Gewachsen am Artenschutz
Über 30 Jahre besteht das Büro Bioplan nun schon. Gegründet in Marburg, verteilen sich die Kompetenzen heute auf die Universitätsstadt an der Lahn (Hessen) und den Hochschulstandort Höxter an der Weser (NRW). Geschäftsführer Burkhard Beinlich stellt uns das Büro vor.
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Es ist etwas über drei Jahre her, seit ich zuletzt hier war, damals noch als etwas schüchterne Studentin, gerade im Begriff, ihre Bachelorarbeit zu schreiben. In der schmalen gepflasterten Gasse hat sich eigentlich nichts verändert. Genau wie vor drei Jahren öffnet sich bereits beim Einparken die Eingangstür des Büros von Bioplan und ein freundlich lächelnder Herr mit hellem Hemd und weißem Bart kommt mir entgegen. Der Mann ist Burkhard Beinlich, seines Zeichens Biologe, Dozent und Buchautor.
Angefangen hat alles mit Naturschutzplanungen. Anfang der 80er-Jahre begannen acht Marburger Biologiestudenten gemeinsam für die Regierungspräsidien als Höhere Naturschutzbehörden Ausweisungsgutachten für Naturschutzgebiete und Pflegepläne zu schreiben. Was als lockerer Zusammenschluss begann, wurde schon wenige Jahre später in eine feste Form gefasst: 1986 wurde eine GbR gegründet und fortan arbeiteten die acht Gründer unter dem Schirm des Büros Bioplan. „Das war eine sehr flexible Geschichte. Einige von uns haben in der Anfangszeit promoviert, dementsprechend haben dann manche mehr im Büro gearbeitet, andere weniger“, meint Burkhard Beinlich. „Das hat sich dann erst Ende der 80er allmählich verfestigt.“
„Bis in die 90er-Jahre waren wir wirklich sehr naturschutzorientiert“, erinnert er sich weiter. „Was natürlich – im Vergleich zur Eingriffsplanung – auch eine schönere Aufgabe ist. Meistens zumindest.“ Manchmal gab es aber auch kritische Situationen, gibt er zu, vor allem, wenn unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallten und sich die Gemüter bei öffentlichen Informationsveranstaltungen zu umstrittenen Naturschutzvorhaben allzu schnell erhitzten. „Aber das war schon eher die Ausnahme.“
Mit der Wende wandelte sich allmählich der Aufgabenbereich des jungen Büros. Vermehrt nahmen die Marburger Aufträge aus den östlichen Bundesländern an und peu à peu rückte der Fokus vom reinen Naturschutz hin zur Landschaftsplanung. „Wir waren aber acht Biologen und damit für das neue Aufgabengebiet nicht wirklich ausgebildet.“ Diese Erkenntnis implizierte zwei wesentliche Veränderungen: Ein neuer Standort musste her und außerdem mussten Landschaftsplaner eingestellt werden. Aufgebaut wurde das neue Büro in Höxter, einer Kreisstadt in Ostwestfalen. Der wesentliche Standortfaktor: die Hochschule Ostwestfalen-Lippe, heute Technische Hochschule OWL. Udo Spellerberg, selbst Landschaftsarchitekt und einer der Gesellschafter, trug wesentlich dazu bei, den Standort aufzubauen, und durch die Hochschule – dort hat Udo Spellerberg ebenfalls studiert – konnten unter den Absolventen schnell neue Mitarbeiter gewonnen werden.
Heute gestaltet sich die Mitarbeitersuche deutlich schwieriger. Vor allem im Artenschutz versierte Leute mit Berufserfahrung sind schwer nach Höxter zu locken“, gibt Beinlich zu. „Für den Standort in der Universitätsstadt Marburg sieht es da wesentlich besser aus, aber in Höxter ist es vielen tatsächlich zu ländlich.“ Absolventen der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) sind da schon leichter zu bekommen. „Das Problem ist allerdings, dass die Ausbildung nicht unbedingt das bietet, was wir vorrangig brauchen“, moniert der Biologe. „Die organismische Biologie, die Artenkenntnis, spielt an der TH leider nur eine untergeordnete Rolle!“ Im Rahmen seiner Lehraufträge kann er aber diejenigen, die ein spezielles Interesse an der Tierökologie beziehungsweise dem Artenschutz haben, abholen und nicht wenige von ihnen schreiben ihre Abschlussarbeiten zu spezifischen tierökologischen Themen, sodass sich letztlich doch immer wieder gute Gelegenheiten ergeben, Mitarbeiter anzuwerben.
Die Nähe zur Lehre beeinflusst das Büro beziehungsweise die beiden Bürostandorte auch in anderer Weise. Durch die gegebenen Kontakte zu den Hochschulen entwickelten sich die beiden Standorte von Bioplan unabhängig voneinander in zwei verschiedene Richtungen: Während in Marburg mit den Gesellschaftern Dr. Wolfgang Klein und Ronald Polivka weiterhin Artenschutzgutachten, Artkartierungen sowie Pflege-, Entwicklungs- und Managementpläne einen Arbeitsschwerpunkt des Büros darstellen, bearbeiten die Kollegen in Höxter, neben Beinlich mit den Gesellschaftern Rainer Hozak und Udo Spellerberg, beide Landschaftsarchitekten, vornehmlich die Aufgabenfelder rund um die klassische Landschaftsplanung. „Damit sind wir eigentlich sehr gut aufgestellt“, fasst Beinlich zusammen. „So bearbeitet jeder das Themenfeld, das ihm am besten liegt, natürlich auch in gemeinsamen Projekten.“ Die Kollegen in Marburg sind dabei durch die Nähe zur Universität immer wieder in Forschungsvorhaben involviert, beispielsweise zur Schlaggefährdung von Seeadlern an Windenergieanlagen an der Ostsee. „Da ist Marburg momentan wissenschaftlicher orientiert als Höxter“, stellt der Biologe fest. „Wobei auch wir in der Vergangenheit an mehreren großen Forschungsvorhaben, zum Teil in leitender Funktion, mitgearbeitet haben.“
Die Crux mit der Windenergie
Derzeit wird ein großer Teil der Umsätze im Themenfeld Erneuerbare Energien erwirtschaftet. Beinlich ist sich der schwierigen Situation für Artenschutzgutachten im Rahmen der Windenergie bewusst, sieht auch die rechtlichen Risiken. „Es gibt zahlreiche Leitfäden zur Windenergie, die den rechtlichen Rahmen für die Erhebung der Daten und deren Auswertung vorgeben.
Die Dynamik in der Natur wird durch die Vorgaben aber nicht hinreichend abgebildet – die Planungen sind dagegen eher statisch. Hinzu kommt, dass die Anforderungen der Genehmigungsbehörden sich während eines Verfahrens im ungünstigen Fall mehrfach ändern können mit der Folge, dass die Planungsprozesse immer wieder ins Stocken kommen und sich über lange Zeiträume erstrecken. Weiterhin ist die Windenergie in der Öffentlichkeit hart umkämpft – bis hin zu persönlichen Anfeindungen!“
Da wundert es nicht, dass das Büro dankbar für Angebotsanfragen außerhalb dieses Arbeitsfeldes ist. „Zudem ist es einfach wichtig, breit aufgestellt zu sein“, betont der Biologe. Deshalb gilt es, auch die anderen Geschäftsfelder sorgsam zu pflegen und Aufträge nicht aus den Augen zu verlieren, die fachlich besonders interessant erscheinen – und für die schon mal „mit spitzer Feder“ kalkuliert wird, damit das Büro sie bearbeiten darf. Und schließlich soll das Thema Forschung und Erprobung von Landschaftspflegemaßnahmen wieder stärker in den Vordergrund rücken.
Unterstützung für bestimmte Artengruppen holt sich das Büro bei Bedarf von außen: Zum einen werden dafür ausgewiesene Fachleute engagiert, zum anderen arbeitet Bioplan regelmäßig mit anderen Büros zusammen. „Grundsätzlich sind wir in der Lage, die meisten nachgefragten Themenbereiche mit unseren fest angestellten Mitarbeitern abzudecken“, erklärt Beinlich. „Dies ist für uns aber nur im Umkreis von rund 100 km um die Bürostandorte ökologisch vertretbar und wirtschaftlich. Für Aufträge in entfernteren Regionen Deutschlands greifen wir auf Externe zurück.“
Tüftler am Werk
Der Forschungsbezug des Unternehmens spiegelt sich nicht nur in der Mitarbeit bei Forschungsvorhaben oder in der Dozententätigkeit des Geschäftsführers und von Mitarbeitern wider. Auch in der Planung wird immer wieder nach individuellen Lösungen gesucht. Einer der jüngeren Kollegen, Jonas Hoeps, zeigt mir nach meinem Besuch im Höxteraner Büro ein Beispiel aus der Praxis: einen 9 km langen Korridor für die Schlingnatter und andere Reptilien im Zuge einer CEF-Maßnahme bei Baumaßnahmen an der B 64. Hoeps war von Beginn an an der Planung beteiligt und tüftelte mit Beinlich und der Kollegin Haus-Maciej gemeinsam aus, wie die Zerschneidung des Korridors vermieden werden kann. Dabei entwickelten die drei unter anderem einen Reptiliendurchlass unter einer Straße: lichtdurchflutet, ohne die Gefahr eines Wassereinstaus und warm genug, dass die Reptilien ihn nutzen können. Ob er funktioniert? Das werden die Beobachtungen der nächsten Jahre zeigen. Ob Erfolg oder Misserfolg, kommunizieren wollen die drei ihre Erfahrungen auf jeden Fall. In Publikationen wie bei Netzwerktreffen mit Experten, das Wissen soll weitergegeben und weiterentwickelt werden. Nur so kann Planung langfristig besser werden, davon ist Jonas Hoeps überzeugt.
Auch in seiner Freizeit sucht er das Gebiet gern mal auf, kontrolliert die Maßnahmenflächen auf Vorkommen von Schlingnattern und Zauneidechsen. „Das ist nicht ungewöhnlich bei uns“, gibt er zu. „Wir treffen uns oft in der Freizeit, und wenn wir gerade an einer Projektfläche vorbeikommen, schaut man halt mal nach.“ Das spricht für die flache Hierarchie, die im Büro gepflegt wird. Das Team versteht sich tatsächlich als solches, und Eigenengagement scheint hier Selbstverständlichkeit zu sein. „Das war für mich auch der Grund, nach meinem Praktikum im Büro zu bleiben, nicht meinen Master zu machen“, erzählt der junge Mann, der in Höxter studiert hat und so das Büro kennengelernt hat. „Ich sehe hier gute Entwicklungschancen, auch ohne Masterabschluss.“ Wir haben bei einer gemeinsamen Begehung an den Monitoringspots allerdings Pech und finden keine Schlingnattern – denen dürfte es an diesem Tag unter den künstlichen Verstecken aus schwarzen Pappen schlichtweg zu heiß sein.
Entwicklungspotenzial
Aber zurück zu Burkhard Beinlich ins kühle Büro. Auch ihm ist, als wir auf das Thema Entwicklung zu sprechen kommen, das Thema Weiterbildung sehr wichtig. Neben den flachen Hierarchien und dem lockeren Umgangston sieht Beinlich die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten jedes Einzelnen als wichtigen Pluspunkt für beide Büros. „Wir möchten, dass die Leute sich fortbilden und stellen dafür Zeit zur Verfügung.“ Das geht vom Elektrofischereischein bis hin zu Fledermausworkshops, ganz nach Interesse der Mitarbeiter. Darüber hinaus werden immer wieder Exkursionen in verschiedene Gebiete organisiert. Das bietet die Möglichkeit, mal über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen – die Ornithologen kartieren dann mal Pflanzen und die Botaniker dürfen in die Amphibienwelt reinschnuppern. Aber es wird auch mal gegolft oder gepaddelt – und das natürlich gemeinsam mit beiden Büros.
Hinzu kommt, dass Mitarbeiter sich während der Arbeitszeit in neue Themenfelder einarbeiten dürfen, in bestimmte Insektengruppen beispielsweise. Das wird gerade ausdrücklich bewiesen, denn während Burkhard Beinlich sich mit mir unterhält, sitzt im Raum noch eine junge Mitarbeiterin am Binokular – sie übt sich gerade in der Bestimmung von Schwebfliegen. „Genau das brauchen wir im Büro. Diese Referenzen bringen das gesamte Büro weiter“, betont Beinlich.
Das Konzept scheint aufzugehen, denn die Fluktuation ist eher gering – und das liegt nicht nur am Kuchen, den Beinlichs Frau oder die Mitarbeiter gern mitbringen. „Wir sind ein sehr familienfreundliches Unternehmen, denke ich“, sinniert der Biologe. „Wir haben viele Leute in Elternzeit. Das ist zwar nicht immer ganz einfach zu managen, aber wir bemühen uns immer, eine unbürokratische Lösung zu finden.“ Individuelle Lösungen sind also nicht nur in der Planung gelebte Praxis.
Zukunftsmusik
Die persönliche Entwicklung ist auch stark auf die Zukunft des Büros ausgerichtet: Die Unternehmensnachfolge ist bereits jetzt ein großes Thema. „Wir haben potenzielle Nachfolger“, erzählt Beinlich. „Wir möchten uns die Zeit nehmen, diese entsprechend vorzubereiten.“ Sie alle kommen aus dem gewachsenen Mitarbeiterstamm – und zwar aus beiden Bürostandorten. Welche Schwerpunkte dann gesetzt werden, bleibt offen. Beinlich und die anderen Gesellschafter werden „den Jungen“ mit Sicherheit beratend zur Seite stehen. „Und ich gehe dann endlich mal meinem Hobby nach: der Biologie“, schließt Beinlich lachend.
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Betriebsdaten
- Gründung: 1986
- Büropartner: 5
- Mitarbeiter: 28, davon 13 Landschaftsplaner/-architekten, 1 Geograf, 1 Umweltingenieurin, 12 Biologen/Ökologen, 1 Verwaltungsangestellte
- Schwerpunkte: Naturschutzplanungen und Kartierungen, Landschaftsplanung, Umweltgutachten, landschaftspflegerische Begleitplanung, Artenschutz, ökologische Baubegleitung, Forschung und Umweltbildung, Rohstoffgewinnung, Gewässer
Philosophie
„Wir versuchen, die Belange des Arten- und Naturschutzes zusammenzubringen mit den berechtigten Belangen der Menschen. Wobei im Einzelfall auch mal die Belange der gefährdeten Arten schwerer zu gewichten sind.“
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... finden Sie unter Webcode NuL4906 und unter www.lebendige-luppe.de
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