Faktoren erfolgreicher Grünlandrenaturierung im Agrarland: Ein angewandtes Forschungsprojekt aus der Schweiz
Wiesen und Weiden prägen die Landschaft Mitteleuropas seit Jahrtausenden. Ihre traditionelle Nutzung hat wesentlich zu einer hohen Biodiversität der Landschaft beigetragen. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft hat die Artenvielfalt im Grünland in den vergangenen Jahrzehnten jedoch in enormem Ausmass abgenommen. Um die Biodiversitätsziele zu erreichen, wird nun zunehmend versucht, verarmtes Grünland wieder in artenreiche Wiesen oder Weiden überzuführen, indem der Boden bearbeitet und Saatgut ökologisch wertvoller Arten übertragen wird.
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Viele Untersuchungen zeigen, dass diese aktive Grünlandrenaturierung die Pflanzenvielfalt namhaft fördert. Es ist jedoch nur wenig über die Wirksamkeit der Faktoren bekannt, die bei solchen Massnahmen eine Rolle spielen, zum Beispiel die Intensität der Bodenbearbeitung, die Aussaatmethoden und die Saatgutquelle. Ebenso gibt er nur wenige Studien über die Auswirkungen auf die Fauna.
Großflächiges Feldexperiment
In meiner Dissertation konnte ich diesen Fragen im Rahmen eines umfangreichen Feldversuches der Universität Bern vertieft nachgehen. Dabei wurden im Schweizer Mittelland 48 ehemals artenarme, mindestens 15 Ar große Wiesen mit verschiedenen Methoden zur Erhöhung der Pflanzenartenvielfalt neu angesät. Ich untersuchte einerseits die Auswirkungen auf die Pflanzenartenzusammensetzung. Andererseits verglich ich die Methode der Mahdgutübertragung mit der Verwendung von Saatgut, um herauszufinden, inwieweit mit dem Mahdgut Kleintiere von einer Wiese auf eine andere übertragen werden. Zudem ging ich der Frage nach, ob die mit der Grünlanderneuerung verbundenen Bodenstörungen für bodenbewohnende Wirbellose schädlich sind.
Die untersuchten Verfahren waren:
- Mahdgutübertragung von einer artenreichen Spenderwiese auf eine gefräste Empfängerwiese
- Mahdgutübertragung von einer artenreichen Spenderwiese auf eine gepflügte Empfängerwiese
- Ansaat einer vermehrten Saatgutmischung auf eine gepflügte Empfängerwiese (es wurde die UFA-Salvia CH-G Mischung verwendet) und
- Ansaat einer autochthonen, lokalen Saatgutmischung auf eine gepflügte Empfängerwiese (Saatgut wurde mit dem Samenernter eBeetle auf den gleichen Spenderflächen geerntet, von denen auch das Material für die Mahdgutübertragung stammte)
- Kontrolle ohne Ansaat und ohne Bodenstörung
Mindest-Biodiversitätsziel überall erreicht
Zwei Jahre nach der Ansaat haben alle oben aufgezählten Aufwertungsmethoden zu einer deutlich höheren Artenvielfalt der Pflanzen beigetragen. Es wurden im Schnitt neun zusätzliche Pflanzenarten über alle Ansaatmethoden festgestellt, wobei es nur geringe Unterschiede zwischen den Methoden gab. Dieses Ergebnis ist besonders für die LandwirtInnen, die diese Flächen bewirtschaften, erfreulich. Mit dem Schweizer Direktzahlungssystem werden für Wiesen, die mindestens sechs Indikator-Pflanzenarten aufweisen, deutlich höhere Direktzahlungen ausgerichtet. Alle im Versuch neu angesäten Wiesen haben dieses minimale Artenniveau mehr oder weniger deutlich überschritten. Das Ergebnis ist allerdings noch mit Vorsicht zu werten. Eine Wiese ist stetigem Wechsel ausgesetzt und die Pflanzenzusammensetzung kann sich in den ersten Jahren nach der Ansaat noch stark verändern. Deshalb laufen die Untersuchungen weiter. Dabei soll auch die genetische Vielfalt ausgesuchter Pflanzenarten analysiert werden. Ähnliche Studien und Felderfahrungen weisen darauf hin, dass autochthones Saatgut (direkt und lokal geerntet in Form von Samen oder Heu) einen klaren Vorteil gegenüber vermehrtem Saatgut hat, beispielsweise in Bezug auf den Inzuchtfaktor oder auf die Stabilität der botanischen Zusammensetzung.
Laufkäfer und Spinnen haben sich nach Bodeneingriff erholt
Eine Grünlandaufwertung bezweckt die Förderung von Arten. Leider wird häufig ausgeblendet, ob bestimmte Aufwertungsmassnahmen auch negative Auswirkungen haben können. Beispielsweise sind Kleinlebewesen wie Insekten und Spinnen der Bodenvorbereitung durch Pflug und Egge stark ausgesetzt. Um ideale Keimbedingungen vor der Ansaat zu ermöglichen, sind diese Bodeneingriffe aber notwendig. Mit unserem Experiment konnten wir nachweisen, dass die Laufkäfer- und Spinnengemeinschaft sich nach der Bodenstörung nicht verändert hat. Zwar gab es durch die Eingriffe direkte Verluste bei den Laufkäfern und Spinnen. Da die Eingriffe jedoch nur über einen kurzen Zeitrahmen stattgefunden haben, konnten sich Individuen aus dem Umfeld auf der neu angesäten Wiese rasch wieder ansiedeln.
Per Anhalter auf die nächste Wiese
Bei der Untersuchung der Mahdgutübertragung hat sich gezeigt, dass mit dieser Methode tatsächlich viele Kleintiere auf die neue Fläche übertragen werden, vor allem Laufkäfer, Spinnen und Wanzen. Im Schnitt fanden sich pro Quadratmeter geerntetes Heu 9,2 Individuen. Hochgerechnet pro Hektar sind das 92.000 Individuen – weitaus genug, um eine neue Population anzusiedeln. Was sich selbstverständlich anhört, wurde bisher kaum untersucht, vor allem nicht in einem so grossen Ausmaß.
Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften
Slodowicz, D., Humbert, J. Y., & Arlettaz, R. (2019). The relative effectiveness of seed addition methods for restoring or re-creating species rich grasslands: a systematic review protocol. Environmental evidence, 8(1), 1-7.
https://doi.org/10.1186/s13750-019-0174-2
Stöckli, A., Slodowicz, D., Arlettaz, R., & Humbert, J. Y. (2021). Transfer of invertebrates with hay during restoration operations of extensively managed grasslands in Switzerland. Journal of insect conservation, 25(1), 189-194.
https://doi.org/10.1007/s10841-020-00282-8
Weitere Kapitel der Dissertation befinden sich momentan in der Revisionsphase und werden in Kürze veröffentlicht.
Kontakt
Ö+L GmbH | Ökologie und Landschaft
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für mehr Vielfalt und Lebensqualität in der Kulturlandschaft
Daniel Slodowicz, Dr.phil.nat., Leiter Forschung und Entwicklung
Litzibuchstr. 29 | CH-8966 Oberwil-Lieli
Telefon +41 (0)77 486 3883
ds@holosem.ch | www.holosem.ch | www.ebeetle.ch
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