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Hamberger Moor

Naturschutz auf Spendenbasis

Das Hamberger Moor ist, wie viele Moore Europas, durch Entwässerung, Nutzung und Abtorfung (Handtorfstich) stark beeinträchtigt. Doch seit 2017 werden immer mehr Flächen unter Schutz gestellt und unter der Leitung der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Osterholz und Mithilfe des NABU Hambergen entkusselt und wiedervernässt. Möglich wurde das u.a. durch die Finanzierung durch Naturefund. Katja Wiese von Naturefund und Jürgen Röper vom NABU Hambergen stellen das Projekt vor.

von Julia Schenkenberger erschienen am 08.07.2024
Viele der insgesamt rund 150 Sonnentauarten sind durch Lebensraumverlust bereits selten geworden. © Pixabay
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Wildpferde, die in Herden durch die Prärie galoppieren, Elefanten auf wochenlangen Märschen durch afrikanische Weiten – Wildnis, wohin das Auge blickt. Bilder wie diese begeisterten Katja Wiese schon als Kind. „Ich habe immer gesagt: Wenn ich groß bin, kaufe ich Land für die Natur“, erinnert sie sich.

Mit 14 Jahren wird dieser Wunsch noch stärker: Damals ist die gebürtige Hamburgerin zu Besuch auf Husum und begleitet einen Landwirt auf dem Weg zur Weide, um die Kühe zu füttern. Eine Besonderheit fällt ihr ins Auge, die sie so nicht kennt: Die Wiesen sind eigenartig hügelig. Das, so erklärt der Landwirt der jungen Frau, liegt daran, dass hier früher ein Sumpf war, der entwässert wurde, um die Flächen nutzbar zu machen. Der Gedanke, dass der Mensch ganze Landschaften verändert und so unter Umständen ganze Lebensgemeinschaften zerstört, lässt Wiese nicht los. Sie will etwas bewegen. Dennoch entscheidet sie sich gegen ein Biologiestudium, studiert stattdessen internationale Politik. Sie ist viel im Ausland, später arbeitet sie beim Rundfunk. Schließlich bekommt sie die Chance, ein Praktikum beim WWF zu machen, kurz danach wird ihr dort eine Stelle angeboten. Anderthalb Jahre lang beschäftigt sie sich mit Corporate Fundraising. „Das hat mich davon überzeugt, dass wir die Natur nur gemeinsam schützen können“, betont Wiese.

Doch sie verlässt den WWF, geht stattdessen in die Unternehmensberatung bei einer IT-Firma. Für die Politikwissenschaftlerin eine lehrreiche Zeit: „Ich konnte lernen, wie das komplexe System Unternehmen funktioniert. Wie man Dinge verändern kann.“ Der Gedanke ihrer Kindheit lässt sie dennoch nicht los: „Ich will das Land und die Natur schützen.“

2003 kommt ihr das Schicksal zur Hilfe, auch wenn es makaber klingt: Der Irakkrieg bricht aus. Die Folgen sind auch in Deutschland spürbar. Das IT-Unternehmen, bei dem Wiese angestellt ist, verliert einen wichtigen und großen Auftrag. Kündigungen sind die Folge. Katja Wiese steht plötzlich ohne Job da. Statt zu verzweifeln, nutzt sie die Gelegenheit: Dank einer Abfindung und dem Arbeitslosengeld ist sie für zwei Jahre finanziell abgesichert. Zeit, um ihren Traum zu verwirklichen. Sie plant, organisiert, entwickelt. Schließlich gründet sie mit sechs anderen Menschen den Verein Naturefund, die erste Crowdfunding-Plattform weltweit.

Wieses Idee: Viele geben – freiwillig – ein bisschen, um gemeinsam etwas zu erreichen. Sie hat in der Zwischenzeit viel recherchiert und weiß, dass Natur vor allem Zeit, Ruhe und Fläche braucht. Ihr Paradebeispiel ist der DDR-Grenzstreifen: „Hier haben Arten überlebt, einfach weil sie in Ruhe gelassen wurden“, erklärt sie. Sie will über das Crowdfunding das Gleiche schaffen: Flächen kaufen, um sie dann der Natur zu überlassen.

Wiedervernässter Bereich mit offener Wasserfläche
Wiedervernässter Bereich mit offener Wasserfläche © Naturefund

Mit ihrem ersten Mitarbeiter, einem IT-Experten, baut sie Naturfund aus. Wichtig ist ihr vor allem eine gute Internetplattform. Spendenwillige können sich hier transparent über alle Projekte informieren. Nach der Spende kann man genau nachverfolgen, was mit dem Geld passiert.

Wieses erstes Projekt ist ein Sumpfwald in Nordhessen, es folgen weitere, unter anderem große Leuchtturmprojekte in Bolivien und auf Madagaskar. Das Team von Naturefund lernt alle Projekte zu Beginn kennen, stimmt mit den Partnern vor Ort die Ziele ab und entwickelt dann gemeinsam die Projektidee und natürlich auch eine Marketingstrategie, um Spenden zu sammeln.

Zahlreiche Projekte konnte Katja Wiese so schon finanzieren. Eines der erfolgreichsten in Deutschland mit einem Spendenvolumen von über 300.000 € ist das Hamberger Moor in Niedersachsen. Das ehemalige Hochmoor ist stark entwässert, bis in die Kernzone des Moors hinein werden die Flächen bis heute landwirtschaftlich genutzt. 2017 konnte Naturefund hier die ersten Flächen in der Kernzone des Moors kaufen und dem NABU Hambergen beziehungsweise dem NABU-Landesverband Hannover übereignen. Bis heute gelang es den Naturschützern, über 50 ha Fläche für den Naturschutz zu sichern. Weitere Flächen sind in Planung und das erfordert sowohl die notwendigen finanziellen Mittel als auch Überzeugungsarbeit, denn keiner der überwiegend privaten Eigentümer soll zum Verkauf gedrängt werden.

Die Federführung für die Verkaufsgespräche liegen beim NABU Hambergen: Die Gruppe wurde 1995 gegründet und ist von ursprünglich 21 Mitgliedern auf inzwischen etwa 500 gewachsen. Das Besondere: Hier engagieren sich auch Leute aus dem Bereich Jagd und Landwirtschaft – nicht zuletzt dank „Grüner Tische“. Jürgen Röper, Initiator der NABU-Ortsgruppe, erläutert: „Bei diesen Grünen Tischen diskutieren wir ein bestimmtes Thema unter allen Gesichtspunkten. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir gemeinsam das Beste für alle herausholen!“

Gemeinsam hat die Ortsgruppe so beispielsweise schon viele Flächen (ca. 80 ha) im Heilsmoor entkusselt – eine Sisyphusarbeit, denn die Birken und Kiefern wachsen immer wieder nach. Das Team des NABU Hambergen hat jedoch mithilfe der Lehrer eine Lösung gefunden: Jedes Jahr begleiten die siebten Klassen der örtlichen Schule den NABU in das Hochmoor, lernen währenddessen viel über Ökologie, Flora und Fauna und arbeiten draußen aktiv mit.

Ein Konzept, dass sich auch auf das Hamberger Moor übertragen ließe? „Leider nicht“, erklärt Jürgen Röper. „Das Hamberger Moor ist ein Niedermoor, das in der Kernzone noch über viele offene Wasserflächen verfügt. Hier gibt es viele alte Handtorfstiche und damit Torfstichkanten. Es wäre zu gefährlich.“

Die Flächen in der Kernzone des Moors sind bisher „nur“ gesichert – ein wesentlicher Schritt, um weitere Entwässerung zu verhindern. Handlungsbedarf besteht trotzdem, denn die Gehölze ziehen das Wasser aus dem Moor. Noch verfügt die Kernzone über zahlreiche seltene Arten der Roten Liste, das hat das Monitoring der NABU-Mitglieder gezeigt. Viele Schmetterlinge, Libellenarten, Moorfrösche und Kreuzottern trifft man hier regelmäßig an – allerdings in geringen Abundanzen. „All das wird weiter verschwinden durch den Aufwuchs“, warnt Röper. Das Team erarbeitet nun Strategien, um das Moor in der Kernzone zu erhalten.

Wiedervernässter Moorbereich
Wiedervernässter Moorbereich © Naturefund

Fortschritte gibt es derweil außerhalb der Kernzone: Der NABU konnte mithilfe von Naturefund eine entwässerte Moorfläche erwerben, die derzeit als Grünland genutzt wird. Die Fläche wird nun von einem Demeter-Landwirt gepflegt; die Entwässerungsgräben, die bis zum Kauf der Fläche noch aktiv waren, konnten mit einfachen Mitteln verschlossen werden.

In einem der ehemaligen Gräben staut sich das Wasser nun in die Fläche hinein.
In einem der ehemaligen Gräben staut sich das Wasser nun in die Fläche hinein. © Naturefund

Jürgen Röper ist optimistisch, dass es dem NABU Hambergen gelingen wird, das Hamberger Moor wieder aufzuwerten – nicht nur im Grünlandbereich, sondern auch und gerade in der wertvollen Kernzone. Der erste und wichtigste Schritt ist getan, indem die Flächen gesichert wurden. Das vielfältige Team wird nun auch Lösungen finden, damit eine Renaturierung gelingt.

Das Projekt wurde als UN Dekade-Projekt ausgezeichnet.
Das Projekt wurde als UN Dekade-Projekt ausgezeichnet. © Naturefund
Kontakt

Naturefund e. V. Karl-Glässing-Straße 5 65183 Wiesbaden Tel: +49 611 / 504 581 011 E-Mail: info@naturefund.de https://www.naturefund.de/

Fragen zum Hamberger Moor

NABU Hambergen Poststraße 6 27729 Lübberstedt Tel: +49 4794 / 445 4431 E-Mail: info@nabu-hambergen.de

Zur Person
Katja Wiese
ist Gründerin und Geschäftsführerin von Naturefund. Mit ihrem Verein möchte sie Gelder akquirieren, um Flächen für den Naturschutz zu sichern.
Zur Person
Jürgen Röper
ist gelernter Schlosser. Er engagiert sich seit der Gründung der NABU-Gruppe Hambergen für den Naturschutz und begleitet das Projekt im Hamberger Moor.
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