Neue Langzeitstudie zeigt Einfluss von Trockenheit
Zunehmender Wassermangel beeinflusst die Population von Insekten stark, während Temperatur und Naturschutzmanagement weniger entscheidend sind. Zu diesem Schluss kommen Senckenberg-Forschende in einer im Fachjournal „Biological Conservation“ veröffentlichten Studie. Darin untersuchten sie anhand von Langzeitdaten aus Schutzgebieten in Deutschland die Auswirkungen des Klimawandels auf Zikaden-Gemeinschaften.
von Senckenberg/Redaktion erschienen am 06.03.2025Die Forschenden nutzten für ihre Studie Daten zur Zikadenpopulation von Trockenrasen. Diese sind Hotspots der Biodiversität: Trotz extremer Bedingungen wie Trockenheit und Nährstoffarmut beherbergen die karg anmutenden Flächen eine Vielzahl spezialisierter und häufig auch bedrohter Pflanzen- und Insektenarten. „Während Trockenrasen für uns Menschen aus wirtschaftlicher Sicht eher unattraktiv erscheinen, haben sich Flora und Fauna an die dort herrschende geringe Wasserverfügbarkeit angepasst“, erläutert der Erstautor der Studie, Dr. Sebastian Schuch, von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden und führt aus: „Schwere Dürreperioden können sich aber auch auf Arten auswirken, die eigentlich an Trockenheit angepasst sind. So sind besonders pflanzensaugende Insekten, die flüssige Nahrung durch das Anstechen bestimmter Pflanzenteile erhalten, stark von der Wasserverfügbarkeit ihrer Wirtspflanzen abhängig.“
Der Dresdner Wissenschaftler hat gemeinsam mit Prof. Dr. Karsten Wesche vom Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz langfristige Trends der Zikadenpopulationen anhand von Stichproben aus drei Jahrzehnten verglichen: den 1960er-, 2000er- und 2010er-Jahren. „Es gibt knapp 650 Zikadenarten in Deutschland. Diese Insekten eignen sich hervorragend zur Untersuchung langfristiger Entwicklungen, insbesondere in Graslandökosystemen, da sie in großer Vielfalt und hoher Dichte vorkommen. Sie reagieren zudem empfindlich auf kleinräumige Umweltveränderungen und viele Arten weisen eine hohe Habitat- und Nahrungspflanzenspezifität auf“, erklärt Wesche.
Ziel der Untersuchung war es unter anderem zu erfassen, ob der Klimawandel sich bereits auf die biologische Vielfalt der Insekten auswirkt. Hierfür setzte das Zweiergespann aus Dresden und Görlitz die Daten zur Artenvielfalt und Häufigkeit der Insekten in Beziehung zu Wetterdaten und Informationen über das jeweilige Naturschutzmanagement vor Ort. „So konnten wir zeigen, dass sich die Zikaden-Gemeinschaften über die Jahrzehnte, aber auch mit den Jahreszeiten und mit dem mittleren saisonalen Niederschlag signifikant veränderten. Die mittleren Lufttemperaturen und das Naturschutzmanagement haben dagegen keine starken Auswirkungen auf die Insekten“, knüpft Schuch an und fährt fort: „So haben beispielsweise die Dürrejahre seit 2018 einen großen Einfluss auf die Zikaden in unseren Untersuchungsgebieten.“
Die Forscher schließen daraus, dass die abnehmende Wasserverfügbarkeit in Trockenrasen eine wichtige Rolle für Zikaden spielt, die stark von der Quantität und der Qualität der Nahrungspflanzen abhängig sind. „Ein weniger wichtiger Faktor war dagegen die lokale Bewirtschaftung der Habitate, das ist aus Sicht des Naturschutzes eine ernüchternde Erkenntnis. Die Maßnahmen in den geschützten Gebieten reichen nicht aus, um den Rückgang der Insekten zu stoppen“, fügt Wesche hinzu.
Das Studienteam betont, dass Zikaden eine Reihe von Insektenarten und deren ökologische Präferenzen repräsentieren und die Ergebnisse daher auch auf andere Gruppen, insbesondere auf pflanzenfressende Insekten, übertragbar sind. „Für Lebensgemeinschaften, die bereits an trockenen Standorten vorkommen, können Maßnahmen zum Schutz vor Austrocknung – beispielsweise das Einrichten von schattigen Mikrohabitaten mit Gehölzen – möglicherweise wichtig werden. Dies sollte im Naturschutz mehr Beachtung finden. Die sich aufgrund des Klimawandels verändernden Niederschlagsmuster sind einer der Hauptfaktoren für die Umgestaltung der globalen Ökosysteme – aber auch die veränderte Landnutzung muss weiter im Fokus bleiben, nicht nur wegen ihrer direkten Auswirkung, sondern auch hinsichtlich der Wechselwirkungen mit dem Klimawandel“, schließt Schuch.
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