
Bambus vor Gericht
Seit es Nachbarn gibt, gibt es auch Nachbarstreitigkeiten, die nicht selten vor den Gerichten landen. Das wusste schon der römische Jurist Ulpian, der um 200 n. Chr. formulierte: „Auf seinem Boden ist es dem einen erlaubt, soweit zu handeln, solange er nicht auf fremden Grund einwirkt.“ Ganz in diesem Sinne ist in § 903 Satz 1 BGB der Grundsatz geregelt, dass der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. Doch muss der Nachbar auch dulden, wenn auf dem angrenzenden Grundstück eine neu gepflanzte Bambushecke schnell in die Höhe wächst und sechs bis sieben Meter erreicht?
von Dr. Dietrich Kratsch erschienen am 03.07.2025Ein Rückschnitts- und Unterlassungsanspruch kann sich aus § 1004 Abs. 1 BGB ergeben, wenn gesetzlich geforderte Grenzabstände nicht eingehalten werden. Damit hatte sich der BGH in seinem Urteil vom 28. März 2025, V ZR 185/23, zu befassen. Die Parteien des Rechtsstreits sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Hessen. Auf dem Beklagtengrundstück befindet sich seit den 1960er-Jahren entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine Aufschüttung, die durch eine 28 m lange Mauer aus Betonprofilen (L-Steinen) abgestützt wird. Im Jahr 2018 pflanzte die Beklagte auf der Aufschüttung Bambus an und verbaute zum Nachbargrundstück eine Rhizomsperre, welche die Ausbreitung des Bambus verhindern sollte. Der Bambus hat zwischenzeitlich eine Höhe von mindestens sechs bis sieben Metern erreicht. Mit seiner im Jahr 2021 eingereichten Klage verlangt der Kläger den Rückschnitt des Bambus auf eine Wuchshöhe von 3 m, gemessen vom Bodenniveau des klägerischen Grundstücks. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben, das OLG Frankfurt/Main sie abgewiesen, aber die Revision zugelassen. So kam der Fall zum BGH.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob „Gesetze oder Rechte Dritter“ die Höhe der Bambushecke begrenzen, ist das Nachbarrecht. Dieses ist Landesrecht, das hinsichtlich Höhe und Abstand in den verschiedenen Bundesländern zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.
Im Nachbarrecht gibt es unterschiedliche Regelungen zu „Hecken“ und „Bäumen und Sträuchern“. Daher hatte sich der BGH zunächst damit zu befassen, was eine Hecke ist und ob es für die Höhe von Hecken eine Obergrenze gibt. Der Begriff der „Hecke“ ist gesetzlich nicht definiert. Im Wesentlichen besteht jedoch Einigkeit, dass unter einer Hecke eine Gruppe gleichartig wachsender Gehölze zu verstehen ist, die in langer und schmaler Erstreckung aneinandergereiht sind und nach ihrem äußeren Erscheinungsbild einen geschlossenen Eindruck als Einheit vermitteln. Erforderlich ist, dass mit den Anpflanzungen eine Höhen- und Seitenbegrenzung sowie ein Dichtschluss erreicht wird, wobei es ausreicht, dass Letzterer erst durch das Pflanzenwachstum entsteht. Es kommt nicht darauf an, aus welchen Gehölzen eine Hecke besteht. Ebenso wenig ist die botanische Zuordnung zu den Gehölzen entscheidend, weshalb auch der botanisch zu den Süßgräsern zählende Bambus eine Hecke bilden kann. Ob der Begriff der „Hecke“ auch eine Höhenbegrenzung umfasst, wird in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Der BGH entschied sich nach ausführlicher Diskussion gegen eine Höhenbegrenzung.
Daher waren für die Entscheidung die Regelungen für Hecken im hessischen NachbG maßgeblich: Nach § 39 Abs. 1 NachbG HE ist bei dem Anpflanzen lebender Hecken mit bis zu 1,2 m Höhe ein Abstand von 0,25 m, mit bis zu 2 m Höhe ein Abstand von 0,5 m und mit über 2 m Höhe ein Abstand von 0,75 m von dem Nachbargrundstück einzuhalten. Entscheidend war somit die Situation vor Ort. Die Beklagte hatte angegeben, die Rhizomsperre 0,75 m von der Grundstücksgrenze entfernt angebracht zu haben. Allerdings hatte der Kläger ausgeführt, diese verhindere die Ausbreitung des Bambus nur unzureichend, mittlerweile gebe es auch Ausläufer in seinem Garten. Das OLG hatte den Sachverhalt zu diesem entscheidenden Punkt nicht hinreichend aufgeklärt, deshalb hat der BGH den Fall an das OLG zurückverwiesen.
Falls das OLG zum Ergebnis kommen sollte, dass der Abstand der Hecke von der Grenze 0,75 m unterschreitet, stellt sich die Frage, von welchem Punkt die Höhe der Hecke zu messen ist, vom Austritt der Pflanzen aus dem Boden oder von der – infolge der Aufschüttung – niedrigeren Grundstücksgrenze. Der BGH gab dazu vor: „Wird eine Hecke auf einem Grundstück gepflanzt, das höher liegt als das Nachbargrundstück, ist die nach den Landesnachbargesetzen zulässige Heckenhöhe grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der die Anpflanzungen aus dem Boden austreten. Erfolgt hingegen im zeitlichen Zusammenhang mit der Anpflanzung eine (künstliche) Erhöhung des Grundstücksniveaus im Bereich der Grundstücksgrenze, ist davon abweichend das ursprüngliche Geländeniveau maßgeblich.“ Im konkreten Fall ist dies für den Kläger ungünstig, da die Aufschüttung schon Jahrzehnte vor der Bambuspflanzung erfolgt war. Für den umgekehrten Fall, dass die Hecke auf dem tiefer gelegenen Grundstück wächst, gibt es ebenfalls eine Entscheidung des BGH (Urteil vom 2. Juni 2017 – V ZR 230/16), wonach die zulässige Pflanzenwuchshöhe von dem höheren Geländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen ist.
Auch bei Einhaltung des Grenzabstands gibt es unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses das Korrektiv der „ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen“. Der Kläger hatte dazu vorgetragen, die Bambusanpflanzung bilde zusammen mit der Aufschüttung eine zehn Meter hohe Wand, die die freie Aussicht vom ersten und zweiten Obergeschoss und sogar vom Dachgeschoss seines Wohnhauses behindere; er blicke vielmehr auf eine „grüne Wand“ beziehungsweise gegen einen „Bambuswald“; dies gleiche einer Einmauerung. Ob dies eine ungewöhnlich schwere und nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung für den Kläger darstellt, hat das OLG bei seiner erneuten Entscheidung in tatrichterlicher Würdigung zu beurteilen.
Vielleicht erfahren wir den Fortgang und Abschluss des Verfahrens aus der Presse – wenn sich die Parteien nicht vorher einigen.
Abschließend ist eine Übersicht über die grundlegenden Heckenregelungen im Nachbarrecht der Bundesländer zusammengestellt, dabei ist im Einzelnen eine Reihe von Ausnahmen und Sonderregelungen zu beachten. In der Regel tritt nach Ablauf einer Frist eine Duldungspflicht ein. Soweit Bebauungspläne spezielle Regelungen für Einfriedungen und Hecken enthalten, sind diese zu beachten.
- Baden-Württemberg: Bei Hecken bis zu einer Höhe von 1,80 m ist ein Abstand von 0,50 m zu wahren. Bei Hecken mit einer Höhe von mehr als 1,80 m gilt ein Mindestabstand von 0,50 m plus der jeweiligen Mehrhöhe (§ 12 NachbG).
- Bayern: Der Nachbar kann verlangen, dass bei Hecken ein Mindestabstand von 0,5 m oder, falls sie über 2 m hoch sind, von 2 m eingehalten wird (Art. 47 AGBGB).
- Berlin: Bei Hecken bis zu 2 m Höhe ist ein Abstand von 0,5 m, bei Hecken über 2 m Höhe von 1,0 m einzuhalten (§ 28 NachbG).
- Brandenburg: Für Hecken über 2 m Höhe beträgt für jeden Teil der Anpflanzung der Abstand mindestens ein Drittel seiner Höhe über dem Erdboden (§ 37 BbgNRG). Hessen: Bei Hecken bis zu 1,2 m Höhe ist ein Abstand von 0,25 m, bei Hecken bis zu 2 m Höhe von 0,5 m, bei Hecken über 2 m Höhe von 0,75 m einzuhalten (§ 39 Abs. 1 NachbG).
- Niedersachsen: Es gelten gestaffelte Abstandsregelungen für Bäume, Sträucher und Hecken; bei einer Wuchshöhe bis zu 1,2 m Höhe 0,25 m Abstand, bis zu 2 m Höhe 0,50 m Abstand, bis zu 3 m Höhe 0,75 m Abstand, bis zu 5 m Höhe 1,25 m Abstand, bis zu 15 m Höhe 3,0 m Abstand, über 15 m Höhe 8,0 m Abstand (§ 50 NNachbG).
- Nordrhein-Westfalen: Bei Hecken bis zu 2 m Höhe ist ein Abstand von 0,5 m, bei Hecken über 2 m Höhe ein Abstand von 1,0 m einzuhalten (§ 42 NachbG).
- Rheinland-Pfalz: Hecken haben folgende Abstände einzuhalten: Heckenhöhe bis 1 m 0,25 m Abstand; Heckenhöhe bis 1,5 m 0,50 m Abstand; Heckenhöhe bis 2,0 m 0,75 m Abstand. Bei einer Heckenhöhe über 2,0 m ist ein um das Maß der Mehrhöhe größerer Abstand einzuhalten (§ 45 LNRG).
- Saarland: Bei Hecken bis 1,0 m ist ein Abstand von 0,25 m, bei Hecken bis 1,5 m Höhe ein Abstand von 0,5 m, bei Hecken über 1,5 m Höhe ein Abstand von 0,75 m einzuhalten (§ 49 NachBG).
- Sachsen: Bei Hecken bis 2,0 m ist ein Abstand von 0,5 m, bei Hecken über 2 m Höhe ein Abstand von 2,0 m einzuhalten (§ 8 SächsNRG).
- Sachsen-Anhalt: Ähnlich wie in Niedersachsen, aber ab 15 m Höhe gilt ein Abstand von 6 m (§ 34 NachbarG).
- Schleswig-Holstein: Mit Anpflanzungen, unter anderem auch Hecken von über 1,20 m Höhe ist ein solcher Abstand zum Nachbargrundstück einzuhalten, dass für jeden Teil der Anpflanzung der Abstand mindestens ein Drittel seiner Höhe über dem Erdboden beträgt (§ 37 NachbG).
- Thüringen: wie Rheinland-Pfalz (§ 45 ThürNRG). Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern: Keine gesetzliche Regelung
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