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Zurück zu alten Ufern

Die Renaturierung des Hengerbachs

Neben der Landschaftspflege sind die Planung und Durchführung von Gewässerpflege und Entwicklungsmaßnahmen an Gewässern III. Ordnung seit Jahren ein wichtiger Tätigkeitsschwerpunkt des Landschaftspflegeverbands Neumarkt i.d.OPf. Seit 1997 hat der Landschaftspflegeverband (LPV) bereits eine Vielzahl von Renaturierungsvorhaben in enger Abstimmung mit den Kommunen und dem Wasserwirtschaftsamt Regensburg umgesetzt. Nun wurde der Hengerbach renaturiert.

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Hengerbach nach der Renaturierung
Hengerbach nach der RenaturierungJörg Ermisch
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Die Renaturierung des Hengerbachs (Gew. III. Ordnung) in der sogenannten Schulwaldaue bei Pavelsbach ist aufgrund der Größenordnung des Flächenzugriffs und der Finanzierung des Vorhabens mittels zweier Fördertöpfe ein besonderes Beispiel der langjährigen Arbeit des LPV Neumarkt im Bereich der Gewässerentwicklung.

Flächenerwerb finanziert über Ersatzgelder

Der Hengerbach ist ein typisches Fließgewässer unserer heutigen Kulturlandschaft: Im Zuge der Flurbereinigung wurde der Bach komplett begradigt und ausgebaut sowie die angrenzenden Feuchtwiesen drainiert und entwässert. 2011 wurde unter Federführung des LPV Neumarkt in enger Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt und den Kommunen ein Umsetzungskonzept (UK) für den Flusswasserkörper im Rahmen einer Pilotförderung zur interkommunalen Zusammenarbeit bei der Umsetzung Wasserrahmenrichtlinie an Gewässern III. Ordnung erarbeitet. Hierbei wurde ein knapp 1.400 Meter langer Abschnitt des Hengerbachs nördlich der Ortschaft Pavelsbach konkret als Schwerpunktbereich für Flächenankäufe und Renaturierungsmaßnahmen festgelegt.

Hengerbach vor der Renaturierung © Jörg Ermisch

Im Jahr 2014 konnten im priorisierten Gebiet dank intensiver Verhandlungen elf zusammenhängende Grundstücke entlang des Hengerbachs mit einem Flächenumfang von rund elf Hektar erworben werden, die für die Renaturierung des Hengerbachs zur Verfügung standen. Seit über zehn Jahren werden mittlerweile geeignete Flächen mittels Ersatzgelder angekauft und ökologisch aufgewertet.

Möglich wurde der Flächenankauf in solch einer Größenordnung vor allem durch die Finanzierung über das Ersatzgeld-Projekt des LPV Neumarkt in Kooperation mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Neumarkt i.d.OPf.. Hintergrund des Projekts war der seit 2011 von der Bayerischen Staatsregierung vorangetriebene Ausbau der Erneuerbaren Energien. Als Folge kam es zu einem verstärkten Ausbau der Windenergie im Landkreis Neumarkt i.d.OPf. und damit zu einer starken Zunahme der im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu entrichtenden Ersatzgeld-Zahlungen an die Naturschutzverwaltung. Um eine zeitnahe und fachgerechte Umsetzung der Gelder zu gewährleisten, wurde 2013 das damals in dieser Art bayernweit einzigartige Ersatzgeld-Pilotprojekt ins Leben gerufen. Der gesamte Flächenerwerb am Hengerbach wurde zu 100 Prozent mittels Ersatzgeldern finanziert.

Mehr Platz für Eigendynamik des Hengerbachs

Zusammen mit weiteren kommunalen Flächen standen so für das Renaturierungsvorhaben ein Flächenumgriff von insgesamt 14 Hektar Auenlebensraum zur Verfügung. Auf einem Abschnitt von 1.300 Meter konnten alle beidseitig an den Hengerbach angrenzenden Flurstücke in die Planung mit einbezogen werden. Dies ermöglichte umfassende Maßnahmen am Gewässer und dessen Aue durchzuführen und sich dabei ausschließlich an den natürlichen Gegebenheiten zu orientieren.

Im Planungsbereich wies der Hengerbach mit dem begradigten Lauf und der teilweise noch mit Betonschalen verbauten Sohle einen relativ naturfernen Zustand auf. Das Abflussprofil ließ keine dynamische Eigenentwicklung zu und führte zu einem reduzierten Rückhaltevermögen bei Hochwasserereignissen. Naturnahe und strukturreiche Uferhochstauden und -gehölze waren aufgrund der bis an das Gewässer heranreichenden landwirtschaftlichen Nutzung kaum ausgebildet.

Das Ziel der Renaturierung des Hengerbachs war die Initiierung eines geschwungenen Verlaufes, die Herausbildung eines naturnäheren unregelmäßigen Profils mit unterschiedlich steilen Ufern und vor allem die Sicherung von Platz für die Eigendynamik des Hengerbachs in seiner Aue. Mit Baggern wurde das Bachbett aufgeweitet und wechselseitig abgeflachte Ufer modelliert. Um die Wiedervernässung der drainierten Wiesen zu fördern, wurden bestehende Drainagen geöffnet und in der Aue zwei große Feuchtmulden angelegt. Die Maßnahmen dienen einem verbesserten Wasserrückhalt in der Landschaft und stellen so einen natürlichen Hochwasserschutz dar. Neben den Aufwertungsmaßnahmen in der Aue, die komplett über Ersatzgelder finanziert wurden, förderte das Wasserwirtschaftsamt Regensburg die Maßnahmen direkt am Gewässer mit einem Anteil von 75 %.

Hengerbach nach der Renaturierung © Jörg Ermisch

Extensive Bewirtschaftung der angrenzenden Wiesen

Nach Fertigstellung der Baggerarbeiten wurde auf Teilen der Abtragungsbereiche eine Mahdgutübertragung von einer lokalen, artenreichen Spenderfläche vorgenommen, um hier Pflanzenarten wie den Großen Wiesenknopf, Teufelsabbiss, Sumpfschafgarbe, Sumpfstorchschnabel und die Wiesensilge zu fördern. Zur Strukturanreicherung wurden ergänzend im Randbereich der Aue einzelne Bäume und kleinere Heckenelemente gepflanzt.

Im Rahmen des Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramms bewirtschaften sechs Landwirte aus der Umgebung die Wiesenflächen in der Aue extensiv. Durch den Verzicht auf Düngung sowie die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und einen vorgegebenen Zeitpunkt der Mahd sollen sich blütenreiche Wiesenflächen entwickeln. Um die Wiederansiedlung von bedrohten Wiesenbrütern in dem Gebiet zu fördern, soll das Gebiet in seiner Gesamtheit als offene Mähwiesenlandschaft erhalten bleiben. Die Gewässerrandstreifen unterliegen demnach einem eigenen Pflegeregime und sind von den, durch die Landwirte bewirtschafteten Feldstücke ausgenommen. Finanziert im Rahmen der Landschaftspflege werden die Uferbereiche in jährlich wechselnden Teilbereichen gemäht, um die Entwicklung von Hochstaudenfluren und Einzelgehölzen anstelle eines durchgängigen Gehölzgürtels zu fördern.

Der Kiebitz findet am renaturierten Hengerbach wieder einen Lebensraum. © V. Ruprecht

Rückzugsraum für seltene und gefährdete Arten

Ein Monitoring begleitet die Entwicklung des renaturierten Abschnitts des Hengerbach. Vor der Umsetzung der geplanten Maßnahmen wurde im Jahr 2015 eine faunistische und floristische Bestandsaufnahme vorgenommen. Im Jahr 2022, fünf Jahre nach Abschluss des Renaturierungsvorhabens, wurde die Erfassung zur Erfolgskontrolle wiederholt. Es erfolgte dabei eine Kartierung der ausgewählten, terrestrischen und semiaquatischen Artengruppen Pflanzen, Tagfalter, Heuschrecken, Libellen, Amphibien, Reptilien und Brutvögel.

Der renaturierte Hengerbach bietet einen geeigneten Lebensraum für die Sumpfschrecke. © G.Knipfer

Der Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling auf Futterpflanze Großer Wieseknopf. © G. Knipfer

Es zeigt sich, dass das Gebiet in Bezug auf die untersuchten Artengruppen stark an Bedeutung gewonnen hat. In allen untersuchten Artengruppen ist die Artenvielfalt stark angestiegen und es treten inzwischen zahlreiche Leitarten magerer und feuchter Wiesen auf (s. Abb).

Artenzahl der kartierten Tiergruppen bei der Ersterfassung im Jahr 2015 (hellorange) und der Wiederholungserfassung im Jahr 2022 (dunkelorange) © LPV Neumarkt

Auch viele gefährdete und bedrohte Arten der Roten Liste Bayerns (RL Bayern) haben sich seit der Umsetzung der Maßnahmen auf den Renaturierungsflächen etabliert. Insgesamt konnten im Jahr 2022 41 gefährdete Tierarten (2015: 18 RL-Arten) sowie 19 gefährdete Pflanzenarten (2015: 7 RL-Arten) nachgewiesen werden (s. Abb. unten). Ein besonderes Erfolgserlebnis ist die Ansiedlung des gefährdeten Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings, welcher in unmittelbarerer Umgebung zur Projektfläche die wichtigsten Bestände im Landkreis Neumarkt i.d.OPf. aufweist. Dies ist der vorgenommenen Mahdgutübertragung zuzuschreiben, durch die der Große Wiesenknopf, die wichtigste Futterpflanze dieser Schmetterlingsart, im Gebiet etabliert werden konnte. Auch der stark im Rückgang begriffene Kiebitz tritt seit der Renaturierung des Hengerbachs als Brutvogel erstmalig im Gebiet auf. Die Art ist in Bayern in ihrem Bestand stark gefährdet. Durch den Offenlandcharakter und die extensive Bewirtschaftung des Feuchtwiesenkomplex findet der Kiebitz am Hengerbach nun einen geeigneten Lebensraum. Die renaturierte Aue des Hengerbachs birgt zudem eines der größten Bestände der gefährdeten Sumpfschrecke im Landkreis Neumarkt i.d.OPf. Die Art profitiert von der Wiedervernässung der Aue und der extensiven Bewirtschaftung der angrenzenden Wiesen.

Gesamtanzahl der im Jahr 2015 und 2022 kartierten Tier- sowie Pflanzenarten (hell) mit Angabe der Anzahl der Arten der Roten Liste Bayerns (dunkel) © LPV Neumarkt

Doch nicht nur die Artenvielfalt profitiert von der Renaturierung des Hengerbachs: die Aufwertungsmaßnahmen bereichern maßgeblich das Landschaftsbild der Feldflur und steigern so den Erholungswert des Gebiets. Der Hengerbach bietet so einen attraktiven Ort der Naherholung für die Anwohner der nahegelegenen Ortschaften und lädt zum Verweilen und Entdecken ein.

Kontakt:

Tina Dünzkofer, Projektmanagement Ersatzgeld-Projekt, Landschaftspflegeverband Neumarkt i.d.OPf., Nürnberger Str. 1, 92318 Neumarkt i.d.OPf., Tel. 09181/ 470-1339, duenzkofer.tina@landkreis-neumarkt.de

Die Landschaftspflegeverband Neumarkt i.d.OPf. ist Mitglied im Deutschen Verband für Landschaftspflege e.V. (DVL). Landschaftspflegeverbände sind Zusammenschlüsse, in denen Landwirtinnen und Landwirte, Naturschützende sowie Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker gemeinsam naturnahe Landschaftsräume erhalten oder neu schaffen.

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