
Jeder Zentimeter Wasserstand zählt
Trockenheit ist im Klimawandel ein immer größeres Problem – auch in Mooren, die eigentlich große Mengen an Wasser speichern könnten. Doch oft verhindern Entwässerungsgräben den Rückhalt. Dr. Raphael Rehm spricht darüber, wie Wasserrückhalt und Moorschutz stattdessen aussehen müssten.
von Dr. Raphael Rehm erschienen am 14.07.2025Der Frühling 2025 zählt zu den trockensten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – vielerorts fielen nicht einmal 40 l Regen pro m2. Böden reißen bis in tiefere Horizonte auf, Wasserflächen schwinden, und Feuchtstandorte veröden. Solange aber Entwässerungsgräben ungehemmt wirken, verliert die Landschaft Tag für Tag jene Feuchtigkeit, die sie in Trockenphasen dringend bräuchte. Es kann nicht sein, dass wir nach wochenlangem Regenmangel das verbliebene Wasser weiterhin bedenkenlos als Abfall über Gräben aus der Landschaft treiben. Besonders dramatisch in den Mooren, die hier eine Rettungsinsel bilden könnten. Ihr Torfkörper saugt Wasser wie ein Schwamm – bis zum Zwanzigfachen des Eigengewichts.
Seit über drei Jahrzehnten engagiert sich die Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos dafür, genau das zu ändern: Durch punktuelle Grabenverfüllungen wird der Abfluss gebremst, mit der Nauleitung wird aktiv vernässt, kombiniert mit extensiver Beweidung. Die Beobachtungen zeigen: Schon wenige zusätzliche Zentimeter Grundwasser lassen Torf feucht bleiben, aktivieren die Schwammfunktion, binden Kohlenstoff und eröffnen Lebensräume für Bekassinen, Libellen und Wiesenvögel.
Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie dieser Erfolg auf andere Regionen und außerhalb von Schutzkulissen übertragen werden kann. Ein Moorschutzgesetz etwa könnte den Wasserstand als Gemeingut definieren und Grabenverschlüsse rechtlich als vorrangige Maßnahme verankern – statt sie wie bisher als Ausnahme gegenüber der Unterhaltungspflicht zu behandeln. Dieser Gedanke würde nicht neue Forderungen aufstellen, sondern aufzeigen, wie ein rechtlicher Rahmen helfen könnte, das Wassermanagement grundlegend zu drehen.
Auf politischer Ebene hat Bayern mit dem Moorbauernprogramm bereits ein wichtiges Instrument aufgelegt, das Landwirtinnen und Landwirten Zuschüsse für paludikulturelle Bewirtschaftung und torftaugliche Technik anbietet. Dieses Programm ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung, dürfte aber allein nicht ausreichen, um die Vielzahl entstehender Trockenflächen flächendeckend zu stabilisieren. Auch die Energiewende sollte stärker mit den Belangen des Moorschutzes verschränkt werden. Großflächige Freiflächen-Photovoltaik auf Moorböden verändert Mikroklima und Feuchtehaushalt so stark, dass selbst bei Wiedervernässung hochspezialisierte Ökosysteme zu kippen drohen. Würde man den Moorschutz als überragendes öffentliches Interesse einstufen, ließe sich der Ausbau der Erneuerbaren gezielter auf Dächer, versiegelte Flächen und bereits geschädigte Areale lenken – ohne ökologische Kollateralschäden.
Ergänzend müssten Fördermechanismen so angepasst werden, dass Moorbauern und -bäuerinnen verlässliche Perspektiven bei hohem Grundwasserstand haben. Paludikultur, nasse Weidehaltung oder Schilfbewirtschaftung können Einkommenspfeiler sein, wenn Investitionshilfen, GAP-Eco-Schemes und Vermarktungsstrategien sie wirkungsvoll unterstützen.
Am Ende reicht oft ein einfacher Spaziergang an einem trockenen Junitag: Man hört das verbliebene Wasser im Graben glucksen, sieht es davonströmen und begreift, dass jeder Tropfen Teil jenes Regens ist, den wir statistisch beklagen. Dann wird deutlich: Jeder Zentimeter Wasserstand zählt – und es wäre höchste Zeit, die Pegel wieder steigen zu lassen. Was im Schwäbischen Donaumoos gelingt, könnte überall gelingen, wenn wir Wasser nicht länger als Gefahr betrachten, sondern als Lebensversicherung in einer immer trockener werdenden Welt.
Dr. Raphael Rehm, Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos e. V., Radstraße 7a, 89340 Leipheim, Tel. 08221/7441, E-Mail: sekretariat@arge-donaumoos.de
Die Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos ist als Landschaftspflegeverband Mitglied im Deutschen Verband für Landschaftspflege e.V. (DVL). Landschaftspflegeverbände sind Zusammenschlüsse, in denen Landwirtinnen und Landwirte, Naturschützende sowie Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker gemeinsam naturnahe Landschaftsräume erhalten oder neu schaffen.
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