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Interview mit Jörg Zausig

Landschaftswasserhaushalt im Klimawandel

Dürren und zahlreiche Waldbrände auf der einen Seite, teils schwere Überschwemmungen auf der anderen Seite: Durch den Klimawandel wird das Wetter immer extremer. Was kann die Landschaftsplanung tun, um die Folgen zu mildern? Das haben wir Dr. Jörg Zausig, Diplom-Geoökologe und Vorsitzender des DWA-Hauptausschusses Gewässer und Boden, gefragt.

von Julia Schenkenberger erschienen am 08.05.2024
Rhein bei Hochwasser © Julia Schenkenberger
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Zur Person
Dr. Jörg Zausig
hat Geoökologie mit Schwerpunkt Bodenkunde studiert und ist im Ehrenamt Vorsitzender des DWA-Hauptausschusses Gewässer und Boden. Als Geschäftsführer der GeoTeam GmbH bearbeitet er bodenkundliche und hydrogeologische Fragestellungen, bringt aber auch Berufserfahrungen aus Bautechnik und Landschaftsökologie mit und arbeitet disziplinenübergreifend.
Herr Zausig, wer die Nachrichten verfolgt, findet abseits der weltpolitischen Entwicklungen zwei weitere Extreme: heftige Dürren einerseits und Flutkatastrophen andererseits. Wie stark haben diese Ereignisse in den vergangenen Jahren zugenommen? Jörg Zausig: Temperaturmessungen zum Klimawandel zeigen, dass die Erwärmung in der Arktis und der Nordhemisphäre deutlich ausgeprägter ist als am Äquator. Die Temperaturdifferenz sinkt also. Dadurch verlangsamt sich der Jetstream. Und das hat zur Folge, dass Wetterlagen stationärer werden. Früher hielten sich Wetterlagen maximal drei Wochen. Heute reden wir zum Teil von drei Monaten. Deshalb haben wir diese langen Hitzeperioden, die Trockenperioden, die Waldbrände. Zugleich ist durch die Erwärmung der Erdatmosphäre und der Weltmeere mehr Energie im System. Und diese Energie entlädt sich in höheren Windgeschwindigkeiten und durch die höhere Verdunstung von den Wasseroberflächen auch in intensiveren Niederschlagsereignissen. Und diese Niederschläge fallen deutlich inhomogener. Wie verändert das unseren Landschaftswasserhaushalt? Bezogen auf Deutschland lässt sich sagen: Die Böden trocknen aus und die Grundwasserspiegel, vor allem in den Gebieten, die schon immer nicht so reichlich mit Niederschlägen gesegnet waren, sinken deutlich ab. Gleichzeitig führen die lokal starken Niederschläge dazu, dass gegenüber gleichmäßig über längere Perioden fallendem Regen die Infiltration zurückgeht und der Oberflächenabfluss steigt. Der Niederschlag trägt also weniger zur Auffüllung des Bodenwasservorrats und zur Grundwasserneubildung bei, sondern führt eher zu Sturzfluten und Erosion. Grundwasser deckt jedoch nicht nur zu großen Teilen unsere Trinkwasserversorgung, sondern sichert in Trockenperioden auch die Wasserführung in unseren Flüssen und Bächen.
Bad Neuenahr-Ahrweiler nach dem schweren Hochwasser 2021
Bad Neuenahr-Ahrweiler nach dem schweren Hochwasser 2021 © Tjards Wendebourg
Wie viele dieser Sturzflut- und Erosionsereignisse sind denn vom Menschen durch die Veränderung der Landschaft gefördert? Wir haben seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine massive Intensivierung in der Landwirtschaft erlebt und auch eine Mechanisierung in der Forstwirtschaft. Flurneuordnungen wurden durch Zusammenlegung der ursprünglich sehr kleinen Flurstücke vorgenommen. Und die Landschaft wurde, ich nehme jetzt mal einen populären Begriff, ausgeräumt. Dies begünstigt Oberflächenabflüsse, weil weniger Strukturen da sind, die Abflüsse behindern. Außerdem haben wir im gleichen Zug in Land- wie Forstwirtschaft ein Wegenetz geschaffen, das im Vergleich zu den 1950er Jahren sehr gut ausgebaut, sehr stark befestigt und fast durchgehend mit funktionierenden Begleitgräben ausgestattet ist, die dafür sorgen sollen, dass bei Niederschlägen das Wasser nicht anstaut und die befestigten Wege durchfeuchtet, sondern abgeführt wird. Aber das führt natürlich gleichzeitig dazu, dass Oberflächenabflüsse deutlich zugenommen haben. Gleichzeitig gibt es durch diese Intensivierung der Landwirtschaft und die immer größeren und schwereren Maschinen trotz breiter Niederdruckreifen eine zunehmende und tief in den Boden reichende Verdichtung von landwirtschaftlich genutzten Böden und in den Rückegassen auch von Waldböden. Die Bodenlockerung im Zuge der Bodenbearbeitung von Ackerflächen reicht allerdings nur bis zur Pflugsohle. Dort kann bei Starkregenereignissen das Sickerwasser anstauen und dies führt einerseits zu verringerter Absickerung von Niederschlagswasser in tiefere Bodenschichten und weniger Grundwasserneubildung. Andererseits kann dies neben einer Verschlämmung der Bodenoberfläche auf geneigten Ackerflächen zu massiven Erosionserscheinungen führen, weil es infolge des Wasseranstaus an der Pflugsohle zu so starken Sättigungseffekten kommt, dass Boden quasi ins Fließen gerät und dann sehen wir diese flächigen Erosions-Ereignisse. Solche wassergesättigten Böden können nur schwer bearbeitet werden. Gleichzeitig kämpfen die Landwirte immer öfter mit Bodentrockenheit. Bedeutet das, dass sich durch den veränderten Landschaftswasserhaushalt auch unsere Landschaft und die Landnutzung verändert? Die Landbewirtschaftung muss sich ändern und wird sich ändern. Es gibt längst flexible Landwirte, die mit Bodenbearbeitung, Düngung und Fruchtfolgen experimentieren, um die Bodeneigenschaften dahingehend zu verbessern, dass eine bessere Struktur und Stabilität in der Krume ist und andererseits auch die Bodeneigenschaften hinsichtlich Infiltration und Wasserspeicherung zu verbessern und zu optimieren. Einige Landwirte haben in Folge der langen Dürreperioden in den Sommern bis 2022 auch bereits ihre Fruchtfolgen umgestellt und bauen beispielsweise Hirse an. Wir werden Änderungen bekommen und wir werden sicherlich auch diskutieren müssen, wie viel Wasser der Landwirtschaft zur Bewässerung zur Verfügung steht. Es gibt eine interessante Studie, wonach sich der Bewässerungsbedarf in den ostdeutschen Ländern verzehnfachen wird. Also nicht der Wasserbedarf, sondern der Bewässerungsbedarf der Landwirtschaft. Langfristig ist ein vorausschauendes Wassermanagement erforderlich, da eine ungesteuerte Entnahme von Grundwasser zur Bewässerung sogar die örtliche bzw. regionale Trinkwasserversorgung gefährden könnte. Das heißt, notgedrungen wird sich die Landwirtschaft hinsichtlich der Bewässerungsmethoden, aber auch der Feldfrüchte –z.B. trockenstressresistente Varietäten – anpassen müssen. Also geht es auch hier darum, das Wasser in der Landschaft zu halten und zu versickern. Inwiefern ist das Konzept der Schwammstadt übertragbar? Ich bin überzeugt, dass zur Schwammstadt das Umland und Maßnahmen im Umland gehören, weil wir natürlich bei Starkregenereignissen Wasser aus der Stadt ausleiten. Und wir brauchen unbedingt auch eine Aktivierung unserer Landschaft zu mehr Wasserrückhalt. Ich persönlich verweigere aber den Begriff Schwammlandschaft, weil er den je nach geogener und hydrogeologischer Grundausstattung unserer Landschaftseinheiten sehr unterschiedlichen Rahmensetzungen überhaupt nicht gerecht wird. Der Begriff Schwammstadt ist hinsichtlich des Maßnahmenkatalogs sehr technisch geprägt. Entsprechende Lösungen wollen wir für die freie Landschaft eher nicht, da Maßnahmen zur gezielten Ableitung und Zwischenspeicherung von Wasser wiederum mit Flächenverbrauch, Teilversiegelung und einem hohen CO2-Fußabdruck für Tiefbaumaßnahmen verbunden wären. Es geht vielmehr darum, einen ausgeglichenen Landschaftswasserhaushalt zu erreichen. Gibt es denn Möglichkeiten, den Landschaftswasserhaushalt zu stabilisieren? Da sehe ich neben technischen Möglichkeiten im Sinne von Möglichkeiten, Wasser einzustauen und zur Bewässerung zur Verfügung zu stellen, durchaus Potenzial. Dabei geht es darum, Landschaft und Landnutzung aktiv so zu verändern, dass wir dieses Übermaß an Strukturierung und an großen Flächen und Wasserableitungen über Wegenetze und Begleitgräben, das wir in den letzten Jahrzehnten geschaffen haben, wieder zurückfahren. Ein Lösungsansatz für weniger Abfluss und Erosion von sehr großen geneigten Ackerflächen wäre beispielsweise, diese Flächen parallel in zwei unterschiedlichen Kulturen zu bewirtschaften. Wenn man das Gleiche auch auf der benachbarten Fläche etabliert, verändert sich der Bewirtschaftungsaufwand kaum, aber man hätte diese erosionswirksamen großen Hanglängen unterbrochen. Eine weitere Möglichkeit wäre, wieder mehr Strukturen in die Agrarlandschaft einzubringen, z.B. höhenlinienparallele Hecken, die sowohl Schutz vor Wassererosion als auch vor Winderosion bieten und über den Windschutz auch positiv auf die Verdunstung wirken. Und auch im landwirtschaftlichen Wegenetz wird man sich Möglichkeiten überlegen müssen, um den Oberflächenabfluss zu begrenzen und oder zwischenzuspeichern.
Erfolgreiche Hochwasserschutzmaßnahme und Flussrenaturierung an der Nethe in Brakel-Hembsen
Erfolgreiche Hochwasserschutzmaßnahme und Flussrenaturierung an der Nethe in Brakel-Hembsen © Jörg Zausig
Das bedeutet, dass Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Landschaftsplanung und Naturschutz aktiv zusammenarbeiten müssen. Sehe ich das richtig? Und die Institutionen der ländlichen Entwicklung. Man wird sicherlich nicht zu diesen kleinen Feldstücken von früher zurückkehren können, aber aus meiner Sicht müsste das gar nicht sein, sondern man bräuchte im Sinne des Wasserrückhalts eher Querstrukturen, die genannten Heckenstrukturen beispielsweise. Ansonsten hängt in meinen Augen sehr viel an der Art der Bodenbewirtschaftung und dort sehe ich fast das größte Potenzial: eine Bodenkultur, bei der Bodenverdichtungen erst gar nicht entstehen, oder Flächenstilllegungen mit Sanierungssaaten, die den Boden auch in der Tiefe wieder auflockern können. Und wir bräuchten mit Sicherheit eine bessere Humuswirtschaft, das heißt eine bessere Fruchtfolge und keine Dauerkulturen mit humuszehrenden Pflanzen wie dem Mais. Klar ist: Wirklich etwas erreichen können wir nur gemeinsam! Herr Zausig, ich danke Ihnen für Ihre Einschätzung!
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