Wildnisdynamik im Müritz-Nationalpark
Abstracts
Im Müritz-Nationalpark befindet sich seit 1998 am Ostufer der Müritz eine 1 720 ha große Wildruhezone. In einer synoptischen Untersuchung wurde das vorhandene Wissen aus Gutachten und Forschungsberichten zur Vegetationsentwicklung zwischen 1991 und 2012 zusammengetragen. Durch eine Kombination aus spektralen Daten einer Luftbildzeitreihe und Höheninformationen aus hochauflösenden digitalen Oberflächenmodellen erfolgte eine qualitativ hochwertige digitale Erfassung der Gehölzvegetation > 2 m Höhe. Diese Daten bilden die Grundlage für die flächenhafte Auswertung der Veränderungen und ergänzen die Auswertung der terrestrischen Vegetationsaufnahmen und Biotoptypenerfassungen für 1994 und 2012. Die Kombination beider Methoden bietet die Möglichkeit, zeitliche und räumliche Unterschiede in der Entwicklung differenziert darzustellen.
Wie die Daten zeigen, verlief die Entwicklung im Hinblick auf die angestrebte Moorrenaturierung zielgerichtet und sehr erfolgreich. Die Maßnahmen zur Revitalisierung der Moore haben zu einem großflächigen Absterben der Gehölze und einer Ausbreitung von Moor- und Röhrichtbereichen geführt. Es ist anzunehmen, dass Rothirsche und Wildschweine in dieser Jagdruhezone nicht nur zum Erhalt der naturschutzfachlich besonders bedeutsamen Lebensraumtypen der gehölzarmen Moore und Sümpfe (v. a. der Kalk-Zwischenmoore) beigetragen haben, sondern sogar deren (Wieder-)Ausbreitung und Differenzierung durch Fraß, Tritt, Suhlen und Wühlen unterstützt haben.
Wilderness dynamics in Müritz National Park – Vegetation development in wildlife sanctuary areas on the eastern shore of Müritz
Müritz National Park harbours a wilderness area of 1,720 ha where hunting has been prohibited since 1998. The wildlife sanctuary is located on the eastern shore of Lake Müritz.
This synoptic analysis reviews the available information regarding vegetation changes in the area from 1991 to 2012. Additionally, remote sensing data helped to identify changes in forest cover. A combination of spectral information and laser scanning data was used for detection of changes in vertical structure. Vegetation cover above 2 m was identified. This data was essential to detect vegetation changes in forest cover and open ground habitats.
The data gives a detailed spatial as well as temporal picture of the changes in the wilderness area. The analysis documents the effective and prosperous restoration of peatlands in the area. An increase in the water table of 20 cm resulted in the retreat of forest cover and an increase in reed and native fen flora. It has to be assumed that red deer and wild boar had a decisive impact on the changes. They helped to increase habitat diversity and the spread of rare habitats protected under the Habitats Directive.
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1 Einleitung
Die „Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt“ definiert das Ziel, dass sich „bis zum Jahr 2020 [...] die Natur auf 2 % der Fläche Deutschlands wieder nach ihren eigenständigen Gesetzmäßigkeiten ungestört entwickeln und Wildnis entstehen“ kann (BMU 2007). Es gibt in Deutschland allerdings kaum noch Landschaften, die als ursprünglich (primär) bezeichnet werden können. Um das 2-%-Ziel zu erreichen, muss daher „neue Wildnis“ geschaffen werden, d. h. „ausreichend große, (weitgehend) unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete, die dazu dienen, einen vom Menschen unbeeinflussten Ablauf natürlicher Prozesse dauerhaft zu gewährleisten“ (Fincket al. 2013, BfN & BMU 2017).
Dagegen warnen von Skepsis und Widerstand getragene Positionen mit Szenarien, die vor allem wirtschaftliche, aber auch Artenverluste prognostizieren, wenn man Natur auf großer Fläche frei walten ließe (Schulzeet al. 2016,Walentowskiet al. 2010). In der Fachdebatte des Naturschutzes setzen sich hingegen zunehmend Wildniskonzepte durch, in denen der Schutz der biologischen Vielfalt durch das Zulassen von dynamischen Prozessen auf großer Fläche bestimmt wird, und zusätzlich Aspekte wie Forschung, regionalökonomische Effekte, Wildniserfahrung und Wildtiererleben eine Rolle spielen (SRU 2016, ZGF 2017).
Akzeptanz und Bereitschaft, Wildnis zu wagen, benötigt praktische Erfahrungen. Den z. T. theoretischen Überlegungen müssen daher die Langzeiterfahrungen aus der Praxis in den wenigen vorhandenen Wildnisgebieten in Deutschland gegenübergestellt werden.
Der vorliegende Beitrag gibt einen Einblick in die Vegetationsveränderungen der letzten 18 Jahre in einem jagdfreien Wildnisgebiet von deutlich über 1000 ha Größe am Ostufer der Müritz. Hauptaugenmerk liegt auf der Wirkung von Wiedervernässungsmaßnahmen und wilden Paarhufern (Schalenwild) auf die Vegetation auf Landschaftsebene.
Nach Ausweisung des Ostufers der Müritz als Nationalpark gab es eine intensiv und kontrovers geführte Diskussion um die Bejagung von Rothirschen und Wildschweinen. Die damaligen Szenarien prognostizierten enorm anwachsende Wildbestände, die dem Lebensraum Ostufer abträglich sein, die natürliche Waldentwicklung verhindern würden und zudem bedrohte Pflanzenarten und lebensraumtypische, schützenswerte Pflanzengesellschaften vernichten könnten (Stöcker1994,Stubbe1995).
Um die Wirkungen der 18-jährigen Jagdruhe vor Ort zu prüfen, wurde im Jahr 2016 eine synökologische Untersuchung für das Ostufer der Müritz durchgeführt (Simonet al. 2016). Ziel war es, die natürliche Vegetationsentwicklung seit 1990 zu dokumentieren. Das Gutachten sollte der Frage nachgehen, ob sich Veränderungen der Landschaft auf die Wiedervernässung und/oder die Wildwirkung zurückführen lassen.
Im Beitrag werden die Ergebnisse auf drei Ebenen betrachtet:
- Veränderungen der Gehölzfläche,
- Veränderungen der Biotoptypen,
- Veränderung der Lebensraumtypen des Anhanges I der FFH-Richtlinie.
2 Untersuchungsgebiet
Der Müritz-Nationalpark schützt 32 200 ha Wälder, Seen und Moore der Mecklenburgischen Seenplatte. Seit dem Jahr 2018 unterliegen 78 % der Fläche dem Prozessschutz. Im Zentrum des Nationalparks befindet sich unmittelbar am Ostufer der Müritz das Untersuchungsgebiet. Es ist seit 1998 eine 1 720 ha große Jagdruhezone (Abb. 1). Mit Ausnahme des Specker Horstweges (Rad- und Wanderweg) gibt es keine Infrastruktur in der Fläche.
Das Untersuchungsgebiet ist durch die letzten Stadien der Weichselvereisung geprägt und liegt heute im Übergang vom subatlantischen zum subkontinentalen Klima mit mittleren Jahresniederschlägen von 580 mm und einer mittleren Jahrestemperatur von + 8 °C (Landesamt für Forsten und Großschutzgebiete Mecklenburg-Vorpommern & Nationalparkamt Müritz 2004).
Die Böden am Ostufer der Müritz bildeten sich auf dem großflächigen Sander, der durch vielfältige Veränderungen des großräumigen Wasserhaushaltes bis in die jüngere Vergangenheit hinein deutlich beeinflusst wurde (Nationalparkamt Müritz 2009). Das Gebiet gehört zur Absenkungsterrasse der Müritz. Diese ehemaligen Seesande werden heute teilflächig von organischen Böden mit nur wenigen Dezimetern Mächtigkeit (Anmoore) überlagert.
Abb. 2 zeigt die Geschichte des Untersuchungsgebietes. In den Jahren 1929 bis 1945 wurde am Ostufer der Müritz ein privates Jagdgebiet auf einer Fläche von rund 5000 ha eingerichtet. Nach dem Krieg (1949) entstand dort ein Naturschutzgebiet. 1954 wurde das Ostufer der Müritz Teil des gleichnamigen Wildforschungsgebietes. 1970 wurde die Fläche auf 22 280 ha erweitert und bis 1989 als Staatsjagdgebiet bewirtschaftet (Stubbe & Mahnke1997). In dieser Zeit fand durch den Ausbau eines Kanals zwischen Specker See und Müritz eine Wasserstandsabsenkung statt. 1990 wurde der Müritz-Nationalpark ausgewiesen. Nachdem der Kanal im Trockenjahr 1989 provisorisch verschlossen wurde, folgte 1994 die großflächige Wiedervernässung dieser von Flachwasserseen und Verlandungsmooren dominierten Absenkungsterrasse der Müritz. Im Rahmen eines Renaturierungsprojekts des Nationalpark amtes Müritz wurde der Kanal endgültig verschlossen. Gleichzeitig wurde durch Grabenverschlüsse und kleinere Dammbaumaßnahmen der Oberflächenabfluss im Gebiet unterbunden. Die in Gebietsnähe liegenden Pegelmessstellen zeigen eine Erhöhung des mittleren Grundwasserstandes durch das Projekt um 20–30 cm.
Die aktuelle Vegetation besteht aus Wald (40 %), Mooren, Schilf, Röhrichten (34 %) und Gewässer (26 %) (Abb. 3).
Über die Veränderungen des Wildbestandes im Laufe der 18-jährigen Jagdruhe liegen keine verlässlichen Daten vor. Bei einer Erfassung mittels Thermalbildbefliegung im Frühjahr 2013 wurde eine Wilddichte von bis zu 15 Rothirschen und 13 Wildschweinen je 100 ha ermittelt (Aerosense 2013). Daten zum Raumnutzungsverhalten von sieben besenderten Rothirschen vom Ostufer liegen für die Jahre 1995 und 1996 vor (Mahnke & Stubbe1997, Stubbe & Mahnke1997). Der Wolf ist seit 2016 am Ostufer der Müritz dauerhaft nachgewiesen.
3 Methoden
In einer synoptischen Untersuchung wurden alle zur Verfügung stehenden Daten zur Situation und Veränderung der Vegetation im Untersuchungsgebiet zusammengetragen. Dazu zählen neben Fernerkundungsdaten, Gutachten zur Vegetation (Stöcker1994, Umweltplan2015, Voigtländer1994)und zum Schalenwild (Aerosense2013, Mahnke & Stubbe1997, Mahnke & Stubbe1998, Stubbe1995, Stubbe & Mahnke1997).
3.1 Veränderung der Gehölzfläche
Den ersten Teil der Untersuchung bildet die fernerkundliche Auswertung der vorliegenden CIR-Luftbilder über die Zeitsequenzen von 1991, 1996, 2007 bis 2013. Aus ihnen wurde der „Normalised Difference Vegetation Index“ (NDVI) (Rouseet al. 1973) zur Differenzierung von Vegetation und Nichtvegetation für alle Zeitschnitte abgeleitet. Mithilfe der Software „E-Cognition Developer“ wurden auf Basis spektraler Informationen aufragende Vegetationsgeometrien für die einzelnen Zeitschnitte abgegrenzt.
Auf Grundlage einer Laserscanbefliegung von 2013 wurde ein normalisiertes Oberflächenmodell (nDOM) erzeugt. Die vertikale und horizontale Genauigkeit der Höhendaten beträgt 0,05–0,2 m bzw. 0,2–1 m.
Zur Erstellung eines normalisierten Oberflächenmodells (nDOM), wurde das Geländemodell vom Oberflächenmodell des gleichen Jahres abgezogen. Hierdurch wurde die gesamte Topografie eingeebnet, sodass nur die aufragenden Elemente der Vegetation dargestellt werden. Für die Auswertung aufragender Vegetation bzw. Gehölz- und Waldvegetation wurde eine nDOM-Höhe von 2 m als untere Grenze festgelegt. Durch stichpunktartige Überprüfung mithilfe aktueller Luftbilder und Vegetationskarten sowie der örtlichen Sachkenntnis im Gelände wurde sichergestellt, dass hochaufragendes Schilf nicht als Gehölze erfasst wurde.
Um einen systematisierten Überblick der Gehölzentwicklung zu erreichen, wurde der Untersuchungsraum in 250 × 250 m große Kacheln (Flächen von 6,25 ha) untergliedert.
In der Synopse wurden die Ergebnisse der fernerkundlichen Auswertung den Daten der terrestrischen Biotoptypenkartierung (s. u.) gegenübergestellt und auf Plausibilität geprüft.
3.2 Veränderung der Biotoptypen
Grundlage für die Analyse der Veränderungen bildet die terrestrische Kartierung von Vegetationstypen aus dem Jahr 1994 (Voigtländer1994). Ergänzende Informationen bietet eine Biotop- und Nutzungstypenkartierung basierend auf CIR-Luftbildern von 1991.
In den Jahren 2011 und 2012 wurde erneut eine umfassende und kleinflächenscharfe Biotoptypenkartierung durchgeführt (Umweltplan 2015). Bei der terrestrischen Erfassung wurde nach der „Anleitung für die Kartierung von Biotoptypen und FFH-Lebensraumtypen in Mecklenburg- Vorpommern“ (LUNG2010) vorgegangen. Im Ergebnis wurden sowohl Biotoptypen und gesetzlich geschützte Biotope als auch Lebensraumtypen des Anhanges I der FFH-Richtlinie ausgewiesen.
Die Kartierungen 1994 und 2011/2012 wurden nach Möglichkeit angeglichen und die Anzahl der Biotoptypen sowie ihre Lage und ihre Fläche einander gegenübergestellt.
3.3 Veränderung der Lebensraumtypen des Anhanges I der FFH-Richtlinie
Die Kartierung 1994 erfasste alle terrestrischen Lebensraumtypen innerhalb des Untersuchungsgebiets. Seeflächen wurden nicht kartiert. Die Kartierung 2011 und 2012 umfasste zudem die Seeflächen mit ihrer Unterwasser- und Schwimmblattvegetation. Der Vergleich der beiden Kartierungen erfolgte daher nur auf Flächen, die in beiden Kartierungen erfasst wurden. Die Kartierung 2011/2012 ermöglichte das Hervorheben naturschutzfachlich besonders schutzwürdiger Biotope des Untersuchungsgebiets. Dabei handelt es sich fast durchweg um FFH-LRTs. Zudem sind alle genannten Lebensraumtypen in der Roten Liste der Pflanzengesellschaften bzw. Vegetationstypen Mecklenburg-Vorpommerns gelistet und enthalten darüber hinaus zahlreiche Rote-Liste-Arten Mecklenburg-Vorpommerns.
4 Ergebnisse
Die Zusammenschau der Geodaten aus dem Jahr 2013 zeigt für den Untersuchungsraum am Ostufer der Müritz (Flächenbezug 1880 ha) in der Summe 590,04 ha Gehölzflächen, 732,79 ha bodennahe Vegetation und 456,93 ha Wasserflächen.
4.1 Veränderung der Gehölzflächen
Im Zeitraum 1991 bis 2013 wird in der Bilanz eine Gehölzflächenabnahme von insgesamt 226,19 ha erkennbar. Die ausgewertete Zeitreihe zeigt eine dynamische Veränderung, die zeitlich heterogen verlief (siehe Tab. 1, Abb. 4). Auf der einen Seite sind Gehölze auf einer Fläche von 288,09 ha abgestorben. Auf der anderen Seite haben sich lokal neue Gehölzflächen im Umfang von 61,91 ha entwickelt.
Um die Gehölzzunahme und Abnahme in ihrer räumlichen Verteilung darstellen zu können, wurden Abnahme, Zunahme und der Gesamtverlust an Gehölzen über 2 m Höhe in einem 6,25-ha-Raster dargestellt (s. Abb. 5). Die Flächen mit der größten Abnahme an Gehölzen korrespondiert dabei mit den Geländesenken bzw. dem vorhandenen Moorkörper und den vorhandenen Moormächtigkeiten. Zunahmen an Gehölzflächen finden sich dahingegen vor allem auf den mineralischen Erhebungen.
Der Vergleich mit den terrestrischen Biotopkartierungen zeigt, dass vor allem Birken-Eichenwälder mit ca. 137 ha Flächengröße (1994) zurückgegangen sind. Gleichzeitig hat sich die Fläche der Erlenbrüche um 97 ha auf insgesamt 270 ha vergrößert. An den Stellen ehemaliger Waldflächen haben sich Offenlandbiotope der Moore und Röhrichte ausgebreitet.
Die z. T. erheblichen Vegetationsveränderungen zwischen 1994 und 2011/2012 resultieren aus der Wiedervernässung (Moorschutzmaßnahmen) und sind hauptsächlich auf wiederholt mehrmonatige Überflutungen und hohe Niederschläge nach trockenen Jahren zurückzuführen (u. a. 1994, 2011).
4.2 Veränderung der Biotoptypen
Mit einer Fläche von 184 ha dominierten 2012 nach wie vor gehölzfreie Schneidenröhrichte die Offenlandvegetation des Untersuchungsgebietes. Ihr Flächenanteil hat sich gegenüber 1994 nur geringfügig verändert. Er ist häufig eng verzahnt mit den insgesamt 113 ha an Pfeifengras-Hochstaudenstadien der Basen-Zwischenmoore, die 2012 neu in dieser Qualität kartiert werden konnten.
Beim aufgelassenen Grünland nasser bis feuchter Standorte, welches 1994 auf ca. 11 ha Fläche kartiert wurde, handelte es sich um junge Feucht- und Nassbrachen, die wenige Jahre zuvor noch als (Wild-)Wiesen genutzt wurden und daher noch einen Anteil von Grünlandarten enthielten. Solche Bestände wurden 2012 nicht mehr erfasst, weil sie sich zu Schilfbeständen und Pfeifengras-Hochstaudenstadien der Zwischenmoore entwickelt haben.
Eine ähnliche Entwicklung nahmen die Feuchtwiesen und -weiden sowie die Kleinseggenrasen auf Mineralböden. Sie wurden 1994 mit insgesamt ca. 21,4 ha auf zahlreichen, meist kleinen Teilflächen erfasst. Das zeigt, dass 1994 die Grünlandnutzung noch weit über das Gebiet verstreut war. 2012 wurde dieser Biotoptyp nicht mehr in solcher Ausprägung erfasst. Einige kleine Restbestände am Nordwestrand des Ostufers haben sich in Richtung Pfeifengraswiese entwickelt.
Gerade hier haben sich die dynamischsten Veränderungen ergeben. Die Pfeifengraswiesen degradierter Moore (Pfeifengrasstadium) wurden 1994 auf mehreren kleinen Teilflächen im Südteil des Warenschen Wolds mit insgesamt ca. 3,2 ha Flächengröße kartiert. Diese Bestände sind bis 2012 infolge Brachfallens an diesen Stellen verloren gegangen und werden heute von Schilf-Landröhrichten eingenommen. Trotz der genannten Verluste wurden an 16 neuen Stellen insgesamt 8,3 ha Fläche mit Pfeifengraswiesen auf Moor- und Sumpfstandorten neu kartiert. Vorwiegend handelt es sich um ehemalige Seggen-, Schneiden-, Hochstauden- und Hochgrasbestände, in denen sich Kennarten der Pfeifengraswiesen ausbreiten konnten. Die Kartierung 2012 beschreibt die Flächen als „äußerst wertvolles, kleinflächig wechselndes Mosaik aus offenen Rieden und Pfeifengrasfluren“ (Kartierbogen 0507-324B4046, Dr. U. Fischer, Umweltplan 2012). Hier befindet sich u. a. eines der letzten Vorkommen des vom Aussterben bedrohten Schwarzkopfbinsen-Kleinseggenriedes in Mecklenburg-Vorpommern sowie zahlreiche weitere Arten der Roten Liste.
Eine ähnliche Ausbreitung und Differenzierung findet sich in den Großseggenrieden. 1994 wurden kleinflächig 0,35 ha erfasst. 2012 haben sich die Großseggenriede auf 1,64 ha mehr als vervierfacht und werden in 0,12 ha Bultiges Großseggenried und 1,52 ha Rasiges Großseggenried differenziert.
Insgesamt konnte im Bereich der gehölzarmen Sümpfe und Moore zwischen 1994 und 2012 eine Zunahme der Vielfalt an Biotoptypen festgestellt werden. Während die Grünlandtypen durch die Nutzungsaufgabe von sechs auf drei Biotoptypen zurückgingen, hat sich ein neues, artenreiches Mosaik aus natürlichen und naturnahen Biotoptypen der Moore und Sümpfe entwickelt (2 Biotoptypen 1994, 8 Biotoptypen 2012), das erhebliche Flächenzuwächse aufzeigt.
4.3 Veränderung der Lebensraumtypen des Anhanges I der FFH-Richtlinie
Vergleicht man die Ausprägung der FFH-LRT, so ist eine Zunahme von sechs auf neun verschiedene Offenland- und Waldlebensraumtypen festzustellen. Der prioritäre Lebensraum der Schneideröhrichte (FFH-LRT 7210) blieb mit 184 ha in der Flächenbilanz stabil.
Bemerkenswerte Flächenausdehnungen sind für landesweit bedeutsame FFH-LRTs wie das Kalk-Zwischenmoor (FFH-LRT 7230), das Torfmoos-Seggenried (FFH-LRT 7140) sowie die je nach Standort verschiedenen Pfeifengras-Hochstauden-Stadien der Zwischenmoore (FFH-LRT 6410) zu beobachten (Abb. 6). Die Birkenmoorwälder (FFH-LRT 91DO) sind aufgrund der gestiegenen Wasserstände in ihrer Flächenverbreitung zurückgegangen. Reste von Wacholderheide (FFH-LRT 5130) finden sich kleinflächig auf sandigen Erhebungen.
Für die Stieleichenwälder und Eichen-Hainbuchenwälder (FFH-LRT 9160), die natürlichen eutrophen Seen mit Schwimmblattvegetation (FFH LRT 3140) und die nährstoffarmen bis mäßig nährstoffreichen kalkhaltigen Gewässer mit Unterwasservegetation an Armleuchteralgen (FFH LRT 3150) sowie deren Uferrandzonen ist eine Flächenbilanzierung nicht möglich, da die LRT 3140 und 3150 im Jahr 1994 nicht Gegenstand der Kartierung waren und sich der LRT 9160 aufgrund der Wasserstandsanhebungen über weite Flächen in Birkenmoor- und Erlenbruchwälder oder Pfeifengras- und Schneideröhrichtstadien umgewandelt hat und 2012 nicht mehr gesondert kartiert wurde. In seiner Flächenausdehnung hat der LRT 9160, der 1994 noch auf 137 ha vorkam, deutlich abgenommen.
5 Diskussion
Die zielgerichtete Wiedervernässung des Untersuchungsgebietes hat vor allem zu einem Absterben und einer Veränderung der Birken-Eichenwälder geführt. Der erlenreichere Teil – Sumpfflächen im „Specker Wold“ und im „Warenschen Wold“ – hat sich zu eutrophen Erlenbruchwäldern entwickelt, da die Schwarzerle ( Alnus glutinosa ) erheblich längere und höhere Überflutungen erträgt als Hängebirke ( Betula pendula ), Moorbirke ( Betula pubescens ) und Stieleiche ( Quercus robur ). Gleichzeitig haben sich auf neuen Standorten flächenhaft Gehölze neu gebildet. Die Wildwirkungen von Rothirschen und Wildschweinen waren – trotz 18-jähriger Jagdruhe auf 1 720 ha wildattraktivem Lebensraum – nicht in der Lage, eine Bewaldung der Flächen mit Schwarzerlen zu verhindern.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist international ein wachsendes wissenschaftliches Interesse an der Erforschung der Wechselwirkungen zwischen wilden Paarhufern und ihrem Lebensraum zu erkennen (Boulangeret al. 2018, Crespiet al. 2007, Dzieciolowski1991, Fløjgaard & Bruun2018, Gerhardtet al. 2013, Gill2000, Harmeret al. 2010, Heglandet al. 2013, Heineken & Randnitschka2002, Heurich2016, Kirby2001, Krüsiet al. 1996, Petrak1982, Recket al. 2012, Reimoser & Gossow1996, Senn & Suter2003, Suzukiet al. 2012, Vildet al. 2017). Die Wirkung von Schalenwild hinsichtlich der Wirkung auf Lebensräume wird intensiv diskutiert und in Teilen eine Neubewertung angeregt (u. a.Beyer2002, Cornelius & Hofman1998, Krüger2001, Recket al. 2009,2012, Simon2016). In Waldlandschaften werden Rothirsche, Rehe und Wildschweine als das Ökosystem mitgestaltende Faktoren betrachtet, die tierökologisch und pflanzensoziologisch bedeutsame Einflussgrößen darstellen (Dölleet al. 2016,Falinski1986, Mann2009, Petrak2017, Recket al. 2009, Reichmann & Kloshorn2017, Remmert1988, Scherzinger1996, Schmidt1978, Schmidt & Heinrichs2016, Vera2000).
Gleichzeitig wird aber auch kritisch betrachtet, dass in Wäldern hohe Schalenwilddichten die Gehölzverjüngung verlangsamen oder das Artenspektrum verändern (Ammeret al. 2010, Clasen & Knoke2009, Harmeret al. 1997, Otto1979, Raimer2004,2013, Roederet al. 2001). Fallweise kann die Gehölzverjüngung durch Wildverbiss gänzlich verhindert werden (Peterken & Tubbs1965, Putmannet al. 1989, Schützet al. 1999). In älteren, nicht mehr verbissgefährdeten Beständen kann Rindenschäle, sofern sie in hoher Intensität auftritt, erneut Baumarten selektieren (für die Vogelbeere, Sorbus aucuparia, s.Meyer2014) und Bestände destabilisieren (Kato1969, Kiffneret al. 2008, Ligotet al. 2012). Vegetationskundlich schützenswerte Sonderstandorte können durch Fraß, Tritt und Lager erheblich beeinträchtigt werden (Herter2003).
Im Untersuchungsgebiet hat die Biotopvielfalt vor allem der gehölzarmen Moore und Sümpfe zugenommen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die natürlichen Verhaltensäußerungen der Rothirsche und Wildschweine (Wildwirkungen durch Fraß, Wühlen, Tritt, Suhlen, Lager, Samentransport durch Fell, Hufe und Kot) an dieser positiven Entwicklung einen erheblichen Anteil hatte.
Während der terrestrischen Biotopkartierungen 2011 und 2012 wurde in den Erhebungsbögen der Zwischenmoor-Lebensräume die Wildwirkung als wichtiger Einflussfaktor erkannt und textlich ausdifferenziert beschrieben (Fischer2011, 2012, in Umweltplan 2015). Bei insgesamt 34 kartierten Biotopen wurde die Wirkung von Rothirschen und Wildschweinen als positiv bewertet. Dies betrifft vor allem die Biotoptypen der Pfeifengraswiesen, die sich trotz unterlassener Mahd im Gebiet erheblich ausgedehnt haben. Positiv bewertet wurden die Wildwirkungen darüber hinaus insbesondere auch für die Entwicklung von Trockenrasen, Magerrasen und ehemaligen Hutungen (ebd.).
Die Kartierungen im Jahr 2012 beschreiben z. B. im sogenannten „Paradies“ zwischen Specker See und Hofsee ein „wertvolles, arten- und strukturreiches Relikt“ einer ehemaligen Hutung auf Lichtungen zwischen alten Wacholder- und Kreuzdornbüschen, Birkenwäldern und alten Eichenbeständen; hier finden sich artenreiche „Weiderasen“-Relikte, dominiert von Rasenschmiele ( Deschampsia cespitosa ), sowie großflächig Rotstraußgrasfluren, zahlreiche Vorkommen der Rote-Liste-Arten Wiesensegge ( Carex nigra ), Zittergras ( Briza media ) und Roter Zahntrost ( Odontites vulgaris ), auf sandigen Erhöhungen, meist mäßig trocken, auf freigewühlten Stellen von Sandoffenboden mit randlich mäßig feuchten Anmoorbereichen (Umweltplan 2015).
An anderer Stelle treten das vom Aussterben bedrohte Schwarzkopfbinsen-Kleinseggenried (eines der letzten Vorkommen in Mecklenburg-Vorpommern) sowie pfeifengrasreiche Kleinseggenriede mit zahlreichen Rote-Liste-Arten auf. „Das Schwarze Kopfried ( Schoenus nigricans ) hat hier sein größtes Vorkommen in Mecklenburg-Vorpommern; dabei tritt an einer Stelle ein dichter etwa 100 m² großer Dominanz-Bestand auf“ (Umweltplan 2015).
Der Rückgang des FFH-LRT der Moorwälder (91D0) bei gleichzeitiger Entwicklung seltener und stark gefährdeter offener Moorlebensraumtypen (insbesondere 7140) entspricht der Weichenstellung, die im Rahmen des Moorschutzes bereits vor Inkrafttreten der FFH-Richtlinie getroffen wurde. Dies kommt einer Prioritätensetzung auf Gebietsebene gleich (Vassen2017) und entspricht auch heute noch den aktuellen Empfehlungen zur Umsetzung von Moorschutzprojekten (vgl.Ssymanket al. 2015,European Commission 2013).
Eine Beeinträchtigung der FFH-LRT oder besonders geschützter Biotoptypen durch die Wildwirkung wurde 2012 dahingegen nicht festgestellt. Durch die Kartierer wurden weder negative Veränderungen der Lebensraumtypen und Biotope noch Verluste standorttypischer Arten- und Artengemeinschaften vermerkt.
Ebenso wie in anderen Fällen (z. B.Linneret al. 2018) zeigt sich, dass in der Praxis bei einer Gesamtbetrachtung der Veränderungen der potenzielle Konflikt zwischen dem Erhalt von FFH-LRT und dem Prozessschutz deutlich geringer ausfällt als angenommen. Insbesondere in Bezug auf die Fläche der Pfeifengraswiesen wirkte sich ein Prozessschutz, der auch die Wirkung des Wildes als natürlichen Faktor zulässt, hier durchaus vorteilhaft aus (Abb. 7).
Als wichtige Faktoren der Wildwirkung wird in der Literatur hervorgehoben, dass durch den Verbiss von Pflanzen Biomasse entnommen wird, Konkurrenzsituationen verändert werden (Fischer2001,Petraket al. 2005,Schützet al. 1999), Samen verbreitet werden (Ebert1998, Heinekenet al. 2005), durch Bodenwühlen und Rindenverletzungen neue Strukturen und Nischen geschaffen (Dietz & Simon2008, Groot Bruinderink & Hazebroek1996, Pechacek1994) oder bestandsbeherrschende Vegetationsformen aufgelichtet werden (Cornelissen & Vulnik1996, Virtanenet al. 2002). In vegetationskundlichen Studien im Offenland zeigtenTreiber(1997) für Magerwiesen im Elsass sowieSimon & Goebel(1999) für Magerwiesen im Rhein-Main-Tiefland undSimonet al. (2011) für Feuchtwiesen im Messeler Hügelland eine Erhöhung der Artenvielfalt durch regelmäßiges mäßiges Bodenwühlen der Wildschweine. In den Tälern der Nordeifel konntePetrak(1992) durch Langzeitbeobachtungen und den vegetationskundlichen Vergleich von Dauerbeobachtungsflächen aufzeigen, dass durch den Verbiss der Weichhölzer, dort wo die Wiesen für Rothirsche ungestört zugänglich sind, die Verbuschung bärwurzreicher Magertriften verlangsamt wird.
Für den polnisch-weißrussischen Bia owiez a-Nationalpark zeigte Falinski(1986) im Vergleich der dortigen Waldvegetationsgesellschaften, dass in keiner anderen Waldgesellschaft die Beäsung von Kräutern durch wildlebende Huftiere eine so große Bedeutung annimmt wie in den Erlenbruchwäldern. Insbesondere in nassen und mit Wasser gefüllten Senken zeigten sich Zunahmen von Scheiden-Wollgras ( Eriophorum vaginatum ), Wiesensegge und Rundblättrigem Sonnentau ( Drosera rotundifolia ) infolge der Wildwirkungen (Falinski1986).
Auf Waldwiesen der Mittelgebirge profitierte die Sibirische Schwertlilie ( Iris sibirica ) als Kennart der Pfeifengraswiesen vom (mäßigen) Bodenwühlen der Wildschweine und dem Wildverbiss konkurrierender Arten. Während in den wildfreien Kontrollzäunen die Art rückläufig war, gelang außerhalb die weitere Ausbreitung und Stabilisierung (Simonet al. 2011).
Auch auf den trockeneren Standorten in wechseltrockenen Pfeifengraswiesen, Flügelginster-Borstgrasrasen und mageren Glatthaferwiesen zeigte der in saisonalen Zyklen wiederkehrende, sporadische bis mäßige Wildschweinumbruch positive Effekte, die sich in der Schaffung von Pionierstandorten, verbunden mit einer Artenanreicherung, auswirkten (ebd.). Durch das Bodenwühlen wurde die Grasnarbe geöffnet und konkurrenzschwächeren Arten damit ein Aufkeimen und Aufwachsen ermöglicht.
Ein durch Wildeinfluss (Verbiss, Bodenwühlen, Tritt, Suhlen) verursachter Rückgang von Arten der Pfeifengraswiesen oder anderer bestandsbedrohter Pflanzenarten war nicht zu erkennen. Der z. T. intensivere Fraß an seltenen Arten wie Sibirischer Schwertlilie, Breitblättrigem Knabenkraut ( Dactylorhiza majalis ), Färberscharte ( Serratula tinctoria ), Kümmelsilge ( Selinum carvifolia ), Knollenkratzdistel ( Cirsium tuberosum ) und Heilziest ( Stachys officinalis ) beeinflusste kaum deren Bestandsdichten, die viel stärker von den Standortverhältnissen und der Nutzung durch Mahd und Düngung abhingen. Die großen Orchideenbestände des Breitblättrigen Knabenkrautes auf den Waldwiesen Kranichsteins blieben stabil bzw. breiteten sich, trotz z. B. intensiven Bodenwühlens der Wildschweine, weiter aus (Goebel & Simon2014,Simonet al. 2011).
Für den Lebensraum Ostufer der Müritz konnte aus der Analyse und Verschneidung vorhandener Daten herausgearbeitet werden, dass die Wiedervernässung maßgeblich für den Waldverlust im Untersuchungsgebiet war. Es wird davon ausgegangen, dass die Präsenz von Rothirschen und Wildschweinen zu einer Strukturierung und Ausdifferenzierung der waldfreien Vegetationstypen beigetragen hat. Gemeinsam haben beide Faktoren zum Erhalt und zur Entwicklung eines vielfältigen Landschaftsmosaiks mit großer Vielfalt an Biotoptypen und FFH-LRT beigetragen.
Fazit
Mit neuen Techniken ist es gelungen, ältere analoge Luftbildsequenzen qualitativ hochwertig aufzubereiten und durch Digitalisierung vergleichend auszuwerten. Mithilfe von Fernerkundungsdaten konnten Vegetationsentwicklungen rückwirkend hochauflösend dokumentiert, bewertet und visualisiert werden.
Die Untersuchung gibt einen Einblick in die Entwicklung eines großflächigen und jagdfreien Wildnisgebietes über 1 000 ha Größe. Die Ergebnisse der Vegetationsentwicklung nach 18 Jahren Wildnisentwicklung dokumentieren eine hohe Dynamik. Die Reaktion auf Wiedervernässungsmaßnahmen und natürliche Prozesse wie Wildwirkungen überlagern sich. Eine klare Differenzierung im Sinne eines Ursache-Wirkungszusammenhanges ist dabei schwierig. Gleichwohl zeigt die Analyse eine Zunahme der geschützten und besonders wertvollen Biotoptypen. Gleichzeitig hat die Diversität der FFH-LRT zugenommen. Sehr wahrscheinlich haben Rothirsche und Wildschweine nicht nur zum Erhalt der Biotopvielfalt in den gehölzarmen Mooren und Sümpfen (v. a. im Kalk-Zwischenmoor) beigetragen, sondern deren (Wieder-)Ausbreitung unterstützt. Diese These soll nun durch ein Wildwirkungsmonitoring im Wildnisgebiet geprüft werden.
In Deutschland sind kaum noch großflächige, unbeeinflusste und somit auch jagdfreie Wildnisgebiete zu finden. Das 2-%-Ziel der „Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt“ wird sich nur durch die Inanspruchnahme von anthropogen beeinflussten Flächen umsetzen lassen. Die in den Nationalparken (und z. T. auf Flächen des Nationalen Naturerbes sowie auf Naturschutzstiftungsflächen) entstandenen neuen Wildnisgebiete können notwendige Erkenntnisse für die Neueinrichtung weiterer Gebiete liefern. Mehr Aufmerksamkeit von der Forschung für die bereits vorhandenen Wildnisgebiete könnte helfen, theoretischen Überlegungen die Erfahrungen aus der Praxis gegenüberzustellen. Den Nationalparken, Naturerbeflächen und weiteren Großschutzgebieten kommt hier eine besondere Bedeutung zu, große jagdfreie Flächen zuzulassen und dabei wertfrei Wechselwirkungen und Entwicklungen durch ein hierfür geeignetes Monitoring zu dokumentieren (Ehrhartet al. 2016,Harthun2018,Hohmannet al. 2018, ZGF 2017). Die Erfahrungen aus dem Müritz-Nationalpark können einen Beitrag zur sachlichen Diskussion über die Einrichtung, das Monitoring und das Management von Wildnisgebieten in Mitteleuropa liefern.
Die erzeugten Daten der Untersuchung wurden in einer interaktiven Web-Map aufbereitet und können unter folgendem Link eingesehen werden:
https://agroscience.maps.arcgis.com/apps/webappviewer/index.html?id=2192682c2e6a4a7d8aa7e96925ce1226
Literatur
Aus Umfangsgründen steht das ausführliche Literaturverzeichnis unter www.nul-online.de (Webcode 2231 ) zur Verfügung.
Fazit für die Praxis
- In Deutschland sind großflächige, unbeeinflusste, jagdfreie Wildnisgebiete sehr selten. Das 2-%-Ziel an Wildnisflächen als Beitrag der „Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt“ formuliert den Auftrag, diese einzurichten.
- Großschutzgebiete sollten eine Vorbildfunktion bei der Einrichtung von solchen großen jagdfreien Flächen einnehmen.
- Praktische Erfahrungen in der Etablierung von Wildnisgebieten sollten durch ein geeignetes Monitoring begleitet werden.
- Mithilfe von Fernerkundungsdaten können Vegetationsentwicklungen auch rückwirkend hochauflösend erfasst, bewertet und visualisiert werden.
- Ergebnisse und Erfahrungen aus bestehenden Wildnisgebieten, wie z. B. dem Müritz-Nationalpark, sollten bei der Diskussion über zukünftige Wildnisgebiete in Mitteleuropa stärkere Berücksichtigung finden.
Kontakt
Dr. Sven Rannow studierte Landschaftsplanung in Berlin und promovierte in Dortmund. Er leitet das Dezernat Grundlagen und Planung im Nationalparkamt Müritz. Zu seinen langjährigen Arbeitsschwerpunkten gehören neben der Klimafolgenforschung, das Management von Großschutzgebieten und die Moderation von Nutzungskonflikten bei der Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen.
> s.rannow@npa-mueritz.mvnet.de
Dipl. Biol. Olaf Simon studierte Biologie in Frankfurt und Gießen. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Wildbiologie und Säugetierökologie. Neben Themen der angewandten Landschaftsplanung und Vegetationskunde im Kontext von Wildwirkungen sind die wildlebenden Huftiere mit dem Schwerpunkt der Konfliktanalyse und Konsensentwicklung im Themenfeld Schalenwild, Jagd, Forstwirtschaft, Naturschutz u.a. in Großschutzgebieten sein zentraler Aufgabenbereich.
> olaf.simon@tieroekologie.com
Dipl.-Geogr. Christian Kotremba studierte Geografie in Mainz. Er arbeitet am Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen in Trippstadt und war vormals am Institut für Agrarökologie (IfA) der Rheinland-Pfalz AgroScience GmbH tätig. Schwerpunkte seiner Arbeit umfassen GIS-Analysen, Fernerkundung (u. a. zur Ableitung von Waldstrukturparametern), Digitale Höhenmodelle, Erosionsmodellierung, Klimawandelanpassung und Klimamodellierung.
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