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Interview mit Christian Wentzien und Josephine Neubert

Auf feuchten Böden sinnvoll wirtschaften

Das Unternehmen mera Rabeler hat ein neuartiges Kettenfahrzeug für die Bewirtschaftung von Feuchtgebieten und sensiblen Bereichen entwickelt. Gemeinsam mit der Universität Greifswald werden die Einsatzmöglichkeiten dieses Fahrzeuges in verschiedenen Projekten zur Bewirtschaftung von Paludikulturen getestet. Sondermaschinenbauer Christian Wentzien (mera Rabeler) und Josephine Neubert (Uni Greifswald) stellen das Projekt vor.

von Julia Schenkenberger erschienen am 08.05.2024
Mahd mit der muR © mera rabeler
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Zur Person
Christian Wentzien
ist Maschinenbauingenieur bei mera Rabeler. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner und Firmengründer Jürgen Rabeler und ihren 23 Mitarbeitenden haben sie die muR entwickelt.
Zur Person
Josephine Neubert
ist Projektkoordinatorin an der Universität Greifswald. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen arbeitet sie daran, die Paludikultur in die landwirtschaftliche Praxis zu bringen.
Redaktion: Herr Wentzien, stellen Sie uns die mera universal Raupe kurz vor? Christian Wentzien: Die muR ist ein Vier-Ketten-Fahrzeug mit Knicklenkung, das speziell für den Einsatz auf sehr feuchten bis nassen Flächen entwickelt wurde. Es besteht aus einem Zugfahrzeug und einem Anhängefahrzeug. Das ist variabel, je nachdem, wo und zu welchem Zweck sie eingesetzt werden soll. Was gab den Anlass zu dieser Entwicklung? Christian Wentzien: Bisher kommen meist umgerüstete Pistenbullys auf feuchten Flächen zum Einsatz. Mit diesen Maschinen ist man allerdings begrenzt in der Zuladung. Man kann maximal zwei bis drei Tonnen zuladen. Mit diesen Voraussetzungen ist ein nachhaltiger und wirtschaftlicher Einsatz in den Arbeitsumgebungen unserer Kunden nicht mehr vertretbar. Was unterscheidet die muR denn von einem Pistenbully? Christian Wentzien: Mit der muR erreichen wir eine deutlich höhere Zuladung von bis zu 14 Tonnen, bei einem Gesamtgewicht von 22 Tonnen für das gesamte Fahrzeug. Damit können wir wesentlich höhere Flächenleistungen erreichen, als mit einem umgerüsteten Pistenbully. Außerdem haben wir durch die vier Ketten und die Knicklenkung wesentlich geringere Schädigungen der Grasnarbe. Bei normalen Kettenfahrzeugen mit Lenkung über gegenläufige Ketten wird die Oberfläche auf diesen Extremstandorten schnell verletzt. Das können wir durch die Knicklenkung reduzieren. Sie sagen, die Maschine ist speziell für den Einsatz auf nassen Bereichen entwickelt. Wie schaffen Sie es, dass die Maschine trotz der hohen Zuladung nicht einsinkt? Christian Wentzien: Wir erreichen das über sehr breite Ketten und eine optimale Gewichtsverteilung. Mit Ladewagen sind wir bei einem Bodendruck von 135 Gramm pro Quadratzentimeter. Der Mensch hat zwischen 250 und 400 Gramm, je nachdem, wie groß die Füße sind und wie schwer die Person ist. So können wir auch Flächen bearbeiten, bei denen das Wasser 10 cm unter Flur steht. Sogar, wenn etwas Wasser auf der Fläche steht, ist ein optimaler Einsatz möglich. Herkömmliche Landmaschinen können nur bei bis maximal 30 cm unter Flur stehendem Wasser arbeiten. Die Maschine ist speziell für diesen Einsatzzweck konstruiert. Sie bekommen ein Neufahrzeug mit der aktuellen Abgasnorm und können synthetische Kraftstoffe einsetzen, was für die CO2-Bilanz in vielen Bereichen wichtig ist.
Paludikulturen können selbst dann gemäht werden, wenn das Wasser auf der Fläche steht.
Paludikulturen können selbst dann gemäht werden, wenn das Wasser auf der Fläche steht. © mera rabeler
Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung? Christian Wentzien: Wir hatten anfänglich Probleme mit den Achsen, der Stabilität und der Ausbalancierung der Maschine. Der rechnerische statische Bodendruck ist eine Sache – der dynamische Bodendruck, also wie es die Maschine im Einsatz ausbalanciert, ist eine andere. Wir hatten ein Zugfahrzeug mit vier Achsen. Mittlerweile haben wir fünf Achsen eingebaut. Damit ist die Raupe besser austariert und ausbalanciert. Für welche Zwecke kann ich die muR denn einsetzen? Christian Wentzien: Die muR kann in der Feuchtwiesenpflege genauso eingesetzt werden wie bei der Bewirtschaftung von Paludikulturen. Wir haben außerdem Erfahrungen im Rettungswesen, wenn es um Wald- oder Moorbrände geht oder im Küstenschutz, bei einer Havarie, auch ein Einsatz im Wattenmeer ist denkbar. Wir möchten auch in Zukunft flexibel auf die Anforderungen von Projektpartnern reagieren und wissen heute noch gar nicht, was die Anforderungen von morgen sind. Die Ideen liefert der Kunde.
Welche Flächenleistungen sind möglich? Christian Wentzien: Unser Prototyp, der aktuell in den Niederlanden im Einsatz ist, kam auf eine Leistung von 180 bis 190 ha im letzten Jahr. Wir hatten eine Spitzenwochenleistung von 35 bis 40 ha. Das ist für die normale Landwirtschaft nicht akzeptabel, aber für die Feuchtwiesenbewirtschaftung ist das eine sehr gute Leistung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Flächenstrukturen in den Niederlanden mit 2 bis 14 ha sehr unterschiedlich und teilweise sehr kleinparzellig sind. Ist die Maschine denn bereits auf dem Markt verfügbar? Christian Wentzien: Wir bedienen bereits mehrere Projekte. Kunden, bei denen wir mit Vorführungen und mehrtägigen Tests überzeugt haben, kümmern sich um den Abschluss. Wir rechnen damit, in Anbetracht unserer Betriebsgröße, zwischen vier und acht Maschinen pro Jahr ausliefern zu können. Was würde die muR ungefähr kosten? Der Grundpreis beträgt etwa 250.000 € zzgl. aller optionalen Ausstattungen und Anbaugeräte. Wir bieten verschiedene Motorleistungen an. Welche Rolle spielte die Universität Greifswald bei der Entwicklung? Christian Wentzien: Die Uni hat die muR nicht mitentwickelt. Allerdings begleitet sie unsere Arbeit seit nunmehr 11 Jahren. Wir arbeiten gerade zusammen an Möglichkeiten, die Maschine zum Einsatz zu bringen und sie im Netzwerk bekannt zu machen. Derzeit bieten wir in Greifswald vor allem Produktvorführungen an. Josephine Neubert: An der Universität Greifswald sowie auch im Greifswald Moor Centrum haben wir Expertise in Sachen Botanik, Geografie, Ökonomie und mehr. Meine Kolleginnen und Kollegen beschäftigen sich mit der Verwendung von Rohrkolben, den Einsatzmöglichkeiten, der Wirtschaftlichkeit von Paludikulturen, mit Ausgasungen und vielen weiteren Themen. Was uns fehlt, ist der Maschinenbau selbst. Wir können die nötigen Maschinen nicht entwickeln. Deshalb hilft uns die Kooperation mit mera Rabeler enorm weiter. Vereinfacht gesagt können wir mithilfe der muR weiter daran arbeiten, die Paludikultur praxistauglich zu machen. Wir sammeln gerade Erfahrungen darin, wie die empfindlichen Wurzeln des Rohrkolbens auf verschiedene Mahdtechniken und -geräte reagieren, wie die Flächennutzung möglichst effizient gestaltet werden kann und wie der gesamte Prozess bei der Ernte optimiert werden kann – spätestens da kommen ja dann nicht nur Pistenbully und muR zum Einsatz, sondern auch herkömmliche landwirtschaftliche Maschinen, beispielsweise beim Abtransport des Mahdgutes. Können Sie denn schon aus Forschungssicht Vorteile der Bewirtschaftung mit der muR erkennen? Josephine Neubert: Wir untersuchen in Neukalen gerade eine 8,5 ha große Fläche, die wir für die Paludikultur wiedervernässt haben. Die Rohrkolbenpaludikultur ist eine besondere Herausforderung, da das Rhizomsystem nahe an der Oberfläche liegt und der Bestand vergleichsweise jung ist. In der letzten Saison haben wir einen Teil des Rohrkolbens von Hand geerntet und abgeräumt, der Rest wurde mit einem Pistenbully geerntet und mit der muR aufgenommen. Wir können jetzt sogar auf den Drohnenfotos der Fläche die Bereiche erkennen, in denen wir wiederholt laufen müssen. Für die erste Probeernte im Jahr 2021 von 1,3 ha wurde eine kleine Raupe mit aufgesatteltem Bunker eingesetzt. Bei einer Ladekapazität von 11 m3, die zur Gewichtsreduzierung nicht voll ausgeschöpft werden konnte, mussten Mehrfahrten mit entsprechenden Schäden hingenommen werden. Durch die muR mit dem Ladewagen und der großen Ladekapazität konnte die Anzahl an Überfahrten erheblich reduziert werden, Beeinträchtigungen wurden dank Knicklenkung vermieden. Problematisch sind aktuell Bereiche der Ein- und Ausfahrten. Hier nehmen die Rhizome Schaden, allerdings säte sich der Rohrkolben innerhalb einer Vegetationsperiode neu aus. Wir wollen jetzt erproben, ob die einjährigen Jungpflanzen die Bewirtschaftung mit der muR ertragen. Für Sie also ein Zugewinn für Ihre Forschungsarbeit? Josephine Neubert: Definitiv! Durch die Zusammenarbeit mit mera Rabeler haben wir die Chance, die Paludikultur in die Praxis zu bringen. Frau Neubert, Herr Wentzien, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Mähraupe mit Ladewagen
Mähraupe mit Ladewagen © mera rabeler
Kontakt

mera Rabeler GmbH & Co. KG Lindenstraße 3 21435 Stelle – Ashausen Tel.: +49(0)1515/1479177 Web: www.mera-rabeler.de

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