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Artenschutz gGmbH

Für mehr „echten“ Naturschutz

2019 hat Jürgen Trautner, seines Zeichens geschäftsführender Gesellschafter der Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung GmbH, die Artenschutzmanagement gGmbH gegründet. Die Leiterin der Geschäftsstelle, Dr. Kirsten Kindermann, hat uns das gemeinnützige Unternehmen vorgestellt.

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1) Das Team in Aktion: Hier findet eine Mahdgutübertragung statt.
1) Das Team in Aktion: Hier findet eine Mahdgutübertragung statt.Kirsten Kindermann
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Dient unsere tägliche Arbeit eigentlich nachhaltig dem Schutz der Natur? Das ist nicht unbedingt die Frage, die man von einem Landschaftsökologen, der seit über 35 Jahren im Naturschutz aktiv ist, erwartet. Jürgen Trautner stellt die Frage trotzdem. Und er beantwortet sie sehr kritisch: Viele Maßnahmen, die sein Büro genau wie andere Büros deutschlandweit planen oder anstoßen, fördern den Schutz der Arten nicht langfristig!

Die Ursachen für dieses Problem liegen auf der Hand: Ein Teil der Maßnahmen muss nur begrenzte „Haltbarkeit“ zeigen, was vor allem dann, wenn sie erfolgreich waren, bei ihrer Aufgabe schmerzt. Nicht wenige Maßnahmen unterliegen trotz fachlich anders formulierten Anforderungen später so ungünstigen Rahmenbedingungen, dass ein Erfolg eher Zufall wäre. Und bei den Übrigen hat das jeweilige Planungsbüro meist keinen Zugriff mehr, wenn ein Projekt abgeschlossen ist. Vielfach findet kein Erfolgsmonitoring statt, von einer langfristig geeigneten Pflege ganz zu schweigen. Ursprünglich sinnvolle Maßnahmen verlieren so an Wirkung, der Natur und vor allem den hochgradig gefährdeten Arten ist nicht langfristig geholfen. Beteiligte Fachleute lässt dieses Wissen nicht los: Jürgen Trautner und sein Team etwa möchten einen langfristigen Beitrag zum praktischen Naturschutz leisten – und zwar auftragsunabhängig für diejenigen stark rückläufigen Arten, die dringend Schutz benötigen und bei denen akuter Handlungsbedarf besteht.

2019 schließlich wird die Artenschutzmanagement gGmbH gegründet. Mit ihr sollen auf eigenen Flächen – Flächen, die aus Privatbesitz der gGmbH überschrieben werden und solche, die das Unternehmen aufkauft oder langfristig pachtet – nach eigenem fachlichen Ermessen Artenschutzmaßnahmen entwickelt, umgesetzt und auch nach der Umsetzung dauerhaft begleitet werden.

Stückweise baut Trautner das Unternehmen auf, nicht zuletzt auch mit ehrenamtlicher Zuarbeit des gesamten Teams der Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort stellen ihre fachliche Expertise zur Verfügung. Für die Aufgaben werden sie freigestellt, der Zeitaufwand ist quasi eine Spende der GmbH.

Mit ehrenamtlicher Zuarbeit ist es aber nicht getan: Die Projekte der gGmbH wollen vorbereitet und begleitet werden. Fördergelder müssen eingeworben werden, das Monitoring und die Pflege müssen organisiert werden. All das überschreitet die ehrenamtlich leistbaren zeitlichen Kapazitäten – schließlich gilt es, auch ein anderes Unternehmen am Laufen zu halten. Hilfe muss her: Die Führung der Geschäftsstelle wird ausgeschrieben.

Das Stellenangebot kommt für Kirsten Kindermann wie gerufen. Die Biologin will sich beruflich neu orientieren, nachdem sie einige Jahre bei einem der Landschaftserhaltungsverbände in Baden-Württemberg Erfahrungen sammeln konnte. Sie hat sich bereits bei einigen Unternehmen beworben, aber das Richtige war noch nicht dabei. Aber diese Stelle ist anders. „Es war, als wäre die Stelle für mich geschaffen worden“, erzählt sie. „Ich stehe voll und ganz hinter dem Thema und plane und organisiere total gerne. Die Stelle ist perfekt für mich.“ Im Januar 2022 wird sie Leiterin der Geschäftsstelle.

Einer ihrer wesentlichen Arbeitsschwerpunkte ist die Finanzierung der Artenschutzmanagement gGmbH. Sie schreibt Förderanträge für Projekte. Die können zum Beispiel über Umweltstiftungen oder auch über die Landschaftspflegerichtlinie umgesetzt werden. Aber im Unternehmen entstehen auch Kosten, die nicht projektspezifisch sind. Diese sind schwierig zu decken. Derzeit ist es vor allem die Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung, die für diese Kosten aufkommt sowie private Spenden, die bisher aber überwiegend geringe Beträge umfassen.

Langfristig soll sich das ändern. Das gemeinnützige Unternehmen soll sich über eigene Erträge aus Tätigkeiten, aus Spenden und Patenschaften finanzieren. Kindermann zieht sogar in Erwägung, einen Unterstützerverein zu gründen, um Menschen mehr zu beteiligen. „Man braucht die Öffentlichkeit, um etwas zu bewegen“, betont sie.

Jedoch: Die Öffentlichkeit ist schwer zu begeistern. Die Biologin tritt auf Veranstaltungen mit eigenem Stand an die Menschen heran und betreibt aktive Pressearbeit. Die Resonanz könnte jedoch besser sein. Für viele ist es schwierig, sich mit den bedrohten Zielarten zu identifizieren, der Östlichen Grille beispielsweise. Die Art ist vom Aussterben bedroht. Im Jagsttal gibt es sie noch. „Die Menschen fragen dann: Was macht es für einen Sinn, die Östliche Grille zu schützen?“, stellt Kindermann fest. „Die ökologischen Zusammenhänge, aber auch die Schutzverantwortung sind nicht bekannt. Das braucht viel Erklärungsarbeit.“ In Zukunft will sie deshalb die Öffentlichkeitsarbeit weiter verstärken. Die Menschen sollen sich mit den Zielarten identifizieren.

Die Östliche Grille war eine der ersten Arten, für die Jürgen Trautner selbst Schutzmaßnahmen ergriffen hat. Bereits 2012 hat er privat eine Weinbergbrache im Jagsttal erworben, wo die Art noch vorkommt. 2022 hat er die Parzellen an die gGmbH übertragen. Ein örtlicher Winzer sorgt mit einem angepassten Pflegemanagement dafür, dass diese und andere Arten der Weinbergbrachen hier gefördert werden, unterstützt mit Mitteln der Naturschutzverwaltung.

Es ist nicht nur die Östliche Grille, die zur Zielart der gGmbH avanciert. Im Kochertal beispielsweise steht die Rotflügelige Ödlandschrecke im Fokus. Auch sie ist bundesweit vom Aussterben bedroht. Die in Summe gut 3 ha großen Flächen, die hier unter anderem diese Art fördern, wurden 2022 von der Artenschutzmanagement gGmbH erworben. Nun erfolgt ein jährliches Monitoring, auch erste Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen wurden umgesetzt. So stehen Erfolge oder Misserfolge auf wissenschaftlich stabilen Füßen.

Im Neckartal soll dazu beigetragen werden, die Grauammer und das Rebhuhn zu schützen. Auf zunächst 0,4 ha Feldbrache arbeitet das Team daran, die Strukturvielfalt für beide Brutvogelarten zu optimieren. Unter anderem wurde ein Teil der Fläche neu eingesät, außerdem werden jährlich Gehölze zurückgeschnitten und Teilflächen gemulcht. Diese Maßnahmen übernimmt ein ortsansässiger Landschaftspflegebetrieb.

Die letzte der derzeit vier, insgesamt noch kleinen Flächen – man stehe erst am Anfang, hebt Kirsten Kindermann hervor – unterscheidet sich von den erstgenannten insofern, als dass es sich um ein gepachtetes Waldgrundstück handelt. Hier soll die Gelbbauchunke geschützt werden. Die Voraussetzungen auf der Parzelle sind ideal: Sturm Lothar (1999) hat den Wald stark aufgelichtet. Im Herbst 2022 wurden dann nach weiteren vorbereitenden Maßnahmen Kleinstgewässer angelegt, finanziert durch die Stuttgarter Hofbräu Umweltstiftung. Erfolge sind hier schon klar zu sehen: Die Gelbbauchunke hat sich angesiedelt und reproduziert sich bereits.

Die gGmbH setzt sich nicht nur aktiv für praktischen Naturschutz ein, sie berichtet auch über gelungene Maßnahmen und ihre Grundlagen. Trautner und sein Team, das seit September von einem FÖJler unterstützt wird, veröffentlichen regelmäßig Zeitschriftenbeiträge und stellen planungsrelevante Informationen zur Verfügung, beispielsweise über die Website www.artenschutz-am-haus.de . Außerdem bietet das Unternehmen eine eigene Biodiversitätszeitschrift an, in der kostenlos Fachartikel aus der eigenen Arbeit oder von Kooperationspartnern publiziert werden. Momentan sind 13 Beiträge online, innerhalb der nächsten fünf Jahre möchte das Team den Veröffentlichungsrhythmus aber auf mindestens einen Beitrag pro Monat erhöhen.

Überhaupt hat sich die Gesellschaft für die nächsten fünf Jahre klare Ziele gesteckt. Neue Zielarten sollen in die Arbeit aufgenommen werden. Die Flächenkulisse soll erweitert werden. Ein ambitioniertes Ziel: Von derzeit zirka 5 ha möchten Kindermann und Trautner bis 2028 auf 50 ha ausbauen. Sie sind überzeugt, dass die Gesellschaft das erreichen kann.

Ein weiteres Ziel ist es auch, die gGmbH langfristig auf eigene finanzielle Füße zu stellen. Sie soll nicht länger abhängig sein von Trautners erstem Unternehmen. Einige Schritte sind schon unternommen: Mit dem Verlag Eugen Ulmer kooperiert die Gesellschaft bereits und bietet gemeinsame Seminare an. Außerdem werden Projekt- und Artpatenschaften entwickelt, damit Interessierte sich direkter einbringen können.

Das Hauptziel indes bleibt unverändert: Einen Beitrag zu leisten zum Schutz stark gefährdeter oder gar vom Aussterben bedrohter Arten – projektunabhängig und langfristig.

 

Betriebsdaten

  • Name: Artenschutzmanagement gGmbH
  • Gesellschaftsform: gGmbH
  • Geschäftsführender Gesellschafter: Jürgen Trautner
  • Leitung Geschäftsstelle: Dr. Kirsten Kindermann
  • Arbeitsschwerpunkte: Schutz der biologischen Vielfalt und Schutz stark gefährdeter Arten

 

Kontakt

 


Jürgen Trautner
ist Landschaftsökologe. Er befasst sich seit über 30 Jahren beruflich insbesondere mit Fragen des Arten- und Gebietsschutzes sowie mit der biologischen Vielfalt. Räumlicher Arbeitsschwerpunkt ist in Baden-Württemberg, er ist jedoch auch in anderen Ländern tätig, unter anderem regelmäßig in Österreich als nicht-amtlicher Sachverständiger für Behörden.
 

Kirsten Kindermann ist seit Januar 2022 bei der Artenschutzmanagement gGmbH tätig. Die Biologin war nach ihrer Promotion im Bereich chemische Kommunikation bei Kuckuckshummeln als Geschäftsführerin einer der Landschaftserhaltungsverbände in Baden-Württemberg tätig. Mit den dort gesammelten Erfahrungen im Flächen- und Projektmanagement sowie der Landschaftspflege möchte sie nun die Ziele der Artenschutzmanagement gGmbH weiter voranbringen.

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