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Insektensterben

Simulation ergibt 24 Mrd. € Verlust in Europa

Ein hypothetisches Verschwinden der Wildbestäuber im Jahr 2030 würde nicht nur Ernteausfälle und steigende Lebensmittelpreise nach sich ziehen, sondern auch die Ernährungssicherheit und den wirtschaftlichen Wohlstand weltweit gefährden. Zu diesem Schluss kommt eine Simulation der Universität Hohenheim in Stuttgart: Allein in Europa würde im Jahr 2030 der gesamtwirtschaftliche Schaden rund 24 Mrd. € betragen.

von Universität Hohenheim/Redaktion erschienen am 25.11.2025
Sandbiene der Andrena minutula -Gruppe auf Huflattich ( Tussilago farfara ) © Julia Bächtle
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Wie sähe ein realistisches Szenario aus, wenn ein Großteil der Insekten großflächig wegfallen würde? Dieser Frage ist ein Hohenheimer Forschungsteam unter Leitung von Professor Arndt Feuerbacher in einer Simulation nachgegangen. Dabei gingen die Forschenden davon aus, dass ein Rückgang der Insekten um 90 % bis in das Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2017 einem völligen Zusammenbrechen der Populationen gleichkommen würde.

Das Ergebnis lässt aufhorchen: Die Erträge bestäuberabhängiger Kulturen wie Obst, Gemüse und Ölsaaten würden drastisch sinken, während zum Beispiel Getreide, das nicht durch Tiere bestäubt wird, kaum betroffen wäre. Insgesamt würde die landwirtschaftliche Produktion in Europa im Durchschnitt um 4 % zurückgehen, für stark bestäuberabhängige Pflanzen um rund 13 %.

Die Auswirkungen wären jedoch nicht auf Europa beschränkt. Durch die sinkenden europäischen Erträge und steigenden Preise käme es zu spürbaren Verschiebungen im internationalen Handel. Die Europäische Union (EU), bislang Nettoexporteur vieler Obst- und Gemüsearten, würde zum Nettoimporteur.

Gefahr für Gesundheit und Ernährungssicherheit

Trotz der Marktanpassungen würde sich die Versorgungslage in Europa deutlich verschlechtern. Obst, Gemüse und Ölsaaten sind nicht nur ökonomisch, sondern auch ernährungsphysiologisch von zentraler Bedeutung. Die Verfügbarkeit dieser nährstoffreichen Lebensmittel würde spürbar sinken. In der Folge nähme insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit Vitamin A und Folat ab. So würde innerhalb der EU die Verfügbarkeit von Vitamin A im Durchschnitt um 3,7 % zurückgehen.

Auch in anderen Weltregionen könnten sich Engpässe verschärfen, da die verstärkte europäische Nachfrage nach nährstoffreichen Lebensmitteln dort zu Versorgungsdefiziten führen würde. Vor allem in Teilen Afrikas, Mittel- und Südamerikas sowie Asiens würde die Konkurrenz um vitamin- und mineralstoffreiche Nahrungsmittel zunehmen und sich die Ernährungssicherheit in diesen ohnehin gefährdeten Regionen weiter verschlechtern.

Politische Auffälligkeiten

Die Forschenden stellten auch eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen ökologischer Betroffenheit und politischer Haltung fest: Länder, die besonders stark unter einem möglichen Verschwinden der Wildbestäuber leiden würden, zeigen tendenziell geringere Unterstützung für EU-Verordnungen zum Biodiversitätsschutz, wie beispielsweise die EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (das „Nature Restoration Law“) oder die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (die „Sustainable Use Regulation“).

„Die ökonomischen Kosten des Verschwindens wilder Bestäuber sind besonders hoch in Ländern deren EU-Abgeordnete im Parlament mehrheitlich gegen die genannten EU-Verordnungen gestimmt haben“, so Professor Feuerbacher. „Vermutlich liegt diesem Muster die höhere volkswirtschaftliche Abhängigkeit von der landwirtschaftlichen Produktion zu Grunde, was wiederum das Abstimmverhalten der Abgeordneten beeinflussen kann. Hierzu besteht weiterer Forschungsbedarf.“

Handlungsperspektiven

Die Forschenden betonen, dass Wildbestäuber nicht vollständig durch Honigbienen oder andere technische Verfahren ersetzt werden könnten. Der Schutz ihrer Lebensräume ist daher dringend erforderlich. „Wenn Europa auch nur einen Teil der 24 Milliarden jährlich in eine biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft, die Förderung von Blühstreifen, Hecken und extensiv genutzten Flächen investieren würde, könnten wir die Folgen des Insektenrückgangs deutlich abmildern oder sogar umkehren, und langfristig sowohl Erträge als auch Ernährung sichern“, so das Fazit von Professor Feuerbacher.

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