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Ökosysteme

Neue Studie hinterfragt gängige Annahme zur biologischen Vielfalt

Pflanzenarten können innerhalb eines Ökosystems ähnliche Funktionen erfüllen, unabhängig davon, wie eng verwandt sie miteinander sind. Zu diesem überraschenden Schluss kommt eine weltweite Auswertung von rund 1,7 Millionen Datensätzen zu Pflanzengemeinschaften. Bislang ging man in der Ökologie vom Gegenteil aus. Die Studie erschien in „Nature Ecology & Evolution“ und bietet Hinweise für den Naturschutz.

von Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg/Redaktion erschienen am 10.12.2024
Artenreiche Mähwiese in den Alpen © Julia Schenkenberger
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Bisher vermutete man einen Zusammenhang zwischen funktionellen Pflanzenmerkmalen und ihrem Verwandtschaftsgrad: Wenn neue Pflanzenarten in einem Ökosystem Fuß fassen wollen, müssen sie mit den Bewohnern um Licht, Nährstoffe und Wasser konkurrieren. Am besten ist es also, wenn sich verschiedene Arten nicht in die Quere kommen, denn so können sie verschiedene Funktionen in diesem Ökosystem erfüllen. Wenn die Pflanzen unterschiedliche Funktionen übernehmen, sollte sich das auch darin widerspiegeln, dass die Arten in dem Ökosystem eher weiter entfernt verwandt sind.

Ein Beispiel dafür sind Mischwälder: Hier wachsen immergrüne Nadelbaumarten, deren Vorfahren schon vor über 300 Millionen Jahren lebten. In direkter Nähe leben Laubbaumarten, deren direkte Vorfahren nicht einmal halb so alt sind. In Bodennähe finden sich zum Beispiel auch Farne, deren Vorfahren noch älter sind. "In solchen Wäldern mit einer hohen phylogenetischen, also stammesgeschichtlichen, Diversität würde man nun auch eine hohe funktionelle Diversität erwarten", so Geobotaniker Prof. Dr. Helge Bruelheide von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Allerdings trifft dieser Zusammenhang wohl für Mischwälder in Nordeuropa zu, aber nicht für die Mehrzahl der Ökosysteme an Land, wie die neue Studie zeigt. Das internationale Team analysierte 1,7 Millionen Datensätze aus der weltweit einzigartigen Vegetationsdatenbank „sPlot“. Sie enthält Vegetationsaufnahmen von Pflanzen aus 114 Ländern, aus allen Klimazonen der Erde. Diese Daten kombinierten die Forschenden mit einer globalen Phylogenie aller Pflanzenarten und der weltweit größten Datenbank für Pflanzenmerkmale „TRY“. „Das Ergebnis war für uns komplett überraschend: Es gibt keinen positiven Zusammenhang zwischen funktioneller und phylogenetischer Diversität. Oftmals sind beide sogar negativ miteinander korreliert“, führt Georg Hähn von der Universität Bologna aus. Hähn begann die Arbeit an der Studie im Rahmen seines Masterstudiums an der MLU. Die Ergebnisse im Detail: Über die Hälfte der untersuchten Vegetationsaufnahmen hatte eine hohe funktionale Vielfalt, aber nur eine geringe stammesgeschichtliche Vielfalt. Nur in etwa 30 % waren beide Vielfaltstypen entweder gleichzeitig hoch oder niedrig. Besonders überraschend war, dass mehr als die Hälfte der Flächen mehr funktionale als phylogenetische Vielfalt zeigten. „Unsere Untersuchung zeigt, dass Pflanzen in vielen Ökosystemen verschiedene Aufgaben erfüllen, obwohl sie eng miteinander verwandt sind. Das hat wichtige Folgen für den Naturschutz“, sagt Helge Bruelheide. Ein Ökosystem könnte demnach anfällig für Veränderungen durch den Klimawandel sein, wenn es entweder nicht genügend funktionell verschiedene Arten oder evolutionäre Vielfalt gibt. „Ein effektiver Umweltschutz kann deshalb nicht nur die artenreichsten Flächen unter Schutz stellen. Stattdessen müssen sowohl funktionelle als auch phylogenetische Vielfalt betrachtet werden“, so Bruelheide abschließend.

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