
Invasive Populationen sind in ihrer Heimat oft bedroht
Vom Menschen eingeführte nichtheimische Arten gehören zu den Haupt-Verursachern des globalen Artenrückgangs – bei 60?% der in den vergangenen Jahrzehnten weltweit ausgestorbenen Arten waren sie mitverantwortlich. Nun zeigt eine Studie, dass manche dieser von Menschen verbrachten Arten in ihrem Heimatgebiet selbst gefährdet sind. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Conservation Letters“ erschienen.
von Universität Wien/Redaktion erschienen am 07.01.2025Insgesamt sind derzeit 230 nichtheimische Säugetierarten weltweit von Menschen in neue Gegenden eingeführt worden und haben sich dort dauerhaft angesiedelt. „Uns hat nun interessiert, wie viele dieser Arten selbst in ihrem Heimatgebiet bedroht sind“, erläutert Lisa Tedeschi von der La Sapienza Universität und der Universität Wien, die Erstautorin dieser Studie. Die Forschenden konnten zeigen, dass 36 der nichtheimischen Säugetierarten in ihrer ursprünglichen Heimat bedroht sind und damit unter dieses Naturschutzparadoxon fallen. „Diese hohe Zahl hat uns sehr überrascht, gingen wir doch davon aus, dass invasive Arten auch im Ursprungsgebiet häufig sind“, erklärt Tedeschi weiter.
Eine wichtige im Heimatgebiet bedrohte Säugetierart ist der Schopfmakake, dessen Bestand in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet auf Sulawesi seit 1978 um 85?% zurückgegangen ist, während er sich auf anderen Inseln Indonesiens ausgebreitet hat und sich dort stabile Populationen finden. Das Wildkaninchen ist in Europa bedroht, während es in anderen Weltgegenden wie in Australien sehr große eingeführte Vorkommen hat, die weitaus größer als die europäischen sind. Die meisten der im Heimatgebiet bedrohten Arten stammen aus dem tropischen Asien, was in vielen Fällen eine Folge massiver Regenwaldzerstörung und von Überjagung ist. Daher könnten vom Menschen eingeführte Vorkommen diesen Arten helfen, das Aussterben zu verhindern.
Globalisierung: Naturschutz steht vor schwieriger Aufgabe
Bei der Bewertung des globalen Aussterberisikos werden Vorkommen einer Art, die nicht im Heimatgebiet leben, aktuell nicht berücksichtigt. In der aktuellen Studie konnten die Forschenden jedoch zeigen, dass sich die Gefährdungssituation einiger Arten verbessern würde, wenn man die nichtheimischen Vorkommen mitberücksichtigt. „Für 22?% der analysierten Arten würde sich das globale Aussterberisiko verringern, wenn auch nichtheimische Vorkommen in die Bewertung einbezogen würden“, erläutert der Biodiversitätsforscher Franz Essl von der Universität Wien, einer der Hauptautoren der Studie. Dieses Ergebnis unterstreicht laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die erhebliche Bedeutung nichtheimischer Populationen für das Überleben gefährdeter Arten – besonders dann, wenn im Heimatgebiet ein hoher Gefährdungsdruck gegeben ist.
Nichtheimische Populationen dieser Arten in die Gefährdungsbewertung einzurechnen, birgt jedoch auch Risiken – etwa, dass weniger Augenmerk auf den Schutz der gefährdeten Vorkommen im Heimatgebiet gelegt wird. Zudem können nichtheimische Populationen negative Auswirkungen auf andere Arten haben. „Das Hauptaugenmerk muss weiterhin auf dem Schutz von Arten im Heimatgebiet liegen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es in Zukunft mehr Arten geben wird, die in ihren Heimatgebieten vom Aussterben bedroht sind und bessere Überlebenschancen im neuen Verbreitungsgebiet haben. Dies stellt den Naturschutz vor die schwierige Aufgabe, Chancen und Risiken abzuwägen“, zieht Franz Essl ein Fazit. „Auch dies ist ein Fingerabdruck der Globalisierung der Artenverbreitung.“
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