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Landwirtschaft und Naturschutz

Konstruktiv kommunizieren!

Es erscheint banal: Um Kompromisse für den Naturschutz zu erreichen, müssen alle Beteiligten miteinander sprechen. Die Realität jedoch sieht meist anders aus. Die Fronten sind verhärtet, Vorurteile sind allgegenwärtig. Verena Menauer und ihr Team haben es sich im dreijährigen Forschungsprojekt „AckerKom“ zum Ziel gemacht, diese Barrieren einzureißen. Im Interview spricht sie über ihre Erkenntnisse.

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Kulturlandschaftsmosaik im Heckengäu
Kulturlandschaftsmosaik im HeckengäuJulia Schenkenberger
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Redaktion: Frau Menauer, Sie sind selbst Kommunikationsexpertin. Worin liegen denn die größten Probleme in der Projektkommunikation?

Verena Menauer: Die Probleme sind vielfältig. Was mich besonders überrascht hat war, dass mangelndes Wissen immer noch ein großes Thema ist. Viele Landwirte wissen nach wie vor zu wenig über den Naturschutz, und viele Naturschutzakteure wiederum haben wenig Erfahrung in der landwirtschaftlichen Praxis und verstehen die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge nicht hinreichend. Ich hatte angenommen, dass heutzutage beide Seiten schon viel mehr übereinander wissen.

Dies führt dazu, dass die Akteure oft aneinander vorbeireden, da jeder in seiner Welt lebt. Da bleiben alle in ihrem persönlichen Lager, weil das verknüpfende Wissen fehlt.

Redaktion: Spielen hier auch Vorbehalte der jeweiligen Akteure eine Rolle?

Menauer: Das ist ganz oft ein Thema. Die Akteure sind sehr misstrauisch. Als Grund werden häufig schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit angeführt. Dabei geht es gar nicht darum, dass der Einzelne selbst diese schlechten Erfahrungen gemacht hat. Es reicht schon, wenn ein Kollege von so etwas berichtet. Da werden negative Erlebnisse aus der Vergangenheit immer wieder weitergetragen und bleiben im kollektiven Gedächtnis, obwohl die Situation im aktuellen Projekt vielleicht eine ganz andere ist.

Oft kennen sich die Projektpartner zu Beginn noch nicht. Auch das ist ein Punkt: Je besser sich die Akteure schon kennen, desto einfacher funktioniert die Zusammenarbeit. Wenn aber zwei Akteure erstmals zusammentreffen, ist die Skepsis besonders groß.

Redaktion: Wie überwindet man diese Hürden?

Menauer: Es hilft, wenn man auf Menschen zugeht, mit denen man vielleicht schon einmal Kontakt hatte. Über diese Leute kann man dann den Kontakt zu anderen initiieren.

Manchmal kann es auch sinnvoll sein, dass nicht ein Naturschutzakteur direkt auf einen Landwirt zugeht, sondern dass man eine Organisation findet, die als möglichst neutraler Vermittler agiert. Das können beispielsweise die Landschaftspflege- oder Landschaftserhaltungsverbände sein, deren Vorstände ja schon per Satzung paritätisch mit Vertretern von Kommunen, Naturschutz und Landwirtschaft besetzt sind. Es ist dann eben nicht offiziell „der Naturschutz“ oder „die Landwirtschaft“. Außerdem sind diese Verbände oft schon sehr gut mit allen relevanten Akteuren verknüpft. Die Vorbehalte in der Zusammenarbeit sind dann deutlich geringer.

Redaktion: Was ist, wenn die Fronten bereits komplett verhärtet sind?

Menauer: In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, einen Mediator dazuzuholen – eine externe, neutrale Person, die bei der Konfliktlösung unterstützt und vielleicht auch emotionale Debatten wieder versachlicht.

In anderen Situationen kann es helfen, einen oder mehrere Experten einzuladen, die alle Beteiligten nochmal auf den gleichen Wissensstand bringen. Denn die Konflikte entstehen eben zum Teil auch deshalb, weil die einzelnen Akteure nicht ausreichend informiert sind. Gerade bei öffentlichen Informationsveranstaltungen kann auch ein professioneller Moderator bzw. eine professionelle Moderatorin hilfreich sein, die darauf achtet, dass die Diskussionen nicht aus dem Ruder laufen.

Redaktion: Sie sprechen die öffentliche Kommunikation an. Welche Fehler passieren hier?

Menauer: Die Probleme in der öffentlichen Kommunikation sind vielfältig. Zwei Aspekte fallen besonders auf: Es gibt bereits sehr viele Dialog- und Kooperationsprojekte, in denen die Akteure aus Landwirtschaft und Naturschutz konstruktiv zusammenarbeiten. Über diese Projekte wird aber zu wenig gesprochen. Das, was in der medialen Berichterstattung Aufmerksamkeit findet, sind die Sachen, die schiefgehen, die Konflikte, die es gibt, und alles, was negativ ist. Insofern ist es wichtig, dass gemeinsame Erfolge öffentlichkeitswirksamer als bisher kommuniziert werden. Um das zu erreichen, muss die Öffentlichkeitsarbeit wirklich als fester, wichtiger Projektbestandteil begriffen werden.

Ein zweites großes Problem ist, dass die öffentliche Kommunikation – vor allem in den sozialen Medien – oft gezielt genutzt wird, um die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren. Statt Kompromisse und für alle tragfähige Lösungen zu suchen, werden Probleme stark vereinfacht dargestellt und Debatten emotionalisiert. Dabei sollte man eigentlich darauf achten, sachlich zu kommunizieren. Dadurch wird die Verständigung noch schwieriger. Außerdem entsteht zum Teil ein falscher Eindruck in der Öffentlichkeit – denn die Fachabteilungen der Naturschutz- und Landwirtschaftsverbände arbeiten ja oft sehr wohl gut zusammen.

Redaktion: Wie kann man diese Situation verbessern?

Menauer: Zum einen wäre es sehr sinnvoll, in der Ausbildung von Naturschützern und Landwirten den jeweils anderen Bereich viel stärker mitzudenken und einschlägige Inhalte in die Lehrpläne aufzunehmen. Dabei könnte man auch den persönlichen Austausch fördern, indem man wechselseitige Praktika anbietet. Auch in Forschung und Lehre wäre es sinnvoll, stärker interdisziplinär zu arbeiten.

Außerdem ist es, wie eben angesprochen, von Bedeutung positive Projekte öffentlichkeitswirksamer zu präsentieren. Dabei geht es nicht nur um den Projekterfolg selbst, sondern um die Zusammenarbeit – man demonstriert öffentlich: Naturschutz und Landwirtschaft arbeiten Hand in Hand.

Ein weiterer Vorschlag ist die Verstetigung des Dialogs: Je mehr persönliche Kontakte man zu den jeweils „anderen“ hat und je regelmäßiger man sich austauscht, desto einfacher wird die Kommunikation. Einfach, weil ein Vertrauensverhältnis entsteht. Ein wiederkehrender Stammtisch oder gemeinsame Projekte können dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit „normal“ und nicht als etwas Außergewöhnliches wahrgenommen wird.

Redaktion: Das hört sich alles nach sehr langfristig angelegten Maßnahmen an?

Menauer: Man darf sich an dieser Stelle nichts vormachen: Die Zusammenarbeit in dem Bereich kann sehr mühsam sein. Landwirte sind Unternehmer, die ökonomisch denken müssen – gleichzeitig sollen sie ökologische und soziale Aspekte im Auge behalten. Naturschutzakteure können sich hingegen ausschließlich auf ökologische Aspekte fokussieren. Es ist klar, dass das mit Konflikten einhergeht und dass Kompromisse notwendig sind. Das frisst Ressourcen und Energie. Es wird nie so sein, dass alle absolut zufrieden sind.

Redaktion: Wie sollte denn die perfekte Projektkommunikation aussehen?

Menauer: Es gibt keine Generallösung. Wichtig ist, die Akteure so früh wie möglich einzubinden. Ein Projekt wird keinen Erfolg haben, wenn man versucht, den Landwirtinnen und Landwirten einfach ein Konzept überzustülpen. Es ist wichtig, alle am Prozess zu beteiligen und die jeweilige Expertise ernstzunehmen. Da reicht es nicht unbedingt, einfach nur einen Vertreter des Bauernverbands einzubinden. Nicht jeder Landwirt fühlt sich so ausreichend in seinen Interessen berücksichtigt. Wir dürfen nicht unterschätzen, dass die Landwirtschaft in ihrer Interessenvertretung und auch in der Unternehmensstruktur sehr viel kleinstrukturierter ist, als es von außen erscheinen mag.

Wir müssen außerdem daran denken, dass – je nach Thema – noch mehr Akteure relevant sein können. Es ist nicht immer nur „die Landwirtschaft“ als Problemverursacher, sondern es müssen auch andere in die Pflicht genommen werden. Das können ganz unterschiedliche Akteure sein: Kommunen, Wasserverbände, Privatleute. Das Feld ist sehr heterogen.

Und: Je besser man vernetzt ist, desto einfacher läuft alles. Es klingt wie ein Klischee, aber es lässt sich nicht von der Hand weisen. Besonders reichweitenstarke Akteure wie Prominente, Politikerinnen und Politiker, große Verbände oder Journalistinnen und Journalisten können äußert hilfreich sein, um Aufmerksamkeit zu generieren, um Projektteilnehmer zu finden und so weiter.

Redaktion: Frau Menauer, danke für Ihre Einschätzung!

 

Verena Menauer hat Journalistik, Medienkultur und Medienwirtschaft studiert. Sie beschäftigte sich bereits im Studium mit Umwelt- und Naturschutzkommunikation und ist seit Februar 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim.

 

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