Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen
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Unser Land ist in Bewegung. Langsam, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Nur im Millimeterbereich. Und doch: Die Bewegung ist da. „An der Nordseeküste senkt sich das Land, dafür hebt es sich im Süden Deutschlands“, präzisiert André Sieland, Fachgebietsleiter für die Lage-, Höhen- und Schwerefestpunktfelder und das Geodätische Grundnetz beim Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN). Schon als Kind konnte er sich für Seefahrergeschichten und Karten begeistern. Irgendwann beschloss er, eine Karte selbst abzuzeichnen – und stieß bald an seine Grenzen. „Ich habe schnell festgestellt, dass das Thema viel komplexer ist, als ich angenommen hatte“, erinnert er sich. Die Faszination für die Karten hat sich durch die Erkenntnis nicht geschmälert, im Gegenteil. Sielands Berufswunsch war geboren: Vermesser.
Ein Praktikum im Katasteramt später ist es so weit: Sieland macht eine Ausbildung zum Vermessungstechniker, anschließend studiert er Geodäsie. „Das ist eine häufige Variante im Bildungsweg eines Vermessers“, erklärt er. Aber auch der klassische Weg über ein reines Studium oder duale Varianten seien möglich.
Es ist der Entdeckergeist, der Sielands Interesse an der Geodäsie – der Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche – geweckt hat. Doch gibt es hierzulande überhaupt noch viel zu entdecken? „Man hat keine weißen Flecken mehr auf der Karte, die man füllt“, gibt der Geodät zu. „Heute entdeckt man keine neuen Gebiete mehr, sondern stellt Veränderungen fest und dokumentiert diese. Das ist total spannend.“
Breites Aufgabenfeld
Sielands Team vermisst die winzige Veränderung in der Form der Erdoberfläche des Landes. Den „Auftrag“, solche Veränderungen festzustellen, ergibt sich aus dem Landesvermessungsgesetz. „Das Gesetz enthält die Vorgabe, dass wir ein Landesbezugssystem vorhalten müssen“, erklärt André Sieland, „wonach jeder Punkt der Landesfläche Niedersachsens nach Lage, Höhe und Schwere bestimmt werden kann“. Daraus ergeben sich unter anderem die Aufgaben der Landesvermessung. „Als Landesbetrieb haben wir aber auch Freiheiten, am Markt tätig zu werden“, führt der Fachgebietsleiter weiter aus. „Wir können uns beispielsweise auch an Ausschreibungen größerer Ingenieurprojekte beteiligen.“
Ein Beispiel einer solchen Beteiligung auf dem freien Markt sind die Aufträge, die das LGLN für die Meyer Werft in Papenburg übernimmt. „Die Schiffe, die in Papenburg gebaut werden, müssen ja zur Küste navigiert werden. Hierzu stellen wir dann einen Positionsdatenservice zur Verfügung“, erklärt Sieland. „Wir arbeiten auch mit anderen Behörden zusammen. Das erweitert das Aufgabengebiet enorm. Man darf sich die Landesvermessung nicht als graue Behörde vorstellen.“
Bundesweite Kampagne
Dabei arbeitet die Landesbehörde sogar weit über die Grenzen Niedersachsens hinaus. Deutlich wird das bei einem nationalen Projekt, das im vergangenen Jahr – unverhofft für die Initiatoren – in das mediale Interesse rückte: die Vermessung Deutschlands. „Es gibt eine Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen in Deutschland“, erläutert André Sieland. „Darin sind alle 16 Bundesländer vertreten, außerdem das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG). Gemeinsam hat diese Arbeitsgemeinschaft das Projekt aus der Taufe gehoben, Deutschland zu vermessen.“
Ihren Ursprung hat die Kampagne im Jahr 2008. Damals wurde Deutschland erstmalig so genau vermessen. Die Arbeitsgemeinschaft legte in dieser sogenannten „GNSS-Kampagne“ auch fest, dass die Aufnahmen nach zwölf Jahren zu wiederholen seien. Vier Jahre dauerte die Vorbereitung, 2021 – mit einem Jahr Verzögerung durch die Coronapandemie – konnte die Messkampagne durchgeführt werden. André Sieland war Teil des Organisatorenteams. Die Projektleitung übernahm Nordrhein-Westfalen, doch die Länder arbeiten gleichberechtigt zusammen. Es galt, die Punkte festzulegen – in geologisch stabilen Bereichen und mit ungestörter Satellitenmessung –, die Landbesitzer zu informieren, Betretungsrechte zu klären und vieles mehr. Vier Jahre, damit innerhalb von nur sechs Wochen die Vermessungsteams die Bundesrepublik neu ausmessen konnten. Jeder Punkt wurde mindestens zwei Mal über je 24 Stunden im Schichtsystem von den Messteams besetzt, um die benötigte Genauigkeit zu erzielen. Das Ergebnis: 595 Einzelmessungen, gut 100 MB pro Messung. Parallel erfolgte eine Plausibilitätsprüfung, damit im Notfall bei offensichtlichen Messfehlern eine Messung hätte wiederholt werden können.
Rechenleistung
Die Arbeit ist jedoch nicht damit getan, einfach nur die notwendigen Daten zu erheben. Der wesentlich zeitaufwändigere Teil der Arbeit beginnt erst, wenn die Daten vorliegen: die Verarbeitung, Verschneidung und Aufbereitung. Hier kommt dem LGLN eine Sonderrolle in der nationalen Arbeitsgemeinschaft zu: Die Auswertung der Daten erfolgt beim BKG und beim LGLN – getrennt und mit unterschiedlicher Software, um Messfehler aufzudecken und durch die Verschneidung der Ergebnisse die größtmögliche Genauigkeit zu erzielen. Das Endergebnis wird dann voraussichtlich in zwei bis drei Jahren zur Verfügung stehen.
Diese Zeitspanne verrät, wie aufwändig der nun anstehende Prozess ist. „Diese Datenmenge verarbeitet man nicht an einem x-beliebigen Laptop“, erklärt Sieland. „Wir haben allein hier in Niedersachen vier sogenannte ‚Rechenknechte‘. Das sind Hochleistungsrechner, auf denen jetzt die Auswertung der Daten in verschiedenen Varianten läuft.“
Am Ende können sämtliche Punkte auf einen Millimeter genau in der Lage und auf zwei Millimeter in der Höhe bestimmt werden. Diese Genauigkeit ist von großer Bedeutung: Die Veränderungen, wenn auch nur im Millimeterbereich, dürfen nicht vernachlässigt werden. „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass wir Absenkungen haben an der Küste“, führt Sieland als Beispiel an. Diese wenigen Zentimeter innerhalb von zwölf Jahren seit der letzten Messung erscheinen nicht viel, aber in Anbetracht der Tatsache, dass Küstenschutzmaßnahmen in der Regel auf 100 Jahre ausgelegt werden, bekommen die Daten Relevanz. „Es wäre unglücklich, wenn wir diese Informationen für uns behalten würden. Nur die Punkte zu aktualisieren, einen Bericht zu schreiben und den ins Regal zu stellen, reicht nicht.“
Der Geodät erkennt hier auch die gesamtgesellschaftliche Aufgabe in seiner Arbeit. Die Projektgruppe hat deshalb einen weiterführenden Projektauftrag formuliert: Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden sie unter anderem mit Geologen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) diskutiert, um daraus weitere Handlungsbedarfe abzuleiten. „Wir wollen, dass die Information in die Fläche getragen wird“, betont André Sieland.
Genauigkeit dank Technik
Seit Beginn der Vermessungen in Deutschland hat die Genauigkeit der Ergebnisse enorm zugenommen. Dass heute Messgenauigkeiten im Millimeterbereich überhaupt möglich sind, ist der Weiterentwicklung der Messverfahren zu verdanken. Zum Einsatz kommen in Sielands Abteilung das Nivellement zur Höhenvermessung von Linien erster Ordnung, GNSS-Technologie und Gravimetrie (Erdschweremessung). Letztere ist vor allem wichtig, um die über Satelliten erfassten Daten in Relation zum Erdschwerefeld zu setzen und so Punkte exakt nach ihrer Höhe bestimmen zu können.
Von den exakten Daten des Landesvermessungsamtes profitieren am Ende aber nicht nur der Küstenschutz und Kreuzfahrtschiffe, die ihren Weg über die Ems zum Meer finden müssen. Auch in der täglichen Arbeit der Landschaftsplanung sind die Daten von Belang. Sie fließen in das Vermessungsnetz ein, auf das in allen größeren Projekten zugegriffen wird. Ob Ausgleichsmaßnahme bei Infrastrukturmaßnahmen, exakte Verortung von Gehölzen in der Landschaft oder der Bau von Grünbrücken: Ohne die Arbeit von André Sieland und seinen Kollegen wäre die Landschaftsplanung weit weniger genau.
Betriebsdaten
- Name: Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen, Landesvermessung und Geobasisinformation, Fachbereich Landesbezugssystem, Fachgebiet Lage-, Höhen-, Schwerefestpunktfeld, Geodätisches Grundnetz
- Fachgebietsleitung: André Sieland
- Mitarbeiter: ca. 250 bei der Landesvermessung und Geobasisinformation, ca. 30 im Fachgebiet Lage-, Höhen-, Schwerefestpunktfeld, Geodätisches Grundnetz
- Aufgabenbereiche: Einrichtung, Bestimmung und Nachweis der übergeordneten Festpunktfelder Niedersachsens
- Nivellement: Als Nivellieren bezeichnet man die Messung von Höhenunterschieden zwischen Punkten in horizontaler Orientierung. Die Landesvermessung verknüpft landesweit Höhenpunkte durch Nivellements zu einem Höhennetz. Das Nivellement ist das exakteste Verfahren zur Bestimmung von Höhenunterschieden auf der Erdoberfläche.
- GNSS-Technologie: Unter GNSS versteht man globale Navigationssatellitensysteme. Dieses globale Netz aus Satelliten überträgt Signale für Navigationszwecke auf die Erde. Mit Hilfe dieser Satellitendaten können an jedem Ort auf der Erde, sei es an Land oder auf See, Punktpositionen nach Lage und Höhe bestimmt werden.
- Gravimetrie: Unter Gravimetrie oder Erdschweremessung werden Methoden bezeichnet, um das Schwerefeld der Erde zu vermessen. Diese lokalen Schwerewerte sind in der Geodäsie insbesondere dafür notwendig, um Punkte exakt nach ihrer Höhe zu bestimmen.
Kontakt
Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen
Podbielskistraße 331 30659 Hannover
andre.sieland@lgln.niedersachsen.de
www.lgln.niedersachsen.de
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