Das Grünland des ökologischen Landbaus in Bayern
Abstracts
Die Gesellschaft erwartet auf ökologisch bewirtschafteten Flächen automatisch eine höhere Biodiversität. Basierend auf den vegetationskundlichen Untersuchungen des Grünlandmonitorings Bayern und den Angaben zu Agrarumweltmaßnahmen (AUM) haben wir Grünlandbestände, die nach den Vorgaben des Kulturlandschaftsprogramms „Ökologischer Landbau“ bewirtschaftet wurden, mit solchen verglichen, die keiner AUM unterlagen. Tatsächlich konnten wir signifikante Unterschiede bei naturschutzfachlichen Parametern wie Pflanzenartenzahl, Anteil Kräuter oder Anzahl gefährdeter Arten feststellen. Die höhere Artenvielfalt im Ökogrünland wird relativiert, wenn man das gesamtbayerische Grünland zum Vergleich heranzieht. Dann liegt der Ökolandbau kaum über dem bayerischen Mittelwert, weil auch andere AUM im konventionellen Bereich mit erhöhten Artenzahlen verbunden sind. Grundsätzlich streut die Artenzahl im Ökogrünland sehr stark; einerseits wegen abgestufter Wiesennutzung, um die begrenzten Düngermengen optimal einzusetzen, andererseits weil Grünland, das durch jahrzehntelange intensive Bewirtschaftung an Arten verarmte, durch extensives Wirtschaften nicht sofort artenreich werden kann. Auch die ergebnisorientierten AUM zum Erhalt von artenreichem Grünland stellen für Ökobetriebe kaum einen Anreiz dar, weil die Prämie nicht zur Ökoprämie addiert wird, sondern nur die jeweils höhere Prämie ausbezahlt wird.
Grassland on organic farms in Bavaria – How valuable is it for nature conservation?
Many people expect organic farming practices to be particularly environmentally and ecologically beneficial. Because of the big variety of agri-environmental schemes (AES) besides organic and conventional farming, there are many kinds of farming practices in between. Based on vegetation data from the „Bavarian Grassland Survey” and on information concerning AES, swards which were managed according to the rules of AES „Organic Farming” were compared with grassland swards with-out any AES. Plant species richness was significantly higher in organic grassland, as well as the portion of herbs in the yield and the number of endangered species. Compared to all plots of non-organic Bavarian grassland, the organically managed swards were slightly more diverse. Generally, the variation in species richness within organic grassland was large; this is probably because of the stepped management for an optimal usage of limited fertilizer on the one hand, or because long-term intensively used and therefore species poor grassland won‘t immediately become more diverse after reducing farming intensity. Unfortunately, result-oriented AES to protect species rich grassland are not relevant for organic farms as the premiums for different AES were not added up; farmers will only get the difference between the premiums of the AES „organic farming“ and „Protection of species-rich grassland“.
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1 Einleitung
Dass Biodiversität wichtig, aber leider rückläufig ist, ist aktuell in aller Munde. Mit der zunehmenden Flächenkonkurrenz kann man kaum auf die Ausweitung von Naturschutzgebieten hoffen, um die Artenvielfalt zu fördern. Der Schutz und die Wiederherstellung von Artenvielfalt und die Vernetzung von Habitaten müssen großräumig, also auf landwirtschaftlichen Nutzflächen erfolgen. Im Rahmen der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wird die Erhaltung und Vermehrung hochwertigen Grünlandes gefordert, um den Verlust an Artenvielfalt zu stoppen (BMU 2011). Auch der Wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nannte bereits 2011 Grünland als Schlüsselthema zur Erhaltung der Agrobiodiversität (Feindtet al. 2011) und forderte eine Grünlandstrategie zur Erhaltung artenreichen Grünlandes (Gerowittet al. 2013). In Bayern ist die Grünlandfläche in den letzten 50 Jahren um ein Drittel zurückgegangen (in den letzten 20 Jahren noch um 15 %). Sie macht noch 30 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. 15 % des bayerischen Grünlandes werden ökologisch bewirtschaftet (BayStMELF 2018).
Tatsächlich gehören Wiesen und Weiden zu den weltweit artenreichsten Lebensräumen (Wilsonet al. 2012) – allerdings nicht automatisch. Intensiv genutztes Grünland kann in Bayern auf 25 m² lediglich nur drei Arten aufweisen (Heinzet al. 2015). Laut BfN-Grünlandreport (2014) sind „magere Flachlandmähwiesen“ in schlechtem und sich weiter verschlechterndem Zustand. Bedingt durch die variablen Standortbedingungen können Grünlandbestände sehr unterschiedlich aussehen. Allerdings hat sich auch diese Vielfalt der Pflanzengemeinschaften durch die Homogenisierung der Standorte beziehungsweise durch Bewirtschaftungsaufgabe oder -intensivierung (zum Beispiel Ackernutzung) in den letzten Jahrzehnten reduziert.
Abgesehen von seinem Beitrag zur Landschaftsästhetik bietet artenreiches Grünland durch seine größere Kräuter- und damit meist auch Blütenvielfalt mehr Nahrung für blütenbesuchende Insekten. Eine höhere botanische Diversität im Grünland wirkt sich aber nicht nur positiv auf Habitate von Insekten und anderen Wildtieren aus, sondern hat durchaus auch positive landwirtschaftliche Aspekte. Artenreiche Bestände sind weniger empfindlich gegen Trockenheit (Klauset al. 2013, 2016), was mit fortschreitendem Klimawandel immer wichtiger werden kann. Zudem reduzieren sie Stickstoffverluste (Kleinebeckeret al. 2014) und zeigen eine höhere Nutzungselastizität und Vielfalt an mineralischen Nährelementen. So sind Grünlandaufwüchse mit höherem Glatthaferanteil reicher an Magnesium (French 2017) und Kräuter steigern den Gehalt an Mineralstoffen im Futter (Pirhofer-Walzlet al. 2011). Und auch wenn der Energiegehalt nicht so hoch ist, kann der Aufwuchs von Zwei-Schnitt-Wiesen bis zu 80 % des Futters von bis zu zweijährigen Rindern oder bis zu 90 % von Milch- und Mutterkühen während der Trockenstehzeit betragen (ÖAG 2016) und hat somit seine Berechtigung im Betriebsablauf.
Im Rahmen der Forderungen nach mehr Artenvielfalt wird häufig der ökologische Landbau als Vorreiter dargestellt und auch die Verbraucher erwarten von einer ökologischen Produktion mehr Rücksicht auf Naturschutz und Biodiversität (BMELV 2017). Bedingt durch ihre Wirtschaftsweise gelten Betriebe des ökologischen Landbaus als prädestiniert dafür, Artenvielfalt auf ihren Flächen zu erhalten und zu fördern. Eingeschränkte Möglichkeiten bei Düngung und Pflanzenschutz könnten bessere Chancen für eine höhere Diversität bieten. Zusätzlich zur Stickstofflimitierung bescheinigenDiepolderet al. (2004) dem Ökogrünland, häufig mit Phosphat (P) unterversorgt zu sein, was vor allem für Leguminosen problematisch ist (Mahnkeet al. 2016), die gerade im Ökogrünland für eine Verbesserung der Stickstoff- (N-)Versorgung zuständig sind. LautHölzel & Klaus(2017) ist Grünland aber vor allem dann artenreich, wenn zur N-Limitierung des Standortes auch noch eine P-Limitierung kommt. Das würde also für ein „grundsätzlich“ artenreicheres Ökogrünland sprechen. Für die Ackerbegleitflora auf Ökoäckern konnte eine höhere Vielfalt schon häufig bestätigt werden (Holeet al. 2005,Sander & Heß2019), aber für das Grünland gibt es durchaus kontroverse Ergebnisse (nein:Klauset al. 2013; ja:Mayeret al. 2008,Werking-Radtke&König2015; Abb. 1). Und auch Ökobetriebe müssen möglichst rentabel wirtschaften, also versuchen, ihre Erträge zu optimieren, was oft mit einer höheren Nutzungsintensität einhergeht (Pfister & Oppermann2019).
Daten aus dem Grünlandmonitoring Bayern (GLM) (Heinzet al. 2015,Kuhnet al. 2011) sollten Aufschluss darüber geben, ob in Bayern das Grünland, das nach den Grundsätzen des ökologischen Landbaus bewirtschaftet wird, tatsächlich naturschutzfachlich wertvoller ist als konventionell behandeltes Grünland. Da Pflanzenarten und -gruppen als Indikatoren für Nutzungs-, Standort- und naturschutzfachliche Parameter stehen, können mit den erhobenen Daten Aussagen hinsichtlich der landwirtschaftlich wichtigen Funktionen „Futterwert des Bestandes“ und „Stickstoffverfügbarkeit des Standortes“, aber auch hinsichtlich naturschutzfachlich relevanter Parameter wie „Artenvielfalt“, „Erhalt seltener Arten“ und „Futterquelle für Insekten“ getroffen werden. Unter Zuhilfenahme von Zusatzinformationen wie dem Viehbesatz des Betriebes konnte auch die Bewirtschaftungsintensität auf Betriebsebene berücksichtigt werden. Neben der Ausgangsfrage: „Ist das Grünland des ökologischen Landbaus naturschutzfachlich wertvoller als konventionell bewirtschaftetes?“ wird auch die Abhängigkeit der Bewirtschaftungsintensität einerseits und ihr Einfluss auf die Artenvielfalt andererseits untersucht. Am Schluss steht die Frage nach der Entwicklung des Artenreichtums im Ökogrünland unter den momentanen Rahmenbedingungen.
2 Material und Methoden
2.1 Datengrundlage
Im Rahmen des Grünlandmonitorings Bayern (Kuhnet al. 2011) wurden Wirtschaftsgrünlandflächen vegetationskundlich untersucht. Der Schwerpunkt lag auf Dauergrünlandflächen. Die Anzahl und Auswahl der Flächen für die Vegetationsuntersuchungen orientierten sich an den Flächenanteilen der unterschiedlichen Grünlandnutzungen (vor allem Wiesen, Weiden, Mähweiden) und der Agrarumweltmaßnahmen (AUM) an der Grünlandfläche auf Landkreisebene. Im ersten Untersuchungsdurchgang (2002 bis 2008) wurden insgesamt 6.108 Vegetationsaufnahmen auf Grünlandflächen durchgeführt. Für den zweiten Durchgang (2009 bis 2012) wurden daraus gezielt 2.485 Flächen für die Evaluierung von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) ausgewählt (Heinzet al. 2015). Im Mittel lagen fünf Jahre zwischen den beiden Aufnahmedurchgängen.
Für die hier vorgestellten Auswertungen wurden aus dem Grünlandmonitoring Bayern ökologisch bewirtschaftete mit konventionellen Grünlandflächen verglichen, die jeweils keinen (anderen) Bewirtschaftungsauflagen beziehungsweise AUM unterlagen. So ergab sich eine maximale Stichprobenzahl von 573 konventionellen und 275 Öko-Untersuchungsflächen (Abb. 2).
Auf dem ausgewählten Feldstück wurde eine repräsentative kreisförmige Fläche von 25 m² für die Vegetationsaufnahme ausgewählt (vgl.Dierschke1994). Der Kreismittelpunkt wurde mit einem Dauermagneten markiert und die GPS-Koordinaten (Gauß-Krüger-Koordinaten, Streifen 4) ermittelt. So kann die Fläche für Wiederholungsaufnahmen (Monitoring) wiedergefunden werden. Es wurde eine Liste aller Gefäßpflanzenarten und ihrer prozentualen Ertragsanteile (nachKlapp & Stählin1936) erstellt und das Verhältnis der Artengruppen – Gräser, Kräuter und Leguminosen – bestimmt. Weiterhin wurde der Heu-Ertrag (dt/ha) des Bestandes geschätzt.
Über die Koordinaten konnten die Vegetationsaufnahmen einem Feldstück und damit Informationen zur Nutzung, zur AUM und zur Besatzdichte (Großvieheinheiten pro Hektar [GV/ha]) des jeweiligen Betriebes (= Maß der Bewirtschaftungsintensität) für das Jahr der Vegetationsaufnahme zugeordnet werden (aus InVeKoS – Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem). Aus den Stickstoff-Zeigerwerten der Einzelarten nachEllenberget al. 2003 wurde ein entsprechend des Ertragsanteils der Arten gewichteter Bestandes-N-Zeigerwert ermittelt. Analog zu den Zeigerwerten wurden für die Aufnahmeflächen auch Bestandesnutzungswertzahlen nachBriemleet al. (2002) – Futterwert und Mahdverträglichkeit – berechnet. Weiterhin wurden Gruppen landwirtschaftlich besonders interessanter Arten gebildet. Einerseits wurden Arten, die oft zur Nachsaat empfohlen werden, zur Gruppe „erwünschte Arten“ ( Lolium perenne , Poa pratensis und Trifolium repens ) zusammengefasst und solche, deren Nutzen meist als gering eingeschätzt wird, die aber sehr häufig im Wirtschaftsgrünland vorkommen, als „unerwünschte Arten“ ( Taraxacum-officinale -Gruppe, Poa trivialis , Rumex obtusifolius , R. crispus , Elymus repens und Bromus hordeaceus ). Dagegen handelt es sich bei der Gruppe der „Giftpflanzen“ (Futterwert nachBriemleet al. 2002 = 1) um relativ seltene Arten. Auch aus naturschutzfachlich besonders interessanten Arten wurden Gruppen gebildet und ihre Ertragsanteile verglichen: die Kennarten der Agrarumweltmaßnahme „Erhalt artenreicher Grünlandbestände“ (Heinzet al. 2013, 2018) und die Arten der Gefährdungsstufen eins bis drei der Roten Liste der gefährdeten Arten Bayerns (BayLfU2003).
2.2 Auswertung und Statistik
Für die folgenden Auswertungen wurden zum einen Untersuchungsflächen des GLM Bayern berücksichtigt, die in beiden Aufnahmedurchgängen nach den Vorgaben des Kulturlandschaftsprogramms (KULAP) „Ökologischer Landbau“ bewirtschaftet wurden und ansonsten frei von Auflagen durch Agrarumweltmaßnahmen (AUM) waren; zum andern solche, die in beiden Durchgängen keinerlei Bewirtschaftungsauflagen hatten. Alle Flächen, die anderen Agrarumweltmaßnahmen unterlagen, wurden ausgeschlossen (Ergebnisse dazu sieheHeinzet al. 2015). Verwendet wurden jeweils die Daten des zweiten Aufnahmedurchgangs. Das gewährleistete, dass die Daten von Flächen stammten, die über mindestens fünf Jahre gleich bewirtschaftet wurden. In die Betrachtung der Entwicklung auf den Flächen flossen beide Aufnahmedaten ein. Die Stichprobengrößen sind jeweils in den Ergebnistabellen angegeben.
Die statistische Auswertung erfolgte mit SAS Enterprise Guide 4.3. Für den Vergleich zwischen den Gruppen wurde eine einfache Varianzanalyse durchgeführt, für den Vergleich der beiden Durchgänge die Prozedur t-Test. Die Signifikanz der Unterschiede wurde mit einem Tukey-Test mit 95%-Konfidenzgrenze geprüft.
3 Ergebnisse und Diskussion
Der Viehbesatz pro Hektar Betriebsfläche ist ein Indikator für die Bewirtschaftungsintensität eines landwirtschaftlichen Betriebes. Abb. 3 zeigt den Zusammenhang zwischen dem GV-Besatz der Untersuchungsbetriebe und der Artenzahl der untersuchten Grünlandflächen. Mit steigendem Viehbesatz des Betriebes nimmt die Artenzahl auf den Grünlandflächen ab. Da die Ökoprämie im Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm nur einen maximalen Viehbesatz von unter 2 GV/ha vorsieht, fehlen Ökogrünlandplots im höheren GV-Bereich. Nun stellt sich die Frage, ob mögliche höhere Artenzahlen im Ökogrünland (wie für Grünland in Nordrhein-Westfalen vonWerking-Radtke&König2015 oder für europäische und afrikanische Betriebe vonSchneideret al. 2014 nachgewiesen) rein auf die geringeren Besatzstärken zurückzuführen sind. Deshalb wurden die weiteren Auswertungen in drei Gruppen durchgeführt: Ökogrünlandflächen, konventionelles Grünland von Betrieben unter 2 GV/ha und konventionelles Grünland von Betrieben mit 2 GV/ha und mehr. Wie aus Tab. 1 ersichtlich, bestand trotzdem noch ein signifikanter Unterschied im GV-Besatz zwischen Ökobetrieben und den konventionellen Betrieben unter 2 GV/ha.
3.1 Landwirtschaftliche und naturschutzfachliche Kennzahlen im Vergleich
Die geschätzten Hektarerträge waren auf Flächen von konventionellen Betrieben mit GV-Besatz > 2 GV/ha am höchsten, waren aber auch auf konventionellem Grünland von Betrieben mit geringerer Besatzdichte signifikant höher als auf Ökogrünland (Tab. 1). Ebenso verhält es sich beim Futterwert, bei der mittleren N-Zahl (Ellenberg2003) und bei der mittleren Mahdverträglichkeit (Briemle2002) der Bestände. Die geschätzten Ertragsanteile der Artengruppen unterschieden sich zwischen Ökogrünland und konventionellen Flächen signifikant, nicht aber innerhalb der konventionellen Flächen. Dabei machten auf Ökoflächen die Leguminosen und Kräuter jeweils einen Anteil aus, der fast um 50 % höher lag als auf konventionellen Flächen. Der Anteil der aus landwirtschaftlicher Sicht häufigen unerwünschten Arten war im Ökogrünland deutlich niedriger als im konventionellen Grünland, während es bei den erwünschten Arten keinen Unterschied innerhalb der niedrigen GV-Klasse gab. Der Ertragsanteil der – zum Großteil seltenen – Giftpflanzen war auf den Ökoflächen höher, allerdings machten sie auch hier nur auf knapp 4 % der Flächen mindestens 5 % des Ertrags aus. Was die Pflanzenartendiversität angeht, lag die Artenzahl im Ökogrünland deutlich über der des konventionellen Grünlands. Dies traf auch für die Kennarten artenreicher Grünlandflächen (Heinzet al. 2018) – also vorwiegend auffallend blühende Kräuter – zu. So wären fast 8 % der Ökogrünlandflächen für die Agrarumweltmaßnahme „Erhalt artenreicher Grünlandbestände“ (B40, mindestens vier Kennarten) geeignet gewesen und fast 6 % für das Vertragsnaturschutzprogramm „Ergebnisorientierte Grünlandnutzung“ (H30, sechs Kennarten), während das im extensiveren konventionellen Grünland knapp 3 beziehungsweise 2 % waren und im intensiven konventionellen Grünland nur 1 beziehungsweise 0,5 %. Auch gefährdete Arten (nach der Roten Liste,BayLfU 2003) waren im Ökogrünland stärker vertreten als auf konventionellen Flächen. Die signifikant höhere Evenness im Ökogrünland weist auf eine gleichmäßigere Verteilung aller Arten auf der Fläche und weniger Dominanzen einzelner Arten hin.
Vergleicht man nun die Artenzahl des Ökogrünlands mit dem bayerischen Gesamtmittelwert von 20 Arten auf 25 m² (Abb. 4), liegt der Unterschied nur noch bei einer Art. Grünlandflächen mit anderen Agrarumweltmaßnahmen zeigten mehr Arten (Almen, Steillagen, Vertragsnaturschutzflächen, später erster Schnitt) oder gleich viele (Heinzet al. 2015). Letztere waren Grünlandflächen mit Bewirtschaftungseinschränkungen, die dem ökologischen Landbau recht nahe kommen. Dass ein späterer Schnittzeitpunkt und damit weniger Schnitte sich in einer größeren Artenvielfalt auswirken, zeigen auch die Untersuchungen vonDiepolderet al. 2013.
3.2 Relative Stetigkeiten ausgewählter Arten
Typische Arten der Glatt- oder Goldhaferwiesen ( Arrhenatherum elatius, Trisetum flavescens, Leucanthemum vulgaris ) waren auf den ökologisch bewirtschafteten Untersuchungsflächen mit deutlich höherer Stetigkeit vertreten als auf den konventionellen (Tab. 2). Hoch nutzungsverträgliche Gräser wie das als Futter sehr geschätzte Deutsche Weidelgras ( Lolium perenne ), aber auch die unerwünschten Arten Stumpfblättriger Ampfer ( Rumex obtusifolius ) und Gemeine Quecke ( Elymus repens ) konnten im konventionellen Grünland häufiger nachgewiesen werden. Das Gleiche galt für das wenig beliebte Gewöhnliche Rispengras ( Poa trivialis ), das im konventionellen Grünland die stetigste Art war. Am stetigsten war im Ökogrünland der Weißklee ( Trifolium repens ), ein Schmetterlingsblütler, der Bienenreichtum verspricht (Power & Stout2011). Häufigstes Kraut war in allen drei Gruppen der Wiesen-Löwenzahn ( Taraxacum officinale ). Die zweithäufigste Leguminose, der Rotklee ( Trifolium pratense ), tauchte im Ökogrünland auf der Stetigkeitsliste schon auf Platz sieben auf, während er im konventionellen Grünland erst an 15. beziehungsweise 22. Stelle zu finden war.
3.3 Ertragsanteile und Hauptbestandsbildner
Als Hauptbestandsbildner (HBB) bezeichnet man die Arten, die den größten Ertragsanteil eines Bestandes ausmachen. Das waren in der Kategorie intensive konventionelle Flächen nur 14 verschiedene Arten, wovon fast 80 % Gräser und nur 7 % Kräuter waren. Die 38 unterschiedlichen Hauptbestandsbildner auf den Ökoflächen setzten sich aus 66 % Gräsern und mehr als 20 % Kräutern zusammen (Tab. 3). Bezogen auf den Anteil an Untersuchungsflächen waren im intensiven konventionellen Grünland auf 94 % der Flächen Gräser die Hauptbestandsbildner, im Ökogrünland nur auf 84 %. Hier waren auf immerhin 6 beziehungsweise 11 % der Untersuchungsflächen Kräuter beziehungsweise Leguminosen die Hauptbestandbildner (Tab. 3).
Aus Abb. 5 wird deutlich, dass im bayerischen Ökogrünland (a) mehr als doppelt so viele Arten (48) benötigt werden, um auf 95 % des bayerischen Gesamtertrags zu kommen wie im intensiveren konventionellen Grünland (c) mit nur 23 Arten. 50 % des Gesamtertrags wurden im Ökogrünland von sechs Arten geliefert, während es in den anderen beiden Kategorien (b und c) nur vier beziehungsweise zwischen drei und vier Arten waren. Dies bedeutet, dass im Ökogrünland die Arten nicht nur innerhalb der Fläche (vgl. Evenness), sondern auch über ganz Bayern gesehen die Dominanz einzelner weniger Arten weniger stark ausgeprägt ist als im konventionellen Grünland.
3.4 Bestandesveränderungen zwischen den zwei Erhebungsdurchgängen
Der einzige Parameter, der sich in allen drei Gruppen signifikant verändert hat, war der geschätzte Ertrag, der in den ökologisch bewirtschafteten Beständen erheblich abgenommen hat. Ebenfalls zurückgegangen – wenn auch nur leicht – ist der Ertrag im extensiveren konventionellen Grünland, während er auf den intensiveren Flächen angestiegen ist. Letzteres passt zum Anstieg der Bestandes-Stickstoffzahl und des Gräseranteils in dieser Kategorie. Entsprechend sanken die Kräuter- und die Leguminosenanteile. Die Zunahme des Leguminosenanteils im Ökogrünland ist wegen der Stickstofffixierung dieser Artengruppe sehr positiv zu bewerten. Ebenfalls nur im Ökogrünland stieg die mittlere Artenzahl an sowie – wenn auch nicht signifikant – die Anzahl an Kennarten für artenreiches Grünland und gefährdeten Arten (Tab. 4).
4 Grünland des ökologischen Landbaus als Erfolgsrezept in Sachen Artenvielfalt?
Die Ergebnisse aus dem Grünlandmonitoring Bayern zeigen, dass im Vergleich zum konventionellen Grünland das Ökogrünland im Mittel ertragsschwächer und weniger mahdverträglich war und einen geringeren Futterwert aufwies. Der Anteil landwirtschaftlich erwünschter Arten war gleich hoch, der Anteil häufiger unerwünschter Arten niedriger und der der eher seltenen Giftpflanzen war höher. Was die Biodiversität angeht, könnten sich die höhere Gesamt- und Kennartenzahl ebenso wie die größeren Leguminosen- und Kräuteranteile – und somit der größere Blütenreichtum – im Ökogrünland positiv auf die Insektendichte und -vielfalt auswirken (Pfiffneret al. 2018). Die mittlere Anzahl an gefährdeten Pflanzenarten war auf Ökoflächen höher und die Verteilung der Arten war sowohl auf der Flächenebene als auch auf Bayernebene gleichmäßiger.
Das bayerische Grünlandmonitoring zeigt aber auch, dass Ökogrünland nicht wesentlich artenreicher ist als der bayerische Durchschnitt. Was heißt das? Häufig wird dem ökologischen Landbau jegliche nicht als ökologisch zertifizierte Nutzung als konventionell gegenübergestellt. Wären auch wir so vorgegangen, hätten sich kaum Unterschiede ergeben. Dass „konventionell“ oder besser ausgedrückt „nicht-ökologisch“ sehr vielfältige Bewirtschaftungssysteme umfasst, erklärt vielleicht auch, warum andere Untersuchungen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind (Tuomistoet al. 2012).Werking-Radtke & König(2015) stellten mit der gleichen Kategorisierung wie in dieser Auswertung ebenfalls fest: Ökogrünland ist artenreicher als konventionelles. Zu diesem Ergebnis kamen auchHoleet al. (2005),Schneideret al. (2014) undTucket al. (2014) beim Vergleich von Ökogrünland mit „allem übrigen“, währendCarriéet al (2018) keinen Unterschied fanden. Aber auch beim Vergleich zwischen Grünland von öko-zertifizierten Betrieben und „unökologisch“ (zum Beispiel mit Kunstdünger) bewirtschaftetem Grünland gab es nicht immer signifikante Unterschiede (Klauset al. 2013).
Betriebe, die die AUM-Prämie für ökologischen Landbau beziehen, müssen laut Förderrichtlinien mit ihrem Viehbesatz unter 2 GV/ha bleiben. Tatsächlich blieben sie mit durchschnittlich 1,1 GV/ha noch weit unter dieser Grenze und auch signifikant niedriger als die konventionellen Betriebe unter 2 GV/ha. Ein geringerer Viehbesatz heißt theoretisch im Mittel über den ganzen Betrieb mehr Futterfläche für ein Tier beziehungsweise weniger organischer Dünger pro Flächeneinheit. Da aber weniger Dünger pro Fläche – und ein Ökobetrieb kann nicht mit Kunstdünger ausgleichen – auch einen geringeren Bestandeszuwachs bedeutet, braucht ein Tier tatsächlich mehr Fläche, um „satt zu werden“. Ein geringerer Zuwachs bedeutet auch, dass seltener geschnitten werden kann. Das heißt, das Intensitätsmaß „Viehbesatz des Betriebes“ beinhaltet alle sonstigen bekannten Intensitätsmaße wie „Ertrag“, „Düngung“ und „Schnitthäufigkeit“. Bedingt durch die eingeschränkte Besatzdichte und das Kunstdüngerverbot sind also auch alle anderen Bewirtschaftungsparameter eines Ökobetriebs weniger intensiv. Dies gilt für den Betriebsdurchschnitt. Verfolgt ein Ökobetrieb den Ansatz einer abgestuften Wiesennutzung, kann er die begünstigten Flächen – was Boden, Hangneigung, Nähe zum Hof angeht – intensiver bewirtschaften und somit dort relativ hohe Erträge erzielen. Auf diesen Flächen würde dann das Ziel der Artenvielfalt wahrscheinlich eher vernachlässigt, im Gegensatz zum restlichen, weniger begünstigten Grünland, auf dem der Aufwand minimiert würde. Das wäre ein Grund dafür, dass es auch Ökogrünland gibt, das nicht nur relativ, sondern auch absolut recht artenarm ist. Ein anderer Grund wäre, dass jahrzehntelang intensiv bewirtschaftetes und dadurch an Arten verarmtes Grünland sehr lange braucht, bis sich nach einer Bewirtschaftungsumstellung – zum Beispiel auf Ökolandbau – Arten wiederansiedeln. Die Samen sind aus der Samenbank verschwunden und die Arten besitzen meist keine effizienten Fernausbreitungsmechanismen, um aus der weiteren Umgebung einzuwandern, falls es sie dort überhaupt noch gibt (Kapfer1987).
Die Artenzahlen im bayerischen Ökogrünland lagen zwischen sechs und 40 auf 25 m². Es ist also nicht per se artenreich. Nach den Vorgaben der Agrarumweltmaßnahmen „Erhalt artenreicher Grünlandbestände“ (B40) und „Ergebnisorientierte Grünlandnutzung“ (H30) wären dafür mindestens vier beziehungsweise sechs Kennarten nötig (Heinzet al. 2018). Das Grünlandmonitoring zeigt, dass fast 8 % der Ökogrünlandflächen die Bedingungen für die KULAP-Maßnahme B40 mit mindestens vier Kennarten erfüllen würden und fast 6 % die für das Vertragsnaturschutzprogramm H30 (mindestens sechs Kennarten), während das im extensiveren konventionellen Grünland knapp 3 beziehungsweise 2 % wären und im intensiven konventionellen Grünland nur 1 beziehungsweise 0,5 %. Die Agrarumweltmaßnahmen B40 und H30 sind bis jetzt nur insoweit mit der Ökoprämie kombinierbar, dass die Betriebe jeweils die höhere Prämie ausbezahlt bekommen. Bisher lag nur die Prämie für H30 über der Ökoprämie, sodass die vier Kennarten, die für B40 nötig sind, für Ökobetriebe „nicht rentabel“ sind. Eine „echte“ Kombinierbarkeit mit der Ökoprämie könnte hier einen Anreiz zum Erhalt artenreicher Bestände schaffen. Vielleicht wäre es doch sinnvoll, auch bei Ökobetrieben nicht nur Maßnahmen, sondern auch Ergebnisse zu honorieren.
Literatur
Aus Umfangsgründen steht das ausführliche Literaturverzeichnis unter Webcode NuL2231 zur Verfügung.
Fazit für die Praxis
- Beim Vergleich zwischen ökologisch und konventionell bewirtschaftetem Grünland muss klar definiert werden, was mit „konventionell“ gemeint ist.
- Ökobetriebe müssen extensiver wirtschaften, weil für sie eine GV-Obergrenze gilt. Diese gilt für den Gesamtbetrieb, sodass innerhalb des Betriebs die Bewirtschaftungsintensität von Fläche zu Fläche stark variieren kann.
- Im Mittel ist ökologisch bewirtschaftetes Grünland in Bayern artenreicher als „rein konventionell“ bewirtschaftetes, aber kaum artenreicher als der bayerische Durchschnitt. Alle AUM, die die Bewirtschaftungsintensität reduzieren, wirken sich positiv auf die Artenvielfalt aus.
- Potenziell wären 8 % des bayerischen Ökogrünlands für die ergebnisorientierte Agrarumweltmaßnahme „Erhalt artenreicher Grünlandbestände“ geeignet, 6 % für die „Ergebnisorientierte Grünlandnutzung“, allerdings sind die Prämienhöhen kaum interessant, weil nur die Differenz zur Ökoprämie ausbezahlt wird.
Kontakt
Dr. Franziska Mayer arbeitet seit 2007 an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft im Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz. Studierte Gartenbau an der TU München und promovierte am Lehrstuhl für Vegetationsökologie über die Ausbreitung von Wildpflanzen in Agrarlandschaften.
> franziska.mayer@lfl.bayern.de
Dr. Gisbert Kuhn ist seit 1999 Leiter der AG Vegetationskunde an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz) mit den Arbeitsschwerpunkten artenreiches Grünland und Grünlandmonitoring. Nach dem Studium der Biologie Promotion an der TU München zu Möglichkeiten des vegetationsökologischen Monitorings mit Fernerkundungstechniken.
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