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Mit Herzblut für Gifhorns Großes Moor

Der NABU-Kreisverband Gifhorn engagiert sich seit Jahren für die Renaturierung des Großen Moors. Doris Plenter und René Hertwig haben uns die drei aktuellen Projekte im Moor vorgestellt.

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1  Die Mitarbeiter des NABU Gifhorn bestücken die selbst entwickelten Schwimmträger mit Torfmoosen.
1 Die Mitarbeiter des NABU Gifhorn bestücken die selbst entwickelten Schwimmträger mit Torfmoosen. NABU-Kreisverband Gifhorn
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Der Wagen holpert durch ein Schlagloch nach dem anderen. Ich schaue vom Beifahrersitz aus dem Fenster. Zu meiner Rechten liegt eine wahre Mondlandschaft, in ihrer Rechtwinkligkeit beinahe skurril. Becken an Becken reihen sich Rechtecke, mit Wasser gefüllt, die Wände aus dunklem Torf. Vielleicht 200 Meter weiter arbeitet ein Bagger, schichtet das Bodenmaterial auf. Links von uns türmt sich ein immenser Berg von Torf auf, der darauf wartet, abtransportiert zu werden. Wir befinden uns im Kernbereich des Großen Moors, eines 2 700 Hektar großen Naturschutz- beziehungsweise Natura-2000-Gebiets bei Gifhorn.

Der Kontrast zwischen laufenden – und auch wahrgenommenen – Abbaurechten in der Moorfläche zum einen und den redlichen Renaturierungsbemühungen des NABU-Kreisverbandes Gifhorn zum anderen stellt einen beinahe absurden Kontrast dar. Doris Plenter und René Hertwig, beide Projektleiter beim NABU Gifhorn, stellen die drei Projekte vor, die der NABU derzeit im Großen Moor umsetzt.

Von der Nutzung gezeichnet

Die Grundvoraussetzungen für die Arbeit der beiden Naturschützer sind dabei merklich ungünstig: Das Große Moor wurde ab dem Ende des 18. Jahrhunderts urbar gemacht, nachdem zuvor nur Randbereiche als Viehweiden genutzt oder abgetorft wurden. Mit der Urbarmachung gingen Entwässerungen und Siedlungsaktivitäten einher. Der industrielle Torfabbau war in Niedersachsen angekommen.

Die Spuren dieser Abtorfung sind heute klar ablesbar. Vor allem im Luftbild sind weite, vegetationslose, schwarze Flächen zu sehen. In anderen Bereichen reihen sich Hunderte rechteckige Wasserbecken aneinander, an älteren Becken wachsen massenhaft Birken auf den Dämmen. Vom ursprünglichen Moor ist kaum noch etwas zu sehen. „Manche Flächen sind komplett tot“, stellt Doris Plenter fest. „Da wächst nichts mehr. Wenn der Torfabbau in den Untergrund reinkommt, sprechen wir von 6 000 Jahre alten Torfen. Die enthalten keine keimfähigen Sporen mehr.“

Renaturierungsbemühungen

Deshalb arbeitet der NABU Gifhorn bereits seit mehreren Jahrzehnten diesem Status quo entgegen. In der Vergangenheit wurden vor allem Torfmoose (Sphagnum ) und Wollgräser (Eriophorum ) auf den abgetorften, nassen Flächen ausgebracht. Nur punktuell natürlich. „Das sind nur Initiale. Wenn das Torfmoos dort ankommt, wenn es einmal anwächst, dann vermehrt sich das“, erklärt die Diplomgeologin. So schaffen die Naturschützer die Grundlage, damit sich die Moorflächen selbst regenerieren.

Mit dieser Methode haben sie gute Erfahrungen gemacht. Mancherorts sind bereits dichte Torfmoosteppiche entstanden. Damit wird auch verhindert, dass Binsen und Rohrkolben Dominanzbestände bilden und sich eine Sumpfgesellschaft entwickelt. „Das Torfmoos braucht dann ewig, um in die Bestände einzudringen und sie zu überwuchern“, erklärt der Landschaftspfleger Hertwig. „Das überspringen wir so ein bisschen.“

Doch bevor gepflanzt werden kann, müssen die Moose und Wollgräser geerntet werden. Bisher geschah das in mühsamer Handarbeit. Die Mitarbeiter sind zu Fuß im Moor unterwegs, mit großen Wannen, wo sie punktuell Pflanzen entnehmen. Die werden dann zu den abgetorften Flächen gebracht und wieder ausgepflanzt.

Torfmoosvermehrung

Der NABU Gifhorn hat daher 2016 das Torfmoosprojekt ins Leben gerufen. Im Projekt verfolgt er das Ziel, die Moose, anstatt sie aufwendig einzeln zu ernten, auf Schwimmträgern zu kultivieren und zu vermehren. Durch die schwimmende Konstruktion sind die Pflanzen gleichmäßig mit Wasser versorgt – im eher kontinentalen Klima Gifhorns sonst schwierig. Die Trägerplatten, alle Marke Eigenbau, bestehen aus einem Rahmen aus Kunststoffrohren, in die eine Styrodurplatte befestigt wird. Ein Vlies ersetzt die Vegetationstragschicht. „Wir haben ganz verschiedene Vliese ausprobiert“, erklärt René Hertwig. „In der Pilotstudie wollen wir erfahren, unter welchen Bedingungen die Moose am besten wachsen.“

Schnell zeigt sich: Eine 50-prozentige Beschattung fördert das Wachstum des Sphagnums und auch Eichenstämme, die die Träger beschweren sollen, helfen durch ihre strukturierte Oberfläche bei der Ansiedlung. „Bei den Trägern, auf denen keine Stämme vorhanden waren, ist viel Torfmoos bei Stürmen schlichtweg weggeflogen“, erzählt Doris Plenter. „Damit hätten wir nicht gerechnet, aber für die Pilotstudie ist das wirklich eine interessante Zusatzkomponente.“

Im Projekt haben die Projektleiter vor allem mitSphagnum cuspidatum gearbeitet. Diese Art ist im Großen Moor besonders häufig. „Wir haben das Pflanzenmaterial genommen, das mit den klimatischen Verhältnissen hier klarkommt“, erklärt Plenter. Der Torfabbau hinterlässt einen niedermoorartigen Resttorfkörper, dessen Wasserchemie nicht mehr der eines Hochmoores entspricht. „Cuspidatum kommt mit dem mineralischen Einfluss hier im Moor gut zurecht. Es ist sozusagen das Startertorfmoos, fördert die Versauerung und speichert neben CO2 auch verschiedenste Mineralien aus der Luft und dem Wasser.“ Später, wenn die Flächen allmählich ihren Charakter verändern, könne man darüber nachdenken, auch Bultentorfmoose den Schwimmträgern zu vermehren.

Rückschläge durch Trockenheit

2018 sollten die Flächen dann beerntet werden. So war zumindest der Plan. Die monatelange Trockenheit machte die Ernte jedoch nicht möglich. Die Träger fielen über Monate trocken, die Torfmoose blichen aus. „Es kam einfach kein Regen“, beklagt Plenter. „Erst im November schwammen die Träger wieder.“ Hinzu kam, dass aufgrund der zeitgleich laufenden Abtorfung die Entwässerungsgräben noch geöffnet waren. Die Schäden, die die lang anhaltende Trockenheit verursacht hat, sind bisher noch nicht in Gänze absehbar. Klar ist aber, dass vorerst nicht geerntet werden kann. Ein Antrag für eine Projektverlängerung ist gestellt und genehmigt, sodass die Studie bis zum Sommer 2021 fortgeführt werden kann. „Wir müssen daraus lernen“, gibt René Hertwig zu. „Im Notfall muss eine Pumpe da sein, mit der man Wasser in die Becken pumpen kann.“

Vernässung

Trockenheit ist auch im zweiten Projekt des NABU das Leitmotiv, denn an anderer Stelle arbeitet man erst noch an der Wiedervernässung entwässerter Moorflächen. Im Nordwesten des Großen Moors liegt eine solche Fläche. Sie wurde über Jahrzehnte entwässert, die 150 Hektar waren dicht mit Sandbirken und Kiefern bestanden. 2017 startete die Wiedervernässung. Der alte niedrige Wall aus Grabenaushub, der bereits kleinflächig zur Vernässung beitrug, wurde deutlich verstärkt. Er wurde in ein 600 Meter langes, wesentlich höheres Dammbauwerk integriert. Der Damm wurde komplett aus Torf des Großen Moors errichtet, um das Wasser in der Fläche zu halten.

Gespeist wird das Projektgebiet vom Sauerbach, der an der Nordseite der Wiedervernässungsfläche verläuft. „Das Wasser hat eine entsprechende Qualität, da der Bach aus dem Moor gespeist wird“, erläutert Landschaftspfleger Hertwig. Inzwischen zeigen sich die ersten Erfolge: Im vorderen Gebiet steht das Wasser etwa 30 Zentimeter hoch, die Birken ragen wie Skelette aus dem Wasser. An den bereits umgestürzten weißrindigen Stämmen entwickelt sich schon erstes Grün. Auch wenige Torfmoose erobern ihr Habitat zurück.

Eine wesentliche Herausforderung des Projekts war die richtige Kalkulation der benötigten Torfmenge. Das Material war aufgrund der anhaltenden Trockenheit lockerer als erwartet, kurzfristig mussten höhere Volumina angefordert werden. Durch die finanzielle Vorauslage von Bau- und Materialkosten kann solch eine ungeplante Mehrausgabe die Finanzierung eines Projekts ins Wanken bringen. „Für einen ehrenamtlich arbeitenden Verein, der nur von Spendenbeiträgen lebt, kann es da schnell eng werden“, meint Doris Plenter. Denn der Kreisverband kann nur mit verhältnismäßig kleinen Summen in Vorleistung gehen. Kredite sind nur schwer zu bekommen und die Liquiditätspläne der einzelnen Projekte sind eng aufeinander abgestimmt. Zum Glück wurden die Mehrkosten vom Land und dem Moorschutzfonds des NABU-Bundesverbandes übernommen.

Wenn sie über solche finanziellen Herausforderungen für den Verein spricht, merkt man ihr an, dass es sie belastet, durch Vergaberichtlinien und Projektanträge so bürokratisch eingeschränkt zu werden. Sie gibt auch offen zu: „Da habe ich schon mal schlaflose Nächte. Gerne würde ich den Verwaltungsaufwand reduziert sehen und mich mehr der praktischen Projektarbeit widmen.“ Diese Belastung nimmt sie jedoch in Kauf, die schönen Augenblicke und die kleinen Erfolge sind dafür umso wertvoller.

Beweidung von Heideflächen

Die Vielfalt der Moorhabitate erstreckt sich aber auch bis in trockenere Bereiche hinein. Daher behandelt das dritte der NABU-Projekte die Heideflächen des Großen Moors. Hier hat der Kreisverband Gifhorn im vergangenen Jahr begonnen, die Flächen von Gehölzen zu befreien. Zwar wurden Teilflächen bereits in der Vergangenheit entkusselt, dann jedoch nicht weitergepflegt. Die Birken und Kiefern kehrten zurück, beschatteten den Boden.

Mit dem neuen Projekt soll dem nun dauerhaft entgegengewirkt werden. „Mein Kollege hat eine Vision“, lacht Doris Plenter. „Eines Tages werden wir hier stehen und über die ganze Fläche schauen können.“ Um dieses Bild zu realisieren, wurde der größte Teil der Gehölze entnommen, nur einzelne Bauminseln wurden erhalten. „Ein gewisser Gehölzanteil ist immer gewollt“, erklärt René Hertwig. Denn auf den Flächen leben Schlangen – Schlingnattern, Ringelnattern – und die benötigen bei hohen Außentemperaturen auch schattigere Bereiche. Und auch die Schafe und Ziegen, die die Flächen beweiden, sind auf den Schatten angewiesen. Der Landschaftspfleger legt großen Wert darauf, dass die Reptilien und Bodenbrüter durch die weiteren Pflegearbeiten in der Heide nicht gestört werden. Deshalb sind die Mitarbeiter angewiesen, im Zweifel einen großen Bogen um sie zu machen. Arbeit gibt es auch an anderer Stelle genug. Die Besonderheit dieser Arbeit im Großen Moor besteht in der zumeist manuellen Entfernung der aufwachsenden Birken und Kiefern. Hier kommen Spaten, Astscheren und Handsägen zum Einsatz. Nur gelegentlich wird auf Motorsäge und Freischneider zurückgegriffen. Durch den Verzicht auf schwere Maschinen findet die Entwicklung des Offenlandes sehr schonend statt, ist aber auch zeitintensiver.

Unterstützt werden die Festangestellten durch fünf junge Menschen im Bundesfreiwilligendienst und im freiwilligen ökologischen Jahr. Ohne sie wäre die Arbeit kaum zu bewältigen. „Mich motiviert die Arbeit mit den jungen Menschen“, fügt Hertwig hinzu. Und seine Kollegin Plenter ergänzt: „Wir können uns wirklich glücklich schätzen, dass wir so viel Hilfe bekommen. Normalerweise kriegt man als Einsatzstelle nicht so viele Leute.“

Das Interesse der jungen Menschen kommt aber nicht von ungefähr, denn der NABU Gifhorn engagiert sich auch stark in der Öffentlichkeitsarbeit. Das beginnt bereits bei den Schulkindern. Die dürfen Exkursionen ins Große Moor unternehmen, auch selbst mit anpacken. „Ein Moor muss man erleben! Das muss man fühlen, das muss man riechen“, schwärmt Plenter. Sie stellt fest, dass diese Erlebnisse die Kinder richtig erden – und sie stecken ihre Eltern und Lehrer mit ihrer Begeisterung an. „Viele dieser Schüler kommen am Zukunftstag oder als Praktikanten wieder, oft auch mehrere Jahre in Folge. Und manchmal dann auch für ein FÖJ.“

Man merkt den beiden Projektleitern an, wie sehr sie für ihre Sache stehen, trotz aller Schwierigkeiten, die sich durch die Projektarbeit und die aufwendige Finanzierung aus Drittmitteln ergeben. Solche Menschen braucht das Große Moor auch dringend, damit die schwarzen abgetorften Flächen wieder ergrünen, damit sich Schwingrasen aus Torfmoosen auf den Pütten bilden, damit wieder Schafe auf weiten Heideflächen weiden.

Projektdaten

Projekte: Erhaltung und Wiederherstellung trockener und feuchter Heiden im Naturschutzgebiet Großes Moor; Wiedervernässung eines ehemaligen Torfabbaubereichs im NSG „Großes Moor“ im Landkreis Gifhorn; Praktische Pilotstudie zur Förderung der Vermehrung und Verbreitung von Torfmoosen, LSG Westerbeck

Bauherr: NABU-Kreisverband Gifhorn e.V., Leiferde

Wissenschaftliche Begleitung: Institut für Umweltplanung, Leibniz Universität Hannover (Torfmoosprojekt)

Laufzeit: Jan. 2018 bis Dez. 2020 (Heideprojekt), Feb. 2017 bis Dez. 2022 (Wiedervernässung), Jan. 2016 bis Jun. 2021 (Torfmoosprojekt)

Flächengrößen: 200 ha (Heideprojekt), 150 ha (Wiedervernässung), 2 ha (Torfmoosprojekt)

Kostenvolumen: 330 000 € (Heideprojekt), 99 000 € (Wiedervernässung), 445 000 € (Torfmoosprojekt)

Finanzierung: 75 bis 80 % EU-Förderung und Länder, 20 bis 25 % Eigenmittel und Stiftungen

Biotoptypen: Feuchte Heiden des nordatlantischen Raums mitErcia tetralix (FFH-LRT 4010), Trockene europäische Heiden (FFH-LRT 4030), noch renaturierungsfähige degradierte Hochmoore (FFH-LRT 7120), Übergangs- und Schwingrasenmoore (FFH-LRT 7140), Moorwälder (FFH-LRT 91D0), Feuchtgebüsch (Weidengebüsch), Nährstoffreiche Kleingewässer, Grünland, Abtorfungsbereich mit aufgestauten Regenerationsflächen

Philosophie

„Gemeinsam für Mensch und Natur – durch die Einbindung von Schulen, Firmen und Ehrenamtlichen in die aktive Moorschutzarbeit wollen wir die Menschen für den Erhalt und die Wiederherstellung dieser einzigartigen Landschaft begeistern.“

Weitere Infos

Weitere Inhalte über die Projekte des NABU-Kreisverbandes Gifhorn und die Auszeichnung als UN-Dekade-Projekt finden Sie unter dem WebcodeNuL4669 .

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