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Erkenntnisse aus einer landesweiten Erfassung in Baden-Württemberg

Der Schutz des Lebensraumtyps Trockene Heiden im Spannungsfeld von Ordnungs- und Förderrecht

Abstracts

Trockene Heiden sind ein nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützter Lebensraumtyp. Die vorliegende Studie nutzt dessen landesweite Erfassung in Baden-Württemberg. Sie wurde 2018 initiiert, um die Kulisse für landwirtschaftliche Förderungen zu öffnen. Ziel der Arbeit war, (1) die Ausdehnung Trockener Heiden zu analysieren und die Pflege naturschutzfachlich einzuordnen, (2) mögliche Gefährdungsursachen zu identifizieren und (3) den Umfang bestehender Fördermaßnahmen festzustellen. 2021 wurden 1.265 Flächen kartiert und davon 1.017 bewertet. Insgesamt ist der Lebensraumtyp in Baden-Württemberg wohl in einem besseren Erhaltungszustand als angenommen. Die kartierte Gesamtfläche Trockener Heiden liegt bei 646 ha. Etwa 18 % der bewerteten Kulisse sind in einem hervorragendem, circa 60 % in einem gutem und rund 22 % in einem ungünstigen Erhaltungszustand. Auf etwa 13 % der Kulisse wurde eine unerwünschte Sukzession festgestellt. Die Kulisse wird aus vielen kleinen Flächen aufgebaut. Wir fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen Flächengröße beziehungsweise Anteil an Vertragsnaturschutzfläche und Erhaltungszustand: Kleinere Flächen beziehungsweise solche mit geringerem Vertragsnaturschutzanteil weisen einen schlechteren Erhaltungszustand auf als größere beziehungsweise solche mit einem höheren Vertragsnaturschutzanteil. Eine zu geringe Nutzungsintensität und Nutzungsaufgabe sind die Hauptgefährdungsfaktoren für Trockene Heiden in Baden-Württemberg. Für 66 % der Flächen wurden auf Basis der Kulisse 2021 Agrarzahlungen beantragt. Das aktuelle Verfahren stößt an Grenzen der Umsetzbarkeit, weil die natürliche Dynamik in der Fördermittelabwicklung nur schwer abbildbar ist. Der behördliche Aufwand stieg durch die Erstellung der Förderkulisse an.

Conservation of dry heaths within the conflict between regulatory and funding law – Insights from a state-wide survey in the German federal state of Baden-Württemberg

Dry heaths are protected under the EU Habitats Directive. The present study used a state-wide survey of dry heaths in the German federal state of Baden-Württemberg. It was initiated in 2018 to open the habitats for agricultural subsidies. The aim of the work was to (1) analyse the area of dry heaths and classify the maintenance in terms of conservation, (2) identify possible threats, and (3) determine the scope of existing subsidies. In 2021, 1,265 patches were mapped and the conservation status of 1,017 of them was assessed. Overall, the total area is in a better conservation status than previously assumed. Today, dry heaths cover 646 ha in Baden-Württemberg. About 18 % of the assessed area has excellent, 60 % has good, and 22 % has unfavourable conservation status. Unwanted succession was observed on 13 % of the habitats. The total area is built up of many small patches. We found a significant correlation between the size of a patch or the proportion of contract conservation area and the conservation status: smaller areas or those with a lower proportion of contract conservation area have a worse conservation status than larger areas or those with a higher proportion of contract conservation area. Insufficient intensity of use and abandonment are the main threats for dry heaths in Baden-Württemberg. On the basis of the map, agricultural subsidies were applied on 66 % of the total area in 2021. Creating such a map for agricultural subsidies has reached its limits of feasibility because the natural dynamics are difficult to handle. The administrative effort increased due to the processing of the map.

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Abb. 1: Landschaftsbild mit Trockener Heide an sehr steilen, flachgründigen Hängen auf circa 850 m NN.
Abb. 1: Landschaftsbild mit Trockener Heide an sehr steilen, flachgründigen Hängen auf circa 850 m NN.M. Weckesser
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1 Einleitung

Heiden sind ein weithin bekanntes Ergebnis traditioneller Landnutzungsformen und ein kulturelles Erbe mit großer Bedeutung für Imkerei, Jagd, Belletristik, Malerei und Tourismus (Haaland 2003; Abb. 1). Charakteristisch sind hohe Deckungen von Zwergsträuchern aus der Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae), insbesondere des violett-rosa blühenden Heidekrauts (Calluna vulgaris; Abb. 2), in feucht-kühleren Lagen auch der Heidel- (Vaccinium myrtillus) und Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) (Geringhoff & Daniëls 2003, Streitberger et al. 2021 a, b).

Neben ihrem hohen ästhetisch-kulturellen Wert sind Zwergstrauchheiden ein bedeutender Lebensraum für eine Reihe seltener Flechten-, Pflanzen- und Tierarten des nährstofflimitierten Offenlands und der Waldränder (Fartmann et al. 2021, Förschler et al. 2016, Streitberger et al. 2021 a, b). In Baden-Württemberg sind dies zum Beispiel die Kreuzotter (Vipera berus), seltene Heuschreckenarten wie die Alpine Gebirgsschrecke (Miramellea alpina) und der Warzenbeißer (Decticus verrucivorus), zahlreiche spezialisierte Schmetterlingsarten wie der Heiden-Streifenspanner (Perconia strigillaria) und auch bodenbrütende Vogelarten wie der Wiesenpieper (Anthus pratensis), der Baumpieper (Anthus trivialis) oder das Auerhuhn (Tetrao urogalllus) (Förschler 2021, Förschler & Richter 2019).

Viele bedrohte Arten wie beispielsweise Brachpieper (Anthus campestris), Heideschrecke (Gampsocleis glabra) oder Rote Köpfchenflechte (Dibaeis baeomyces) haben in Deutschland in Heiden einen Vorkommensschwerpunkt (Fischer et al. 2020, Ssymank et al. 2021). Einige dieser Taxa sind (Anhangs-)Arten der Vogelschutz- beziehungsweise der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) (Ssymank et al. 2021). Darüber hinaus sind Heiden ein veritabler Kohlenstoffspeicher (Wessel et al. 2004).

Abb. 1: Landschaftsbild mit Trockener Heide an sehr steilen, flachgründigen Hängen auf circa 850 m NN.

Im Fokus dieses Artikels steht der FFH-Lebensraumtyp (LRT) Trockene europäische Heide (fortan: Trockene Heide, LRT 4030). Im Jahr 2013 war der LRT 4030 in der EU mit einer Fläche von rund 25.000 km² gemeldet (Olmeda et al. 2020). Ein auf den ersten Blick hoher Wert, der allerdings zu relativieren ist: In den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten verloren Trockene Heiden mit dem Aufkommen synthetischer Stickstoffdünger und der Neustrukturierung der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu 90 % ihrer ursprünglichen Ausdehnung (Fartmann et al. 2021 a, Sundseth 2009).

In Deutschland sind die Trockenen Heiden von den Zwergstrauch-geprägten LRT der flächenstärkste Offenland-LRT (rund 37.000 ha). Der nationale FFH-Bericht 2019 notiert für Trockene Heiden in der atlantischen biogeografischen Region einen günstigen Erhaltungszustand (EHZ) mit zunehmendem Bestandstrend. In der kontinentalen sind sie dagegen im ungünstig-schlechten EHZ mit abnehmendem Trend geführt (BfN 2021). Auch von Baden-Württemberg (BW) wurde im Jahr 2018 ein ungünstig-schlechter EHZ an das Bundesamt gemeldet. Basis hierfür waren ein Stichprobenmonitoring sowie vorliegende Kartierungen aus den Natura-2000-Gebieten beziehungsweise der Offenlandbiotopkartierung, die dann in eine expertengestützte Einschätzung eingeflossen sind. Für den Erhalt des LRT wurde daher von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) ein Biotophilfskonzept für den Schwarzwald entwickelt (siehe Deventer et al. 2015).

Abb. 2: Das Heidekraut (auch Besenheide, Calluna vulgaris) ist Kennart oder dominante Art von sieben Lebensraumtypen der FFH-RL (LRT 2140, 2150, 2310, 2320, 4010, 4030, 5130b). C. vulgaris ist spätblühend und ein wichtiger Nektarspender für diverse Blütenbesucher. Es durchschreitet vier Entwicklungsphasen: 1. Pionier- (bis circa 10 Jahre), 2. Aufbau- (bis circa 15 Jahre), 3. Reife- (bis circa 25 Jahre), 4. Altersphase (bis circa 40 Jahre). Dabei verschiebt sich die Zusammensetzung der vergesellschafteten Biozönosen (Gimingham 1975).

Trockene Heiden wachsen auf nährstoff- und basenarmen, meist trockenen bis frischen Standorten. Im Tiefland gedeihen sie vor allem auf Podsolen (Ssymank et al. 2021). Die baden-württembergischen Vorkommen der Tieflandheiden gehören pflanzensoziologisch zum Verband Calluno-Genistion pilosae (Mucina et al. 2016). Bergheiden kommen ab etwa 600 m NN vor und sind dem Verband Genisto pilosae-Vaccinion zuzuordnen. Charakteristische Bodentypen sind hier flachgründige Braunerden, Podsol-Ranker und Podsole. In BW werden zudem Bestände des Sphagno compacti-Trichophoretum germanici (Rasenbinsen-Feuchtheide) zum LRT 4030 Trockene Heiden gestellt.

Trockene Heiden sind in der Regel Sekundärlebensräume. Sie sind aus einem spezifischen Management, bestehend aus Beweidung, Abbrennen und/oder Plaggenstich, hervorgegangen (Haaland 2003, Webb 1986, 1998). Die wenigen natürlichen Vorkommen im Binnenland befinden sich auf windexponierten Punkten der Gebirgshochlagen (etwa Feldberg) oder kleinflächig in Felskomplexen (Oberdorfer 1992). Heidevegetation benötigt für ihre vegetative und generative Verjüngung von Zeit zu Zeit Störungen (zum Beispiel ausreichend intensiver Verbiss, Viehtritt), die Offenbodenstellen bedingen (Bunzel-Drüke et al. 2019, Fartmann et al. 2015, Streitberger et al. 2021 a, b) und ein Managementregime, das die Ausbreitung abbauender Pflanzenarten (etwa Drahtschmiele – Deschampsia flexuosa) verhindert (Hulme et al. 2002, Pakeman et al. 2003). Viele Tierarten der Heiden sind auf Offenboden und frühe Entwicklungsstadien angewiesen (Borchard et al. 2013, Fartmann et al. 2015, 2021). Zwei von vielen charakteristischen Beispielen hierfür sind Heidelerche (Lullula arborea) und Heideschrecke. Im Idealfall sind die verschiedenen Entwicklungsstadien einer Heide mosaikartig durchmischt (Fartmann et al. 2015, 2021, Olmeda et al. 2020).

Basierend auf dem aktuellen Wissensstand bestehen in Europa folgende akute oder potenzielle Gefahren für den Fortbestand des LRT 4030 (siehe Gimingham 1992, Keienburg & Prüter 2004, Symes & Day 2003):

  • Nutzungsaufgabe oder Unternutzung: Heiden wurden in der Vergangenheit oftmals aufgeforstet (Newton et al. 2009), weil sie auf Grenzertragsstandorten wachsen (Hulme et al. 2002, Pakeman et al. 2003). Die Nutzung lohnt sich im betriebswirtschaftlichen Sinne ohne Förderung der öffentlichen Hand nicht. In BW entwickelt sich der LRT 4030 vielerorts aufgrund einer zu extensiven Nutzung aus Nardetalia-Gesellschaften, die wiederum häufig als Artenreiche Borstgrasrasen (LRT 6230*) anzusprechen sind oder in solchen Fällen waren. Bei anhaltender Unternutzung oder bei Nutzungseinstellung tritt dann eine Degeneration und eine Sukzession in Richtung Wald ein. Nutzungsaufgaben sind dabei nur selten monokausal auf ökonomische Gründe zurückzuführen (Brossette et al. 2022, Schoof et al. 2021).
  • Nutzungsintensivierung: Mit dem Aufkommen synthetischer Düngemittel wurden Heiden bei günstigem Relief durch Melioration in produktiveres Grün- und Ackerland überführt. Die Gesamtfläche an Trockenen Heiden hat dadurch europaweit abgenommen und funktionale Komplexe wurden fragmentiert. Auch Überbeweidung kann zu unerwünschten Veränderungen führen (Piessens et al. 2004).
  • Eutrophierung: Trockene Heiden sind sensibel gegenüber atmosphärischen Stickstoffeinträgen. Die Critical Loads werden aktuell mit 5–15 kg N ha–1 a–1angesetzt (Bobbink et al. 2022), das Critical Level von NH3mit 2–3 µg m–3 (Ssymank et al. 2021). Überschüssige atmogene Stickstoffeinträge können eine Vergrasung der Heiden etwa durch Draht-Schmiele begünstigen (Bobbink et al. 2022). Bereits in geringer Menge schädigen N-Immissionen direkt heidetypische Flechten und Moose (siehe Supplement 1 unter Webcode NuL2231), darunter stark gefährdete Arten. Fallweise sind Heiden trotz des FFH-Schutzes auch noch von Düngemitteleinträgen bedroht (Terry et al. 2004).
  • Klimatische Veränderungen: Beispielsweise führt ein geringerer Niederschlag zu einer verminderten Versickerung und damit tendenziell zur Anreicherung möglicher N-Einträge. Die Artenzusammensetzung von Bergheiden wird sich durch kürzere Schneebedeckung und Dürreperioden tendenziell negativ verändern (Streitberger et al. 2018, 2022).
  • Invasive Neophyten können auch in Trockenen Heiden charakteristische Arten verdrängen (Mitchell et al. 2000). Die Gefahr wird für diesen LRT aktuell jedoch als gering eingeschätzt (Ssymank et al. 2021).
  • Es besteht ein Informations- und Umsetzungsdefizit: Dies betrifft das Monitoring, die Auswertung entsprechender Ergebnisse und die Informationsaufbereitung für die Praxis, den Verwaltungsvollzug sowie die politische Steuerung. Die ökologischen Zusammenhänge und Anforderungen an das Management des Lebensraums werden in der Umsetzung nicht adäquat abgebildet (Olmeda et al. 2020).

Der Erhalt Trockener Heiden ist maßgeblich an eine Bewirtschaftung gebunden. Da diese aktuell nicht rentabel ist, ist sie von der Ausgestaltung der Agrarförderung und/oder Zahlungen des Vertragsnaturschutzes (VN) abhängig (Wagner 2019). Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) sieht die Förderfähigkeit von Offenlandlebensräumen, auf denen „Nicht-Futterpflanzen“ (sensu § 7 (3) GAP-Direktzahlungen-Verordnung) überwiegen, allerdings nicht per se als gegeben. Zu den „Nicht-Futterpflanzen“ wurden förderrechtlich auch die heidetypischen Zwergsträucher gestellt. Als cellulose- und ligninreiche Pflanzen sind Zwergsträucher aus Sicht der Tierernährung energiearm und damit unattraktiv für Weidetiere (Milne 1974). Als dietätisches Beifutter oder bei Nahrungsmangel wird Heidekraut von Rindern, Pferden und kleinen Wiederkäuern durchaus gefressen (Osoro et al. 2015). Ebenso nutzen Weidetiere Heidel- und Preiselbeere, und zwar vor allem wintergrüne Sprosse (Blaschka & Guggenberger 2011, Mayer et al. 2003). Die Einstufung dieser Zwergsträucher als „Nicht-Futterpflanzen“ ist also eine Setzung, die ökologisch anders bewertet werden könnte. Bislang bestand durch diese förderrechtliche Kategorisierung ein gewisser Widerspruch zum FFH-Recht (Brown et al. 2019, Kindvall et al. 2022, Luick et al. 2017). Zahlreiche Offenland-LRT weisen eine hohe Deckung von ebendiesen „Nicht-Futterpflanzen“ auf und ihre Pflege konnte somit schwieriger vergütet werden (Bunzel-Drüke et al. 2019). Für Trockene Heiden wurde in der GAP-Förderperiode 2014–2022 eine höhere Kohärenz zur FFH-RL eingeleitet und der LRT vollumfänglich in die Förderfähigkeit aufgenommen. Diese Förderfähigkeit wird in der GAP-Förderperiode 2023–2027 erweitert. Sie gilt nun nach Bundesrecht prinzipiell auch für Flächen, auf denen „Nicht-Futterpflanzen“ vorherrschen, sofern a) traditionelle Beweidungspraktiken, b) traditionelle Mahdnutzung und/oder c) Praktiken angewendet werden, die der Erhaltungspflege von FFH-LRT, Habitaten der FFH-Anhangsarten (II+IV) und Arten der Vogelschutzrichtlinie dienen (§ 7 (7) GAP-Direktzahlungen-Verordnung). Als Grundlage und Vereinfachung der Antragsstellung auf GAP-Fördermittel durch die Landnutzenden wurde in BW 2018 (noch) für die Förderperiode 2014–2022 eine flächenscharfe Kartierung des LRT 4030 vorgenommen und 2021 erstmals wiederholt.

Auf Basis der landesweiten Kartierung Trockener Heiden wurde mit dem Ziel, die Schutzbemühungen zu unterstützen, folgenden Forschungsfragen nachgegangen:

  1. Welche Eigenschaften weisen die Bestände des LRT 4030 in BW auf? Wie hat sich die Gesamtfläche seit 2018 entwickelt, wie ist die räumliche Verteilung, welche Größenspanne liegt vor und in welchem Zustand befinden sich Trockene Heiden?
     
  2. Welche Förderungen wurden in der Kulisse beantragt und wie ist der Zusammenhang von VN-Maßnahmen und EHZ? Gibt es Erfahrungen, mit denen Monitoring, Förder- und FFH-Recht sowie Pflegeverfahren weiterentwickelt werden können?
     
  3. Welche der genannten Gefährdungsursachen gelten für den LRT 4030 in BW?

2 Material und Methoden

2.1 Physiogeographie des Untersuchungsraumes

Baden-Württemberg ist im bundesweiten Vergleich geologisch, geomorphologisch und klimatisch überdurchschnittlich vielfältig. Das Vorkommensgebiet des LRT 4030 erstreckt sich auf saures Ausgangsgestein oder Sande und deckt praktisch die gesamte Höhenausdehnung des Bundeslandes ab (87–1.493 m NN). Die langjährigen Niederschlagssummen bewegen sich im Vorkommensgebiet zwischen etwa 900 und 2.000 mm pro Jahr, die Temperaturmittel zwischen 11,5 °C und 4 °C. Diese Werte verschieben sich aktuell drastisch: Die langjährige jährliche Durchschnittstemperatur (1981–2020) liegt in BW nun bei 9,2 °C. Im Zeitraum 1961–1990 war sie noch um 1,1 °C niedriger. Die Apfelblüte als Indikator für die Phänologie beginnt nun 22 Tage früher (LUBW 2021). Aufgrund des weithin steilen Geländes, der Nutzungshistorie und der teils spezifischen Eigentums- (etwa Allmende) oder historischen Erbrechtsverhältnisse sind in BW naturschutzfachlich hochwertige Lebensräume und traditionellere Landnutzungsformen noch relativ weit verbreitet.

2.2 Datenerhebung

Trockene Heiden wurden in BW und auch in anderen Bundesländern bislang nur im Rahmen der Erstellung von Managementplänen für Natura-2000-Gebiete (MaP) flächenscharf kartiert. Im Rahmen der Offenlandbiotopkartierung wird der prozentuale Anteil des LRT an den systematisch erfassten gesetzlich geschützten Biotopen (§ 30 BNatSchG und § 33 NatSchG BW) angegeben. Der LRT wird hier nicht flächenscharf abgegrenzt. Die Flächen aus den MaP sowie diejenigen Flächen der Offenlandbiotopkartierung, bei denen das Vorkommen eines LRT 4030 vermerkt war, bildeten den Ausgangspunkt der 2018 erstmals durchgeführten landesweiten LUBW-Kartierung des LRT. Zusätzlich lagen in Einzelfällen weitere behördlich gemeldete Geometrien vor. Alle Flächen wurden in der Vegetationszeit begangen und dabei bestätigt, neu abgegrenzt oder verworfen. Darüber hinaus wurde ein 30-m-Puffer im Umkreis der bekannten Flächen abgesucht. Lagen weitere Flächen des LRT 4030 ganz oder teilweise innerhalb dieses Puffers, so wurden sie zusätzlich, gegebenenfalls über den Puffer hinausreichend, kartiert. Die Methodik der Feststellung eines LRT 4030 entsprach der des Handbuchs zur Erstellung von MaP. Eine entscheidende Voraussetzung für das Vorliegen des LRT 4030 ist, dass der Deckungsanteil heidetypischer Zwergsträucher über 40 % liegt. Flächen unter 0,01 ha Ausdehnung wurden nicht erfasst (Haußmann & Oppelt 2019, LUBW 2014). Zwergstrauchbestände, die unter dem Waldschirm beziehungsweise in der behördlich definierten Waldkulisse liegen, sind in der Erfassung und der vorliegenden Studie generell nicht berücksichtigt. Rasenbinsen-Feuchtheiden wurden als Teil der Gesamtkulisse Trockene Heiden erfasst und in der Auswertung berücksichtigt. Da sie nur einen kleinen Umfang an der Kulisse einnehmen, standen sie bei der Beantwortung der Forschungsfragen nicht im Fokus.

Für die Kartierung wurde in BW ein dreijähriger Turnus angesetzt. Entsprechend wurde 2021 die erste Wiederholung der Kartierung vorgenommen, sodass Geodaten für einen quantitativen Vergleich vorlagen. Jede Fläche wurde 2021 von Juni bis September einmal aufgesucht. Die 2018 erfassten Bestände wurden gegebenenfalls neu abgegrenzt, wobei hier konservativ vorgegangen wurde: Abweichungen unterhalb der Erfassungsgrenze der 1 : 5.000-Karten blieben unberücksichtigt. Auf einen 30-m-Suchradius wie 2018 wurde 2021 verzichtet. Die Methodik der Kartierungen zielte auf eine Erhebung der Grundgesamtheit ab.

Ab 2021 wurde nun eine Bewertung des EHZ der Einzelflächen vorgenommen. Es wurden die Ausprägung des Arteninventars und der Habitatstrukturen sowie etwaige Beeinträchtigungen flächenscharf notiert. Die Erfassung der Qualität der Einzelparameter erfolgte nach der aktuellen Kartieranleitung BW und bezog sich immer auf ein Polygon (keine Bildung von Teilflächen). Vorgefundene Beeinträchtigungen eines LRT wurden nur dann als abwertend erfasst, wenn sie sich noch nicht in den beiden anderen Parametern wiederfanden. Die drei Bewertungsgrößen wurden anschließend nach einem bundesweit einheitlichen Schema zum EHZ der Einzelfläche zusammengeführt (siehe LUBW 2014). Die Kartierung umfasste darüber hinaus den Vermerk weiterer Beobachtungen:

  • Pflanzenarten der Roten Liste BW (Farn-/Samenpflanzen: Breunig & Demuth 2021, Flechten: Wirth 2008; eine gezielte Suche erfolgte allerdings nicht,
  • Sukzessionstendenzen (Gehölze, Farne, Vergrasung),
  • pflanzensoziologische Zusammenhänge sowie Auswirkungen von Standort- und Bewirtschaftungsunterschieden.

Die Erfassung wurde durch einen Kartierer durchgeführt, der über langjährige Erfahrung in der Erfassung und Bewertung von LRT und speziell von Trockenen Heiden verfügt.

Um kostspielige Doppelbegehungen mit der verpflichtend vorzunehmenden Offenlandbiotopkartierung zu vermeiden, wurden die in den Landkreisen Waldshut und Lörrach liegenden Trockenen Heiden im Rahmen ebendieser Offenlandbiotopkartierung flächenscharf aufgenommen. In beiden genannten Landkreisen war es verfahrenstechnisch nicht möglich, den EHZ und die weiteren qualitativen Einschätzungen der Einzelflächen zu erfassen.

Anschließend wurden die gewonnenen Geodaten zunächst deskriptiv ausgewertet und mit einem digitalen Geländemodell (5 m Rastergröße), den Naturräumen und Geodaten der Förderung, also des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (2019–2021) sowie VN-Antragsdaten, verschnitten. Um die Frage nach der Wirksamkeit mehrjähriger VN-Maßnahmen zu beantworten, wurden nur solche Konstellationen berücksichtigt, in denen Verträge ab dem Jahr 2015 für die jeweilige Fläche vorlagen. Nur Verträge ab 2015 sind in einem landesweiten Datensatz als Geodaten gespeichert. Die jeweiligen Vertragsbestandteile sind nur kategorial angegeben, sodass eine tiefergehende qualitative Auswertung (etwa unter Berücksichtigung des spezifischen Weidemanagements) nicht möglich ist.

<strong>Tab. 1 Verteilung der Fläche Trockener Heiden (LRT 4030) in den Naturräumen 4. Ordnung Baden- Württembergs. Dargestellt sind nur Naturräume mit Vorkommen des LRT. Meynen & Schmithüsen (1953-1962) haben für BW 66 Naturräume definiert.</strong>

Abschließend wurden Literaturerkenntnisse und vor allem Erfahrungen des „Allmende 2.0“-Projekts des Biosphärengebiets Südschwarzwald (siehe Brossette 2022, Brossette et al. 2022) genutzt, um die Gefährdungsursachen des LRT optimal evaluieren zu können. „Allmende 2.0“ erhebt und bewertet betriebliche und betriebswirtschaftliche Einflussparameter der Nutztierhaltenden.

3 Ergebnisse

3.1 Charakterisierung des Lebensraumtyps

Für BW wurden insgesamt 1.265 Flächen des LRT 4030 mit einer Gesamtausdehnung von 646 ha kartiert. Davon wurden 248 Flächen mit zusammen rund 138 ha im Rahmen der Offenlandbiotopkartierung erfasst. Die 2021 im Vergleich zu 2018 neu abgegrenzten (Teil-)Flächen belaufen sich auf 93 ha; dem stehen Verluste von 154 ha gegenüber. Die erfasste Gesamtfläche nahm somit von 2018 bis 2021 um 61 ha ab.

Trockene Heiden befinden sich in BW vor allem in der montanen Höhenstufe; 1.216 Flächen (96 % aller Flächen) liegen oberhalb von 600 m NN (Bergheiden). Eine naturschutzfachlich wichtige Ausnahme sind die Trockenen Heiden im Naturraum Hardtebenen im Rheintal (Abb. 3).

Abb. 3: Verteilung der Landesfläche und Trockener Heiden (LRT 4030) Baden-Württembergs je Höhenstufe. Die dargestellten Klassen haben jeweils eine Breite von 50 m, also besipielsweise 1.000–1.049 m NN.

Der Vorkommensschwerpunkt des LRT ist der Hochschwarzwald und dort die Weidfelder, die wiederum aus gemeinschaftlicher Nutzung von Allmenden hervorgegangen sind (Schwabe-Braun 1980). Bedeutend sind auch die Grinden (von althochdeutsch: kahler Kopf) des Nordschwarzwalds (Tab. 1). Die Gesamtkulisse wird in BW von wenigen großen Flächen dominiert; die zehn größten kommen zusammen bereits auf etwa 100 ha (16 % der Kulisse).

81 Flächen sind Rasenbinsen-Feuchtheiden (6 % aller Flächen). Sie kommen ausschließlich im Naturraum Grindenschwarzwald und Enzhöhen vor und nehmen dort Teile der ebenen bis leicht welligen Hochflächen sowie von meist aufgegebenen Skipisten ein.

3.2 Erhaltungszustand, Einfluss Vertragsnaturschutz, gefährdete Arten

1.017 der erfassten Flächen (508 ha; 79 %) wurden qualitativ bewertet. Der Gesamt-EHZ einer Einzelfläche wurde durch die Beurteilung der beiden Parameter Arteninventar und Habitatstrukturen vorgenommen. Die beiden Parameter zeigen ihrerseits (auch) die Qualität der Nutzung/Pflege an. Beeinträchtigungen, die sich nicht in diesen Parametern abbilden, aber eine EHZ-Abwertung einer Einzelfläche rechtfertigen würden, wurden nicht festgestellt. Nur 7 % der Flächen und damit 18 % der Gesamtfläche wiesen einen hervorragenden EHZ (A) auf (Abb. 4).

Abb. 4: Anteil (%) von a) Flächenanzahl und b) Flächensumme Trockener Heiden (LRT 4030) in Abhängigkeit vom Erhaltungszustand (EHZ) im Jahr 2021 in Baden-Württemberg. EHZ: A – hervorragend, B – gut, C – ungünstig (= Handlungsbedarf). Bewertete Fläche: 508 ha von 646 ha oder 1.017 von 1.265 Einzelflächen.


 

Für 53 % der Flächen oder 60 % der Gesamtfläche war der EHZ gut (B) und auf 40 % der Flächen oder 22 % der Gesamtfläche ungünstig (C). (Die Begriffe, die für die Meldung des Erhaltungszustands einer LRT-Kulisse an die EU verwendet werden – EHZ: günstig, ungünstig-unzureichend, ungünstig-schlecht –, unterscheiden sich von denen, welche für die qualitative Ansprache der Einzelflächen benutzt werden – EHZ hier: hervorragend = A, gut = B, ungünstig = C). Ist eine Fläche im EHZ C, zeigt dies einen Handlungsbedarf zur Verbesserung an. Insgesamt bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen der mittleren Flächengröße beziehungsweise dem mittleren Anteil an VN-Fläche am LRT und der EHZ-Einstufung: Sowohl die Flächengröße als auch der Anteil an VN-Fläche nahmen von Heiden mit EHZ C über B zu A zu (Abb. 5, 6).

Abb. 5: Mittlere Flächengröße (± Standardfehler) und Erhaltungszustand (EHZ) von Trockenen Heiden (LRT 4030) in Baden-Württemberg im Jahr 2021. EHZ: A – hervorragend, B – gut, C – ungünstig (= Handlungsbedarf). Gesamt: Hierin sind auch 248 Flächen mit einer Gesamtgröße von 138 ha enthalten, für die kein EHZ ermittelt wurde. Statistische Unterschiede zwischen den Kategorien wurden mittels Kruskal-Wallis-H-Test (KWK) und Dunns-Test (DT) als Post-hoc-Test analysiert. KWK:H = 79,58, Freiheitsgrade = 2,***P    0,001. Kategorien, die unterschiedliche Buchstaben aufweisen, unterscheiden sich signifikant (DT: *P    0,05).

Abb. 6: Mittlerer Anteil der Vertragsnaturschutzfläche (± Standardfehler) je Fläche und Erhaltungszustand (EHZ) von Trockenen Heiden (LRT 4030) in Baden-Württemberg im Jahr 2021. EHZ: A – hervorragend, B – gut, C – ungünstig (= Handlungsbedarf). Vertragsnaturschutzflächen wurden nur als solche gewertet, wenn sie bereits seit mindestens drei Jahren im Rahmen des Vertragsnaturschutzes bewirtschaftet wurden. Statistische Unterschiede zwischen den Kategorien wurden mittels Kruskal-Wallis-H-Test (KWK) und Dunns-Test (DT) als Post-hoc-Test analysiert. KWK:H = 35,55, Freiheitsgrade = 2,***P    0,001. Kategorien, die unterschiedliche Buchstaben aufweisen, unterscheiden sich signifikant (DT:*P    0,05).

Insgesamt wurden 20 gefährdete Farn- und Samenpflanzen sowie 8 gefährdete Flechten in den Trockenen Heiden nachgewiesen (Tab. 2). Mit Abstand am häufigsten wurde Echte Arnika (Arnica montana) gefunden; die Art kam in 106 der 1.017 dahingehend untersuchten Flächen vor (10,4 %). Weitere regelmäßig beobachtete gefährdete Arten waren Weiße Höswurz (Pseudorchis albida, 17 Vorkommen), Ausdauerndes Sandglöckchen (Jasione laevis, 15), Gelber Enzian (Gentiana lutea, 12) und Gewöhnliches Katzenpfötchen (Antennaria dioica, 9). Die am häufigsten gefundenen gefährdeten Flechten waren Echte Rentierflechte (Cladonia rangiferina, 19), Neigende Strauchflechte (Cladonia arbuscula, 12) und Rosa Köpfchenflechte (Dibaeis baeomyces, 9).

<strong>Tab. 2: Übersicht über die in den untersuchten Trockenen Heiden (LRT 4030; N = 1.017) im Jahr 2021 in Baden-Württemberg nachgewiesenen gefährdeten Pflanzenarten. Rote Liste BW: Farn- und Samenpflanzen - Breunig & Demuth (2021), Flechten - Wirth (2008); Gefährdungskategorien: 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, V = Vorwarnstufe, R = extrem selten. </strong>

3.3 Fördermaßnahmen

Im Antragsjahr 2021 wurden in BW auf 427 ha LRT 4030 Direktzahlungen (1. Säule der GAP) an 162 Antragstellende verausgabt. Somit wurde die Agrarförderung für 66 % der Gesamtfläche der hier vorgestellten Kartierung beantragt. Als sogenannte Basisprämie können für das Förderjahr rund 250 €/ha angesetzt werden (Schoof et al. 2019). Die Summe verausgabter Basisprämien auf der LRT-4030-Kulisse belief sich 2021 also auf etwa 107.000 €. Als weitere Direktzahlungen kommen gegebenenfalls Umverteilungs- und Junglandwirtprämien hinzu. In Steillagen besteht (als Teil der 2. Säule der GAP) gegebenenfalls eine Option auf Ausgleichzahlungen. Die möglichen Zahlungen liegen in jedem Fall unter dem Basisprämienbetrag, die vorhandenen Daten lassen aber keine weitere Auswertung zu.

Die zentralen Maßnahmen der 2. Säule der GAP des Jahres 2021, also die Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUKM, hier Betrachtung ohne VN), können flächenscharf identifiziert werden:

  • Auf 6,5 ha (drei Antragsstellende) wurde 2021 die AUKM „Artenreiches Dauergrünland – 4 Kennarten“ aktiviert. Diese AUKM ist eine der wenigen ergebnisorientierten AUKM in Deutschland. Das Fördervolumen betrug insgesamt 1.495 €.
  • Auf zusätzlichen 45 ha lief die AUKM „Extensive Nutzung von gesetzlich geschützten Biotopen“ (26 Antragsstellende). Das Fördervolumen betrug insgesamt 12.600 €.

Der VN war in BW schon vor der Kartierung auch auf Flächen möglich, auf denen keine Direktzahlungen verausgabt wurden. 2021 waren in der kartierten Kulisse insgesamt 209 ha (32 % der kartierten Kulisse) unter einem mehrjährigen VN.

Für die Beauftragung eines Kartierdurchgangs des LRT 4030 fiel ein mittlerer fünfstelliger Betrag an. Hinzu kommt ein nicht näher zu bestimmender Arbeitszeit- oder Personalbedarf durch die Folgeverarbeitung der Geodaten in der LUBW, dem Umweltministerium sowie im Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz BW.

3.4 Gefährdungsursachen

Nutzungssituation

Unternutzung und Nutzungsaufgabe sind für den LRT 4030 in BW eine Gefahr: Auf 130 Flächen (13 % der 1.017 dahingehend untersuchten Einzelflächen) wurde unerwünschte Sukzession festgestellt (Ausbreitung von Gehölzen, Farnen, Vergrasung). In Supplement 2 (siehe unter Webcode NuL2231) wird eine Methode der Fernerkundung beschrieben, mit der zumindest einige unerwünschte Sukzessionsprozesse in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung erkannt werden können.

Die aktuelle Bewirtschaftungssituation lässt sich auch anhand weiterer Daten interpretieren. Die Agrarstrukturerhebungen des Landes BW zeigen seit den 1970er-Jahren im Hauptverbreitungsgebiet des LRT deutliche Veränderungen: Die Zahl der Betriebe im Haupterwerb ging drastisch zurück, auch der Viehbestand in den Gemeinden nahm ab. Die Bewirtschaftenden sind heute viel eher im Nebenerwerb (Statistisches Landesamt 2020) und wohl auch im Hobbybereich zu finden. Die fallenden Tierzahlen werden teils durch Gastvieh, das im Sommer aus der Rheinebene in die Hochlagen gebracht wird, ergänzt (Brossette 2022).

Sieht man von der teils gewünschten retrogressiven Sukzession in Richtung LRT 6230* durch intensivere Beweidung ab, wurden für den LRT 4030 in unserer Erhebung landesweit keine nennenswerten Hinweise auf Veränderungen durch Nutzungsintensivierungen festgestellt.

Weitere Gefährdungsursachen

Unter den kartierten Trockenen Heiden befanden sich auch solche mit hohem Grasanteil. Ob dies auf zu hohe atmogene Stickstofffrachten und/oder (temporäre) Brache beziehungsweise Unterbeweidung zurückzuführen ist, lässt sich nicht eindeutig klären (siehe dazu auch Schwabe & Kratochwil 2021).

Auf zwei Heideflächen im Hauptvorkommensgebiet wurden Individuen der Vielblättrigen Lupine (Lupinus polyphyllus) gefunden. Im Gegensatz dazu kommt der invasive Neophyt im Südschwarzwald in Borstgrasrasen und Flügelginsterweiden teilweise bereits flächig vor und breitet sich nach eigener Beobachtung auch weiter aus (etwa im Bernauer Tal).

Eine Gefährdung der Trockenen Heiden durch den Klimawandel ergibt sich in BW zunächst indirekt durch versiegende Quellen, die als Viehtränken genutzt wurden, sowie durch geringere Futterquantität und -qualität auf den Weiden, was die Bewirtschaftung erschwert. Mögliche Bewirtschaftungsaufgaben könnten in der Folge wiederum zur abbauenden Sukzession führen (Brossette 2022). Einen direkten Einfluss des Klimawandels konnten wir anhand der 2021 von uns erfassten Parameter nicht eindeutig ermitteln. Unsere Erhebung fand ein Jahr vor der Sommerdürre 2022 statt (Abb. 7).

Abb. 7: Das Foto zeigt eine Trockene Heide mit drastischen Dürreschäden auf flachgründigem Felsstandort (Primärstandort) am Ballon d’Alsace (Süd-Vogesen, circa 1.000 m NN) Anfang September 2022. Vor allem auf Primärstandorten können derartige Dürreereignisse offensichtlich Schäden beim LRT 4030 hervorrufen. Die Schäden waren 2022 in den Vogesen augenscheinlich wesentlich stärker als im Schwarzwald.

3.5 Feldbeobachtungen im Hauptvorkommensgebiet und ihre Interpretation

Die Vegetationskomplexe der Weidfelder des Naturraums Hochschwarzwald sind in BW der heutige Vorkommensschwerpunkt des LRT 4030. In der Literatur ist der Begriff „Weidfeld“ oft mit Borstgrasrasen gleichgestellt (etwa Wilmanns 2001).

Abb. 8: Herbstliche Ansicht des Mittelbucks (Feldberg). Komplex aus Borstgrasrasen, Trockenen Heiden und Niedermoor. Vorne rechts: Brache mit dominierender Heidelbeere und Gehölzsukzession. Im Hintergrund (dunkle Vierecke) gemulchte Heiden.

Pflanzengesellschaften der Ordnung Nardetalia (Borstgrasrasen und Flügelginsterweiden) sind auf den Weidfeldern heute oft in enger räumlicher Verzahnung mit dem LRT 4030 zu finden (Abb. 8) und vielfach auch als prioritärer LRT 6230* (Artenreiche Borstgrasrasen) anzusprechen. Eine Reihe anderer Biotoptypen kann in die Weidfelder eingestreut sein (Abb. 9).

Abb. 9: Von Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) dominierte Trockene Heide mit damit verzahntem Quellbereich mit blühender Sumpfdotterblume (Caltha palustris) und fruchtendem Scheidigem Wollgras (Eriophorum vaginatum). Links ist eine einsetzende Vergrasung durch Wald-Rispengras (Poa chaixii) zu erkennen.

Über die historische Verbreitung von Heiden im Schwarzwald finden sich unterschiedliche Hinweise. Teils lassen diese vermuten, dass die Nutzung für die Entwicklung großflächiger Zwergstrauchheiden vielfach nicht extensiv genug war (s. Oltmanns 1922). Andere Quellen behaupten, dass der Blühaspekt der Heiden landschaftsbildprägend war (siehe Bühler 1831).

Sicherlich hatte das Mittelgebirge über lange Zeiträume einen deutlich höheren Offenlandanteil als heute. In Phasen und Räumen intensiverer Nutzung waren Heiden wohl stärker auf sehr steile Hänge oder sehr flachgründige und damit besonders trockene Sonderstandorte wie Felskuppen oder Lesesteinhaufen beschränkt (Abb. 10). Hier übten Weidetiere einen geringeren Einfluss aus.

Abb. 10: Heidesträucher kommen in diesem Borstgrasrasen fast ausschließlich auf Lesesteinhaufen und Felsen vor.

Hohe Ericaceen-Anteile in den Weidfeldern der Schwarzwald-Hochlagen wurden bis Mitte des 20. Jahrhunderts vielfach als Zeichen für Unterbeweidung kategorisiert (etwa Bartsch & Bartsch 1940). Schwabe & Kratochwil (2021) gehen davon aus, dass Nardetalia-Gesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten im Südschwarzwald stärker als heute vertreten waren.

Eine entscheidende Rolle für das Vorkommen und den Deckungsgrad heidetypischer Zwergsträucher auf den Weidfeldern des Südschwarzwalds spielt der Beweidungsdruck. Die Zusammenhänge lassen sich in vielen untersuchten Beständen gut nachvollziehen: Steigt die Beweidungsintensität über ein gewisses Maß, nimmt die Deckung von Nardetalia-Kennarten tendenziell zu, während die der Arten der Trockenen Heiden zurückgeht. Weidfelder, die extensiver beweidet werden, sind dagegen durch hohe Ericaceen-Deckung, aber geringe Anteile an Hemikryptophyten gekennzeichnet (vergleiche Blaschka & Guggenberger 2011; Abb. 11).

Abb. 11: Einfluss der Beweidung auf Zwergsträucher; links (außerhalb der Rinderweide): fortgeschrittene Brache eines ehemaligen Borstgrasrasens; rechts (innerhalb Weide): Borstgrasrasen mit nur noch vereinzelten Zwergsträuchern. Der Bereich rechts war in der Vorkartierung (2018) noch als LRT 4030 klassifiziert. Heidekrautsträucher reagieren schnell auf zu starken Verbiss und Viehtritt, die Preiselbeere auch auf die direkte Einwirkung von Faeces (Schwabe 1990). Das sind die Gründe, warum eine Änderung des Beweidungsmanagements die Deckung der Zwergsträucher rasch beeinflusst.

Die Reaktion der Zwergsträucher auf die Beweidung ergibt sich dabei durch unterschiedliche Einwirkungen der Tiere. Zunächst durch den Verbiss: Das Ausmaß der Aufnahme variiert in Abhängigkeit der Nutztierart (Celaya et al. 2007) und -rasse (Revesado et al. 1994); auch tierindividuelle Verhaltensunterschiede sind dokumentiert (Schoof et al. 2017). Das Ausmaß wird außerdem vom Alter der Zwergsträucher (junge Pflanzen/Triebe werden viel eher aufgenommen) sowie von der Zusammensetzung und Verteilung der übrigen Vegetation bedingt.

Die Beweidungsleistung ergibt sich dann weiterhin vor allem aus dem Beweidungszeitraum, der Fläche der Weide und der Anzahl der Tiere sowie deren Konstitution. Auch der Beweidungszeitpunkt (Jahreszeit und Witterung) ist ein wichtiger Einflussfaktor (Hudgson 1986). Neben dem Verbiss spielen, besonders bei großen Huftieren, die Trittwirkung (Mitchell et al. 2008) und auch die direkte Wirkung der Exkremente eine Rolle (Schwabe 1990). Im Schwarzwald wirkt sich die Trittbelastung in Abhängigkeit der Topografie sehr unterschiedlich auf die Zwergsträucher aus.

Oft bevorzugen die Tiere schmale Viehgangeln, eine flächige Trittwirkung findet dann kaum statt. Die heute vorgefundenen Situationen sind mitnichten leicht zu interpretieren. Auf Landschaftsebene bildet sich allerdings langfristig sicherlich die Anzahl vorhandener Weidetiere ab.

Nach Nutzungsaufgabe oder bei Unternutzung entwickeln sich die Borstgrasrasen der Hochlagen (zunächst) sehr oft in Richtung Zwergstrauchheide und der Deckungsanteil der Heidekrautsträucher steigt (Schreiber et al. 2009, Schwabe & Kratochwil 2015). Liegt die Nutzungsaufgabe bereits einige Jahre zurück, sind die Heiden artenarm und von Heidelbeere dominiert. Dies kann auch bei starker Unternutzung eintreten. Sinkt die Beweidungsintensität dauerhaft zu weit ab, überaltern oder degenerieren die Bestände.

Je nach Situation können abbauende Arten wie etwa die Draht-Schmiele zunehmen oder eine Farn- oder Gehölzsukzession überwiegt (Hulme et al. 2002, Pakeman et al. 2003). Diese Entwicklung ist durch intensivere Beweidung und gegebenenfalls Mulchen in Richtung Borstgrasrasen reversibel. Die Flächen des LRT 4030 lavieren in BW oft an der Erfassungsuntergrenze. Der Deckungsanteil der Heidekrautsträucher liegt weithin nur knapp über dem Mindestwert von 40 %.

Wie Beobachtungen an Weidezäunen zeigen, ist das Heidekraut weidefester als Heidel- und Preiselbeere. Im Gegensatz zu den beiden anderen Ericaceen kann es sich unmittelbar an der Verbisszone des Weidezauns halten und dort niedrig- und dichtwüchsige Polster bilden. Ist Heidekraut bereits bestandsbildend, scheint eine stärkere Beweidung oder ein Mulchen auch zur Ausbildung „dauerhafter“ Pionierbestände führen zu können.

Die Art verjüngt sich dann nicht nur vegetativ durch Stockausschläge, sondern wahrscheinlich auch generativ. Niedrigwüchsige, lückige und von Heidekraut geprägte Flächen weisen im Vergleich zu beweideten Heidelbeerreichen Heiden eine tendenziell höhere Artenvielfalt auf.

An einigen wenigen Orten des Südschwarzwalds sind auch Wacholder (Juniperus communis) in großer Anzahl in Zwergstrauchheiden zu finden. Der Wachholder verjüngt sich allerdings nur bei hohem Beweidungsdruck (Thomas et al. 2007). Die Präsenz der Art kann hier somit als Indiz für eine ehemals intensivere Beweidung und somit ein aufgelöstes Vorkommen von Nardetalia-Gesellschaften gewertet werden. Dies gilt so auch für Arnika-Bestände, die sich reliktisch einige Jahre in geschlossenen Heiden halten können.

Für ihre Verjüngung benötigen sie allerdings Offenboden und somit stärkere Störung (Streitberger et al. 2022). Sowohl für den Wacholder als auch für die Arnika besteht also in den meisten Heideflächen aufgrund zu geringer Beweidungsintensität ein hohes Risiko der Populationsauflösung (Fartmann et al. 2021). In den Grinden des Nordschwarzwalds fehlt die Arnika als früher häufige Art bereits fast vollkommen.

Trockene Heiden werden im Südschwarzwald häufig mit Rindern, aber auch mit Schafen und Ziegen beweidet. Gemulchte Flächen kommen ebenfalls vor. Die Nebenvorkommen des LRT 4030 im mittleren und nördlichen Schwarzwald sowie die der Hardtebenen werden in den Supplementen 3 und 4 (unter Webcode NuL2231) beschrieben.

4 Diskussion

Wir gehen davon aus, dass einzelne Flächen des LRT 4030 von unserer Kartierung nicht erfasst wurden. Das räumlich-standörtliche Potenzial für die Ausbildung Trockener Heiden ist im Schwarzwald insgesamt günstig und die bestehenden Kartierfrequenz kann die Dynamik der Vegetation nicht gänzlich abbilden. Die Möglichkeit, die Bestände via kostensparender Satellitenerkennung in höherer zeitlicher Auflösung zu erfassen, sehen wir prinzipiell als gegeben.

Heidetypische Zwergsträucher sind durch Fernerkundung relativ gut abzugrenzen, allerdings fällt die korrekte Zuordnung zu einer Pflanzengesellschaft sicherlich deutlich schwerer. Sofern darüber hinaus förderrechtlich auf eine sehr präzise räumliche Abgrenzung bestanden wird, kommen die heutigen technischen Systeme an ihre Grenzen. Das Förderrecht müsste idealerweise auf eine Förderlogik ausweichen, die auf die Notwendigkeit solcher Abgrenzungen verzichtet (siehe Schoof et al. 2019). Die Fernerkundung ist darüber hinaus bisher nicht in der Lage, die qualitative Zustandserfassung vor Ort zu ersetzen.

Von BW wurde der LRT 4030 zum Berichtszeitpunkt 2018 im EHZ ungünstig-schlecht an das BfN gemeldet. Nach der in der Kartierung gewonnenen Datenlage – aber auch aus dem aktualisierten FFH-Stichprobenmonitoring (LUBW fortlaufend, unveröffentlicht) – befindet sich der LRT 4030 insgesamt eher im (besseren) EHZ ungünstig-unzureichend.

Die Teilfläche der Gesamtkulisse, deren Einzelflächen dem EHZ C zuzuordnen sind, nimmt 2022 weniger und nicht mehr als 25 % der Gesamtkulisse ein. Dies ist ein definierter Schwellenwert zur Einstufung einer LRT-Gesamtkulisse. Sind mehr als 25 % der Einzelflächen einer Gesamtkulisse in EHZ C bewertet, führt dies zu einer entsprechend negativen Einstufung der Gesamtkulisse als ungünstig-schlecht. Für die Meldung eines günstigen EHZ der Gesamtkulisse an die EU darf (unter anderem) der Anteil an C-Flächen nicht über 10 % betragen.

In der jüngeren Vergangenheit kam es in anderen europäischen Staaten und auch in Nordwestdeutschland zu drastischen Flächenverlusten bei den Trockenen Heiden (Fartmann et al. 2021 b, Sundseth 2009) – nicht so in Baden-Württemberg. Im Schwarzwald zeigten Trockene Heiden über die Jahrzehnte und Jahrhunderte vermutlich eine wechselhafte Ausdehnung.

Die Antwort auf die Frage, ob die Gesamtfläche eines LRT zu- oder abgenommen hat, ist nicht zuletzt auch in diesem Fall eine Frage des Referenzzeitpunkts. Der starke Rückgang des Offenlandanteils im Schwarzwald in den 1960/70er-Jahren ist eine Folge von Nutzungsaufgabe und anschließender Gehölzsukzession. Seit den 1990ern ist, trotz der Abnahme zwischen den Kartierdurchgängen 2018 und 2021, insgesamt tendenziell eher von einer leichten Zunahme Trockener Heiden auszugehen.

Für eine Zunahme der Heiden auf den heutigen Weidfeldern sprechen unter anderem die vielen Arnika-Vorkommen in der kartierten Kulisse. Arnika ist als Relikt einer höheren Nutzungsintensität und damit (vielfach) von einem (bereits aufgelösten) Artenreichen Borstgrasrasen (LRT 6230*) anzusehen. Unerwünschte Sukzession ist auf den Grenzertragsstandorten der Mittelgebirge aber auch heute ein großes Thema. Um der Entwicklung der Unternutzung im Schwarzwald entgegenzuwirken, sind auf politischer Ebene folgende Prioritäten zu setzen:

  1. Attraktivität für Weidetierhalter steigern,
  2. neue Interessierte für die Nutztierhaltung motivieren,
  3. historische Weidepflege imitieren,
  4. Bewirtschaftende fortbilden.

Der Naturschutz fokussiert zur besseren Unterstützung der Bewirtschaftenden häufig zunächst auf eine verbesserte Fördermittelbereitstellung als Lösungsstrategie (siehe Schoof et al. 2019). Vereinfachungen im Förderrecht können sowohl dem Verwaltungsvollzug als auch der Praxis helfen: beispielsweise indem der Vertragsnaturschutz (VN) von der Einstufung der GAP-Förderfähigkeit (Bruttofläche) eines Lebensraumes und von Schutzgebietskulissen gelöst wird. In BW war VN bereits auch auf Nicht-Bruttoflächen möglich, ab 2023 ist er auch nicht mehr an Schutzgebietskulissen gebunden.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass VN vermehrt auf größeren, qualitativ höherwertigen Heideflächen durchgeführt wird. Dies könnte ein Indiz für die Wirksamkeit des VN sein, mag aber auch von Vertragsgeberseite (etwa untere Naturschutzbehörde) durch die stärkere Berücksichtigung geeigneterer, weil größerer Flächen beeinflusst worden sein. Die Situation des LRT 4030 in BW zeigt exemplarisch die Herausforderung, wenn in einer LRT-Gesamtkulisse viel mehr kleine als große Flächen existieren:

  1. tendieren kleinere Flächen in Richtung ungünstiger EHZ und können
  2. vom VN aufgrund ihrer geringen Flächengröße schwieriger durch gezieltes Management adressiert werden.
  3. steht der Verwaltungsaufwand bei kleineren Flächen tendenziell im schlechteren Verhältnis zum naturschutzfachlichen „Ertrag“.

Gezielte Aufwertungsoptionen über den VN sind für die vielen kleinen Flächen also nur begrenzt realisierbar. Die Förderung der Bewirtschaftenden mit den Mitteln der 1. Säule der GAP sind gerade für Flächen außerhalb des VN von hoher Bedeutung.

Nach EU-Förderrecht war die Förderfähigkeit für die Mittel der 1. Säule der GAP auf Trockenen Heiden bereits in der Förderperiode 2014–2022 gegeben, obwohl dort in der Regel förderrechtlich so definierte „Nicht-Futterpflanzen“ überwiegen.

Zukünftig sind nach Bundesrecht auch andere FFH-LRT mit überwiegendem Nicht-Futterpflanzenanteil unter entsprechender Bewirtschaftung prinzipiell förderfähig für die Mittel der 1. und 2. Säule der GAP (§ 7 GAP-Direktzahlungen-Verordnung). Wie diese erweiterte LRT-Förderfähigkeit allerdings in ein Antragsverfahren überführt werden kann, das den dynamischen Prozessen der Natur gerecht wird und für die Landnutzenden/Antragsstellenden handhabbare Rechts- und Planungssicherheit bietet, scheint noch offen. Unsere Studie zeigt jedenfalls, dass für die Trockenen Heiden in BW mit der Bereitstellung einer konkreten Förderkulisse eine Grenze erreicht ist.

Die natürliche und durch Nutzung initiierte Dynamik des LRT 4030 schwankte auch aufgrund der Erfassungsmethodik bereits innerhalb zweier Kartierdurchgänge (Abstand von drei Jahren) relativ stark, was fallweise eine abweichende Bewertung der Förderfähigkeit suggerierte. Die LRT-Flächenverluste gehen auf den Weidfeldern zwar in der Regel nicht mit einem Verlust der Förderfähigkeit einher, denn auch Borstgrasrasen sind größtenteils förderfähig, die Änderungen der im behördlichen System hinterlegten Kulisse erzeugten jedoch Unsicherheiten und Probleme bei der Fördermittelantragsstellung. Insgesamt sollte die Förderlogik auch aufgrund der administrativen Belastung vereinfacht werden (vergleiche Rechnungshof BW2015).

Die Anpassung des Förderrechts ist aber nur einer von vielen Faktoren für die Aufrechterhaltung einer angepassten Bewirtschaftung. Auch die Ausrichtung von Marktakteuren, vor allem der weiterverarbeitenden Industrie oder des Handels, können starke Auswirkungen auf die Betriebe haben. Hier hat das Förderrecht nur bedingt Zugriff (Brossette et al. 2022, Mupepele et al. 2019, Schoof et al. 2020 a, b). Tendenziell sind Bewirtschaftende in den baden-württembergischen Vorkommensgebieten des LRT heute noch vielerorts vorhanden, allerdings haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche weitere Schwierigkeiten aufgetan. Dies sind unter anderem das Versiegen natürlicher Viehtränken und die schon vor den Sommerdürren verhältnismäßig schlechten Futterwerte der Weidfelder (Abb. 12, 13).

Abb. 12: Kleine Wiederkäuer (Schafe, Ziegen) können die geringe Futterqualität von Heiden besser ausnutzen als Rinder, wobei Ziegen ein gegenüber anderen Weidetieren komplementäres Fraßverhalten haben (Osoro et al. 2015).

Abb. 13: Typischerweise werden die Weidfelder des Südschwarzwaldes mit Hinterwälder-Rindern beweidet. Sie eignen sich prinzipiell auch zur gezielten Pflege Trockener Heiden.

Hinzu kommen steigende Betriebskosten, neue rechtliche Anforderungen an die Stallungen, zunehmende Bürokratie und restriktivere rechtliche Vorgaben für die Weidetierhaltung sowie die Mehrarbeit, die die Ausbreitung des Wolfes auslöst. Auch Befragungen zeigen, dass die Fortführung der Bewirtschaftung durch Beweidung in vielen Fällen nicht hinreichend abgesichert ist (Brossette et al. 2022). Vermutlich fehlen dem praktischen Naturschutz – selbst wenn er einen Zugriff auf die Flächenbewirtschaftung hat – vielerorts Alternativen zu fallweise bestehenden ungünstigen Bewirtschaftungsformen.

Ein Szenario mit weiter zurückgehenden Weidetierbeständen bedeutet einerseits, dass sich die Qualität hochwertiger Trockener Heiden durch Unternutzung verschlechtern könnte und Heiden (noch) stärker in die Sukzession in Richtung Wald eintreten. Auf der anderen Seite könnte dieses Szenario auch dazu führen, dass sich die Kulisse des LRT 4030 vor allem auf Weidfeldern unerwünscht zu Ungunsten Artenreicher Borstgrasrasen ausdehnt.

In diesem Zusammenhang wird bundesweit oft übersehen, dass die naturschutzfachliche Qualität vieler Biotope historisch auch durch einen erheblichen Einsatz der Tierhaltenden/Hirten gesichert wurde. Sie widmeten sich in ihrer Arbeitszeit unter anderem der Bekämpfung unliebsamer Pflanzenarten. Diese Arbeitskapazitäten sind heute so nicht mehr vorhanden. Alles in allem scheint es aus heutiger Perspektive eine Herausforderung, den Beweidungsdruck auf den Weidfeldern des Schwarzwalds langfristig zu halten.

Diese Einschätzung fügt sich in bundesweite Prognosen für das Naturschutzgrünland (etwa DVL 2019). Allerdings muss auch festgehalten werden, dass die sich abzeichnenden klimatischen, gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Änderungen hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Naturschutzgrünland weniger denn je vorhersehbar sind.

Für die aktuelle Pflege können verschiedene Leitlinien skizziert werden. Wie geschildert tendiert ein Komplex der beiden LRT Trockene Heiden und Artenreiche Borstgrasrasen je nach Weide- oder Pflegemanagement schon nach kurzer Zeit zum sukzessiven Ab- oder Aufbau des Deckungsanteils der Kennarten Trockener Heiden hin oder weg von solchen der Nardetalia-Gesellschaften.

Dies erzwingt auch bei der Pflegeausrichtung eine Abwägung. Bei Vorkommen von typischen Nardetalia-Arten, wie Arnika, Berg-Sandglöckchen oder Katzenpfötchen, sollte für intensivere Beweidung votiert, also nach Möglichkeit zugunsten des Artenreichen Borstgrasrasens entschieden werden. Eine zu geringe Beweidungsintensität wird auch als wichtige Gefährdungsursache für einige typische Vogelarten der Weidfelder des Hochschwarzwalds, wie etwa die Alpen-Ringdrossel (Turdus torquatus alpestris), angesehen (Fumy & Fartmann 2021).

Gleiches gilt für den Zitronenzeisig (Carduelis citrinella) und bodenbrütende Vogelarten wie Baum- und Wiesenpieper. Der LRT 4030 kann sich in der Regel gut regenerieren, sodass eine temporär starke Beweidung keine dauerhaft negativen Auswirkungen hat. Vielmehr ist sie für die Qualität des LRT förderlich, weil sie Offenboden und damit Regenerationsnischen schafft.

Fallweise kann es, etwa zur Erhöhung der Konnektivität oder der Bestandssicherung in Nebenvorkommensgebieten, sinnvoll sein, LRT 4030-Flächen gezielt zu renaturieren. Dieser Aufwand sollte allerdings nur unternommen werden, wenn die lebensraumgerechte Bewirtschaftung langfristig gesichert ist (Symes & Day 2003).

Die Renaturierung (Einstieg in die Thematik etwa bei Kollmann et al. 2019) benötigt Drittflächen, die auf den Weidfeldern im Hauptvorkommensgebiet aufgrund der engen räumlichen Verzahnung mit den Artenreichen Borstgrasrasen nicht zur Verfügung stehen. Mit Blick auf die Landnutzungshistorie sind aufgeforstete oder durch Sukzession entstandene Wälder potenziell geeignet. Es würde aber häufig an einer gesicherten Folgepflege fehlen (Fartmann et al. 2021, Streitberger et al. 2021 a).

Die Problematik einer nicht gesicherten Pflege existiert so nicht im Straßenbegleitgrün. Straßenböschungen können für die Entwicklung Trockener Heiden geeignet sein. Sie sind aber beispielsweise für die meisten lebensraumtypischen Vogelarten sicherlich kein geeignetes Alternativhabitat.

Eine weitere Herausforderung der Erhaltung des LRT 4030 sehen wir in der Ausbreitung der Vielblättrigen Lupine im Hauptvorkommensgebiet. Als Schmetterlingsblütler eutrophiert sie ihre Wuchsorte (Schwabe & Kratochwil 2021). Die Gefahr der Art ist für Borstgrasrasen hinreichend dokumentiert. Dort wirkt die Art beschattend und verschafft sich so Konkurrenzvorteile (Otte & Maul 2005).

Ob der direkte Beschattungseffekt auf den LRT 4030 zutreffen wird, ist unklar. Da sich die beiden LRT oft gemeinsam in Weidfeldern finden, sollte dem Vorsichtsprinzip folgend davon ausgegangen werden, dass die Lupine zu einer für beide LRT ungünstigen Entwicklung der Vegetation führt. Von Rindern und Pferden wird die Art nach eigenen Beobachtungen nicht verbissen und damit auf den großen Weiden des Schwarzwalds gefördert. Ziegen und Schafe nehmen Lupinen als Eiweißträger hingegen gerne auf.

Weidetiere (über Kot, Fell und Klauen/Hufe), Mähwerke und Mulcher sind Vektoren für die Ausbreitung vieler Pflanzenarten (Fartmann et al. 2021). Häufig ist dieser Effekt gewollt, bei invasiven Pflanzenarten kann dies aber zur unerwünschten Ausbreitung beitragen. Der Eintrag von Samen über Weidetiere oder Maschinen findet nur statt, wenn zuvor samenreife Bestände gepflegt wurden (Klinger et al. 2021). Das ist unbedingt zu vermeiden.

Sicherheitshalber sollte deshalb nur bis einschließlich zur Zeit der Vollblüte beweidet werden. Ein Zurückdrängen der Pflanze ist mit kleinen Wiederkäuern bei längerer Standzeit und mit wiederkehrenden Beweidungsgängen effizient möglich (vergleiche Kirchner & Rösch 2015). Lupinenvergiftungen durch Pflanzengifte spielen in Deutschland bei kleinen Wiederkäuern keine Rolle mehr, da in den hier vorherrschenden Lupinen der Alkaloidgehalt sehr niedrig ist (Bostedt et al. 2021).

Nicht vollständig auszuschließen ist die Möglichkeit einer Pilzvergiftung, die durch Toxine des an der Gattung Lupinus parasitierenden Pilzes Diaporthe toxica hervorgerufen werden könnte. Dies spielt bei der etablierten Schaf- und Ziegenbeweidung in der Rhön offenbar keine Rolle, vielleicht weil die Lupinenvorkommen – im Gegensatz zum Lupinenanbau – flächenhaft zu klein sind, sodass die luftbürtigen Sporen nur mit geringer Wahrscheinlichkeit eine Lupine erreichen, möglicherweise wird die Art im Gegensatz zu anderen Lupine-Arten auch gar nicht/kaum befallen.

Es gibt zu diesem Pilz(-gift) in Europa praktisch keine Feldstudien, eine abschließende Risikobewertung unter Praxisbedingungen ist deshalb nicht möglich. Zur Prophylaxe wären gelegentliche Analysen von Proben der verwilderten Lupinenvorkommen in Deutschland anzuraten. Ein Zurückdrängen der Lupine ist ansonsten ohne Herbizide vielerorts nur mit großem Aufwand, vor allem durch Ausstechen, möglich. Die initiale Bekämpfung und das Vorgehen gegen (Erst-)Eintragsquellen haben deshalb eine überragende Bedeutung (Hansen et al. 2022).

Fazit für die Praxis

  • Trockene Heiden sind oft mit anderen Lebensraumtypen vergesellschaftet. In Baden-Württemberg sind das häufig die stärker gefährdeten Borstgrasrasen. Trockene Heiden profitieren von geringerer Beweidungsintensität.
  • Eine Imitation der Dynamik Trockener Heiden passt schlecht zu den aktuellen Agrarstrukturen und den gültigen Rechtsnormen. Ein erster Schritt ist es, die Dynamik mitzudenken. Das kann auf Vertragsnaturschutzflächen durch eine höhere Flexibilität im Vertragswerk (zum Beispiel keine fixen Beweidungszeitpunkte) in die Umsetzung kommen.
  • Prinzipiell sind großflächige Weidesysteme wünschenswert. Optimal für Trockene Heiden sind temporär intensivere Beweidungsintervalle, denen Jahre ohne diese Störungsimpulse und mit eher gleich bleibender Beweidungsintensität folgen. Diese Impulse können je nach Situation über eine zeitweise Verkleinerung der Weidefläche oder des Gehütes, längere Standzeiten, einen zusätzlichen Beweidungsgang oder mehr Weidetiere angeregt werden.
  • Eine Fotoserie, die für Einzelflächen über Jahre geführt und deren Bilder zu vergleichbaren Zeitpunkten und aus ähnlichen Blickwinkeln aufgenommen werden, ist im Verbund mit Luftbildern hilfreich, um die Entwicklung objektiver einschätzen zu können. Sie hilft so bei der Justierung der Pflege.
  • Bei der Beweidung sollten Liegeflächen/ Pferche zum optimalen Abtransport des Stickstoffes außerhalb und hangabwärts schützenswerter Bereiche liegen. Flächen(-teile) mit Sukzession sollten intensiver beweidet/gepflegt werden. Das Weidemanagement könnte auch gezielt in diese Bereiche lenken (z.B. durch Platzieren von Lecksteinen).
  • Die aktuell größte Gefahr für Trockene Heiden sind Unternutzung und Nutzungsaufgabe. Sie wird durch die epochalen Veränderungen im Zuge des Klimawandels aus heutiger Sicht größer.

Dank

Wir danken Eva Boy für die unkomplizierte Zuarbeit bei der Auswertung landwirtschaftlicher Förderdaten. Unser Dank für konstruktive Kritik und Erläuterungen gilt den unbekannten Gutachtern sowie Prof. Dr. Martin Ganter, Prof. Dr. Rainer Luick, Dr. Andreas Prüeß, Prof. Dr. Dr. hc Albert Reif und Andreas Schenk.

Literatur

Aus Umfangsgründen steht das Literaturverzeichnis unter NuL2231 zur Verfügung.

Die Autoren

  • Dr. Nicolas Schoof, Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg  (nicolas.schoof@lubw.bwl.de)
  • Dr. Martin Weckesser, freiberuflicher Biologe. (martinweckesser@web.de)
  • Florian Brossette, Geschäftsstelle des Biosphärengebiets Schwarzwald (florian.brossette@rpf.bwl.de)
  • Dr. Marc Förschler, Nationalpark Schwarzwald (marc.foerschler@nlp.bwl.de)
  • PD Dr. Sabine Aboling, Tierärztliche Hochschule Hannover (sabine.aboling@tiho-hannover.de)
  • Dr. Merle Streitberger, Universität Osnabrück (merle.streitberger@uni-osnabrueck.de)
  • Prof. Dr. Thomas Fartmann, Universität Osnabrück (t.fartmann@uos.de)
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