Neue Wege der Flächensicherung für den biologischen Klimaschutz
Im Rahmen des Landesprogramms zum biologischen Klimaschutz erprobt Schleswig-Holstein derzeit ein neues Instrument der Flächensicherung. Über Klimapunkte wird hierbei das Klimaschutzpotenzial von Moorflächen mit einkalkuliert. Dr. Julia Hoffmann erklärt, wie das Verfahren funktioniert.
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Moore sind Multitalente, wenn es um den Schutz von Klima und Biodiversität geht. Zum einen sind intakte Moore natürliche Kohlenstoffsenken, das heißt, sie binden CO2 und andere Treibhausgase (THG) aus der Atmosphäre und speichern sie langfristig im Torf. Zum anderen sind sie wertvolle Lebensräume für eine einzigartige und vielfältige Tier- und Pflanzenwelt.
Der Großteil der Moore in Deutschland wurde und wird seit Jahrzehnten entwässert, um eine landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen. Durch die Entwässerung gehen nicht nur die Lebensräume verloren. Zeitgleich zersetzt sich der Torf durch den Kontakt mit Sauerstoff. Dabei werden große Mengen von THG freigesetzt. Deutschlandweit sind organische Böden für rund sieben Prozent der gesamten THG-Emissionen verantwortlich (UBA 2022), in Schleswig-Holstein (SH), einem der moorreichsten Bundesländer, sind es 17 Prozent.1,2
Die Wiedervernässung entwässerter Moorböden im Rahmen des biologischen Klimaschutzes ist eine wirkungsvolle Maßnahme, um die THG-Emissionen aus Mooren deutlich zu reduzieren, mittelfristig die Senkenfunktion von Mooren wiederherzustellen und die Moore als wertvolle Lebensräume zu renaturieren – win-win für Klima- und Biodiversitätsschutz.
Der Knackpunkt bei der Wiedervernässung: die Flächenverfügbarkeit. Für eine erfolgreiche und effiziente Wiedervernässung wird eine ausreichend große, arrondierte Fläche benötigt. Oftmals besteht genau darin eine große Herausforderung. Die Nachfrage nach Flächen ist nicht nur im Naturschutz hoch; viele unterschiedliche Nutzungsformen konkurrieren um die knappen Flächen.
Flächen können über verschiedene Wege für den Naturschutz gesichert werden, z.B. durch Kauf, langfristige Pacht oder durch den Vertragsnaturschutz. Aber nicht immer ist der finanzielle Anreiz des Naturschutzes ausreichend groß, um sich gegen alternative Nutzungsformen, z.B. Landwirtschaft oder erneuerbare Energien, durchzusetzen.
SH hat im Rahmen seines Landesprogramms zum Biologischen Klimaschutz durch Moorschutz und Neuwaldbildung ein neues Instrument der Flächensicherung entwickelt, das den Wert der Moore für den Klimaschutz in den Flächenwert einpreist.3 Mit diesem sogenannten Klimapunkte-Verfahren wird ein zusätzlicher finanzieller Anreiz für die Flächeneigentümer:innen gesetzt, ihre Moorflächen dem biologischen Klimaschutz zur Verfügung zu stellen.
Basis dieses neuen Verfahrens sind die Klimapunkte, die einer Moorfläche zugeordnet werden. Die Klimapunkte geben an, wie viel Tonnen CO2-Äquivalente eine Moorfläche im aktuellen (meist entwässerten) Zustand pro Jahr emittiert. Sie werden mit dem GEST-Modell (THG-Emissionen-Standort-Typen-Modell) ermittelt.4 Dabei werden die THG-Emissionen einer Moorflächen anhand der vorhandenen Vegetation und des daraus ermittelten mittleren Wasserstands abgeschätzt.
Das Klimapunkte-Verfahren zielt nicht in erster Linie auf den Kauf einer Moorfläche, sondern auf die Sicherung der Nutzungs- und Vernässungsrechte für den biologischen Klimaschutz ab. Dazu wird Flächeneigentümer:innen angeboten, die Nutzungs- und Vernässungsrechte für eine Moorfläche an die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein (SNSH) zu übertragen. Die SNSH bekommt so die Möglichkeit, die Fläche im Sinne des biologischen Klimaschutzes zu entwickeln. Zusätzlich zum Vertrag werden die Nutzungs- und Vernässungsrechte durch eine erstrangige Eintragung im Grundbuch zu Gunsten der SNSH abgesichert.
Die Übertragung der Nutzungs- und Vernässungsrechte wird im Rahmen eines Vertrages mit einer Laufzeit von zunächst 30 Jahren festgehalten. Die Moorfläche selbst bleibt im Eigentum der bisherigen Flächeneigentümer:in. Für die Übertragung der Nutzungs- und Vernässungsrechte erhält die Flächeneigentümer:in ein Entgelt, das sich am Potenzial der Moorfläche für den Klimaschutz – also an den Klimapunkten – orientiert. Dazu werden die Klimapunkte einer Moorfläche mit einem Preis pro Tonne CO2-Äquivalent und der Laufzeit von 30 Jahren multipliziert. Für Moorflächen, die für die Arrondierung eines zu vernässenden Gebiets von besonderer Bedeutung sind, kann über einen Synergiefaktor das Entgelt auf maximal das 1,5-fache des Ausgangswerts erhöht werden. Das ist z.B. für Sperrflächen relevant, deren Sicherung dazu führt, dass eine lang avisierte Maßnahme realisiert werden kann. Zusätzlich zur Übertragung der Nutzungs- und Vernässungsrechte ist auch ein anschließender Verkauf der Moorfläche an die SNSH möglich.
Das Klimapunkte-Verfahren ermöglicht es, den Beitrag von Moorflächen für den Klimaschutz in der Flächenbewertung monetär zu berücksichtigen. Das erhöht den Wert einer Moorfläche und damit den Anreiz für Flächeneigentümer:innen, durch die Bereitstellung ihrer Flächen einen Beitrag zum Klima- und Biodiversitätsschutz zu leisten.
Die Teilnahme am Klimapunkte-Verfahren ist freiwillig und wird ausschließlich innerhalb der Kulisse der kohlenstoffreichen Böden in SH angewendet. Die Finanzierung erfolgt aus Landesmitteln. Seit November 2021 wird das Klimapunkte-Verfahren in mittlerweile elf ausgewählten Pilotkulissen erprobt. Insbesondere in den Niederungen konnten Moorflächen über das Klimapunkte-Verfahren gesichert werden.
Derzeit läuft die Evaluierung der Pilotphase des Klimapunkte-Verfahrens. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Evaluierung soll das Klimpunkte-Verfahren in 2023 auf die gesamte Kulisse der kohlenstoffreichen Böden in SH ausgeweitet werden.
Literatur
1 https://www.umweltbundesamt.de/bild/treibhausgas-emissionen-aus-mooren
3 https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/02300/drucksache-19-02326.pdf
4 Couwenberg, J. et al., 2008, „Entwicklung von Grundsätzen für eine Bewertung von Niedermooren hinsichtlich ihrer Klimarelevanz“ (http://duene-greifswald.de/doc/gest.pdf)
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