Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Extensivgrünland

Wie das Wenden eines Grünguthaufens die regionale Grüngutverwertung verhindert

Wir alle gehen gerne spazieren. Das machen wir möglichst dort, wo es schön ist. Besonders im Frühjahr erfreuen sich viele Menschen, wenn sie dabei auf bunte, artenreiche Wiesen stoßen, in denen Insekten geschäftig Pollen sammeln und Stieglitze die ersten Samen des Jahres suchen. Diese bunten Wiesen kommen nicht von ungefähr. Sie werden in aller Regel von Landwirtschaftsbetrieben extensiv bewirtschaftet. Die Fläche wird wenig gedüngt und nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht. Anschließend wird das Mahdgut von der Fläche abgefahren, damit sie sich nicht mit Nährstoffen anreichert und nicht verfilzt. Dafür bekommt der Betrieb im Rahmen von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen seinen Aufwand und seinen Ertragsausfall entgolten. Die Förderung soll für die Landwirte eine Alternative zur intensiven Futtergewinnung darstellen. Diese Praxis ist weitgehend bekannt.

von Thomas Köhler, DVL erschienen am 10.09.2024
Eine Kompostmiete aus Landschaftspflegegras wird mit Radlader und Miststreuer gewendet, um später als Dünger aufgebracht zu werden. © Peter Roggenthin
Artikel teilen:

Mangel an Alternativen

Was weniger bekannt ist: Die Verwertung dieses Mahdguts bedeutet für die Betriebe keinen wirtschaftlichen Gewinn, sondern einen Verlust. Nachdem es in heutiger Zeit meist weder verfüttert, noch in Ställe eingestreut wird, ist es überflüssig. Die Entsorgung kostet Geld und muss vom Betrieb aus eigener Tasche bezahlt werden. Aufgrund fehlender Alternativen nehmen die Betriebe weite Anfahrtswege in Kauf und entsorgen das Mahdgut kostspielig für oft bis zu 25 € pro Kubikmeter in gewerblichen Kompostieranlagen. Das kann dazu führen, dass extensive, artenreiche Wiesen schließlich doch intensiviert oder aufgegeben werden.

Dabei könnte es so einfach sein: Einige Betriebe kompostieren bereits heute das anfallende Mahdgut im Rahmen der Eigenverwertung. Dafür eignen sich alte Fahrsilos oder Mistplatten, sogenannte Jauche-Gülle-Sickersaft-Anlagen (JGS-Anlagen), die nicht mehr verwendet werden. JGS-Anlagen werden genutzt, um landwirtschaftliche Substrate wie Mahdgut zu silieren oder Festmist zu lagern. Diese Praxis ist legal und vom Gesetzgeber vorgesehen. Austretendes Sickerwasser wird in Sickerwasserbehältern aufgefangen. Der Boden und die Gewässer werden damit vor Verunreinigungen geschützt. Es ginge aber noch einfacher: mit einer kontrollierten Kompostierung am Feldrand. In Österreich wird eine geregelte Feldrandkompostierung von Mahdgut, natürlich unter Beachtung wasser- und abfallrechtlicher Vorgaben, seit Jahren betrieben. Erfahrungen könnten auch für Deutschland genutzt werden. Bei beiden landwirtschaftlichen Kompostierungsformen gibt es eigentlich nur Gewinner: Die extensive Wiesenbewirtschaftung ist nachhaltig sichergestellt, der Betrieb kann das Mahdgut niederschwellig und kostengünstig ohne teure Spezialmaschinen verwerten und erhält am Ende einen hochwertigen Dünger und Bodenverbesserer für seine Flächen. Zudem bleiben die Nährstoffe in der Region.

Doch Achtung: Das Wenden eines Grünguthaufens in JGS-Anlagen oder am Feldrand ist illegal! Wer Landschaftspflegegras in JGS-Anlagen bzw. am Feldrand nicht lagert sondern kompostiert, widersetzt sich den Vorgaben der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV). Denn die Kompostierung darf nur in entsprechend ausgerüsteten, gewerblichen Bioabfall-Kompostieranlagen verwertet werden. Das gibt die AwSV vor.

Eine Kompostmiete am Feldrand wird mit Radlader und Miststreuer gewendet, um später als Dünger auf dem Feld aufgebracht zu werden.
Eine Kompostmiete am Feldrand wird mit Radlader und Miststreuer gewendet, um später als Dünger auf dem Feld aufgebracht zu werden. © Peter Roggenthin

Gleiches Material, andere Kategorisierung

Kompostmieten müssen regelmäßig gewendet werden. Das fördert die mikrobielle Umsetzung der organischen Substanz und gewährleistet, dass alle Bereiche der Miete hygienisiert werden. Nun ist es wichtig zu wissen, dass in JGS-Anlagen laut der AwSV ausschließlich landwirtschaftliche Stoffe gelagert werden dürfen. Eine Auflistung konkreter, zugelassener Stoffe findet man in der Verordnung. Und genau da liegt das – leider völlig konstruierte – Problem:

Gewendetes, kompostierendes Mahdgut ist – anders als gelagertes Mahdgut – kein landwirtschaftliches Substrat mehr. Mahdgut, das an sich auf der Liste lagerfähiger Stoffe geführt wird, wird nun als Kompostsubtrat definiert. Kompostsubstrat ist nicht in der Liste von in JGS-Anlagen lagerfähiger Stoffe aufgeführt. Durch die Kompostierung ändert sich außerdem die Einstufung der Wassergefährdung des – nach wie vor identischen – Sickerwassers. Die Lagerung des neu eingestuften Sickerwassers ist in JGS-Anlagen unzulässig. Ein und dasselbe Material wird somit auf dem Papier und ohne jegliche fachliche Begründung neu kategorisiert und für die landwirtschaftliche Kompostierung unzugänglich gemacht.

Und es wird noch besser! Da Kompostsubstrate in sich nicht unterschieden werden, wird Kompost aus Landschaftspflegegras, das i.d.R. landwirtschaftlichen Ursprungs ist, mit dem Kompost aus Grünschnitt (Parkanlagen, Privatgärten) sowie aus Speiseresten (Biotonne!) gleichgestellt. Kompostanlagen müssen deshalb höheren anlagentechnischen Standards nachkommen als JGS-Anlagen. Fahrsilos und Mistplatten dafür nachzurüsten ist viel zu kostspielig. Die Grüngutkompostierung auf dem landwirtschaftlichen Betrieb für die landwirtschaftliche Verwertung ist damit nicht möglich.

Die Gemeinde Heidenheim am Hahnenkamm hat gemeinsam mit dem LPV Mittelfranken ein leer stehendes Fahrsilo aufgebessert, um dort Landschaftspflegegras zu kompostieren. Die neu aufgetragene Lackschicht verhindert, dass Kompostsickerwasser durch das Fahrsilo ins Grundwasser gelangt.
Die Gemeinde Heidenheim am Hahnenkamm hat gemeinsam mit dem LPV Mittelfranken ein leer stehendes Fahrsilo aufgebessert, um dort Landschaftspflegegras zu kompostieren. Die neu aufgetragene Lackschicht verhindert, dass Kompostsickerwasser durch das Fahrsilo ins Grundwasser gelangt. © Landschaftspflegeverband Mittelfranken

Der DVL setzt sich für die landwirtschaftliche Kompostierung ein

Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) hat im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit dem Kuratorium Bayerischer Maschinen- und Betriebshilfsringe (KBM) zur Verwertung von Grüngut aus der Landschaftspflege Vorschläge erarbeitet, wie die AwSV angepasst werden könnte, um eine Kompostierung von landwirtschaftlichem Mahdgut für die Eigenverwertung zu ermöglichen. Der Bayerische Landtag ist bereits aktiv geworden und hat die Bayerische Staatsregierung aufgefordert, auf Bundesebene darauf hinzuwirken, die landwirtschaftliche Kompostierung zu erleichtern. Anpassungen der AwSV werden im Bund-/ Länder-Arbeitskreis Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (BLAK UmwS) diskutiert, in der alle Bundesländer vertreten sind. Hier ist also in weiteren Bundesländern Überzeugungsarbeit zu leisten. Der DVL stellt in einem Leitfaden zur Grüngutverwertung erfolgreiche Praxisbeispiele vor, erläutert den relevanten Rechtsrahmen und zeigt Handlungsspielräume auf.

Autor:in
Thomas Köhler
ist Landschaftsökologe (M. Sc.) und ehrenamtlich als Ornithologe tätig. Beim DVL beschäftigt er sich mit der Verwertung von Grüngut aus der Landschaftspflege sowie dem natürlichen Wasserrückhalt in der Landschaft.
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren