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Workshop-Ergebnisse

Beweidung ist eine Chance für das Breitblättrige Knabenkraut!

Im Mai 2022 trafen sich Experten aus dem ganzen Bundesgebiet im sachsen-anhaltischen Tangermünde, um die Möglichkeiten der Beweidung von Vorkommen des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) zu diskutieren. Für die Erhaltung der Populationen wird vorrangig die Mahd empfohlen, aber aufgrund der Unwirtschaftlichkeit auf Feuchtwiesenstandorten oft nicht durchgeführt. Neben der Entwässerung ist deshalb die Nutzungsaufgabe oder die im Rahmen der Agrarförderung durchgeführte Mindestpflege in Form von Mulchen eine häufige Ursache für den bundesweiten Rückgang dieser Verantwortungsart (Dullau et al. 2019).

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Peter Neuhäuser
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In den Roten Listen aller Bundesländer ist das Breitblättrige Knabenkraut inzwischen als gefährdet bis stark gefährdet verzeichnet. Für Sachsen-Anhalt verzeichnet die seit 2020 durchgeführte Überprüfung der Vorkommen in einer Reihe von Landkreisen ein lokales Aussterben. Um diesen negativen Bestandstrend umzukehren, kann die Einbeziehung in Beweidungssysteme eine Alternative darstellen, wie durch Kämmer (2015) in Norddeutschland dokumentiert. Für Orchideenarten der Feuchtwiesen wird eine Beweidung wegen Vertritt und Verbiss aber trotzdem immer noch häufig sehr kritisch gesehen (Meysel & Martin 2021).

Im gemeinsamen Workshop von Hochschule Anhalt, NABU-Kreisverband Stendal und Arbeitskreis Heimische Orchideen Sachsen-Anhalt wurden positive Beispiele der Beweidung mit Exmoor-Ponys, Galloway- und Salers-Rindern in Ostdeutschland präsentiert:

Die Karrenbachwiesen im Tangergebiet im Norden Sachsen-Anhalts werden durch eine Ganzjahresstandweide bewirtschaftet, die schrittweise von 4 auf 35 ha erweitert wurde. Es weiden Galloway-Rinder und Exmoor-Ponys, die Besatzstärke beträgt < 1 GVE/ha. Regelmäßig erfolgen zusätzliche Entbuschungsmaßnahmen. Die Vorkommensbereiche vonDactylorhiza majalis werden von April bis Juli ausgezäunt. Die Bestandsentwicklung verzeichnete einen starken Anstieg, von 250 (1991) auf ca. 20.600 (2021) blühende Individuen. Zunehmend erfolgt die Besiedlung weiterer, ganzjährig beweideter Bereiche. www.knabenkraut.info, Neuhäuser et al. (2022)

Der Große Schwerin an der Müritz in Mecklenburg-Vorpommern wird auf ca. 80 ha von Mai bis Oktober in Form einer Dauerstandweide bewirtschaftet. Mit einer Besatzstärke von ca. 0,5 GVE/ha weiden Salers-Rinder gemeinsam mit Pensions-Pferden. Es konnte eine Bestandszunahme auf ca. 90.000 blühende Individuen beobachtet werden, die Ausbreitung auf der Weidefläche nahm unter der Beweidung kontinuierlich zu.

Im Folgenden werden die herausgearbeiteten Empfehlungen zusammengefasst, die für eine Erhaltung oder positive Populationsentwicklung unter Beweidung zu beachten sind:

Grundsätzlich spielt die Größe der Fläche oder die Individuenzahl des Orchideenvorkommens eine untergeordnete Rolle. Auch kleine beziehungsweise individuenarme Vorkommen können beweidet werden. Die Umsetzung auf großen Flächen scheint erfolgreicher zu sein, da dort in der Regel nicht zugefüttert werden muss. Das Weidemanagement ist zudem weniger anspruchsvoll und kann flexibler umgesetzt werden. Beim Einsatz robuster Weidetierrassen kann hier auch eine Ganzjahresweide durchgeführt werden. Dafür sollten sich auf der Fläche feuchte bis nasse mit mesophilen Bereichen abwechseln. Kleine Flächen sollten im Verbund beweidet werden.

Feuchte und nasse Bereiche können in Hitzeperioden von den Weidetieren sehr stark frequentiert und zertreten werden. Wächst dort das Breitblättrige Knabenkraut, sollten diese Bereiche temporär ausgekoppelt werden.

Die Kombination verschiedener Tierarten ist vorteilhaft, da diese unterschiedlichen Ansprüche an die Futterqualität des Aufwuchses und die Flächenbeschaffenheit haben. Das Verbleiben von Weideresten kann dadurch minimiert werden.

Zur Zurückdrängung unerwünschter Arten können spezifische Rassen zum Einsatz kommen. Der Verbiss von Schilf wird durch Wasserbüffel und die Rinderrassen Angus, Salers, Heckrind und Highlands gewährleistet. Pferde verbeißen Binsen besonders gut. Alternativ kann eine Weidepflege durch Mahd notwendig sein.

Kommen Pferde zum Einsatz, sollten die Orchideenvorkommen zur Blütezeit ausgekoppelt werden, da die Blütenstände gezielt verbissen werden.

Über die Beweidung von orchideenbestandenem Grünland mit Wasserbüffeln liegen kaum Erfahrungen vor. Die Tiere schaffen insbesondere in feuchten und nassen Bereichen Suhlkessel. Vorkommen des Breitblättrigen Knabenkrauts sollten deswegen ausgekoppelt werden.

Da die Verbuschung durch Weidetiere nicht aufgehalten wird, ist das regelmäßige Entfernen von Erlen oder anderem Gehölzaufwuchs notwendig. Eine geeignete Maßnahme für Erlen stellt das Ringeln mit Ringelketten dar. Durch die Beseitigung wird neben der Verschattung auch der Nährstoffanreicherung im Boden entgegengewirkt, da Erlen in der Lage sind, den Stickstoff aus der Luft im Boden pflanzenverfügbar zu machen.

Der Zeitpunkt der Beweidung sollte so gewählt werden, dass eine Verschiebung des Konkurrenzgefüges zu Gunsten von Gräsern unterbunden wird. Wird zu spät im Jahr beweidet, haben Gräser bereits mit der Rückverlagerung von Nährstoffen in die unterirdischen Organe begonnen. Das führt in Kombination mit dem kontinuierlichen Stickstoffeintrag aus der Luft zum einen zu einer fortlaufenden Nährstoffakkumulation im Boden. Zum anderen nehmen die Weidetiere aufgrund von Futterselektion weniger Biomasse auf und begünstigen dadurch die Bildung einer dichten Streuauflage. Wenn keine ganzjährige extensive Beweidung möglich ist, sollte deshalb spätestens im Juli mit der Beweidung begonnen werden.

Ist es notwendig, die Weideflächen zu walzen, muss der Schutz von Amphibien und Wiesenbrütern beachtet werden.

Die Beweidung sollte auf entwässerten Flächen mit einer Wiedervernässung verbunden werden.

Am Ende herrschte Einigkeit darüber, dass bei der Initiierung von Beweidungsvorhaben von Beginn an eine fachliche Begleitung notwendig ist. Der dafür erforderliche Anspruch und Zeitaufwand darf nicht unterschätzt werden. Darüber hinaus ist die Erfolgskontrolle durch eine zunächst jährliche Erfassung der Orchideenvorkommen wichtig. Bei Misserfolgen muss umgesteuert werden. Dafür ist das Vorhalten einer Exit-Strategie erforderlich. Generell erfordert die Flächencharakteristik für jede Weidefläche spezifische Entscheidungen.

Das hier dargestellte Erfahrungswissen sollte durch eine wissenschaftliche Begleitung von beweideten Vorkommen untersetzt werden. Diese muss auch Untersuchungen zu den prognostizierten Veränderungen des Landschaftswasserhaushalts infolge des Klimawandels integrieren. Bislang standen dafür keine finanziellen Ressourcen zur Verfügung.

Literatur

Dullau S., Richter F., Adert N., Meyer M. H., Hensen H., Tischew S. (2019) Handlungsempfehlung zur Populationsstärkung und Wiederansiedlung vonDactylorhiza majalis am Beispiel des Biosphärenreservates Karstlandschaft Südharz. Hochschule Anhalt, Bernburg. 32 S. https://opendata.uni-halle.de//handle/1981185920/23452

Meysel F., Martin M. (2021)Dactylorhiza majalis – Gefährdungsursachen und geeignete Erhaltungsmaßnahmen. Positionspapier der Vorstände der AHO Deutschlands. Arnstadt, 23./24.10.2021, 11 S. https://www.orchideen-deutschlands.de/

Kämmer, G. (2015): Orchideen. In: Naturnahe Beweidung und NATURA 2000. Ganzjahresbeweidung im Management von Lebensraumtypen und Arten im europäischen Schutzgebietssystem NATURA 2000. Heinz Sielmann Stiftung, Duderstadt: 223.

Neuhäuser, P., Meysel, F., Pude, F., Dullau, S. (2022): Die Karrenbachwiesen südlich Stendal – ein Langzeit-Beweidungsprojekt in orchideenreichen Nasswiesen. Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 39.

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