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Wolfram Otto

Mehr Zivilcourage für den Biber!

Wolfram Otto ist ehrenamtlicher Naturwart für Flächennaturdenkmäler im FFH-Gebiet „Ostvorpommersche Waldlandschaft mit Brebowbach“ östlich von Greifswald. Dort setzt er sich aktiv für den Biber als Zielart des Gebiets ein – auch gegen illegale Zerstörungen, die hier vermehrt auftreten. Wir haben ihn im Schutzgebiet getroffen.
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Sonntagmorgen, kurz vor halb sechs. Die Sonne schickt gerade ihre ersten Strahlen über den Horizont. Von ihrer Wärme ist noch wenig zu spüren. Ein wahre Kakofonie von Stimmen tönt durch den Erlenbruch: Amseln, Waldwasserläufer, Waldbaumläufer, alle sind schon wach. Doch einer in ihrer Mitte, getarnt in den gedeckten Brauntönen des Waldes, versucht, unentdeckt zu bleiben.

Vorsichtig und bedacht setzt er einen gummistiefelbeschuhten Fuß vor den anderen. Bloß auf keinen Ast treten! Jedes Geräusch könnte auf seine Anwesenheit hindeuten! Er hält inne, zieht die Skimaske herunter und haucht vorsichtig in die Luft. Wie steht der Wind? Wird er mich verraten? Schließlich ist der optimale Standort erreicht, und Wolfram Otto geht in Position. Jetzt heißt es warten.

Das Objekt der Begierde: ein Biber, der hier seinen Bau hat. Wolfram Otto ist ehrenamtlicher Naturwart in Katzow, und er ist oft in den frühen Morgenstunden hier, um Biber, Fischotter und Eisvögel zu beobachten und zu fotografieren. Und siehe da: Da ist der Wasserbaumeister. Doch er zeigt sich nicht lange, taucht gleich zu seiner Biberburg. Keine fünf Minuten später ertönt ein lautes Nagegeräusch, das sich auch aus dem Vogelkonzert deutlich heraushorchen lässt.

Grabenkämpfe

Dieser Biber ist sehr entspannt, findet Otto. Kein Anzeichen, dass er den Menschen als Bedrohung wahrnimmt. Nur wenige Kilometer weiter sieht das schon anders aus. Dort im dritten Teilgebiet des FFH-Gebiets „Ostvorpommersche Waldlandschaft mit Brebowbach“, begrenzt durch den Ort Kühlenhagen im Norden und Wrangelsburg im Süden, ist nicht jeder ein Freund des Bibers. Dabei ist dieser hier, genau wie der Fischotter, Zielart des Managementplans. Trotzdem werden seit einigen Jahren in Nacht- und Nebelaktionen Dämme zerstört – mit voller Absicht. Innerhalb von nur zwei Jahren dokumentierte Wolfram Otto über 20 Dammeinrisse.

„Da geht es um Macht“, davon ist der ehrenamtliche Naturwart überzeugt. „Hier sind Menschen offensichtlich im Verteidigungsmodus, in Veränderungsangst, kommen nicht klar mit des Bibers Gestaltung der Lebensräume." Dabei wurden bislang gar keine Schäden durch eventuell Betroffene gemeldet, erzählt er. Im Gegenteil, durch die Anwesenheit des Bibers im Gebiet hat sich die Artenvielfalt enorm erhöht. In Bachlauf und Biberteichen finden sich nun erstmals neben dem Fischotter der Wasserschlauch und Prachtlibellen. Auch die Bauchige Windelschnecke kommt hier vor. Mit ihnen teilen sich den Lebensraum Dutzende andere Arten, die von den Anstauungen des ursprünglich sehr flachen, im Sommer teilweise wasserlosen Brebow- und Prägelbaches sowie wasserführender Gräben profitieren.

Trotzdem werden immer wieder Dämme im FFH-Gebiet zerstört. Der Biber reagiert darauf und wandert bachaufwärts. Ein Tier hat sich nun in einem Entwässerungsgraben außerhalb des Schutzgebiets einen Damm angelegt. Seine Biberburg: ein Betonschacht im Entwässerungssystem. Hier kann die Aktivität des Bibers tatsächlich zu Schädigungen an der Infrastruktur führen – bleiben kann er hier nicht, zumal er hier, seit im Januar die neue Biberverordnung in Mecklenburg-Vorpommern in Kraft getreten ist, auch geschossen werden darf. Man merkt dem Naturwart deutlich an, wie sehr ihn die Situation ärgert – schließlich ist der Biber hier ein Vertriebener. Im Schutzgebiet, 400 m unterhalb, brachte er großen ökologischen Nutzen – zumal das Land, auf dem er aktiv war, im Besitz des NABU ist.

Artenreichtum

Später am Tag führt Otto mich, abseits der Wege, durch das dritte Teilgebiet. Immer wieder begegnen uns Waldwasserläufer und Eisvögel, eine Vielzahl verschiedener Wasservögel ist zu sehen. Am Rand eines Biberteichs sprießt die Wasserfeder, dazwischen tummeln sich Insektenlarven und Wasserkäfer. Ein paar hundert Meter weiter leuchtet das feuchte Ufer des Bachs in kräftigem Gelb – die Blüte der Sumpfdotterblume im Flächenaspekt.

Seit Beginn der Dammeinrisse ist der Biber in den betroffenen Bereichen auch erheblich scheuer geworden. „Ich konnte sogar um 9 Uhr am Bach liegen, und der Biber putzte sich keine fünf Meter entfernt“, erinnert er sich. Jetzt jedoch ist er nur noch des Nachts anzutreffen, sogar das Infrarotlicht der Wildkamera scheut er seit zwei Jahren. „Das ist ein klares Zeichen für mich, dass er geschossen wird“, meint Otto. Ein weiteres Indiz: Entlang des Bachlaufs stehen zahlreiche Hochsitze – meist in direkter Sichtachse auf den Bachlauf, in unmittelbarer Nähe von Bauen.

Inzwischen hat Otto sogar selbst die Täter filmen können, wie sie sich mitten in der Nacht an einem Damm zu schaffen machen. Die Aufnahme ist deutlich genug, um einen der Männer zu identifizieren, und seine Worte sind klar zu verstehen; „Tiefer!“, ruft er seinem Partner zu. „So tief wie es geht!“ Otto zeigte die zerstörerische Tat natürlich an. Frustrierend für den Ehrenamtler: Eine Verurteilung erfolgte bislang nicht. Er musste sogar nachweisen, dass der Biber den 40 m breiten und 1,5 m hohen Damm errichtet hatte. „Mir macht das keinen Spaß. Ich will auch niemanden anzeigen!“ Ein vernünftiger Austausch mit den Akteuren scheint aber derzeit nicht möglich. „Ich habe die Täter angesprochen, doch leider nur Schutzbehauptungen, Lügen oder herablassendes Agieren erfahren“, erklärt Otto. „Es ist vielleicht Veränderungsangst oder Ablehnung von Veränderungen, die natürlicher Art sind und nicht ihren Bestimmungen folgen, vor allem aber auch Ablehnung von Einschränkung ihres Agierens durch den Naturschutz.“

Wiederaufbau als erste Hilfe

Im gleichen Rhythmus, wie die Biberdämme zerstört werden, arbeitet Otto seit einem Jahr daran, sie im Falle einer Zerstörung sofort wieder zu reparieren. Die Berechtigung dazu hat er als Naturwart im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde. „Das kann aber nicht die finale Lösung sein!“, betont er. Vielmehr brauche es einen konsequenten Flächenschutz – und mehr Menschen, die sich engagieren. „Viele lieben Freizeit und Entspannung in der Natur, aber dafür auch etwas zu tun, den Schritt zur Zivilcourage, den schaffen nur wenige.“

Wolfram Otto selbst wurde dieses Engagement wohl in die Wiege gelegt. Bereits sein Vater war „von ähnlichem Blut“, wie Otto es formuliert. Er war besonders in den Bereichen Entomologie und Ornithologe bewandert, und das prägte auch seinen Sohn. Die Umgebung tat ihr Übriges: Seine Kindheit verbrachte der Biologe in Dessau. „Ich bin im Prinzip in der Elbaue großgeworden“, lacht er. In jeder freien Minute schnappte er sein Rad, fuhr in die Aue. Schon bald entdeckte er die Tierwelt, zuerst vor allem die Herpetologie, als Interessensgebiet für sich. Mit etwa 20 kam dann auch der Biber als Thema auf. „Das Beobachten und Wahrnehmen der Tiere war schon immer eine natürliche Begleiterscheinung“, meint Otto heute. „Und so habe ich wie mein Vater irgendwann zu Kamera gegriffen und die Dinge dokumentiert.“ Das bedeutet auch, dass er manchmal stundenlang regungslos ausharrt, um die Natur um sich herum zu beobachten und mit etwas Glück am Ende das perfekte Foto schießt.

Wolfram Otto setzt sich aber auch dafür ein, naturferner sozialisierte Menschen für ihre Umwelt zu begeistern. Er bietet Gruppenführungen an, Vogelstimmenexkursionen, Wanderungen durch das FFH-Gebiet. „Man muss die Leute mitnehmen, versuchen, ihnen die komplexen Zusammenhänge näherzubringen.“ Auch ein Buch hat er deshalb geschrieben, einen Band mit den eindrucksvollsten seiner Fotos aus allen mecklenburgischen Landschaften, ergänzt um kurze Texte zu den Arten, Anekdoten, Informationen. Da erstaunt es, dass er in seiner Freizeit so viele zeitintensive Hobbys pflegt. Sein Garten ist ein wahres Kleinod für die Fans heimischer Arten, sein Gewächshaus eine Hommage an die seltene und gefährdete Wüstenflora Mexikos. Und dann noch das ehrenamtliche Engagement, ein Kampf gegen Windmühlen. Oder vielmehr gegen dauerhaften Vandalismus. Für Wolfram Otto bedeutet das vollen Körpereinsatz, bei Wind und Wetter. Im letzten Winter stand er stundenlang im eisigen Wasser des Bachs, um einen Damm zu flicken, das Abfließen von 60.000 m² Wasser zu verhindern. Seine Hände tragen noch Monate danach deutliche Spuren dieses Einsatzes, sind rissig und spröde.

Aufgeben ist keine Alternative

Denkt man da nicht ans Aufgeben? Auf diese Frage antwortet Otto mit einem klaren Nein. „Ich sehe mich vor allem als Mensch mit Zivilcourage. Jemand, der eine Verbindung zu allen diesen Bereichen hat.“ Derzeit gebe es davon noch viel zu wenig: Menschen, die sich für ihre Umwelt einsetzen. Sich wehren, wenn Biberdämme eingerissen, wenn illegal Tiere geschossen werden. „Das hier ist eine Vergewaltigung der Natur“, findet er. „Ich kann ja auch nicht zuschauen, wenn jemand vergewaltigt wird. Der Mensch ist da nicht höhergestellt.“

Aus diesem Grund plädiert er auch für eine Überarbeitung der Gesetzgebung. Er fordert einen Flächenschutz, bei dem die Nutzung klar eingeschränkt, bei dem der Mensch nicht über die Natur gestellt wird. In den von ihm betreuten Gebieten gestaltet sich das allerdings schwierig: In Mecklenburg-Vorpommern stellt die Forst die Managementpläne auf. Dass diese nicht zwangsläufig zugunsten des Bibers entscheidet, überrascht nicht. Dabei müsse sich Waldwirtschaft und Bibermanagement gar nicht ausschließen, findet Otto. „Wir müssen gemeinsam in eine Richtung denken! Schließlich leistet der Biber auch einen wesentlichen Beitrag zum Wasserrückhalt und zur Artenvielfalt.“ Bereit zum Gespräch ist Wolfram Otto auf jeden Fall.

Philosophie

Bewirtschaftung und Artenschutz müssen sich nicht ausschließen. Allerdings brauchen gefährdete Arten einen konsequenten Flächenschutz, und es braucht Menschen, die sich aktiv für die Belange dieser Arten einsetzen und anderen die ökologischen Zusammenhänge nahebringen.

Autor

12  Hier hat die Aufstauung ein völlig neues Habitat erschaffen: Die Bäume sind abgestorben, dafür finden sich hier jetzt zahlreiche Insekten und Wasserpflanzen.

Wolfram Otto, Jahrgang 1970, studierte Biologie, Sportwissenschaft und Erziehungswissenschaft in Rostock. Er lebt heute in Kühlenhagen bei Greifswald. In frühen Jahren begann im Biosphärenreservat Mittlere Elbe die feldherpetologische Naturschutzarbeit, später in Mecklenburg-Vorpommern vorrangig im Verein Langenwerder (FFH Wismarbucht) sowie in den FND‘s im FFH Ostvorpommersche Waldlandschaft mit Brebowbach. Im Hinstorff-Verlag erschien 2018 „Wildschöne Welten in Norddeutschland“, der 25 Jahre seiner naturfotografischen und biologischen Studien der Natur in verschiedensten Biotopen widerspiegelt.

1 Kommentare
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  • Schildkröten 22.05.2024 12:50
    Hallo lieber Wolfram und gerit, wünschen weiterhin viel Kraft und Freude mit dem Biber und der herrlichen Natur 🍀🐢 in und um Kuehlenhagen. C&. w
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