Artenreiche Wiesen und Weiden durch Neuansaat mit zertifiziertem gebietseigenem Saatgut
Nutzungsaufgabe und Intensivierung haben in vielen Fällen zu einer Verarmung des Artinventars ehemals artenreicher Wiesen und Weiden geführt. Mit der sinkenden Artenzahl der Pflanzen verschwinden nicht zuletzt auch die Lebensgrundlagen vieler spezialisierter Tierarten, die auf diese Pflanzen angewiesen sind. Doch es ist möglich, Wiesen durch Neuansaat wieder mit Arten anzureichen. Expertenbrief-Partner Rieger-Hofmann zeigt, auf was Sie achten müssen.
- Veröffentlicht am

Extensives Grünland als Biodiversitäts-Hotspot, Kohlenstoffsenke und Wasserfilter
Grünland ist eine dauerhafte Bodenbedeckung aus Blumen und Gräsern, die den Boden gut gegen Wind- und Wassererosion schützt. Außerdem schützt extensives Grünland Grund- und Oberflächenwasser vor schädlichen Einträgen. Der Humusgehalt ist im Grünland deutlich höher als bei Ackerland, somit stellt eine Wiese eine klimafreundliche Kohlenstoff-Senke dar. Wird Grünland traditionell und extensiv als Wiese oder Weide standortgerecht genutzt (d. h. ohne Drainage, Düngung, chemische Pflanzenschutzmittel und das Nachsäen mit nicht standortgerechten Zuchtsorten), so handelt man es mit artenreichem Grünland. Hier bilden bis zu 60 verschiedene Blumen und Gräser pro Quadratmeter die Grundlage für ein Vielzahl von spezialisierten Tierarten wie (Wild-)Bienen und Schmetterlinge, aber auch Amphibien und Vögel.
Extensives Grünland ist jedoch von Nutzungsaufgabe oder noch häufiger von Intensivierung bedroht. Auf intensiv genutztem Grünland gibt es meist nur noch eine Handvoll verschiedener Gräser- und Kräuterarten. Die ursprüngliche Artenvielfalt geht verloren und auch die oben erwähnten Vorteile extensiv genutzter Wiesen und Weiden für Klima, Boden und Wasserschutz leiden. So sind über die vergangenen Jahrzehnte viele artenreiche Wiesen und Weiden aus unseren Landschaften verschwunden.
Viele Insekten und andere Tierarten leiden unter der Abnahme eines ausreichenden Nahrungsangebotes. Wiesen bieten mit ihrer Vielzahl an Nischen jedoch nicht nur Nahrung, sondern auch Wohn-, Rückzugs-, Überwinterungs- und Entwicklungsraum. Somit sind bunt blühende Wiesen und Säume nicht nur eine Bereicherung des Landschaftsbildes, sondern liefern auch einen Beitrag zum Naturschutz (mehr Infos HIER).
In den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangenes artenreiches und extensiv genutztes Grünland sollte deshalb – wo immer möglich – wiederhergestellt werden.
Lebensraumverlusten entgegenwirken durch Neuansaat von artenreichem Grünland
Bei der Ansaat von Wiesen muss darauf geachtet werden, dass die verwendete Mischung ausschließlich Wildblumen, Wildgräser und -leguminosen gebietseigener Arten enthält. Zuchtgräser verdrängen die Wildpflanzen, da sie sehr viel wuchsstärker sind. Der Standort gibt die passende Mischung vor: zum Beispiel Glatthaferwiesen (je nach Ausprägung Blumenwiese oder Frisch-/Fettwiese), Mager- und Sandrasen (je nach Region) oder Feuchtwiesen.
Für Sonderstandorte oder aufgrund besonderer Anforderungen an die Mischung (Maximalhöhe, Erosionsschutz oder erhöhte Salzverträglichkeit) wurden angepasste Mischungen entwickelt, beispielsweise die Solarparkmischung, die Böschungsmischung oder Bankettmischung.
Die angebotenen Mischungen orientieren sich im Regelfall an Verbreitungsgebiet, Artenzusammensetzung und Dominanzverhältnissen, wie sie in der Natur vorkommen. Dieses Vorbild hat sich in Jahrhunderten herauskristallisiert und bildet auf Dauer die stabilsten Bestände. Um dies zu erreichen, ist sowohl auf die kritischen Ansaatstärken je Art als auch auf einen Anteil von bei Ansaaten sicher funktionierender Arten zu achten.
Einer Vielzahl von Nützlingen, Wildbienen und Schmetterlingen sowie anderen Tierarten wird durch artenreiche Wiesenansaaten ein neues, breit gefächertes und langfristiges Nahrungsangebot gegeben. Das verwendete Muttersaatgut stammt aus verschiedenen Ursprungsgebieten in Deutschland und darf für Ansaaten in der freien Landschaft genehmigungsfrei nur wieder im Ursprungsgebiet, aus dem es stammt, ausgebracht werden, mit Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörden auch im benachbarten Ursprungsgebiet.
So wird garantiert, dass die heimische Tierwelt optimal an den Entwicklungsrhythmus und den Blühzeitpunkt der Pflanzen angepasst ist.
Bodenbearbeitung vor der Aussaat von Wildpflanzenmischungen
Ein sauberes Saatbeet bietet Wildblumenkeimlingen ideale Startbedingungen. Deshalb sollte die Bodenvorbereitung zur Ansaat bereits in der Planungsphase Berücksichtigung finden. Die Bodenvorbereitung vor der Ansaat sowie die Pflege im ersten Jahr entscheiden maßgeblich über Erfolg und Misserfolg einer Neuanlage!
Das Saatbeet muss vor einer Ansaat frei von problematischen Wurzel- und Samenunkräutern sein. Werden Wurzelunkräuter wie Ampfer, Quecke, Distel, Weißklee oder Winde im Boden belassen, leidet die Entwicklung der angesäten Arten und die Optik der Neuanlage mitunter so sehr, dass oft noch einmal neu angesät werden muss. Das ist besonders bei Flächen im Siedlungsbereich von großer Bedeutung. Abhilfe schaffen der Umbruch der Fläche mittels eines Pflugs und der mehrmalige Einsatz eines Grubbers, durch den die Wurzelunkräuter aus dem Boden herausgezogen werden und dann auf der Fläche vertrocknen.
Häufig auf den Flächen auftretende Samenunkräuter wie Melde, Hirtentäschel, Hirse, Kamille, Acker-Hellerkraut etc. können vor der Ansaat mit der Durchführung einer Schwarzbrache wirkungsvoll entfernt werden. Bei der Schwarzbrache wird auf der zur Ansaat vorgesehenen Fläche mehrmals eine flache Bodenbearbeitung mit einer Kreiselegge, Egge oder Fräse durchgeführt. Dadurch wird das sich im Boden befindliche Samendepot der unerwünschten Beikräuter (oft Lichtkeimer!) zum Keimen gebracht und die jungen Keimlinge dann jeweils durch die erneute Bearbeitung mechanisch zerstört.
Sie vertrocknen dann auf dem Acker. Die letzte Bodenbearbeitung vor der Ansaat darf maximal 5 cm tief erfolgen, damit tiefer liegende Unkrautsamen nicht erneut an die Oberfläche gelangen.
Bei der Spätsommeransaat sollte der Ackerboden im Juli oder August gepflügt werden. Danach folgt eine Nachbearbeitung der gepflügten Fläche z. B. mit Kreiselegge oder Saatbeetkombination zur Herstellung eines feinkrümeligen Saatbeets.
Bei der Frühjahrsansaat sollte der Ackerboden im Herbst gepflügt werden. Im darauffolgenden Frühjahr, die Befahrbarkeit der Fläche vorausgesetzt, wird mit einer Egge, Kreiselegge oder Fräse eine feinkrümelige Bodenstruktur hergestellt. Nach dieser Bodenvorbereitung sollte sich die Erde ca. zwei bis drei Wochen absetzen können. Direkt vor der Ansaat ist nochmals eine flache Bodenbearbeitung mit den genannten Geräten durchzuführen.
Ansaat nach der Bodenbearbeitung
Vorzugsweise sollte vor angekündigten Niederschlägen gesät werden, denn Samen von Wildarten benötigen mindestens vier bis fünf Wochen durchgehende Feuchtigkeit, um optimal zu quellen und zur Keimung gelangen zu können. Bei der Frühjahrsansaat sind die Monate März und April empfehlenswert. Eine Spätsommeransaat von Mitte August bis Mitte September ist jedoch vorzuziehen, denn hier ist meist eine bessere Bodenfeuchte gegeben. Außerdem bietet sie Vorteile für Kaltkeimer. Später im Herbst sollte nicht mehr angesät werden, da ein erhöhtes Auswinterungsrisiko besteht.
Das Saatgut muss obenauf gesät, nicht eingearbeitet, aber unbedingt angewalzt werden. Zur leichteren Aussaat kann das Saatgut mit trockenem Sand, Sägemehl oder geschrotetem Mais auf 10 g/m² bzw. 100 kg/ha gestreckt werden. Damit wird eine gleichmäßigere Ausbringung der feinen Samen erzielt. Dies empfiehlt sich vor allem bei gräserbetonten Mischungen, um ein Verstopfen der Sämaschine durch die Grannen der Wildgräsersamen zu verhindern.
Wird maschinell gesät (Rasenbaumaschine, Drillmaschine), müssen Striegel und Säschare hochgestellt werden. Das unbedingt notwendige Anwalzen der Ansaat sorgt für den benötigten Bodenschluss und eine gleichmäßige Keimung des Saatguts. Geeignet sind Güttler- und Cambridge-Walzen oder für kleinere Flächen eine Rasenwalze.
Einsaaten aus Wildpflanzen entwickeln sich in den ersten Monaten höchst unterschiedlich. Ein zögerliches Keimen und langsames Wachstum ist besonders bei Mischungen ohne Schnellbegrünung in den ersten drei Monaten typisch. Eine Blumenwiese kann zwar auf gut durchfeuchtetem Lehmboden bereits im Sommer nach einer Herbstansaat beträchtliche Blühaspekte zeigen, auf mageren Böden kann aber eine Entwicklung in einem trockenen Sommer nach einer Frühjahrsansaat auch extrem verzögert ablaufen.
Pflege der voll entwickelten Wiese
Am artenreichsten bleiben Wiesen durch eine ein- bis dreimalige Mahd pro Jahr. Werden sie seltener gemäht, geht Pflanzenvielfalt ebenso verloren wie durch Düngung und höhere Schnitthäufigkeit. Wiesen mit ursprünglich 40–50 Arten können dann innerhalb weniger Jahre auf nur noch 10–20 Arten reduziert werden.
Ein Bauer brauchte früher nach dem langen Winter ab Mitte Mai Futter zur täglichen Versorgung seiner Tiere. So wurden starkwüchsige Wiesentäler in den Gemeinden oft schon früh zur Mahd freigegeben und – nach Bedarf – abschnittsweise gemäht. Bei zweischürigen Wiesen lag der erste Schnitt aber in der Regel nicht später als an Johanni (24. Juni). Dann gab es noch einen weiteren Schnitt im August oder Anfang September. Gedüngt wurde meist nicht. Häufig bestand eine dritte Nebennutzung durch ziehende Schafherden zwischen Oktober und Anfang Mai. Möchten auch wir heute einen langen Blütensommer haben, müssen wir uns den alten Wirtschaftsweisen der Bauern annähern: Abschnittsweises Mähen in der Fläche oder von verschiedenen benachbarten Flächen sorgt dafür, dass die Tierwelt der Wiese nicht auf einen Schlag Nahrungsgrundlage und Lebensraum verliert. Bleibt das Mahdgut zudem noch einige Tage zum Trocknen auf der Fläche, wie beim Heu machen, können mehr Samen ausfallen und die tierischen Wiesenbesucher (Falter, Bienen und allerlei andere Insekten) in die noch ungemähten Flächen übersiedeln. Ein früher Schnitt ist umso wichtiger, je nährstoffreicher der Standort ist.
Gräserbetonte Wiesen an nährstoffreichen Standorten (Frischwiesen) bilden – mit den Wasser- und Nährstoffvorräten des Winters – im Frühsommer einen enormen Massenwuchs. Dieser Effekt wird durch die zunehmende Erwärmung unseres Klimas noch verstärkt. Mit einem frühen Schnitt zwischen Ende Mai und Mitte Juni (inkl. Abfuhr des Mahdguts) nehmen wir den Gräsern viel von ihrem Wuchs und sorgen für ausreichend Licht auch für konkurrenzschwächere Blumen in der Wiese. Bei einer frühen Mahd haben einige Arten ihre Samenbildung noch nicht abgeschlossen und bilden im Laufe des Sommers einen neuen Blütenstand, der oft erst im Spätsommer reift. Hierzu müssen wir ihnen ausreichend Zeit lassen, sodass der zweite Schnitt nicht vor Anfang bis Mitte September liegen sollte. Die Samen dieser späten Blüten reichen aus, um die Arten der Wiese zu erhalten, da es sich um ausdauernde Pflanzengesellschaften handelt, die sich nicht jedes Jahr neu aus Samen entwickeln müssen.
Alternativ können Blumenwiesen auch beweidet werden. Die Tiere können das erste Mal Mitte Mai auf die Flächen. Anfang Juni sollte dann eine Mahd stattfinden. Nach etwa sechs Wochen können die Tiere ein weiteres Mal auf die Weide.
Schonende Mähtechnik – auf die Maschine kommt es an
Wer artenreiches Grünland erhalten will, sollte nicht nur auf Schnittzeitpunkt und Schnitthäufigkeit achten, sondern auch eine naturverträgliche Mähtechnik einsetzen. Um die Kosten der Mähgutentsorgung zu sparen, wird auf vielen Wiesen leider nicht mehr gemäht, sondern gemulcht. Der Aufwuchs wird gehäckselt und wieder auf der Fläche verstreut. Dabei reichern sich Nährstoffe an, die Anzahl der Pflanzenarten sinkt. Noch gravierender sind die Schäden dieser Pflegetechnik für Insekten und kleine Wirbeltiere.
Beim Scheibenmähwerk/Tellermähwerk wird durch die Rotation der Mähscheiben dieselbe Fläche zwei Mal überfahren, aber die Überlebenschance ist dennoch höher als bei Kreiselmäher oder Motorsense aus der Gruppe der Rotationsmähwerke.
Die Mahd mit dem Doppelmessermähbalken oder Balkenmäher ist empfehlenswert, denn durch die kurzen Klingen und den Scherenschnitt entlang des linearen Balkens müssen Kleintiere beim Überfahren der Fläche nur kurz den Messern ausweichen und können sich bei einer nicht zu tief eingestellten Schnitthöhe unter dem Messerbalken wegducken.
Außerdem ist es empfehlenswert, sich über neue Entwicklungen schonender Mahdtechniken zu informieren. Zum Beispiel entstand ausgehend von einer Initiative des Bayrischen Staatsministeriums für Wohnen, Bauen und Verkehr eine neue ökologische Mähtechnologie, die weniger Insekten vernichtet. Bei der Entwicklung des ersten Prototyps der Firma MULAG wurden die relevanten Aspekte aus Mähverfahren, Schnitthöhe und überfahrener Fläche systematisch betrachtet, um ein möglichst schonendes Verfahren zu erhalten. Ein Ladewagen ermöglicht den Abtransport des Mahdguts.
Extensive Beweidung als i-Tüpfelchen
Viele aus alter Zeit noch erhaltenen artenreichen Grünländer sind durch Hutweide vor Einführung der ganzjährigen Stallhaltung ab 1800 entstanden. Charakteristisch war ein relativ geringer Viehbesatz, eine geringe Beweidungs-frequenz und -dichte. Tiere sorgten durch selektives Fressen für strukturreiches Grünland in dem Neuaustrieb neben trockenen Stängeln (Eiablage/Verpuppung) vorkommt. Sie schleppten Samen über ihr Fell oder im Kot ein, die auf Trittschäden oder durch Wälzen offener Bodenstellen einen Platz fanden, an dem sie sich etablieren konnten. Schafft man es diese Effekte nachzuahmen, fördert dies die Artenvielfalt auf der Fläche ungemein (nach Naturgarten Tagungsband 2022; Dr. Dipl. Ing. agr. Alois Kapfer; „Mit dem Weidegarten die Artenvielfalt stärken“).
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.