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Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer

Zwischen Artenvielfalt und Tourismus – Artenschutz am Steinhuder Meer

Thomas Beuster war von der ersten Stunde im April 1991 an zunächst ehrenamtlicher, später hauptamtlicher Mitarbeiter im Verein Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM e. V.). Drei Jahre später ergänzte Thomas Brandt das Team. Die beiden Naturwissenschaftler sind heute neben dem ehrenamtlichen Vorstand die führenden Köpfe des gemeinnützigen Vereins und stellen ihre Arbeit hier vor.
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1 Das Stationsgebäude wurde mit viel Eigenarbeit in Schuss gebracht.
1 Das Stationsgebäude wurde mit viel Eigenarbeit in Schuss gebracht.Archiv ÖSSM
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Meer ist vielleicht etwas weit gegriffen. Bis zum Horizont reicht das Steinhuder Meer nämlich nicht. Der Begriff stammt aus dem Altdeutschen und ist gleichbedeutend mit See – in diesem Fall immerhin der größte See Niedersachsens. Er ist namensgebend für die Ökologische Schutzstation, die sich hier sukzessive entwickelt hat.

Schon vor der Vereinsgründung 1991 war der ehrenamtliche Naturschutz in dem ebenso bedeutenden wie sensiblen Naturraum aktiv. Einzelne Naturschützer nahmen bereits in den 1960er Jahren negative Veränderungen in der Landschaft im Süden Niedersachsens war. „Wir haben einfach einen unheimlichen Artenschwund gespürt am Steinhuder Meer“, erinnert sich Thomas Beuster. Er gehörte zu den Ehrenamtlichen, half schon als Kind bei Krötenaktionen, engagierte sich als Schüler in der Umwelt-AG und später dann im Moorschutz. „Der Tourismus, aber auch der Torfabbau nahmen hier Ende der 80er nochmal richtig Fahrt auf.“

Bald war klar: Um effektive Naturschutzarbeit zu leisten, mussten sich die Einzelkämpfer organisieren, mussten professioneller werden. Karl-Heinz Garberding ergriff schließlich die Initiative und gründete den Verein mit zirka 15 anderen Naturschützern. Einer von ihnen: Thomas Beuster. Zwar studierte er zu dieser Zeit gerade Geografie in Hannover, das hielt ihn jedoch nicht ab, in jeder freien Minute den neuen Vereinssitz – einen teilweise schon verfallenen Bauernhof – Stück für Stück aufzubauen.

Das Ziel der ÖSSM früher wie heute: Den Artenreichtum am Steinhuder Meer erforschen, dokumentieren, schützen und gegebenenfalls zurückholen. „Wir befinden uns hier an einer Schnittstelle zwischen verschiedenen Landschaftsräumen“, führt Thomas Brandt aus. Er kannte das Steinhuder Meer und die Umgebung, und bewarb sich schließlich auf die erste Stelle des Vereins. „Wir haben hier mit den Rehburger Bergen die nördlichsten Mittelgebirge Deutschlands, außerdem die Börde mit ihren schweren Böden, die niedersächsische Geest mit Endmoränenkuppen und an der Schnittstelle der naturräumlichen Regionen den See selbst mit seinen unmittelbar angrenzenden Hoch- und Niedermooren.

Umgang mit der Nutzung

„Am Anfang stand im Vordergrund, den damals unhaltbaren Nutzungsdruck auf das Steinhuder Meer und sein engeres Umfeld zu reduzieren“, erzählt Brandt. Ein erster Schritt dafür war ein Segel- und Surfverbot während des Winters: Seit 1976 ist das Steinhuder Meer als internationales Rastvogelgebiet anerkannt, doch die massiven Störungen führten zu einer erheblichen Abnahme der rastenden Zugvögel. Damit, und mit begleitenden lebensraumverbessernden Maßnahmen, stieß der junge Verein nicht gerade auf Gegenliebe. Vor allem die Wassersportler fühlten sich in ihren Rechten eingeschränkt. „Für uns war deshalb immer wichtig, dass das, was wir fordern, auf wissenschaftlichen Fundamenten aufbaut“, erklärt Brandt, der die wissenschaftliche Leitung im Verein innehat. Die wissenschaftliche Arbeit konnte der Verein bieten – mittlerweile sind von den Mitarbeitern rund 130 Fachpublikationen über die Fauna und Flora des Gebietes erschienen – und mit intensiver Pressearbeit und Beratung von Politik und Verwaltung trugen die Wissenschaftler ihre Botschaft nach außen.

Die Mühe machte sich bezahlt: Die stete Arbeit, die offene Kommunikation und die ständige Präsenz vor Ort, vor allem auch ein kontinuierliches Monitoring, schaffte allmählich ein Vertrauensverhältnis – auch zu Verbänden und Behörden. Heute erstellen die wissenschaftlichen Mitarbeiter gemeinsam mit drei im Arbeitsbereich der ÖSSM verantwortlichen Unteren Naturschutzbehörden und dem NLWKN ein gemeinsames Jahresarbeitsprogramm, aus dem sich die einzelnen Projekte am Steinhuder Meer, aber auch in der näheren Umgebung von Rinteln bis Hannover und Nienburg, ableiten.

Allmähliches Wachstum

Mit den wachsenden Aufgaben wurden weitere Mitarbeiter eingestellt. Heute arbeiten sieben wissenschaftliche Mitarbeiter hier, außerdem zwei BFDler, zwei FÖJler und mehrere Ehrenamtliche. Mit dem sukzessiven Wachstum wurde der Hof weiter ausgebaut, bis hin zu Schlafräumen für die FÖJler, einer kleinen Ausstellung zum Thema „Artenvielfalt am Steinhuder Meer“ und einem Seminargebäude für die Umweltbildung. Letzteres wird auch vom der ÖSSM angegliederten Regionalen Umweltbildungszentrum (RUZ) als außerschulischem Lernstandort genutzt. Die Gelder, genau wie für einen Großteil der Projekte, stammen aus Stiftungsmitteln, Spenden der Region Hannover und den Landkreisen Nienburg und Schaumburg.

Projektideen bringen dabei nicht nur die Leiter des Vereins ein. Jeder im Team darf kreativ werden und Ideen einbringen. „Das zeichnet die Arbeit hier auch aus, das ist nicht mit der Arbeit in einem Planungsbüro vergleichbar“, meint Beuster. Und Brandt ergänzt: „Eigentlich stolpern wir fast täglich über ein Projekt, das wir gerne machen würden. Die Umsetzung funktioniert natürlich nur, wenn jeder auch bereit ist, das Quäntchen mehr zu geben und mit Herzblut dabei zu sein.“

Feuer und Flamme

Herzblut, das haben die Mitarbeiter der ökologischen Station. Die meisten von ihnen sind als Praktikanten gekommen oder haben ihre Abschlussarbeit hier geschrieben. „So wissen wir schon, was sie können“, lacht Brandt. „Wir haben die luxuriöse Situation, uns die Bewerber aussuchen zu können.“ Wichtiges Kriterium: die Artenkenntnis. „Wir brauchen hier Leute mit vertieften Artenkenntnissen“, meint Brandt. „Das fehlt leider bei vielen Uni-Absolventen heute.“

Eine wesentliche Motivation dürfte die Kontinuität der Projekte im Verein sein. „Wir arbeiten Projekte nicht nur wie ein Büro ab“, erklärt Beuster, „sondern haben den kontinuierlichen Blick. So können wir ständig dazulernen und gegebenenfalls auch Fehler korrigieren.“ Daraus entsteht über die Jahre ein umfangreiches Wissen und Verständnis für Zusammenhänge am See und der umliegenden Landschaft.

Dieses Wissen möchten die „alten Hasen“ des Vereins auch an ihre jüngeren Kollegen weitergeben – schließlich werden sie nicht ewig hier arbeiten, und sie denken bereits darüber nach, irgendwann das Heft aus der Hand zu geben. „In das Tun und Handeln sollten immer auch langjährige Erfahrungen einfließen“, betont Thomas Brandt. „Die müssen sich die Jüngeren natürlich erst erarbeiten.“ Doch bis dahin sind sie noch viel zu beschäftigt damit, neue Ideen umzusetzen.

Internationale Aufmerksamkeit

Eine davon hat Beuster in den letzten Jahren vorangetrieben: Die Webcam-Überwachung von Nestern. Damit bekommt die Station ungeahnte Aufmerksamkeit, bis zu 1.000 Klicks pro Tag bekommt eine Webcam zur Brutsaison. „Da schreiben uns sogar Leute aus Amerika: Das „Osprey“- Küken ist gerade geschlüpft“, wundert sich Brandt.

Die Webcams dienen aber nicht nur der Unterhaltung von internet-affinen Usern weltweit. Sie leisten auch einen kleinen Beitrag zum Arten-Monitoring der ökologischen Station. Diesen kontinuierlichen Blick, der sich auch aus dem inzwischen 25-jährigen Monitoring ergibt, schätzt Thomas Beuster besonders an seiner Arbeit. Kein Büro kann eine solche Kontinuität gewährleisten, für ihn ein wesentlicher Pluspunkt seiner Arbeit. Und die Erfolge sind sichtbar: Rasteten vor 25 Jahren nur wenige Tausend Zugvögel am Steinhuder Meer, sind es heute wieder über 30.000 Tiere.

Das wirkt sich auch auf den Tourismus aus: Viele der Besucher sind Hobby-Ornithologen, die mit Fernglas und Teleobjektiv bewaffnet auf Vogelsichtung gehen. Für sie und andere Interessierte hat die Schutzstation in enger Zusammenarbeit mit den Unteren Naturschutzbehörden und dem Naturpark Steinhuder Meer eine Besucherlenkung inklusive Beobachtungsstationen entwickelt, in denen die Ornithologen durch Sehschlitze oder von Türmen störungsarm ihrem Hobby nachgehen können. Einige der Vogelbeobachter melden ihre Sichtungen der Station, oft mit Bildern. Damit helfen sie beim dauerhaften Monitoring der Arten.

Mehr als Zugvögel

Nicht nur für die Brut- und Rastvogelbestände konnte der Verein Erfolge erzielen. Besonders hebt Brandt auch die Entwicklung der Laubfroschpopulation in den Feuchtwiesen hervor. „Der Laubfrosch war hier ausgestorben“, erzählt er. „Heute haben wir wieder 8.500 rufende Männchen in über 100 Laichgewässern.“ Wir, das bedeutet nicht nur die Mitarbeiter des Vereins. Brandt und Beuster fassen darunter alle Akteure, die bei den Projekten an einem Strang ziehen. Die Situation der Amphibien konnten sie durch enge Zusammenarbeit mit Behörden, Stiftungen und Verbänden entschieden verbessern. Gezielt wurden Kleingewässer – über 250 mittlerweile – angelegt, von denen nicht nur die wiederangesiedelten Laubfrösche, sondern auch viele andere Amphibien und nicht zuletzt auch selten gewordene Fisch- und Insektenarten profitierten.

Weitere Erfolge konnten die ÖSSM-Mitarbeiter zum Beispiel mit der Renaturierung von Hochmooren und mit ihren Artenschutzprojekten unter anderem für Flussseeschwalben, Fischadler, Karauschen, Schlammpeitzgern und Feldgrillen erzielen. Kleinere Erfolge gibt es auch bei der Wiederansiedlung des Europäischen Nerzes – ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Land Niedersachsen – eine Art, die hier früher verbreitet war, aber durch Lebensraumverknappung und Bejagung bereits um 1925 aus ganz Deutschland verschwand. „Das ambitionierte Projekt gehört zu den noch ergebnisoffenen Projekten, an denen wir arbeiten“, betont Brandt.

Es bleibt also viel zu tun für die Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer, und an Ideen mangelt es dem Geschäftsführer und dem wissenschaftlichen Leiter absolut nicht.

Betriebsdaten
  • Name: Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer e. V.
  • Gesellschaftsform: gemeinnütziger Verein
  • Gründung: 1991
  • Mitarbeiter: 7 Biologen/Ökologen
Philosophie

Die ÖSSM ist ein gemeinnütziger, ehrenamtlich getragener Naturschutzverein, der mit hauptamtlichen Mitarbeitern auf wissenschaftlicher Basis arbeitet und ökologisches Wissen im pädagogischen Bereich vermittelt, um in kooperativer Zusammenarbeit die Biodiversität zu fördern, erlebbar zu machen und für zukünftige Generationen zu sichern.

Weitere Infos

Veröffentlichungen:

www.oessm.org/ueber-uns/veroeffentlichungen

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