
Mehr Huftiere als erwartet
Wildtiere suchen gern geschützte Lebensräume auf und sind für uns Menschen daher nicht immer sichtbar. Andererseits sind die Verbissschäden an jungen Waldbäumen vielerorts offensichtlich. Deswegen gibt es oft Streitigkeiten, wie viele Wildtiere nun tatsächlich auf einer bestimmten Fläche vorhanden sind. Dieser Fragestellung hat sich nun ein wissenschaftliches Forschungsprojekt der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) angenommen und in zwei typischen Gebirgslandschaften der Bayerischen Alpen die Populationsgrößen untersucht. Quintessenz: Es gibt dort mehr Tiere als erwartet.
von LWF/Red erschienen am 23.09.2024In Kooperation mit den Bayerischen Staatsforsten AöR (BaySF) nahmen die Wildbiologen der LWF die Schalenwildbestände im Bergwald mit innovativen Methoden genauer unter die Lupe. Die wissenschaftlichen Untersuchungen erfolgten dabei in zwei Projektgebieten: im Karwendel mit rund 5.250 ha und im Chiemgau mit rund 7.000 ha. Die beiden ausgewählten Gebiete Karwendel und Chiemgau sind – jedes in seiner Art – sehr typisch für den bayerischen Alpenraum. Allerdings unterscheiden sich die Lebensraumsituation für Wildtiere, die Landnutzung durch Land- und Forstwirtschaft, der Jagdbetrieb und auch Tourismus in den beiden Untersuchungsräumen wesentlich.
Im Herbst 2018 wurden im eher felsigen Projektgebiet Karwendel rund 330 Stück Rotwild und über 1.000 Gämsen festgestellt, Rehwild war hingegen nur sehr selten vertreten. Im stärker bewaldeten Projektgebiet Chiemgau war das Rehwild mit 450 Tieren die häufigste Schalenwildart, gefolgt vom Rotwild. Zusätzlich ermittelten die Wildbiologen dort einen Gamsbestand von etwa 300 Individuen. Die Individuenzahlen in den beiden Gebieten überraschten die Wissenschaftler und langjährige Praktiker vor Ort gleichermaßen.
Um den körperlichen Zustand der Wildtiere einzuschätzen, verglichen die Wissenschaftler in den vier Jahren das Gewicht und Wachstum aussagekräftiger Skelettparameter von über 1.800 im regulären jagdlichen Betrieb erlegten Gämsen, Rothirschen und Rehen. Für alle drei Schalenwildarten konnte dabei in beiden Projektgebieten ein normaler bis guter körperlicher Zustand festgestellt werden. Das lokale Wildtiermanagement baut also auf vitalen Wildbeständen auf. Allerdings gab es auch Unterschiede zwischen den Gebieten: Zum Beispiel waren Gamsgeißen, die im waldreicheren Chiemgau erlegt wurden, tendenziell etwas schwerer als die im felsreicheren Karwendel. Zudem wuchsen die Geißen in jungen Jahren im Chiemgau etwas schneller als im Karwendel mit seinen höheren Gamsdichten.
Auf Basis der gewonnenen Forschungsergebnisse erarbeiteten die Projektpartner gemeinsam Empfehlungen für die Weiterentwicklung bestehender Managementkonzepte – hin zu einem integralen Wildtiermanagement. Dabei sollen alle drei Schalenwildarten sowie die Belange der Menschen zum Beispiel in Zonierungskonzepten Berücksichtigung finden. Ziel muss es sein, die Schutzfunktionen der Bergwälder zu erhalten und zu fördern sowie geeignete Lebens- und Rückzugsräume für vitale und artenreiche Wildbestände zu schaffen. Auch für ein künftiges Monitoring der Wildtiere, insbesondere der Gams, konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.