlich – auch aufgrund seiner hohen Klimaschutzwirkung gegenüber entwässerungsbasiertem Ackerbau – mit öffentlichen Mitteln gelenkt werden (s. Punkt 1). Parallel ist auch das Ziel weiterzuverfolgen, bei Intensivgrünland den Anbau-Paludikulturen von der Anlage einer Ersatzfläche zu befreien. Der DVL fordert, in der GAPKondV klar zwischen Grünland mit und ohne Schutzstatus zu differenzieren sowie Juncus und Carex als Grünlandpflanzen einzuordnen.
4. Kooperation fördern!
Landwirtinnen und Landwirte arbeiten oft überbetrieblich zusammen, etwa um größere Anschaffungen zu schultern oder um Maschinen besser auszulasten. Für die Moorvernässung ist überbetriebliche Zusammenarbeit unumgänglich: Wasserstände lassen sich kaum flächenscharf einstellen. Innerhalb eines Polders oder einer Niederung sind auch die Flächenanrainerinnen und -anrainer betroffen oder Teil des Vernässungsvorhabens. Die Partner für eine Zusammenarbeit können hier also nicht frei gewählt werden. Gleichzeitig muss diese Gruppe viele Herausforderungen bewältigen, die von neuen Kulturen und Anbauverfahren bis zu einer gemeinsamen Verarbeitung und Vermarktung gehen.
Lösungsansatz: Solche Kooperationen müssen langfristig betreut und beraten werden, damit sie gelingen können. Bekannte Formen der Zusammenarbeit sollten auf Moor-Gemeinschaften angewandt werden, z. B. Erzeugergemeinschaften für Paludi-Biomasse oder Maschinengemeinschaften für Spezialtechnik.
Moor-Gemeinschaften müssen als neue, zentrale Organisationsform der Zusammenarbeit von Landwirtinnen, Landwirten und Flächeneigentümerinnen und -eigentümern in Moorregionen etabliert werden (s. DVL-Broschüre: Zusammenarbeit im Moor – so kommt der Klimaschutz voran!). Die Moor-Gemeinschaft benötigt eine Geschäftsstelle, die langfristig und öffentlich für die Koordination, Betreuung und Beratung der Mitgliedsbetriebe finanziert werden muss. Die Moor-Gemeinschaft muss zudem in das Förder- und Sanktionssystem, insbesondere der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) eingebettet werden.
Viele Praktikerinnen und Praktiker sind gewillt, Moore nass zu bewirtschaften, sofern sie eine faire Honorierung ihrer Anstrengungen für den Klimaschutz und eine langfristige Perspektive für die Bewirtschaftung bekommen. Die bessere Akzeptanz in der Fläche bleibt ein Schlüsselfaktor für Klimaschutz auf Moorböden.
Kontakt: Liselotte Unseld und Moritz Stüber, DVL-Bundesgeschäftsstelle, Tel. 0981 / 18 00 99-16 bzw. -28, E-Mail l.unseld@dvl.org und m.stueber@dvl.org; zuständig für das NKI-Projekt „Moor- und Klimaschutz (MoKli) – Praxisorientierte Lösungen mit Landnutzern umsetzen“, einem Kooperationsprojekt des DVL mit dem Greifswald Moor Centrum (GMC).
Weiterführende Informationen
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz 2023. Natürlicher Klimaschutz: Klimaschutz mit Naturschutz verbinden. https://www.bmuv.de/natuerlicher-klimaschutz, geprüft am 23.06.2023.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz 2022. Moore mit Zukunft: Bundesumweltministerium fördert Pilotvorhaben zum Moorbodenschutz in wichtigen Moorregionen Deutschlands mit 48 Millionen Euro. https://www.bmuv.de/pressemitteilung/moore-mit-zukunft, geprüft am 23.06.2023.
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2021. Moore schützen: Klimaanpassungen erleichtern. https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/klimaschutz/moorbodenschutz.html, geprüft am 23.06.2023.
Deutscher Verband für Landschaftspflege und Greifswald Moor Centrum 2022: Zusammenarbeit im Moor: so kommt der Klimaschutz voran!. Ansbach.
Deutscher Verband für Landschaftspflege, Greifswald Moor Centrum und ARGE Schwäbisches Donaumoos 2021: Moor-Klimawirte: Zukunft der Landwirtschaft im Moor. Ansbach.
Nordt, A., Abel, S., Eberts, J., Hoffmann, T., Kost, A., Lampe, M., Peters, J., Wichtmann, W. 2020. Machbarkeitsstudie Aufwuchsverwertung und Artenvielfalt in der Leader-Region „Kulturlandschaften Osterholz“. Greifswald.
Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung Schleswig-Holstein 2021. Bericht der Landesregierung: Biologischer Klimaschutz durch Moorschutz und Neuwaldbildung. Drucksache 19/2326.
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