
Grünlandschmetterlinge als Indikatoren
Ein Ziel der 2024 in Kraft getretenen EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur ist es, den Artenschwund zu stoppen und wichtige Ökosystemleistungen von Agrarlandschaften zu erhalten. Forschende des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben nun in Zusammenarbeit mit dem Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut (SDEI) den Index der Grünlandschmetterlinge für Deutschland berechnet – ein in der EU-Verordnung vorgeschlagener Indikator für den Zustand der Biodiversität.
von UFZ/Redaktion erschienen am 13.10.2025Die im Fachmagazin „Nature Conservation“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen vor allem für die letzten Jahre einen negativen Trend. Für ihre Berechnungen konnten die Forschenden auf die 4 Millionen Beobachtungsdaten zurückgreifen, die in den letzten 20 Jahren im Rahmen des „Tagfalter-Monitorings Deutschland“ am UFZ gesammelt wurden.
Der „Index der Grünlandschmetterlinge“ ist neben dem „Vorrat an organischem Kohlenstoff in Ackerböden“ und dem „Anteil landwirtschaftlicher Flächen mit Landschaftselementen mit großer Vielfalt“ einer von drei Indikatoren der EU-Verordnung. Mindestens zwei dieser Indikatoren sollen bis 2030 einen Aufwärtstrend hin zu einem zufriedenstellenden Niveau zeigen. Er bildet von 2006 bis 2023 die Entwicklung der Bestände von 15 Tagfalterarten ab, die als typische Bewohner verschiedener Grünlandbiotope gelten. „Vier Arten haben zugenommen, fünf Arten weisen einen abnehmenden Trend auf. Für sechs Arten ist der Trend unsicher, was wahrscheinlich auf zu wenige Daten und große Unterschiede zwischen den Fundorten zurückzuführen ist“, sagt der Erstautor der Studie, Bioinformatiker Alexander Harpke.
Im ersten Jahrzehnt des analysierten Zeitraums (2006 bis 2016) zeigt der Index für Deutschland insgesamt einen leicht positiven Trend – was nicht ausschließt, dass dieser für einzelne Arten sehr unterschiedlich ist.
Betrachtet man hingegen nur die letzten Jahre (2016 bis 2023), so zeigt der Index insgesamt einen deutlichen Rückgang. Der betrifft vor allem spezialisierte, anspruchsvolle Arten, wie zum Beispiel den Zwergbläuling (Cupido minimus) oder den Dunklen Dickkopffalter (Erynnis tages); Generalisten wie der Kleine Feuerfalter (Lycaena phlaeas) oder das Große Ochsenauge (Maniola jurtina) sind dagegen kaum betroffen.
Diese Ergebnisse zeigen, dass der Trend der Grünlandschmetterlinge in Deutschland im Vergleichszeitraum dem Trend auf europäischer Ebene entspricht, der von der Organisation Butterfly Conservation Europe zuletzt 2025 für alle 27 Mitgliedsstaaten ermittelt wurde.
Tagfalter als Indikatoren
Tagfalter sind dafür bekannt, dass sie empfindlich auf Veränderungen ihrer Umwelt reagieren. Dabei spielt die Landnutzung eine entscheidende Rolle. „Der Verlust und die Zerschneidung von Lebensräumen haben einen nachweislich negativen Effekt auf das langfristige Überleben von Tagfalter-Populationen. Intensive Mahd, Stickstoffeinträge und Pestizide tragen zu einer Verschlechterung der Lebensraumqualität oder einer erhöhten Mortalität bei. Arten, die auf spezielle Lebensräume des Offenlandes, zum Beispiel Magerrasen, angewiesen sind, leiden zudem unter ausbleibender Nutzung, zum Beispiel durch Beweidung oder Mahd“, erklärt Prof. Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut (SDEI) in Müncheberg, Co-Autor der Studie. Neben der Landnutzung trägt der Klimawandel immer stärker zu einer Veränderung der Tagfalterfauna bei. Höhere Temperaturen begünstigen die Ausbreitung wärmeliebender Arten, während an kühlere Bedingungen angepasste Arten rückläufig sind.
Diese Abhängigkeiten der Tagfalter von Landnutzung und Klimawandel machen sie zu hervorragenden Gradmessern für den Zustand unserer Ökosysteme. Hinzu kommt ihre gute Erfassbarkeit – insbesondere auch durch qualifizierte Ehrenamtliche. Beides zusammen hat im Falle des Tagfalter-Monitorings Deutschland eine unschätzbare Datenbasis geliefert, die die Forschenden jetzt auswerten und Trends und Indikatoren für die Berichterstattung im Rahmen der europäischen Umweltgesetzgebung berechnen. „Dabei ließe sich sowohl die Aussagekraft als auch die Repräsentativität des Indikators noch steigern, wenn staatliche Programme, wie das FFH-Monitoring oder das bundesweite Insektenmonitoring in die Analyse integriert würden“, sagt UFZ-Biologe und Mitautor der Publikation Dr. Martin Musche. Das Gleiche gelte, wenn Daten aus Nachbarländern einbezogen würden.
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