
Zersiedelung in Deutschland
Unter Zersiedelung versteht man die (geplante oder ungeplante) Ausbreitung von Siedlungen in zuvor unbebaute oder landwirtschaftlich genutzte Gebiete, was ein „Ausfransen“ der urbanen Randbereiche mit gestreut angeordneten und oft gering ausgelasteten Wohn- oder Gewerbeflächen zur Folge hat. Diese Entwicklung bringt steigende Infrastrukturkosten, geringe Ressourceneffizienz, den Verlust wertvoller Böden und eine erhöhte Umweltbelastung der Landschaft mit sich.
von Tobias Krüger, Jochen Jaeger, Martin Behnisch von 10.1399/NuL.85578 erschienen am 19.11.2024Zersiedelung: Definition und Messansatz
Jaeger und Schwick (2014) definieren die Zersiedelung als visuell wahrnehmbares Phänomen, das sich durch eine disperse Siedlungsstruktur mit geringen Nutzungsdichten auszeichnet. Sie schlagen einen dreidimensionalen Messansatz, bezeichnet als Gewichtete Zersiedelung (engl. Weighted Urban Proliferation, WUP), vor. Die drei Komponenten sind: (a) der Überbauungsgrad der Landschaft durch Siedlungselemente, (b) die Streuung bzw. Dispersion der bebauten Flächen im Raum und (c) die Nutzungsdichte der bebauten Fläche bzw. der Flächenbedarf an Siedlungsfläche pro Kopf. Die Dispersion und die Nutzungsdichte werden gewichtet in die Metrik einbezogen, um die Zersiedelungsintensität erfassen zu können. Die Einheit von WUP wird mit Durchsiedelungseinheiten (Urban Permeation Units) pro Quadratmeter angegeben (UPU/m2). Neben dieser flächenbezogenen Messgröße wird auch eine personenbezogene Metrik, bezeichnet als Gewichtete Zersiedelung pro Kopf (Weighted Sprawl per Capita, WSPC; UPU/person), verwendet.
Generell wächst der Zersiedelungswert bei zunehmender Überbauung, mit zunehmender disperser Siedlungsstruktur sowie mit geringerer Nutzungsdichte (Behnisch et al., 2022).

Karte der Zersiedelung in Deutschland
Auf Grundlage von amtlichen Geobasisdaten (ATKIS Basis-DLM) und dem seit Juli 2024 verfügbaren 100-m-Einwohnerraster des Zensus 2022 wurde für diese Kartenserie eine kleinräumige Analyse der Zersiedelung in Deutschland durchgeführt, um aktuelle Zersiedelungsmuster unterhalb der Gemeindeebene zu ermitteln. Die Messgröße WUP, welche ursprünglich sowohl Einwohner- als auch Beschäftigtenzahlen in die Berechnung der Nutzungsdichte einbezieht, wurde hier zur Unterscheidung mit WUPP bezeichnet, da auf dieser kleinräumigen Ebene keine Beschäftigtenzahlen verfügbar sind.
Die Karte zeigt die Zersiedelung in Deutschland auf Basis des INSPIRE-konformen geographischen Gitters mit 1.000 m Zellgröße. Gut erkennbar ist der allgemeine Zusammenhang von Urbanität und hohen Zersiedelungswerten im suburbanen Raum. In hochverdichteten Zentren kommt hingegen die abmildernde Wirkung der Gewichtungsfunktionen zum Tragen: Sehr hohe Nutzungsdichten in den urbanen Zentren führen dazu, dass der Zersiedelungswert trotz sehr hoher Überbauung gering ausfällt. Hier ist der Flächenbedarf pro Kopf gering. Dies ist gut in den Städten Berlin, Hamburg, München und Nürnberg zu erkennen.
Zersiedelung nach Höhenstufen
Der Blick auf die Karte mit darunterliegender Reliefschummerung lässt in Teilen einen Zusammenhang von Zersiedelung und Geländehöhe vermuten, da insbesondere einige Mittelgebirgszüge durch geringere Zersiedelungsmuster herausstechen, z.B. Harz, Thüringer Wald, Schwarzwald, Taunus, Hunsrück, Rhön. Der alpine Bereich ist fast vollständig siedlungsfrei.

In Gebieten bis 50 Meter Geländehöhe lebt der höchste Bevölkerungsanteil Deutschlands (24,2 %; Tab. 1). Die Diagramme der berechneten Zersiedelungswerte innerhalb von Höhenstufen zeigen, dass die Zersiedelung in der Zone zwischen 100 und 200 Meter mit 6,54 UPU/m2 am höchsten ist, während sie danach mit zunehmender Höhe kontinuierlich sinkt. In dieser Zone ist auch der Überbauungsgrad der Landschaft am höchsten (14,3 %).

Die Dispersion der Siedlungsstrukturen fällt mit zunehmender Höhe, was darauf deutet, dass in höheren Lagen eher kompaktere Strukturen auftreten. Der Bevölkerungsanteil Deutschlands sinkt mit steigender Höhenschicht, gleichzeitig steigt die beanspruchte Siedlungsfläche pro Person leicht an. Die Zersiedelung pro Kopf (WSPC) zeigt im Gegensatz zu WUPP ihren niedrigsten Wert in der Zone 100-200 Meter, insgesamt zeigt WSPC jedoch keinen auffälligen Trend.
Behnisch et al., 2022: DOI 10.19217/NuL2022-12-02
Jaeger und Schwick (2014): 10.1016/j.ecolind.2013.11.022
Die Reihe „Landschaft und Natur in Karten“ wird herausgegeben von Ulrich Walz (HTW Dresden), Wolfgang Wende und Gotthard Meinel (beide IÖR Dresden).
Autoren: Tobias Krüger, Jochen Jaeger, Martin Behnisch
- Robert 19.03.2025 09:42Super Visualisierung! Gibts das auch als Geopackage?Antworten