
Pflanzenschutzmittel verändern das Verhalten von Nicht-Zielorganismen
Pflanzenschutzmittel schützen Kulturpflanzen vor Schädlingen, Krankheiten und Unkräutern. Viele der Fungizide, Herbizide und Insektizide wirken sich aber auch negativ auf Organismen aus, die nicht das primäre Ziel ihres Einsatzes sind, zum Beispiel Bestäuberinsekten oder Fische. Wie sich deren Verhalten nach Exposition mit Pflanzenschutzmitteln ändert, steht jetzt im Fokus der lebensraumübergreifenden Studie von Forschenden des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ).
von UFZ/Redaktion erschienen am 12.11.2025„Wildbienen und andere Bestäuberinsekten können kurz nach dem Spritzen mit recht hohen Konzentrationen in Berührung kommen. Aber auch Tiere des aquatischen Lebensraums sind gefährdet“, sagt UFZ-Biologe Prof. Dr. Martin von Bergen, einer der beiden Co-Studienleiter. „Durch Regenfälle werden Pflanzenschutzmittel nach und nach in die umliegenden Gewässer gespült. Sie verbleiben und wirken nicht nur dort, wo sie ausgebracht wurden.“
Aus diesem Grund wählte das UFZ-Team für die Studie einen Forschungsansatz, in dem lebensraumübergreifend Bestäuberinsekten und Fische untersucht wurden. Als Modellorganismus für Bestäuberinsekten diente die Honigbiene (Apis mellifera) und für aquatische Tiere der Zebrabärbling (Danio rerio). Dabei richteten die Forschenden ihren Fokus auf Verhaltensänderungen infolge einer Exposition mit Pflanzenschutzmitteln. „Wir wollten herausfinden, ob und in welchem Maße sich die Verhaltensmuster unter Einwirkung von Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden ändern. Dazu haben wir die Modellorganismen Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt, die in ihrem jeweiligen Lebensraum in der Umwelt auch tatsächlich vorkommen und ihr Verhalten analysiert“, erklärt Cassandra Uthoff, UFZ-Doktorandin und Erstautorin der Studie.
Bei den Honigbienen konnten die Forschenden nach Behandlung mit dem Insektizid eine verringerte Futtersuchaktivität und ein verändertes Verhalten in der Nektarverarbeitung feststellen. Fungizide und Herbizide führten dagegen zu einem weniger intensiven Brutpflegeverhalten. „Solche Verhaltensänderungen, ausgelöst durch umweltrelevante Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln, können die Leistungsfähigkeit, den Erhalt der Kolonien und damit letztlich auch ihre Bestäubungsleistungen beeinträchtigen“, folgert Uthoff.
Um die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf das Verhalten von Süßwasserorganismen zu testen, nutzten die Forschenden eine Screening-Methode am Zebrafisch-Embryo-Modell. Damit ist es möglich, Chemikalien schnell auf neurotoxische Wirkungen zu testen, indem veränderte Lern- und Gedächtnisprozesse anhand des Verhaltens von Embryonen des Zebrabärblings gemessen werden. Neben der Einzelbehandlung mit den Pflanzenschutzmitteln wurden die Fischembryonen auch verschiedenen Konzentrationen eines Insektizid-Herbizid-Fungizid-Gemisches ausgesetzt, wie es typischerweise in deutschen Fließgewässern vorkommt. Die Exposition führte zu deutlichen und auch spezifischen Änderungen ihres Verhaltens: War die Konzentration des Gemisches gering, zeigten die Fischembryonen ein Verhalten, wie es normalerweise das Herbizid allein auslösen würde. Bei höherer Konzentration desselben Gemisches wurde dieses Verhalten aber nicht verstärkt, sondern abgelöst: Der Fischembryo verhielt sich nun so wie unter Einwirkung des Fungizids.
„Die Arbeit zeigt auch, dass Chemikaliengemische bereits in umweltrelevanten Konzentrationen komplexe Verhaltensänderungen hervorrufen können“, sagt Prof. Dr. Tamara Tal, UFZ-Ökotoxikologin und Co-Studienleiterin. „Zum besseren Schutz der Tiere in der Umwelt brauchen wir deshalb Regularien, die Grenzwerte auf Basis des kumulativen Risikos festlegen.“
Die Forschenden fordern deshalb, mehr relevante Verhaltenstests für niedrig konzentrierte Chemikalien in die Rahmenwerke zur Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln zu integrieren. Dies würde helfen, kritische Substanzen zu identifizieren und Nicht-Zielorganismen besser zu schützen und würde so zum Erhalt der Biodiversität in Agrarlandschaften beitragen.









Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.