Flexibilität auf einem Fundament aus Kies
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Sein Beruf wurde Wolfgang Weinzierl förmlich in die Wiege gelegt. Und die stand in einer Villa aus den Zwanzigern, nur wenige Meter von der Donau entfernt. Dieses Gebäude war das Zentrum des Familienunternehmens: Die Weinzierls waren im Kiesabbau tätig. Was am kiesigen Grund der Donau begann, dehnte sich über die Jahre aus und schließlich wurde das Gesteinsmaterial im Donautal auch flächig abgebaut.
Der ältere Bruder Wolfgangs, Hubert Weinzierl, wandte seinen Blick schließlich von der Kiesgewinnung auf die Frage, wie die Abbauflächen denn am besten zu rekultivieren seien. Wolfgang Weinzierl ließ sich vom Interesse seines großen Bruders an der Rekultivierung inspirieren, studierte in Weihenstephan Landschaftsarchitektur und gründete 1973 sein eigenes Büro in Ingolstadt.
Er spezialisierte sich mit seinem Unternehmen auf Freiraumplanung und Landschaftsplanung, weitete das Büro aus, veränderte es, entwickelte es weiter. Mit der Zeit wurden die beiden Schwerpunktthemen ergänzt um das Thema Stadtplanung und diesen Dreiklang bearbeitet das Unternehmen heute noch. Inzwischen ist Weinzierl selbst im Ruhestand, nachdem er das Büro die letzten zehn Jahre gemeinsam mit den Gesellschaftern geführt hatte. Das bedeutet aber nicht, dass Wolfgang Weinzierl nicht doch fast täglich reinschaut. Denn seine Wohnung liegt gerade mal eine Treppe entfernt im Stockwerk über dem Büro.
Begrenztes Platzangebot
Die Räumlichkeiten in dem denkmalgeschützten Gebäude sind begrenzt – und mit inzwischen 20 Mitarbeitern auch voll ausgelastet. Über Wachstum denke man daher derzeit nicht nach, erzählt Alois Rieder, einer der Gesellschafter. „Wir hatten aber in den 90er-Jahren schon einmal ein Zweigbüro, als wir die Verkehrsprojekte der Deutschen Einheit bearbeitet haben.“ Als die Projektaufträge schließlich abgearbeitet waren, reduzierte man den Mitarbeiterstamm.
2011 wagten die Gesellschafter – das Büro war inzwischen in eine GmbH umgewandelt worden – erneut diesen Schritt für ein weiteres Großprojekt als Generalplaner für die Audi AG. Auch dieses Büro wurde nach Abschluss geschlossen, und die Kollegen wurden an den Hauptstandort zurückverlegt.
„Ich glaube, diese lange Geschichte mit vielem Auf und Ab macht das Unternehmen heute auch aus“, sinniert Ulrich von Spiessen, der seit 1981 bei Wolfgang Weinzierl arbeitet. Nach seinem Studium in Berlin bewarb er sich in Ingolstadt – und wurde auch direkt zum Bewerbungsgespräch eingeladen. „Ich bin dann morgens mit meinem VW-Bus über den Schwarzwald hierhergefahren“, erinnert von Spiessen sich. „Ich hatte ein sehr positives Gespräch, die Chemie hat einfach gepasst.“ Gegenseitiges Vertrauen und wachsende Verantwortung waren für ihn die wesentlichen Gründe, dem Unternehmen bis heute treu zu bleiben. „Aber meinen 70. Geburtstag möchte ich nicht auch noch hier feiern“, lacht er. „Irgendwann muss auch mal Schluss sein.“
Noch nicht ganz so lange, aber doch auch schon etliche Jahre ist Alois Rieder dabei. Seinen Einstand bei Wolfgang Weinzierl feierte er im Oktober 1985 als Praktikant unter Ulrich von Spiessens Fittichen. Aus dem Praktikum wurde dann schnell eine langfristige Beziehung. „Eigentlich ist heute noch nicht genau festgelegt, an welchem Tag ich angefangen hab“, scherzt Alois Rieder. „Das ging einfach fließend weiter.“
Mitarbeiter, die dem Unternehmen über so viele Jahre treu bleiben, sind aber nicht selbstverständlich. Gerade seit Gründung der GmbH musste das Büro eine ansteigende Fluktuation verzeichnen. Die Gründe dafür sind nicht zwangsläufig beim Unternehmen als Arbeitgeber zu suchen, glaubt Alois Rieder. „In den letzten zehn Jahren haben wir einfach viele junge Leute dazubekommen. Manche orientieren sich in dieser Phase nochmal anders, oder verspüren auch das Bedürfnis, wieder in die Heimat zurückzuziehen.“ Junge Mütter fallen während der gesetzlichen Erziehungszeiten aus und müssen temporär ersetzt werden, auch wenn sie nach der Elternzeit – meist in Teilzeit – wieder zurückkehren. Die Aufgaben im alltäglichen Planungsgeschehen gehen weiter und so ist es immer ein Spagat zwischen zu viel Arbeit und Lücken bei den Mitarbeitern.
Herausforderungen des Alltags
Um die Fluktuation auszugleichen, ist das Büro ständig auf Mitarbeitersuche. Doch die gestaltet sich – wie bei so vielen anderen Büros – alles andere als einfach. „Der Markt ist leer gefegt“, beklagt Alois Rieder. „Die Studierenden haben, wenn sie fertig sind, in der Regel schon einen Job, die gehen erst gar nicht auf den Markt.“ Die besten Chancen habe man noch im direkten Kontakt zu den Hochschulen, doch auch das ist für das Ingolstädter Büro nicht immer Erfolg versprechend. „Der Standort hier in Ingolstadt ist natürlich auch ein bisschen abseits der Metropolregion München“, gibt Rieder zu. „Da sind wir schon immer so ein bisschen abgehängt.“
Dabei hat das Büro potenziellen Arbeitnehmern auch einiges zu bieten: Vor allem die flexiblen Arbeitszeiten und die individuellen Teilzeitlösungen zeichnen Wolfgang Weinzierl Landschaftsarchitekten aus. „Das hat Wolfgang Weinzierl schon vor 20 Jahren gehandhabt, als es das in der Gesellschaft so noch gar nicht gab“, erzählt Ulrich von Spiessen nicht ohne Stolz. Heute sind mehr als die Hälfte der Mitarbeiter Teilzeitkräfte – von 15 bis 35 Stunden, vormittags, nachmittags oder an drei Tagen die Woche ist eigentlich alles dabei. Freie Mitarbeiter gab es in der langen Zeit, die das Büro besteht, noch nie. Alle Mitarbeiter sind oder waren immer festangestellt.
„Wichtig bei alldem ist: Die Projektarbeit muss erledigt sein“, betont von Spiessen. „Wir machen eben Terminarbeit. Zur nächsten Stadtratssitzung müssen die Unterlagen dann eben auch fertig sein.“ Zu besagten Sitzungen nimmt der Landschaftsarchitekt die Projektbearbeiter schon gern mit. „Auch, weil ich langsam daran denke, aus dem Büro wirklich auszusteigen“, schmunzelt er. „Das ist ein Erfahrungsfaktor, etwas, das man im Studium nie lernt.“ Sein Ziel ist, das die Mitarbeiter schließlich auch ihre eigene Arbeit nach außen hin vertreten.
Diese Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die Mitarbeiter des Unternehmens mitbringen sollten. „Sie sollten auch sehr gut querdenken können“, ergänzt Alois Rieder. Das ist im Unternehmen insbesondere deshalb von Bedeutung, da die Aufgaben häufig sehr umfangreich sind. „Letztlich sind es zum Teil schon zwei oder drei unterschiedliche Bearbeiter“, erläutert Rieder die Arbeitsabläufe.
Das Querschnittsdenken über die eigene Profession ist dabei unerlässlich, damit die Planungsschritte besser nachvollzogen werden können und keine Informationslücken entstehen. Dafür bekommt der Auftraggeber alles aus einer Hand geliefert: Projekte von A bis Z, vom Flächennutzungsplan bis zur Baubegleitung. Er hat nur einen Ansprechpartner in einem Unternehmen, anstatt drei verschiedene Büros koordinieren zu müssen.
Ein anderes Projekt, auf das das Büro stolz ist, ist das Fahrerlebnisgelände der Audi AG in Neuburg an der Donau. Begonnen hatte es mit der Bearbeitung des Bebauungs- und Grünordnungsplans auf 47 ha in einem ausgewiesenen Industriegebiet der Stadt inklusive der Umsetzung der Eingriffs- und Ausgleichsmaßnahmen. Nach einem beschränkten Wettbewerbsverfahren wurde das Büro schließlich als Generalplaner für die gesamte Umsetzung mit allen Gewerken beauftragt – ein Novum, dass der Landschaftsarchitekt als Generalplaner die Verantwortung für ein im Zeit- und Kostenrahmen sehr eng getaktetes Projekt übernehmen durfte. Nach vier Jahren konnte das Projekt 2015 erfolgreich abgeschlossen und den Nutzern übergeben werden.
Bewährtes Netzwerk
Allerdings arbeitet Wolfgang Weinzierl Landschaftsarchitekten bei bestimmten Fachplanungen immer wieder gern mit anderen Büros zusammen. So beschäftigt das Unternehmen beispielsweise keine eigenen Biologen. Das breite Spektrum der biologischen Fachkenntnisse, die teure Ausrüstung und die sehr unterschiedlichen Anforderungen in den verschiedenen Regionen Deutschlands machen die Beschäftigung eines einzelnen Biologen einfach nicht lohnend, meint Ulrich von Spiessen. Da habe sich die Zusammenarbeit mit einem bewährten Kreis von Biologen und anderen Fachplanern vor allem im Städtebau für das Büro besser bewährt, ergänzt sein Kollege.
Dass diese Strategie aufzugehen scheint, zeigt die breite Palette der Projekte, auf die das Büro zurückblicken kann. Besonders die Verkehrsprojekte der Deutschen Einheit hebt Ulrich von Spiessen hervor. Aber auch die Arbeit für den Ingolstädter Autobauer Audi und die Entwicklung des Retzbachparks in Gaimersheim. Es sind vor allem die umfangreichen, herausfordernden Projekte, die das Büro über Jahre beschäftigen und Freude bereiten.
Diese Projekte wandern bei Wolfgang Weinzierl Landschaftsarchitekten nicht einfach in die Ablage, wo sie dann verstauben. Besondere Aufträge fassen die Planer noch mal in eigenen Veröffentlichungen zusammen. Den Auftakt machte ein umfangreiches Werk zum 30-jährigen Bestehen des Betriebs. Fast 500 Seiten umfasst dieses dicke Buch mit dem edlen roten Stoffeinband. Die passende Anekdote zur Entstehung liefert Ulrich von Spiessen gleich mit. „Herr Weinzierl hatte damals die Idee, einfach mal alle wichtigen Auftraggeber und Freunde anzufragen, ob sie bereit sind, da einen Beitrag zu leisten“, erzählt er. „Und leider hat keiner abgesagt!“
Die anderen Veröffentlichungen des Unternehmens sind weniger umfangreich. Da gibt es natürlich den ein oder anderen Beitrag in Fachzeitschriften und einige reich bebilderte Bücher über besondere Einzelprojekte. Diese nutzt das Büro gern zur Akquise, um sich bei verschiedenen Auftraggebern vorzustellen.
Interner Austausch
Dass das Wissen über die Projekte und Fähigkeiten des Büros nicht nur an potenzielle Auftraggeber weitergegeben, sondern auch im Unternehmen selbst verbreitet wird, dafür sorgt ein monatlicher „Jour fixe“, bei dem sich alle Mitarbeiter treffen. Dabei berichtet jeder kurz über die Projekte, die gerade bearbeitet werden, und diejenigen, die gerade ein Seminar besucht haben, sind dazu angehalten, ihren Kollegen darüber zu berichten – und einen Seminarbericht für die digitale Bibliothek zu schreiben.
Darüber hinaus treffen sich die Gesellschafter regelmäßig, um über die Büroausrichtung zu sprechen und zu diskutieren, welchen Herausforderungen sich das Büro gegenübersieht. Dass es dabei auch durchaus mal selbstkritisch zugehen kann, zeigt das Beispiel Ulrich von Spiessens zu den Auswirkungen des Klimawandels: „Früher habe ich immer gesagt, es müsse auch steinerne Städte geben“, sinniert er. „Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass es da ein Umdenken in der Stadtplanung geben muss. Wir sollten zwar das historische Stadtbild bewahren, müssen in der Stadtplanung unter Berücksichtigung der aktuellen klimatischen Entwicklungen, aber auch ganz besonders auf lebenswerte Umstände gerade in den Städten achten und dies durch neues Denken und Planen versuchen künftig besser umzusetzen, als dies in den letzten Jahrzehnten der Fall war.“
Ein kleiner Widerspruch in sich, meint Alois Rieder, wenn man sich das denkmalgeschützte Bürogebäude mit seinem besonderen Charme als Ort für planerisches Arbeiten selbst anschaut: alte Fenster aus den Zwanzigern, keine Isolierung. „Und im Winter zieht es ohne Ende“, lacht er. Aber so bleiben zumindest die Geschichte des Unternehmens und seine Ursprünge immer in Erinnerung.
Betriebsdaten
Gründung: 1973, seit 2009 als GmbH
Gesellschaftsform: GmbH
Auftraggeberstruktur: 50 % öffentliche Hand 20 % Gewerbe 10 % kirchliche Träger 10 % Wohnungsbau 10 % Sonstige
Tätigkeitsfelder: 55 % Landschaftsplanung 45 % Freiraumplanung
Mitarbeiter: 20, davon 3 Landschaftsplaner 12 Landschaftsarchitekten 2 Stadtplaner, 1 Bauleiter 2 Verwaltungsangestellte
Philosophie
Wir verstehen Landschaftsarchitektur als Versuch, Zusammenhänge zu erkennen und Ordnungssysteme zu finden. Unsere Aufgaben in der Landschafts- und Stadtplanung verknüpfen wir mit den Projekten der Freiraumplanung: vom Großen ins Kleine, Details entwickeln, Atmosphäre schaffen.
Weitere Infos unter www.weinzierl-la.de.
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