Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung
Bei der Arbeitsgruppe für Tierökologie in Filderstadt-Harthausen legt man Wert auf Fachlichkeit, Kommunikation und Freude an der Arbeit. Dass der Spaß dabei nicht zu kurz kommt, zeigt nicht nur der Kicker im Gemeinschaftsraum. Auch der gesunde Sarkasmus von Inhaber Jürgen Trautner sowie von Anna Jungkunst und Johannes Mayer beim Gespräch mit der Redaktion lässt auf Humor schließen. Tatsächlich habe ich selten ein Interview geführt, bei dem so viel gelacht wurde wie an diesem sonnigen Tag im Juli.
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Mein suchender Blick geht eine Wohnstraße im eher beschaulichen Harthausen entlang. Nummer 22 – wie, hier soll ich richtig sein? Verabredet bin ich mit Jürgen Trautner, Firmeninhaber der Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung. Und tatsächlich: an der Tür das kleine Firmenschild. Irgendwie hätte ich hier kein so großes Büro erwartet – 19 Mitarbeiter sind hier insgesamt untergebracht.
Büroinhaber Jürgen Trautner ist das Paradebeispiel dafür, dass es nicht immer ein abgeschlossenes Studium braucht, um mit einer Idee erfolgreich zu sein. Beendet hat er sein Biologiestudium nämlich nie. Stattdessen machte er sich schon während seines Studiums selbstständig – und ließ den Abschluss schließlich sausen. „Das war damals auch ein Zeitpunkt, an dem ich an einem Buch gearbeitet habe und fertig werden musste“, erzählt er. „Da habe ich einfach andere Prioritäten gesetzt.“
Bereut hat er seinen Entschluss nicht. Schließlich konnte er sich auch so über 30 Jahre am Markt behaupten, 22 davon als alleiniger Inhaber des Büros. Gegründet hat er das Unternehmen ursprünglich zusammen mit einem Partner, Heiner Reck. „Die Aufgabenstellungen erforderten das damals“, erinnert Trautner sich. „Als Einzelner kam man nicht dahin, wo man hinkommen wollte.“ Die beiden Einzelkämpfer auf dem Gebiet der Tierökologie schlossen sich also zur Arbeitsgruppe zusammen – eine Spezialisierung, die sich auch nach dem Ausscheiden Recks aus dem Unternehmen fortführen sollte.
Roter Faden
„Tatsächlich haben wir uns von Anfang an entschieden, diesen Schwerpunkt beizubehalten. Tierökologische Fachbeiträge wurden damals verstärkt Gegenstand der Planung, während sie zuvor eher ein stiefmütterliches Dasein führten.“ Das erklärt auch, wieso auch heute noch kein einziger Vegetationsökologe das Team ergänzt, denn Trautner ist dem roten Faden treu geblieben. „Die gesamte Büroausrichtung ist gewollt, das ist schon ein Spezifikum“, meint er.
Der Büroinhaber selbst hat sich auf die Laufkäfer spezialisiert und auf die Insektenwelt im Allgemeinen. „Das ist einfach eine extrem artenreiche und sehr vielfältige Gruppe“, findet Trautner. „Ich bin halt nicht bei den Vögeln hängen geblieben“, neckt er seinen Kollegen Johannes Mayer, der mit am Tisch sitzt. Offensichtlich ein Insider zwischen den beiden – die beiden kommen aus dem Lachen kaum heraus.
Mayer wurde, wie viele seiner Kollegen, schon sehr früh infiltriert. Neun Jahre war er alt, als er die Artengruppe der Vögel für sich entdeckte. Für ihn war klar: Studiert wird aber etwas anderes. „Ich wollte mein Hobby behalten und habe deshalb Geografie studiert“, erzählt er. Doch dann empfahl ein Kommilitone das Harthäuser Büro. Ein Praktikum und ein Minijob folgten und schließlich schrieb er auch seine Diplomarbeit hier. „Und dann haben wir endlich Nägel mit Köpfen gemacht. So gesehen ist meine berufliche Laufbahn sehr glatt verlaufen“, meint Mayer, der inzwischen die stellvertretende Firmenleitung innehat, rückblickend.
Neben der Ornithologie arbeitete sich der Geograf dann schon bald in weitere Artengruppen ein, vor allem in das Makrozoobenthos. Denn keiner der Kollegen bearbeitet nur eine Gruppe. „Das Arbeitsfeld ist trotz der Beschränkung auf die Tierökologie äußerst vielfältig, allein schon durch die Vielzahl der unterschiedlichen Projekte“, erklärt er. „Das ist eine Herausforderung, die aus meiner Sicht aber auch ein Qualitätskriterium ist.“
Das hohe fachliche Niveau sieht er als Motivation. „Man arbeitet eben nicht nur Standardsachen ab. Da kann man sehr viel mitnehmen.“ Für den Büroinhaber Trautner liegt hier auch die hohe Mitarbeiterkonstanz des Unternehmens begründet. „Die meisten Kollegen haben ihre berufliche Laufbahn hier begonnen und sind auch immer noch hier“, erzählt er. „Und die wenigsten haben uns verlassen.“
Artenkenntnis ist ein Muss
Das breite Artenwissen, das durch das Büroprofil erforderlich ist, erschwert allerdings die Suche nach neuen Mitarbeitern merklich. „Es gibt einfach keine Ausbildung, die das produziert, was wir brauchen!“, betont Trautner. „Wenn die Leute nicht sozusagen vorgeschädigt sind, indem sie sich für eine bestimmte Gruppe interessieren, wird es schwierig.“
Das persönliche Engagement ist daher äußerst wichtiges Kriterium für neue Mitarbeiter des Büros. „Es braucht viel Eigenengagement, um sich ein Niveau der Artenkenntnis anzueignen, mit der man Fragestellungen professionell bearbeiten kann“, findet Johannes Mayer. Dabei sind die Mitarbeiter natürlich keineswegs auf sich allein gestellt. Denn nicht nur ist das Weiterbildungsangebot intern wie extern breit gefächert, auch an Literatur, analog wie digital, mangelt es im Büro keineswegs.
Gepflegt und entwickelt wird diese Bibliothek von Anna Jungkunst. Eigentlich Bankerin, kennt sie sich mit Struktur und Ordnung bestens aus. Sie kam vor drei Jahren zum Büro und arbeitet seitdem daran, Wissen und Abläufe in geregeltere Bahnen zu bringen. Gar nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag: „Wir kriegen es einfach nicht hin, dass der komplette Informationsfluss strukturiert verliefe“, gesteht Jürgen Trautner lachend ein.
Kommunikationsebenen
Immerhin gibt es regelmäßige Bürobesprechungen, um den Austausch der Teams auch in der Geländesaison sicherzustellen. Das dieser Austausch allerdings oft auch auf verschiedensten anderen Wegen stattfindet, ist Trautner mehr als bewusst. „Die Kommunikation läuft auf allen möglichen nicht formalisierten Ebenen, aber das ist extrem intensiv. Wir haben da einen sehr offenen Diskussionsstil.“ Und Anna Jungkunst ergänzt: „Gerade durch diese intensive Diskussion kann man sich ja auch weiterentwickeln.“
Auch an der Weiterentwicklung der eigenen Datenbestände und deren Struktur wird gearbeitet. Momentan werden alle die Ornithologie betreffenden Projekte eingepflegt. „Manchmal ergeben sich da in der Gesamtschau der Daten ganz neue Erkenntnisse“, erzählt Ornithologe Johannes Mayer.
Wissen vermehren
Dieses neu generierte Wissen will das Unternehmen keinesfalls für sich behalten. Daher publizieren die Mitarbeiter neben ihrer eigentlichen Arbeit auch viel in wissenschaftlichen Zeitschriften. Manchmal entstehen sogar eigene Bücher zu bestimmten Themen. „Wir sind aber kein reines Forschungsinstitut“, stellt Trautner klar. „Der Planungsbezug steht bei uns immer im Vordergrund.“ Finanziert werden solche Vorhaben in Teilen auch über das Büro und seine Projekte – auch aus Interesse, denn ein unmittelbarer Nutzen für das Unternehmen ergibt sich meist nicht. „Aber wir können von uns behaupten, das wir das Arbeitsfeld ein bisschen mitbestimmt, strukturiert und mitentwickelt haben“, meint er weiter. „Es ist eine Investition in den fachlichen Fortschritt im eigenen Arbeitsfeld.“
Doch nicht nur das Fachpublikum soll angesprochen werden. Auch die Öffentlichkeitsarbeit spielt eine wesentliche Rolle im Arbeitsalltag der Arbeitsgruppe. Viele der Mitarbeiter halten regelmäßig Vorträge bei Naturschutzorganisationen, Kommunen und anderen Gruppierungen, die das Büro gezielt anfragen. „Inzwischen können wir da nicht mehr alle Anfragen bedienen“, gibt Trautner zu. „Aber in einem gewissen Umfang machen wir das schon, auch aus persönlicher Überzeugung.“ Der Schwerpunkt des Büros solle es aber nicht werden, die tierökologischen Aspekte der Planung sollen auch weiterhin im Fokus stehen.
„Wir wollen einfach fachlich gute Arbeit leisten“, betont Trautner. Qualitativ hochwertige Fachbeiträge zu Projekten bedeuten allerdings nicht automatisch, dass auch das Projekt selbst ein Erfolg wird. „Es kommt immer wieder vor, dass Artenschutzmaßnahmen später nicht umgesetzt werden“, moniert er. „Dass man alles Planerische getan hat, um ein Projekt umzusetzen, und nachher findet die erforderliche Begleitung nicht statt.“ Hier fehle eine organisierte Steuerung und Überwachung von Umsetzung und Pflege, vor allem nach dem Monitoring. „Dazu braucht es aber auch die personelle Ausstattung bei den Behörden“, meint Trautner. „Aber die sind aus meiner Sicht einfach personell katastrophal ausgestattet!
Große Ziele
Der Firmeninhaber hat deshalb eine eigene Vision: Noch in diesem Jahr soll eine gemeinnützige GmbH gegründet werden mit dem Ziel, mit dieser Gesellschaft schwerpunktmäßig Artenschutzmaßnahmen umzusetzen. „Das werden wir langsam anfangen und sukzessive aufbauen“, erklärt er. „Im Vordergrund stehen dabei hochgradig bedrohte Arten mit wenigen Vorkommen oder mit so drastischen Rückgängen, dass wirklich akuter Handlungsbedarf besteht.“
Dabei soll das ganze Know-how des Unternehmens zum Tragen kommen. „Das werden keine Pseudo-Naturschutz-Standardmaßnahmen! Wir setzen konkrete Maßnahmen für bestimmte Arten um und monitoren das auch. Nur das interessiert uns.“ Naturschutz „fürs Auge“ kommt Trautner nicht in die Tüte. „Ein Kollege hat mal so schön gesagt: Für keine andere Art wird so viel gemacht wie für die Katz. Ein Zitat von seiner Oma, glaube ich.“ Und bei vielen Naturschutzmaßnahmen sei das tatsächlich der Fall.
Trautner und seine Kollegen denken hier anders. Mayer erklärt: „Es ist schon auffällig, das unsere Maßnahmen von dem, was man allgemein an Naturschutz wahrnimmt, oft abweichen. Der Fokus liegt bei uns eben nicht im allgemeinen Wohlfühlen in der Natur, sondern auf den Habitatansprüchen der Arten.“ Dass müsse dann auch nicht immer landschaftlich schön aussehen. „Für eine möglichst optimale Umsetzung gehen wir auch Konflikte ein“, sagt Jürgen Trautner. „Wir nehmen die unvermeidlichen Diskussionen auf uns. Aber wenn die Maßnahmen einfach umsetzbar wären, würden sie ja auch ständig gemacht.“ Kompromisse seien hier fehl am Platz, und genau das sei der Grund, dass es vielen Arten schlecht geht. „Eins muss man sich klarmachen“, erläutert Mayer diese Grundeinstellung. „Der Naturschutz, wie er die letzten 20 Jahre abgelaufen ist, hat ja wohl nicht funktioniert. Da ist es uns ein Grundanliegen, den Biodiversitätsschwund am Schopf zu packen.“
Neben der gGmbH trägt Jürgen Trautner diese Grundprinzipien auch auf anderem Weg in die Öffentlichkeit: Gerade schreibt er wieder ein Buch. Es trägt den Titel „Artenschutz“. Und wie schon zu Gründungszeiten der Arbeitsgruppe Tierökologie und Planung setzt er auch heute wieder Prioritäten: „Zeitlich schafft man das eigentlich gar nicht, aber irgendwie geht es ja dann doch. Man muss eben die verfügbare Zeit nutzen. Das heißt, also auch die nächtlich verfügbare Zeit.“
BetriebsDaten
Gründung: 1987
Auftraggeberstruktur: 60 % öffentliche Hand, 20 % gewerblich, 15 % Wohnungsbau, 5 % Umweltverbände
Mitarbeiter: 19, davon 7 Biologen/Ökologen, 1 Landschaftsarchitekt, 9 Geografen, Forstwissenschaftler und Landschaftsökologen, 2 Verwaltungsangestellte
Tätigkeitsfelder: Kartierung, Landschaftsplanung, Objektplanung, Umweltverträglichkeitsprüfung, FFH-Verträglichkeitsprüfung, FFH-Grunddatenerfassung, Umweltbaubegleitung, Raumordnungsplanung, Eingriffsregelung, Forschung
Philosophie
„Auf dem Gebiet der Tierökologie möchten wir fachlich gute Arbeit leisten, die Umsetzung von sinnvollen Artenschutzmaßnahmen vorantreiben und dies auch kommunizieren.“
Weitere Infos
Unter www.tieroekologie.de gelangen Sie zur Homepage des Büros.
Buchhinweis:
Jürgen Trautner: Artenschutz. Rechtliche Pflichten, fachliche Konzepte, Umsetzung in der Praxis. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
Das Buch wird Anfang 2020 erscheinen.
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