
Moor-Renaturierung durch Beweidung mit Schafen
Kann aus einem ehemaligen Torfwerk ein naturschutzfachlich hochwertiges Schutzgebiet entstehen? Die Antwort lautet ja! Das hat Schäfer Norbert Rüschen gemeinsam mit Jochen Schrader gezeigt. Wo einst Torf abgebaut wurde, weiden heute die Schafe der Veenland-Moorschäferei.
von Frauke Muth (Schafzucht-Redaktion) erschienen am 19.11.2024Steht man auf der einzigen Erhebung inmitten des Naturschutzgebietes Dalum-Wietmarscher Moor – einem etwa 10 m hohem Aussichtshügel entlang des Radweges – hat man einen beeindruckenden Blick auf dieses über 1.500 ha umfassende Gebiet. Es ist Teil des EU-Vogelschutzgebietes Dalum-Wietmarscher Moor und Georgsdorfer Moor, das zahlreichen Wiesenvögeln Brut- und Nahrungsmöglichkeiten bietet. Hier leben selten gewordene Vogelarten wie Kiebitz, Rotschenkel, Goldregenpfeifer, Großer Brachvogel, die Bekassine, Uferschnepfe und die Krickente. Sogar Kraniche brüten inzwischen wieder hier. Regelmäßig werden die inzwischen seit mehreren Jahren beweideten Flächen naturschutzfachlich begutachtet. Neben Vogelarten beinhaltet das Monitoring auch Schmetterlinge und Echsen.
Die weiten Flächen werden von den Schafen der Veenland-Moorschäferei von Norbert Rüschen beweidet. Er bewirtschaftet die Moorflächen in Absprache mit der Staatlichen Moorverwaltung sowie den Naturschutzbehörden der Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim. Die Finanzierung dieses Naturschutzprojekts im Dalum-Wietmarscher Moor erfolgt durch verschiedene Förderer, unter anderem durch das Land Niedersachsen (https://naturschutzstiung.grafschaft-bentheim.de/nsgb/projekte/maeh4moor.php).
Vom Torfwerk zur Moorschäferei
Noch bis 2018 wurde in dieser Gegend, so auch im Dalum-Wietmarscher Moor, Torf abgebaut – und zwar über Jahrzehnte. Es folgten einige Jahre der Wiederherstellung der Moorflächen. Unter anderem wurde das Schienen- und Lorensystem rückgebaut und Verwallungen erstellt, um das Wasser länger in der Fläche zu halten und so das Wachstum von Torfmoosen zu fördern. Aktiv an diesem Prozess beteiligt waren die ehemaligen Torf- und Erdenwerke in der Grafschaft und im Emsland sowie die Staatliche Moorverwaltung. Durch die Renaturierungsmaßnahmen sowie die Wiedervernässung der abgetorften Bereiche soll nun das Ökosystem „Moor“ wiederhergestellt werden. Die Naturschutzstiftung Grafschaft Bentheim kaufte außerdem das ehemalige Torfwerk und baute die Gebäude zu einem modernen Schafstall mit Nebengebäuden für die Moorschäferei um.

Bei der Renaturierung kommt der Beweidung durch die über 1.000 Schafe und etwa 100 Ziegen der Veenland-Moorschäferei eine zentrale Bedeutung zu: Mit ihrer Hilfe ist eine extensive und naturnahe Bewirtschaftung der Moorflächen möglich. Durch die schonende Beweidung halten die Schafe und Ziegen den Bewuchs kurz – Pfeifengras und Heide, die wichtigsten Grün- und Futterpflanzen im Moor. Außerdem verhindern sie die Verbuschung durch schnellwachsende Gehölze wie Brombeere, Birke und Traubenkirsche. Dies hat eine geringere Wasserverdunstung zur Folge, dadurch bleiben die Flächen feuchter – so wie es bei einem Moor sein soll.
1Bodenbrüter wurden wieder heimisch, denn auch sie sind auf einen kurz gehaltenen Aufwuchs angewiesen. Zudem ist die Erhaltung von Moorflächen ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, da das Moor enorme Kohlenstoffmengen speichert. Die Schafe leisten also einen wertvollen Beitrag zum Natur- und Artenschutz im Dalum-Wietmarscher Moor.
Sommer im Moor
Ende April, Anfang Mai kommen die Schafe auf die Flächen und bleiben dort bis November. Bei der Beweidung im Moor sind Auflagen zu beachten: So erfolgt die Betreuung der Tiere zu Beginn der Weidesaison sehr zurückhaltend und vorsichtig, denn es ist noch Brut- und Setzzeit im Vogelschutzgebiet.
Überhaupt sollen Flora und Fauna auf den sensiblen Moorflächen so wenig wie möglich gestört werden. Daher werden die Schafe während der Weidesaison möglichst nur zweimal zusammengetrieben: Das erste Mal sechs bis acht Wochen nach dem Auftrieb, um die Lämmer zu entwurmen und die Bocklämmer abzusetzen. Da es innerhalb der Fläche fünf Unterteilungen gibt, können sie auf eine andere Fläche verbracht werden. Eine weitere Behandlung der Lämmer erfolgt nach einer Parasitenkontrolle. Je nach Kondition werden die Mutterschafe ebenfalls entwurmt.
2Eine weitere Auflage seitens der Unteren Naturschutzbehörde untersagt den Nährstoffeintrag von außen in die Moor- und Sandheiden des Dalum-Wietmarscher Moores. Mit Ausnahme von Mineralfutter darf daher kein Kraft- und Raufutter zugefüttert werden. Seine Schafe kämen mit diesen Bedingungen sehr gut zurecht, betont Norbert Rüschen.
Je nach Futteraufwuchs bleiben die Schafe und Ziegen bis Ende November im Moor. Dann kommen sie in den Stall, werden geschoren und gegebenenfalls entwurmt, bevor ab Weihnachten die ersten Lämmer geboren werden.
Die passende Kreuzung
Norbert Rüschen setzt auf die Kreuzung WHH-Mutterschafe x Charmoise-Böcke. Diese französische Fleischschafrasse ist ein verhältnismäßig kleines, kompaktes und asaisonales Schaf – eigentlich ein „Grasschaf“. „Aber auch unsere Kreuzungslämmer kommen sehr gut mit dem eher nährstoffarmen Mooraufwuchs, hauptsächlich Heide und Pfeifengras, zurecht“, betont Rüschen.
Im August kommen die Böcke in die Herde. Rüschen kauft jedes Jahr etwa 20 Böcke bei einem Züchter in Frankreich, da es in Deutschland nur wenige Charmoise-Züchter gibt. „Es ist relativ aufwändig, aber diese Rasse ist meiner Meinung nach hervorragend für die Kreuzung mit den Moorschnucken geeignet“, betont er, denn zusätzlich zu dem Geld für die Landschaftspflege muss das Betriebseinkommen auch über die Lämmervermarktung erwirtschaftet werden. Die läuft über einen französischen Händler, der die gute Qualität der Lämmer honoriert.
Wolfsabweisende Einzäunung
Die Weiden des Dalum-Wietmaschers Moores sind nicht frei zugängig, nur ein Radweg führt durch den östlichen Teil des Moores mit einem Natur- und Vogelschutzgebiet. Die zusammenhängende Fläche von über 1.500 ha ist komplett mit einem 1 m hohen, lammsicheren Knotengeflecht, Untergrabeschutz sowie zwei stromführenden Elektrolitzen zur Zaunerhöhung wolfsabweisend eingezäunt. Die Stromversorgung erfolgt durch den Netzstromanschluss des Schafstalls. Der Aufwand für den Zaun ist zwingend erforderlich, denn das Dalum-Wietmarscher Moor liegt im Wolfsgebiet.
3Bisher funktionierte der Wolfsschutz bis auf eine Ausnahme. Wichtig ist die tägliche Kontrolle des Zauns. Dafür hat Norbert Rüschen ein Quad angeschafft, mit dem er oder seine Mitarbeiter den Zaun und die Fläche zur Kontrolle der Herde jeden Tag abfahren. Aufgrund des Radweges durch das Dalum-Wietmarscher Moor und der Weitläufigkeit der eingezäunten Fläche ist es nicht möglich, Herdenschutzhunde einzusetzen. Bei der Arbeit an den Schafen setzt Norbert Rüschen auf Border Collies, die ideal geeignet sind, um die verstreut in der Fläche weidenden Schafe zusammenzutreiben.
Anlässlich der Fertigstellung des neuen Schafstalls hatte die Naturschutzstiftung Grafschaft Bentheim am 15. September 2024 zu einem Tag der offenen Tür eingeladen. Der Tag war ein voller Erfolg: Über 2000 Besucher informierten sich über die Arbeit in der Schäferei und ihre Bedeutung für das Moor und den Naturschutz. Besonders interessant waren die Schafschur, vorgeführt von Edith Lux und Michael Gertenbach, die Hütehundvorführung mit Border Collies, die eindrucksvoll von Schäferin Carola Zwafink gezeigt wurde, die Führung im Moor sowie die Demonstration zahlreicher Schafrassen.
Herde: über 1.000 Mutterschafe (Gebrauchskreuzungen aus Weißer Hornloser Heidschnucke (Mutterschafe) und Charmoise (Böcke)),100 Ziegen (Rasse: Holländische Landziege)
Beweidungsfläche: Ca. 1.500 ha im Dalum-Wietmarscher Moor
Arbeitskräfte: 2 Voll-AK, 1 Minijob
Hunde: 2 Border-Collies
Betriebsschwerpunkte: Landschaftspflege, Erzeugung von Schlachtlämmern
Veenland-Moorschäferei
Norbert Rüschen 49835
Wietmarschen
veenland-moor-schaeferei@web.de
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